Gerald Kreucher: Der Kaiser Marcus Aurelius Probus und seine Zeit. Stuttgart: Steiner 2003 (Historia-Einzelschriften 174). 298 S. Euro 48. ISBN 3-515-08382-0.

Mehr und mehr wendet sich die althistorische Forschung dem früher vernachlässigten 3. Jahrhundert n. Chr., namentlich der Soldatenkaiserzeit, zu. Dazu tragen methodisch Neuorientierung suchende Werke mit allgemeinem Anspruch [1] ebenso bei wie die intensive Erforschung von Teilkomplexen [2] und die Interpretation der verfügbaren Quellenzeugnisse zur Erfassung des Lebens und Wirkens einzelner Kaiser dieser Zeit [3]. Auf diese Weise ist der Forschungsprozeß in den letzten Jahren so weit fortgeschritten, daß er jetzt auch seinen Niederschlag in neueren Überblicken zu Studienzwecken findet. [4] Während Soldatenkaiser wie Philippus Arabs und Aurelian in jüngster Zeit monographische Behandlung erfahren haben, ist dies bei Probus (276 – 282), dem wichtigen Vertreter der Übergangszeit zwischen Aurelian und Diokletian, nicht der Fall [5].

Insofern begleiten das neue Buch über Probus, eine von Erich Kettenhofen betreute Trierer Dissertation, hohe Erwartungen, denen es auch vollauf gerecht wird. Eingangs stellt Kreucher die Quellen zu Probus vor; ein weiteres Kapitel widmet er allgemeinen Problemen im Zusammenhang mit der Datierung der Herrschaft des Probus und seiner unmittelbaren Vorgänger Tacitus und Florianus. Nach Klärung dieser Voraussetzungen folgt der im eigentlichen Sinne biographische Teil, konzentriert auf die Chronologie der Herrschaftszeit des Probus, und schließlich ein systematisches Kapitel über seine politischen Maßnahmen in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen. Den Schluß bilden eine knappe Zusammenfassung, eine Zeittafel und ein Anhang mit Auflistung der Münzhorte, in denen Schlußmünzen der Kaiser Tacitus, Florian und Probus eine Rolle spielen, gefolgt vom Quellen- und Literaturverzeichnis sowie vom Register.

Angesichts hochproblematischer literarischer Quellen wie der Historia Augusta ist die Behandlung von Teilen der Soldatenkaiserzeit nicht nur auf eine kritische Haltung den erzählenden Quellen und ihren Widersprüchen gegenüber angewiesen, sondern darüber hinaus selbstverständlich auf die Einbeziehung aller verfügbaren Quellengattungen, also auch der Papyri, Inschriften und Münzen, um fehlende Qualität und Quantität der anderen Quellen wenigstens teilweise auszugleichen. In den Mittelpunkt der lateinischen literarischen Quellen stellt Kreucher nach Aurelius Victor, Eutrop, der Enmannschen Kaisergeschichte, der Epitome de Caesaribus und deren Interdependenzen die Historia Augusta, für die er in Anlehnung an die communis opinio eine Datierung in die letzten Jahre des 4. Jahrhunderts favorisiert, unter den griechischen Quellen hebt er Zosimos, Johannes Malalas und Zonaras besonders hervor. Die griechischsprachigen Papyri aus Ägypten dienen Kreucher als verläßliche Hilfe für Aussagen zur Herrschertitulatur einschließlich der Siegerbeinamen und für Datierungsfragen. Hierzu und für innenpolitische Maßnahmen sind auch die Inschriften eine unerläßliche Quelle, während sich aus Münzen Aufschlüsse über Titulaturen und die Zählung von Konsulaten und tribunicia potestas gewinnen lassen. Aus dieser Quellenübersicht und einer Einschätzung der Erkenntnisse, die sich aus ihnen gewinnen lassen, ergeben sich erste Aufschlüsse über die mit einer Rekonstruktion der Regierungszeit des Probus verbundenen Schwierigkeiten, die neben den zahlreichen, auf mehr oder minder fiktiven Angaben der Historia Augusta und der Lückenhaftigkeit anderer Quellen, ihren Widersprüchen und andererseits mutmaßlichen oder erwiesenen Abhängigkeiten beruhenden Problemen in der Erstellung eines korrekten oder wenigstens plausiblen, zudem zeitlich annähernd fixierten chronologischen Ablaufs liegen.

