Anne Kolb: Transport und Nachrichtentransfer im Römischen Reich. Berlin: Akademie Verlag 2000 (Klio Beihefte N.F. Bd. 2). 380 S.  DM 98,--. ISBN 3-05-003584-6.

 

Ein Blick in das Quellenverzeichnis zeigt bereits, wie wichtig dieses Thema nicht nur für die Wirtschaftsgeschichte der Spätantike ist, stammt doch die Mehrzahl der von Frau Kolb (K.) herangezogenen Belege aus der späteren Kaiserzeit; das gilt im besonderen Maße für die Institution des cursus publicus. Die Heereslogistik bleibt aus dieser Thematik, die v.a. Verwaltungs­strukturen herauszuarbeiten versucht, ausgeklammert.

Einleitend gibt K. einen Überblick über die Forschungsgeschichte, in deren Mittelpunkt der cursus publicus stand. Im ersten Kapitel wird nach einer kurzen Besprechung der vorrömischen Organisationsformen im Orient aufgezeigt, wie die römische Republik auf die Herausforderung reagierte, den staatlichen Transport und das Nachrichtenwesen in einem zunehmend größern Reichsgebiet zu organisieren. Für den Nachrichtentransfer sind die Briefe Ciceros während seiner Statthalterschaft in Kilikien eine Hauptquelle. Den Brieftransport besorgten, neben privatem Personal und dem der Steuerpächter (tabellarii), statores, d.h. Soldaten, die in der Umgebung des Statthalters dienten (20), ferner berufsmäßige Boten (viatores und geruli), wobei die Benützung von Transportmitteln (Pferd, Wagen) auf die Übermittlung wichtiger Nachrichten beschränkt gewesen zu sein scheint (22f.). Handlungsanweisungen des Senats an auswärts agierende Magistrate waren selten. In Krisenzeiten erwies sich das System als unzulänglich (25). Für die Reisen staatlicher Amtsträger wurden die Mittel vom Senat bereitgestellt, darüber hinaus konnten die Gemeinden direkt herangezogen werden (28ff.), was zu entspechenden gesetzlichen Regelungen führte. Als Beispiel einer „Dienstreise in Italien“ wird Horazens Iter Brundisinum (sat. 1,5) besprochen (37ff.). Von den staatlichen Transportaufgaben ist lediglich der Getreidetransport aus den Quellen einigermaßen kenntlich (40ff.).

Der Hauptteil des Buches befaßt sich mit dem cursus publicus (49–226). Wenn auch der Terminus selbst erst in Konstantinischer Zeit nachzuweisen ist, so sieht K. doch in einem Sprachgebrauch wie vehicula praebere, praefectus vehiculorum oder vehiculatio sowie in der Kombination einer Nachricht in der Augustus-Vita des Sueton und einer Inschrift aus Pisidien aus frühtiberianischer Zeit Hinweise darauf, daß Augustus, zunächst zum Zweck einer raschen Nachrichtenübermittlung, die seit republikanischer Zeit bestehenden Regelungen für Reisen im Staatsauftrag durch die Einführung genauer Tarife für die Bereitstellung und Inanspruchnahme von Transportmitteln präzisiert und erweitert und somit die Struktur des Cursus publicus, wie sie noch in der Spätantike bestand, geschaffen habe (60ff.). Diese Überlegungen werden im weiteren Verlauf der Untersuchung verfestigt zu Aussagen wie z. B. S. 152 „Seit der Einrichtung des cursus publicus durch Augustus“; es steht zu hoffen, das weitere Inschriftenfunde dieses Konstrukt festigen können. Aus den einleitenden Überlegungen ergibt sich aber auch, daß eine Bezeichnung mit dem modernen Begriff „Post“, wie sie häufig in der Forschung erscheint, irreführend ist (64). Die konkrete Beförderung führte das Personal des Reisenden durch. In der Spätantike ist dann einen Differenzierung (cursus velox für schnelle Beförderung, cursus clavularis – das Wort ist nicht sicher gedeutet – für Schwerlasttransporte) feststellbar. Ausführlich und nicht ohne entbehrliche Wiederholungen (die auch in anderen Kapiteln auffallen) wird das Nutzungsrecht für den cursus publicus besprochen (71–122, dazu übersichtlich in mehreren Tabellen zusammengefaßt). Eine ganze Reihe der interpretierten Inschriften befaßt sich mit dem Mißbrauch der Nutzung; ausführlich ist die Benützung des cursus publicus durch Kirchenvertreter, insbesondere durch Bischöfe zur Teilnahme an Konzilien, diskutiert (87–92), wobei K. zu dem Schluß kommt, daß die Kirchenvertreter keine Sonderstellung genossen. Die Autorisierung zur Nutzung des cursus publicus lag zunächst beim Kaiser, seit Konstantin auch bei anderen staatlichen Funktionsträgern, wie dem praefectus praetorio, dem magister officiorum und temporär bei dem praefectus urbi und anderen (101ff.). Die Nutzungsberechtigung für Transportmittel und Unterkunft wurde durch einen Berechtigungsschein (diploma, später evectio, tractoria) nachgewiesen (109–117), aber Mißbräuche waren nicht ausgeschlossen (117–122). Einzelheiten der Finanzierung durch Leistungen der Bevölkerung und Beiträge des Staates (v.a. Baumaßnahmen) bespricht der folgende Abschnitt (123–151), wobei mögliche Ausnahmeregelungen für Italien, wie sie sich aus Münzen und Inschriften zu ergeben scheinen, mit diskutiert werden; sie dürften zeitlich und regional begrenzt gewesen  sein (144). Vieles von dem bis dahin Erörterten findet sich in dem Abschnitt über die Organisation (152–205) wieder. Besprochen werden Zuständigkeiten der einzelnen Beamten (Übersicht über die praefecti vehiculorum in Italien S. 162–165), besonders in Hinblick auf die Veränderungen in der Spätantike,  sowie die erst seit dem 4. Jh. belegte Kontrolle des cursus, v.a. durch curiosi, ferner der „Betrieb der Stationen“ (183–198) sowie der Schiffsverkehr. Daran schließt sich die Besprechung der Infrasturktur (Transportwege, Stationen, Transportmittel). Mit einem Ausblick auf die spätere Entwicklung, d.h. die Übernahme des cursus publicus nach dem Ende des Imperium Romanum, schließt das Kapitel. Zur „Abgrenzung und Einordnung staatlicher Transportmassnahmen“ dient das Kapitel über „Transporte ausserhalb des Cursus publicus“ (227–263), in dem die Beförderung der Annona (228–247), „Reisen und Transporte des Kaiserhofes“ (248–257) sowie „Dienstreisen und weitere Transportaufgaben“ (258–263) besprochen werden.

