Stephan Berrens: Sonnenkult und Kaisertum von den Severern bis zu Constantin I. (193-337 n. Chr.). Stuttgart: Steiner 2004 (Historia-Einzelschriften 185). 282 S., 2 Tafeln. Euro 44. ISBN 3-515-08575-0.

Den Bezügen zwischen Sonnenkult und Kaisertum im Zeitraum von den severischen Kaisern, unter denen der militärische Charakter der Herrschaft in den Vordergrund trat, bis zum Tode Konstantins d. Gr., in dessen Regierungszeit solare Gottesvorstellungen vom Christentum aufgesogen wurden,1 geht Stephan Berrens in einer breit angelegten Untersuchung nach, die die genuin römischen Wurzeln der Sonnenverehrung gegenüber angeblichen orientalischen Einflüssen2 hervorhebt. Dabei geht es in erster Linie darum, „welche Motive die etwa fünfzig in Rom anerkannten Kaiser und die nicht anerkannten Usurpatoren hatten, den Sonnengott und die aus dem Sonnenkult entlehnte Symbolik im Rahmen ihrer Selbstdarstellung zu verwenden“ (11). Somit leistet Berrens einen Beitrag, der sich in die seit einer Reihe von Jahren bemerkbaren Gegenbewegung zu Positionen wie denen Cumonts einordnen läßt und statt der orientalischen die restaurativen Tendenzen kaiserlicher Religionspolitik herauszuarbeiten bemüht ist.


Berrens führt seine Untersuchung in drei Gedankenkreisen durch. In einem ersten, zum Thema hinführenden Teil beschreibt er die politischen und religiösen Rahmenbedingungen im Römischen Reich, wie sie sich unter den Severern und im 3. Jahrhundert darstellten: Hierzu gehören der genuin römische Sonnenkult, ferner Sonnenkulte des östlichen Mittelmeerraums und die Sonnenverehrung in den Provinzen des Westens und an der Donau, sodann Verbindungen zwischen Sonnenkult und Mithrasverehrung sowie Christentum. Dabei weist Berrens darauf hin, daß der Einfluß des Neuplatonismus gewiß die Empfänglichkeit für den Sonnenkult erhöht habe, streitet jedoch eine Auswirkung auf die Motive kaiserlicher Selbstdarstellung in Verbindung mit der Sonnenverehrung ab. In der römischen Tradition der Verbindung von Sonnensymbolik und herrscherlichem Selbstverständnis seit Augustus sieht er statt dessen ein Fundament für die kaiserliche Selbstdarstellung auch im 3. Jahrhundert, das er eher als Krisenzeit denn als Epoche der Transformation versteht – was sich auf sein Verständnis von der Bedeutung des Sonnenkultes für das Kaisertum und dessen Präsentation natürlich auswirkt.


Der zweite und längste Teil der Studie enthält die Detailarbeit: In chronologischer Ordnung untersucht Berrens für die einzelnen Kaiser von Septimius Severus bis Konstantin d. Gr. die Rezeption von Elementen des Sonnenkults für die kaiserliche Selbstdarstellung. Auf diese Weise betont er bei aller Berücksichtigung innovativer Aspekte immer auch die Kontinuität, in die die römischen Kaiser sich hineinstellen und namentlich aufgrund der häufigen Wechsel und der Konkurrenz durch Usurpatoren im 3. Jahrhundert auch hineinzustellen sehr bemüht sind, um gegen die Krisensymptome zu wirken, entgegen den Tendenzen der Zeit erneut Hoffnung auf Kontinuität zu wecken und diesen Gedanken vor allem auch möglichst mit der eigenen Person zu verbinden. Daß dabei der Sonnenkult nur ein Element unter mehreren von den Kaisern in den Dienst dieser Interessen gestellten Möglichkeiten ausmacht, gerät bei Berrens manchmal etwas in den Hintergrund. Dessen ungeachtet steckt in diesem Kapitel sehr viel Arbeit mit dem Bemühen, anhand der Münzdarstellungen den je eigenen Beitrag der Kaiser des besagten Zeitraums zur Rezeption des Sonnenkults für die Herrschaftsdarstellung zu würdigen.


