Thomas Fischer (Hrsg.): Die römischen Provinzen. Eine Einführung in ihre Archäologie. Stuttgart: Konrad Theiss Verlag 2001. 396 S., zahlreiche Abb.  Euro 32,--. ISBN 3-8062-1591-X.

Thomas Fischer, Inhaber des Lehrstuhls für Archäologie der römischen Provinzen an der Universität zu Köln, hat im Theiss Verlag bereits mehrere Arbeiten zum römischen Germanien publiziert, so etwa zuletzt den ansprechend gestalteten Band über die Römer in Deutschland. Im Gegensatz dazu (und zur sonstigen Tradition des Verlags) erscheint die vorliegende Publikation schon rein äußerlich eher nüchtern und unattraktiv. Obwohl zahlreiche, auch renommierte Fachgenossen an diesem Projekt mitgearbeitet haben, ist das vorgelegte Ergebnis doch enttäuschend. Das beginnt schon beim Titel: Der Band beschäftigt sich keineswegs, wie der Werbetext der Verlagsprospekte verspricht, „mit den Hinterlassenschaften der römischen Kultur in den Provinzen des Römischen Reiches“, sondern beschränkt sich, wie sogleich einleitend im Vorwort festgehalten wird, auf „die ehemaligen römischen Gebiete der heute deutschsprachigen Länder“ (12). Für den Gesamtbereich der römischen Provinzialarchäologie wird man daher auf das größere Projekt „Orbis Provinciarum“ des Zabern Verlags verwiesen, in dem der Herausgeber jetzt einen Band über Noricum vorgelegt hat.

Zunächst werden das Fach definiert, die Forschungsgeschichte dargestellt, die Forschungsinstitutionen und Berufsfelder vorgeführt sowie die Quellen und Methoden kurz abgehandelt. In der Abgrenzung zur Klassischen Archäologie wird diese wohl noch zu sehr als Kunstwissenschaft verstanden, was nach der im gleichen Verlag erschienenen Einführung von Tonio Hölscher offensichtlich nicht mehr dem allgemeinen Selbstverständnis des Faches entspricht (vgl. dort S. 13 die Definition als „Wissenschaft von gegenständlichen Zeugnissen einer Kultur“ mit deutlicher Kritik an der Trennung von ‚Kunst‘ und materieller Kultur). In der Darstellung der Forschungsgeschichte wird mit Recht der ersten Ansätze einer „experimentellen Archäologie“ unter Wilhelm II. gedacht (19), der folgerichtige Verweis auf die Experimente von Marcus Junkelmann und seine Mitarbeiter, die ja nicht zuletzt die provinzialrömische Archäologie betreffen, fehlt hier wie auch im Kapitel über Methoden; immerhin sind seine Arbeiten im Literaturverzeichnis S. 372 genannt. Im Kapitel über „Forschungsinstitutionen und Berufsfelder“ werden neben Instituten und Museen auch „Freiluftanlagen“ genannt. Dabei wäre, wenn denn schon eine gewisse Vollständigkeit im deutschsprachigen Raum angestrebt wird, außer Homburg-Schwarzenacker auf den benachbarten archäologischen Park von Bließheim hinzuweisen, dem wegen seiner grenzüberschreitenden Anlage eine besondere Bedeutung zukommt. Die rechtlichen Aspekte der Provinzen bespricht in einem knappen Überblick Werner Eck (43-53), die Rechtsformen der Siedlungen im Rahmen des Kapitels „Zivile Siedlungsformen“ Hartmut Galsterer (54-56). Im gleichen Kapitel wird auch der vicus und die ländliche Besiedlung besprochen (Thomas Fischer, Karl Heinz Lenz); dabei sollten aber die angesprochenen Typen jeweils durch Pläne illustriert werden. Exemplarisch zeigt sich bereits in diesem Beitrag ein herausragendes Manko des gesamten Werkes: die Neigung der einzelnen Spezialisten, möglichst viele Details, weitgehend ohne Rücksicht auf andere Beiträge und daher ohne jegliche Querverweise, häufig auch wenig strukturiert, auszubreiten. So wären in diesem Fall Verweise auf die einschlägigen Kapitel „Bäder“, „Religion“, „Gräber“, „Burgi“ sinnvoll und für die Darstellung entlastend. Auf welche der im zugeordneten Literaturverzeichnis genannten Arbeiten der Verfasser jeweils Bezug nimmt, kann man nur erahnen, da grundsätzlich auf Anmerkungen oder in der Regel auf Einzelverweise verzichtet wird. So dürfte sich der Anfänger oder auch der interessierte Laie (für diese beiden Lesergruppen ist das Buch erklärtermaßen geschrieben; vgl. S. 11) bei der Verifizierung der Aussagen nicht ganz leicht zurechtfinden.