Im Grunde ähneln Fragestellungen und Methodik zu Themen der Soldatenkaiserzeit einander, die das Wirken bestimmter Kaiser im Rahmen einer größeren Abhandlung erfassen möchten: Es geht um die möglichst lückenlose Erschließung der überlieferten Angaben zum Lebensweg und Wirken eines Mannes, der eine Zeitlang, meist mehr oder weniger kurz, Probus immerhin respektable sechs Jahre, die Geschicke des Römischen Reiches in der Hand hatte, und von den hierzu erarbeiteten Ergebnissen aus um eine Einschätzung seines Beitrages zur Bewahrung bzw. Reformierung des römischen Reiches, z. B. seiner Ausrichtung an der Vergangenheit und / oder der Schaffung von Grundlagen, die in die Spätantike vorausweisen. In einen derartigen Kontext läßt sich auch Kreuchers Probus-Monographie (nicht –Biographie) einordnen, die eine bisherige Forschungslücke ausfüllt.

Nach dem Einleitungs- und Quellenkapitel (11-50) geht Kreucher daher zunächst auf allgemeine Datierungsfragen ein (Kap. 2; 51-89) und strukturiert auf diese Weise den von ihm behandelten Zeitraum 275 – 282, der die Regierungszeiten der Kaiser Tacitus, Florianus und Probus umfaßt. So stellt er für den Zeitabschnitt 274/75 – 282/83 die griechischen Papyri und Ostraka aus Ägypten zusammen, bringt sie in eine chronologische Ordnung von der Spätzeit Aurelians bis ins erste Regierungsjahr des Carus und wertet sie besonders hinsichtlich der Herrschaftsübergänge zwischen den Kaisern dieses Zeitraums aus. Es folgen die widersprüchlichen Belege zu tribunizischen Gewalten und Konsulaten für Tacitus, Florian und Probus auf Inschriften und Münzen, die auf ihre Plausibilität und Korrektheit untersucht werden. Für Probus bestätigt Kreucher aufgrund der zusammengestellten Angaben, daß dieser wohl die tribunizische Gewalt jeweils am dies imperii erneuert hat. Schließlich dienen die papyrologischen und inschriftlichen Belege für die Titulatur und besonders die Siegesbeinamen des Probus und seiner beiden Vorgänger dazu, vor allem die außenpolitischen Aktivitäten in eine plausible Abfolge zu bringen. [6]/P>

Nach der sicherlich mühsamen, doch überzeugenden Erstellung eines Datengerüstes mit Hilfe aller verfügbaren Belege ist der Boden für den biographisch-chronologischen Teil der Probus-Monographie (Kap. 3; 91-186) bereitet. Über die Zeit vor der Herrschaft gibt es nicht allzu viele Nachrichten: seine wohl bescheidene Herkunft aus dem Raum Sirmium und zur Militärlaufbahn nicht mehr als daß er sich wahrscheinlich als Kavalleriekommandeur hervortat und vor seiner Erhebung zum Kaiser zuletzt vermutlich eine der drei syrischen Provinzen verwaltete, während die Angaben der Historia Augusta zum Leben des Probus vor seiner Herrschaft großenteils „frei erfunden sein“ (101) dürften. So macht denn auch für die eigentliche Herrschaftszeit des Probus ein Gutteil der Ausführungen Kreuchers die Historia-Augusta-Kritik mit Hilfe des im zweiten Kapitel erarbeiteten Datengerüsts aus. Die Frage nach der senatsfreundlichen Politik des Kaisers Tacitus reiht Kreucher zu Recht als Übertreibung der Historia Augusta ein. Vielleicht lohnt es sich, einmal der Frage nachzugehen, ob neben dem vorgeblichen Bildungsinteresse dieses Kaisers auch die unterstellte Senatsorientierung mit dem Geschichtsschreiber Cornelius Tacitus als angeblichem Vorfahren des gleichnamigen Soldatenkaisers und dessen Bild von einem „guten“ Prinzipat, wie er es zu Beginn der Herrschaft Trajans entwickelt, in Verbindung gebracht werden kann. Respekt vor der römischen Tradition, als welcher die – formale – Berücksichtigung des Senats gedeutet zu werden vermag, hinderte den Kaiser jedenfalls nicht, auf dem bereits von den Vorgängern beschrittenen Weg fortzufahren und Statthalter zu Lasten der Senatoren mehr und mehr aus dem Ritterstand zu rekrutieren.