Schon bei der Rezeption des Sonnengottes durch die severischen Kaiser liegt in der Abwägung des Zusammenwirkens der römischen Traditionen, des familiären Herkommens und dynastischer Rücksichtnahmen eine Herausforderung, einerseits Botschaften wie die aeternitas- und die pacator-orbis-Thematik angesichts der Reichssituation und der kaiserlichen Interessen zu gewichten, andererseits die Berufung auf den Sonnengott mit der im Vordergrund stehenden Legitimation durch Iupiter abzuwägen. Das Material erlaubt durchaus facettenreich die Individualität der unterschiedlichen Severerkaiser zu erfassen. Dabei sieht Berrens in den Ambitionen Elagabals (218-222), seinen Sonnengott in Rom zu etablieren, nur eine Episode, kein Symptom für eine orientalische Überformung des römischen Sol.


Neue Akzente macht Berrens mit Gordian III. (238-244) aus, für dessen Herrschaftslegitimation Sol nicht nur in Verbindung mit der Kontinuitätspropaganda (aeternitas), sondern auch als Garant für einen Neubeginn (oriens) steht, vor allem aber in der Ausstattung mit der Weltherrschaft eine Rolle spielt, die bislang mit Iupiter verbunden wurde, eine Weichenstellung, durch die die Jahre Gordians III. „förmlich Beispielcharakter für den gesamten Untersuchungszeitraum“ (69) gewinnen. Hierdurch liegt auch die Verbindung des Sonnengottes mit der Sieghaftigkeit des Kaisers nahe, was schließlich zu seiner Kennzeichnung als invictus zur Zeit der Alleinherrschaft des Gallienus (260-268) führt.


Bei der Besprechung der letzten Phase der Soldatenkaiserzeit steht natürlich Aurelian (270-275) im Mittelpunkt des Interesses. Dabei streitet Berrens unter anderem im Lichte der von ihm für die Aurelian vorausgehenden Kaiser formulierten Bezüge zwischen Herrschaftslegitimation und Sonnenkult ab, dieser Kaiser habe die „Etablierung eines Sonnenkultes als einzige legitime Religion im Römischen Reich“ (125) durchsetzen wollen. Er stellt die Hervorhebung des Sonnengottes durch Aurelian vielmehr in den Zusammenhang der Reichserneuerung3 durch die Siege über das Gallische Sonderreich und das Teilreich von Palmyra und sieht in der damit verbundenen Propaganda des restitutor orbis wie in der Errichtung der Tempelanlage für Sol in Rom und der Organisation dieses Kultes eine bewußte „Anknüpfung an die Sieges- und Friedensideologie des Augustus“ (119), womit Aurelian zugleich eine Brückenfunktion für die in der Sol-Apollo-Vision4 erkennbare Augustus-Rezeption durch Konstantin d. Gr. haben könnte.


Schließlich geht es noch um die Bedeutung des Sol im Rahmen der Tetrarchie und der Herrschaft Konstantins d. Gr. Berrens sieht den Sonnengott nicht nur gemeinsam mit Iupiter, Hercules und Mars als zentrale Gottheit in der Zeit der Tetrarchie, sondern stilisiert ihn gar zum Schutzgott des Galerius,5 was nicht recht in das System der sakralen Beinamen der Tetrarchen zu passen scheint. Andererseits kann er durch die Affinitäten des Constantius I. dem Sonnengott gegenüber die Anknüpfung seines Sohnes Konstantin an Sol invictus plausibel begründen. Die Berufung auf den Sonnengott erfüllt zudem die Funktion, in der Zeit der Auseinandersetzung mit Licinius diesem die Abkehr Konstantins vom tetrarchischen System und den Anspruch auf Vorrang vor Augen zu führen. Für die Eingliederung der solaren Symbolik in christliche Interpretationsansätze möchte Berrens lieber eine längere Entwicklung als eine in einem genau begrenzbaren Zeitraum vollzogene Wende verantwortlich machen.


Auf die Erarbeitung der Details in chronologischer Ordnung folgt als dritter Teil ein systematisches Kapitel über die Bezüge zwischen Kaisertum und Sonnenkult. Zunächst stellt Berrens die Eigenschaften des Sonnengottes im Zusammenhang mit dem kaiserlichen Selbstverständnis dar: den Ewigkeitsgedanken, den in dem Begriff Sol oriens nahegelegten Kaiservergleich und seine Konnotationen, sodann die in der Sieghaftigkeit, dem Friedensaspekt und Sol als Heeresgott liegenden militärischen Assoziationen. Kontinuierlich durchlaufende Linien und Neuerungen werden hier noch einmal herausgestellt; insofern ist das Kapitel auch eine Bündelung der Ergebnisse. Im zweiten Abschnitt dieses Teils werden die Bezüge zwischen Kaiser und Sonnengott herausgestellt. Sol als comes Augusti und als conservator Augusti deuten ein persönliches Nahverhältnis bzw. die – ursprünglich allein Iupiter zukommende – Schutz und Rettung gewährende Funktion des Gottes an. Umgekehrt ist in den Attributen der Strahlenkrone und des Globus auch die Angleichung des Kaisers an den Sonnengott feststellbar, die im direkten Sonnenvergleich einmündet, wie er insbesondere für Konstantin beispiellos ist, während sich für Aurelian etwa kein Beleg finden läßt.