Das Kapitel über „Bauten“ beginnt mit einer allgemeinen Einführung (Henner von Hesberg) mit dem begrüßenswerten Hinweis auf antike literarische Zeugnisse, die man etwa im Beitrag über die villae, aber auch sonst meist vergeblich sucht. Die vom gleichen Autor verfaßten, klar gegliederten Beiträge „Forum“ und „Städtische Wohnhäuser“ zeigen, daß die antike Stadt-kultur, wie sie sich gerade auch in den Provinzen findet, doch wohl auch ein Thema der Provinzialarchäologie ist. Um so erstaunter notiert man in dem Band das Fehlen von einschlägigen Beiträgen zu Stadtplanung, zu kaiserzeitlichen Palastanlangen (Trier, Konz) oder auch zu den großen Villenanlagen der provinzialen Führungsschichten (Bad Kreuznach, Fließem, Wittlich). Ebenso informativ und übersichtlich sind im gleichen Kapitel die Beiträge von Thomas Lobüscher (Tempel; Theater, Amphitheater und Stadien) und Heinz Günter Horn (Bäder und Thermen). Eher bescheiden ist der Beitrag über Wasserleitungen ausgefallen (Jürgen Obmann), der auf die Nennung konkreter Denkmäler wie etwa (was naheliegend wäre) der Eifelwasserleitung konsequent verzichtet. Wenig förderlich sind auch die Beiträge über „Bautechnik“ (Norbert Hanel), „Landwirtschaft“ (Karl Heinz Lenz) - eine Abgleichung mit dem Abschnitt „Werkzeug und landwirtschaftliches Gerät“ fehlt - und „Verkehr“ (Jürgen Obmann); vgl. dazu jetzt die gründliche Studie von Anne Kolb: Transport und Nachrichtentransfer im Römischen Reich, Berlin 2000.

Eine besondere Rolle spielen naturgemäß das Militär und seine Bauten. Mehrere Beiträge erschließen diesen Themenbereich, wobei für die Spätantike die detailreichen Ausführungen über die Burgi (Jens Hock) besonders bedeutungsvoll sind, hilfreich auch in seinen genauen Literaturverweisen - aber leider nicht bei den genannten Inschriften.

Im Kapitel „Kunst und Kleinkunst“ zeichnet sich der Beitrag über „Skulptur und Grabsteine“ von Peter Noelke durch seine übersichtliche Struktur (ebenso sein Beitrag „Glasgefäße“) besonders aus; leider fehlt für die einzelnen Typen illustrierendes Bildmaterial. Dürftig dagegen ist der gerade eine Seite umfassende Beitrag über Mosaiken (Karl Heinz Lenz), lediglich illustriert durch eine triste Grau-in-Grau-Abbildung des berühmten Kölner Dionysos-Mosaiks. Ähnlich steht es mit den Illustrationen zum Kapitel „Wandmalerei“ (Thomas Fischer), zumal wenn in dem Beitrag wiederholt von deren Farbenpracht gesprochen wird. Der Beitrag gibt jedoch einen guten Überblick über das Erhaltene, auch in Gallien. Dagegen sind die Beispiele im Beitrag „Historische Reliefs“ (Friedrike Fless) auf Rom (und Benevent) beschränkt. Zwar wird einleitend festgestellt, daß in den nordwestlichen Provinzen derartige Denkmäler seltener anzutreffen sind (S. 178), aber wo und welche verrät die Verfasserin nicht. Eher als ein Lückenbüßer zur Vervollständigung der Thematik erscheint das Kapitel „Medizin“ (Thomas Fischer) - eine halbe Seite Text und eine halbe Seite Literaturangaben, aus denen sich der Leser kundig machen kann; vergleichbar knapp sind die Beiträge „Römischer Import im Barbarikum“ und „Germanische Funde auf römischem Gebiet“ vom gleichen Autor. Auch das Kapitel über „Religion“ (Thomas Lobüscher) ist nicht mehr als ein Notbehelf angesichts des seit Jahren v.a. von Maarten Vermaseren und seinen Mitarbeitern vorgelegten Materials. Der Beitrag wird ergänzt durch das Kapitel „Gräber“.

Während im Kapitel „Fundmaterial“ die Inschriften, Meilensteine und Militärdiplome (dazu jetzt informativ mit zahlreichen Abbildungen Nicole Lambert/Jörg Scheuerbrandt: Das Militärdiplom. Quelle zur römischen Armee und zum Urkundenwesen, Stuttgart 2002) eher knapp abgehandelt werden, gibt der Beitrag über Münzen (Johannes Heinrichs) eine fundierte Einführung in das Münzwesen der Kaiserzeit ohne die lokale Beschränkung der meisten anderen Beiträge. Wenig optisch strukturiert (ohne Zwischenüberschriften) stellt sich wiederum der Beitrag über „Bewaffnung und Ausrüstung“ dar (Robert Fahr, Christian Miks), im Gegensatz zum umfangreichen Kapitel „Terra Sigillata“ (Pia Eschbaumer).

Das Literaturverzeichnis, nach den einzelnen Beiträgen gegliedert, ist umfangreich. Hilfreich für den Anfänger wäre eine Unterscheidung zwischen grundlegenden und ergänzenden Titeln; Aufsätze sollten mit ihrer exakten Seitenangabe genannt werden, um Kurzbeiträge von umfangreicheren Ausführungen unterscheiden zu können. Die Tatsache, daß auf einen oder mehrere Indices verzichtet wurde, schmälert außerdem die Brauchbarkeit des Buches. Erfreulich ist jedoch, daß auf die sog. neue deutsche Rechtschreibung verzichtet wurde (und als Marginalie sei erwähnt: Der durchgängig fehlende Einzug am Absatzanfang erschwert die Lesbarkeit ganz erheblich).

Einleitend spricht Thomas Fischer mit vollem Recht von dem allgemeinen Legitimierungsdruck, der auf den kleinen geisteswissenschaftlichen Fächern lastet und dem für die Provinzial­archäologie mit dieser Publikation begegnet werden soll. Ob das Ziel mit einem derart lieblos ausgestatteten, darstellungstechnisch vielfach unbeholfenen Band erreicht wird, muß aus der Sicht eines „an römischer Geschichte Interessierten“ (S. 11) bezweifelt werden.

Joachim Gruber, Erlangen
joachim.gruber@nefkom.net


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