Für die Behandlung der Biographie des Probus als Kaiser orientiert sich Kreucher von Anfang bis Ende an den außen- und innenpolitischen Krisen und anderen Ereignissen, die einen Niederschlag in Quellen gefunden haben und eigenes Handeln des Kaisers oder Aufträge an andere erforderlich machten. Dazu gehören die Machtergreifung des Probus und das Ende Florians, die zeitgleichen Kämpfe mit den Goten in Kleinasien (276), die Befreiung Galliens von den eingefallenen Alemannen und Franken (277-278) mit Überlegungen zum Itinerar des Kaisers von Kleinasien in den Westen des Reiches, der Friedensvertrag mit den Baquaten in der Provinz Mauretania Tingitana (277 und 280), Kämpfe in Rätien gegen die hier eingedrungenen Burgunder und Vandalen (278), der Aufenthalt in Illyrien (278-279), die Befriedung der Provinz Lycia et Pamphylia (278), der Erfolg gegen die Blemmyer in Ägypten (279) und gegen die Perser (279), ein möglicher Besuch des Kaisers in Rom im Sommer 279, die Ansiedlung von Bastarnern (Goten?) und Franken in Thrakien (280), der Usurpationsversuch in Britannien (280 oder 281), die Aufstände des Proculus und des Bonosus (281) sowie der des Saturninus (281), der Triumphzug über Blemmyer und Bastarner (Ende 281), die angeblichen Vorbereitungen für einen Perserfeldzug und die Ermordung des Probus in Sirmium (282). Der Inhalt dieses Kapitels besteht im wesentlichen aus Überlegungen, die eine kritische, zugleich behutsam und abwägend vorgehende und doch überzeugend argumentierende Sichtung des Quellenbestandes enthalten und die Überlegungen zur Abfolge der Ereignisse mit dem Reiseweg des Kaisers in Einklang bringen bzw. Unternehmungen aus seinem Itinerar aussondern, so daß sie durch Beauftragte des Kaisers erledigt worden sein müssen (z. B. das Eingreifen in Lycia et Pamphylia und in Ägypten). Auf diese Weise kommt Kreucher zu plausiblen Datierungsansätzen für die bislang kontrovers diskutierte Ereignisfolge während der Herrschaft des Probus und die Aktivitäten des Kaisers.

Nach den Überlegungen zur Rekonstruktion der Chronologie der Herrschaft des Probus betrachtet Kreucher eine Reihe von Aspekten systematisch (Kap. 4; 187-242). Im Rahmen der Innenpolitik untersucht er besonders das Verhältnis des Probus zum Senat, über das die Historia Augusta aufgrund ihrer probusfreundlichen Tendenz positive Worte im Sinne einer regelrechten Regierungsbeteiligung verliert (vgl. Hist. Aug. Prob. 13). Dies ist Fiktion [7]; es gab zwar keine größeren Probleme zwischen Probus und dem Senat, aber der Kaiser setzte die von militärischen Bedürfnissen geprägte Politik seiner Vorgänger fort und suchte seine Position unter anderem durch einen intensiven Kaiserkult zu festigen. Angesichts solcher Grundlinien ist eine Haltung des Probus gegenüber dem Senat unwahrscheinlich, die diesem mehr als formale Mitwirkungsrechte zugestand. Die Religionspolitik des Probus ordnet Kreucher aufgrund numismatischer Belege in die Nachfolge der Förderung des Sonnengottes durch Aurelian ein. Im Abschnitt über die Personalpolitik stellt er die Konsuln, Stadtpräfekten und die bekannten Statthalter unter Probus zusammen. Abweichende Tendenzen von der Personalpolitik vorhergehender Kaiser stellt Kreucher nicht fest; er kennzeichnet sie als „pragmatisch“ (212), soweit man aufgrund der lückenhaften Überlieferung ein Urteil fällen kann. Die Angaben zur Wirtschaftspolitik beziehen sich auf Überlegungen zu einigen wenigen überlieferten Maßnahmen wie der Förderung des Weinanbaus in verschiedenen Westprovinzen und Kanalarbeiten in Ägypten, die mit Sicherheit zentrale Aufmerksamkeit des Kaisers beanspruchende Militärpolitik auf Befestigungsanlagen, mit denen in Reaktion auf das Bedrohungspotential von außen neben dem Grenzraum auch das Hinterland einbezogen wurde. Aufmerksamkeit beansprucht auch die Währungspolitik in einer Zeit ständiger Geldentwertung „offensichtlich in Zusammenhang mit den steigenden Kosten des Militärs“ (230). Inflationäre Tendenzen auch unter Probus belegt Kreucher durch einen Überblick über die Entwicklung des Münzwesens von Tacitus bis Probus.