Abschließend liefert Berrens einen Ausblick auf die Reminiszenzen des Sonnenkults im christlichen Römischen Reich der nachkonstantinischen Zeit und faßt seine Ergebnisse zusammen. Im Anhang bietet er unter anderem ein ausführliches Stellenregister und eine Anzahl einschlägiger Münzabbildungen.


Nicht sehr glücklich allerdings ist Berrens’ Umgang mit der Literatur, gegen die er Stellung bezieht. Man hätte sich gewünscht, daß er dezidiert Positionen Cumonts bespricht, sie in seine Argumentation einbezieht und seine eigene Anschauung auch in der Konfrontation mit anderen Ansichten profiliert herausarbeitet. Davon findet sich jedoch so gut wie nichts, die Gegenposition Cumonts wird nur recht pauschal mit der Orientalisierung der römischen Religion bezeichnet, eine inhaltliche Auseinandersetzung in nennenswertem Umfang findet nicht statt; Berrens lehnt die Position ab, verläßt sich aber ganz auf Begründungen anderer, ohne auch auf diese eigens einzugehen.6 So und auf ähnliche Weise pauschal verfährt er auch mit anderer Literatur: Emotionale Bewertungen, zum Beispiel Adolf Lippold halte „verzweifelt“ (12 Anm. 21) an der Datierung der Historia Augusta in diokletianisch-konstantinischer Zeit fest, Johannes Straub spreche „überspitzt von ‚heidnischer Geschichtsapologetik’“ (13 Anm. 26), oder der „fast verzweifelt anmutende Kommentar“ (13 Anm. 27) Dieter Flachs über die Historia Augusta,7 und nichtssagende Pauschalurteile wie „die nicht unproblematische Untersuchung“ (72 Anm. 82) Christian Körners und „die hingebungsvolle und unkritische Übernahme der Idee eines ‚tendenziell monotheistischen Kultes’“ (11 Anm. 12) durch Gerald Kreucher8 wirken recht deplaziert, wenn eine sachliche Auseinandersetzung unterbleibt. Frank Kolb unterstellt er gar, die Cumonts Interpretation folgende Arbeit von Gaston H. Halsberghe als „Standardwerk für den Bereich der Münzprägung der ‚Soldatenkaiser’ mit Sol“ (11 Anm. 12) bezeichnet zu haben, was er als „schmerzlich“ (ebd.) klassifiziert, wovon sich aber bei Kolb kein Wort findet.9 Derlei Stellungnahmen – Verurteilungen ohne Begründungen – sind nicht dazu angetan, das Vertrauen in Berrens’ Untersuchung zu erhöhen; diese muß sich unter anderem daran messen lassen, wie sie mit abweichenden wissenschaftlichen Auffassungen umgeht. Mißverständnisse ergeben sich aber auch, wenn Berrens auf Ansichten stößt, denen seine Ergebnisse entsprechen: Zu der Dialektik des eigentlich genau in Berrens’ Gesamtinterpretation passenden Urteils von Martin Wallraff, „zum spezifischen Profil des römischen Sol invictus gehörte seine Profillosigkeit“10, fehlt ihm der Zugang; er reißt den Satz aus dem Kontext und versteht ihn völlig falsch als „Abwertung“ oder „Hilflosigkeit“.


Gegenüber diesen Vorbehalten sind weitere Unzulänglichkeiten marginal: die Inkonsequenzen bei der Anwendung der sogenannten neuen Rechtschreibung, die Akzentfehler im Griechischen wie auch die Druckfehler allgemein, peinlich insbesondere bei Eigennamen wie „Instinski“ und „Kettenhoven“ statt richtig „Instinsky“ und „Kettenhofen“ (75 Anm. 122; 172 mit Anm. 10; 174, Anm. 26; 253), Unstimmigkeiten im deutschen Satzbau und in der Grammatik, die öfters recht eigenwillige Zeichensetzung.