Am Schluß bilanziert Kreucher die Regierungszeit des Probus recht knapp (Kap. 5; 243-245). Als positiv stellt er die energische Niederschlagung der Usurpationsversuche und die raschen Erfolge gegen Bedrohungen von außen wie die Befreiung Galliens von den Germanen, „die wichtigste Leistung des Probus“, dar, so daß er für seine Regierung „die Schonung der Kräfte des Reiches“ (243, beide Zitate) hervorhebt, eine Regierung mit „Augenmaß“ (244), die die unter Aurelian einsetzende Konsolidierung des Imperium Romanum fortsetzte. Diese Aspekte hätte Kreucher nutzen können, um der Regierungszeit des Probus ihren Platz in der Geschichte des 3. Jahrhunderts, der Soldatenkaiserzeit und des Übergangs zur Reformphase unter Diokletian zuzuweisen. Auf diese Einordnung des Probus und Bewertung seiner Zeit verzichtet Kreucher ohne Grund. Sie hätte die Bedeutung seiner Ergebnisse nur ins rechte Licht gerückt. Doch sprechen diese auch so für sich. Für Forschungen zu Probus wird künftig Kreuchers Monographie als nützlicher Wegweiser willkommen sein.

Ulrich Lambrecht, Bornheim-Sechtem
lambre@uni-koblenz.de


[1] Vgl. etwa Karl Strobel: Das Imperium Romanum im ‚3. Jahrhundert’. Modell einer historischen Krise? Zur Frage mentaler Strukturen breiterer Bevölkerungsschichten in der Zeit von Marc Aurel bis zum Ausgang des 3. Jahrhunderts n. Chr. Stuttgart 1993 (Historia-Einzelschriften 75); Christian Witschel: Krise – Rezession – Stagnation? Der Westen des römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. Frankfurt am Main 1999 (Frankfurter althistorische Beiträge 4).

[2] Vgl. Ingemar König: Die gallischen Usurpatoren von Postumus bis Tetricus. München 1981 (Vestigia 31); Udo Hartmann: Das palmyrenische Teilreich, Stuttgart 2001 (Oriens et Occidens 2) [Rezension: Plekos 3, 2001].

[3] Vgl. als Beispiele aus jüngster Zeit Christian Körner, Philippus Arabs. Ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninisch-severischen Prinzipats, Berlin – New York 2002 (Untersuchungen zur antiken Geschichte und Literatur 61) [Rezension: Plekos 5, 2003, 195-199 (pdf; html)]; Alaric Watson: Aurelian and the Third Century. London/New York 1999.

[4] Vgl. Michael Sommer: Die Soldatenkaiser. Darmstadt 2004 (Geschichte kompakt – Antike).

[5] Zuletzt Giovanni Vitucci: L’imperatore Probo. Rom 1952 (Studi pubblicati dall’ Istituto Italiano per la storia antica 8).

[6] Hierzu bereits Erich Kettenhofen, Die Siegestitulatur des Kaisers Probus, in: ZAnt 36, 1986, 39-43.

[7] So schon Johannes Straub: Juristische Notizen in der ‚Historia Augusta’, in: Actes de la XIIe conférence internationale d’ études classiques «Eirene», Cluj-Napoca 2-7 octobre 1972, Bukarest/ Amsterdam 1975, 383-401, wiederabgedruckt in: Johannes Straub: Regeneratio Imperii. Aufsätze über Roms Kaisertum und Reich im Spiegel der heidnischen und christlichen Publizistik, Bd. 2. Darmstadt 1986, 196-217, hier 202.


PDF-Version ¦ ¦ Inhalt Plekos 6,2004 HTML ¦ ¦ Inhalt Plekos 6,2004 PDF ¦ ¦ Startseite Plekos