Aufs Ganze gesehen – das wird man sicherlich bestätigen können – hat Berrens im Anschluß an Tendenzen in der neueren wissenschaftlichen Literatur durch eine umfassende Untersuchung des Münzmaterials und unter Heranziehung anderer Quellen des Zeitraums von Septimius Severus bis Konstantin d. Gr. untermauert, daß die zunehmende Bedeutung des Sonnenkults Gründe hat, die sich aus dem Selbstverständnis der römischen Kaiser und dem Bedürfnis, ihre Herrschaft zu legitimieren und ideologisch zu überhöhen, gut erklären lassen, ohne daß man das Argument der Orientalisierung der römischen Religion in den Vordergrund stellen muß.

Ulrich Lambrecht, Bornheim-Sechtem
lambre@uni-koblenz.de



1 Vgl. hierzu Martin Wallraff: Christus Verus Sol. Sonnenverehrung und Christentum in der Spätantike, Münster 2001 (JbAC-Erg.bd. 32), Rez. Ulrich Lambrecht, H-Soz-u-Kult, 21. 2. 2002.; Karen Piepenbrink, Plekos 5, 2003.

2 Diese wurden nachdrücklich durch das einflußreiche Werk von Franz Cumont: Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, 3. Aufl. Leipzig 1931, ins Spiel gebracht.

3 Wie im übrigen auch schon Wallraff (Anm. 1) 34f.

4 Vgl. Paneg. 6(7),21.

5 So bereits Helmut Castritius: Studien zu Maximinus Daia, Kallmünz 1969 (Frankfurter Althistorische Studien 2), 28f. Dagegen verdient meines Erachtens die Auffassung von Frank Kolb: Diocletian und die Erste Tetrarchie. Improvisation oder Experiment in der Organisation monarchischer Herrschaft?, Berlin/New York 1987 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte 27), 88-114; 168f. den Vorzug.

6 Vgl. etwa Berrens 9f. mit Anm. 6f.; 19 mit Anm. 17-19; 171 mit Anm. 7f. Er nennt zum Beispiel Géza Alföldy: Die Krise des Imperium Romanum und die Religion Roms, in: Werner Eck (Hrsg.): Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit. Kolloquium zu Ehren von Friedrich Vittinghoff, Köln/Wien 1989 (Kölner Historische Abhandlungen 35), 53-102.

7 Mit Bezug auf Adolf Lippold: Die Historia Augusta. Eine Sammlung römischer Kaiserbiographien aus der Zeit Konstantins. Mit einem Vorwort und Registern hrsg. v. Gerhard H. Waldherr, Stuttgart 1998; Johannes Straub: Heidnische Geschichtsapologetik in der christlichen Spätantike. Untersuchungen über Zeit und Tendenz der Historia Augusta, Bonn 1963 (Antiquitas 4,1); Dieter Flach: Einführung in die römische Geschichtsschreibung, 2. Aufl. Darmstadt 1992, 279. Flachs Buch liegt übrigens seit 1998 in überarbeiteter 3. Auflage vor.

8 Mit Bezug auf Christian Körner: Philippus Arabs. Ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninisch-severischen Prinzipats, Berlin/New York 2002 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte 61), Rez. Ted Kaizer, Plekos 5, 2003; Gerald Kreucher: Der Kaiser Marcus Aurelius Probus und seine Zeit, Stuttgart 2003 (Historia-Einzelschriften 174), 195 (unvollständige Titelaufnahme bei Berrens 11 Anm. 12; 255).Kreucher ist rezensiert von Ulrich Lambrecht, Plekos 6, 2004, 49-53.

9 Vgl. Frank Kolb: Herrscherideologie in der Spätantike, Berlin 2001, 197 mit Anm. 600 unter Berufung auf Gaston H. Halsberghe: The Cult of Sol invictus, Leiden 1972 (Études préliminaires aux religions orientales dans l’empire romain 23), 164ff. Vgl. auch Berrens 21 Anm. 32. Kolb ist rezensiert von Joachim Gruber, Plekos 3, 2001.

10 Wallraff (Anm. 1) 35; vgl. hierzu Berrens 240 Anm. 10.


PDF-Version ¦ ¦ Inhalt Plekos 7,2005 HTML ¦ ¦ Inhalt Plekos 7,2005 PDF ¦ ¦ Startseite Plekos