Dem zweiten Teil des Titels ist das sechste Kapitel „Nachrichtentransfer des Staates“(264–307) gewidmet. Umfang und Bedeutung, die einzelnen Arten von Kurieren (mit wichtigen Ausführungen zur Terminologie), Methoden der Nachrichtenübermittlung und „Nachrichtentransfer als Teil der Verwaltung“ werden darin erörtert. Ein aufschlußreiches Kapitel über Geschwinidgkeiten bei Reisen und Transporten sowie bei Nachrichtentransfer beschließt die Untersuchungen, deren Ergebnisse in einem Schlußkapitel zusammengefaßt sind. Die Belegsituation ist durch den Quellenindex gut erschlossen, während der allgemeine Index leider sehr eklektisch ist. Nützlich ist das umfassende Literaturverzeichnis.

Erfreulicherweise werden die größeren Belegtexte im Original und in Übersetzung geboten, sodaß der exakte Wortlaut stets nachprüfbar ist. Kürzere griechische und lateinische Zitate bleiben mit Recht in der Originalsprache. Nicht immer ist es gelungen, den abundanten Stil der kaiserzeitlichen, besonders spätantiken Amtssprache verständlich wiederzugeben. Einer Überprüfung bedürfen folgende Passagen: Der für die Entstehung des cursus publicus zentrale Text einer Inschrift aus Pisidien (SEG XXVI 1392) bietet ein Edikt, das mit den Worten beginnt (S. 55): Est quidem omnium iniquissimum (inquissimum K.) me edicto meo adstringere eqs. K. übersetzt: „Von allen Dingen freilich ist dies für mich sehr ungerecht, dass ich durch mein Edikt das verbindlich machen muss" etc. Gemeint ist jedoch offensichtlich, daß es dem Statthalter „höchst ungelegen“ ist, wiederum auf die durch die Kaiser eindeutig getroffenen Regelungen hinweisen zu müssen; er erläßt das Edikt iniquo animo, aber er ist „leider“ durch die licentia gewisser Personen zum Einschreiten gezwungen.    Mißverständlich ist die Satzformulierung S. 104 „... die Gründe herausfinden sollte, weshalb viele, indem sie es sich durch die Präfektur verschaffen, die sogenannten Ausweise für den cursus publicus erhalten“ statt „... die Gründe herausfinden sollte, weshalb viele sich von der Präfektur die sogenannten Ausweise verschaffen und damit den cursus publicus nutzen“.  – Die S. 115 zitierte Urkunde ist in ihrer Satzstruktur nicht klar wiedergegeben. Sie lautet: „Vier unten genannten Leibgardisten habe ich zur  Verehrung des göttlichen Purpurs unserer Herren Kaiser am Tage der segenspendenden Ostern Marschbefehl an den Kaiserhof gegeben (direxi ad sacratissimum comitatum). Sorgt dafür, ihnen entsprechend der alljährlichen Gewohnheit jeweils vier Verpflegungsrationen und vier Rationen Tierfutter zusammen mit (cum – K.: sum) den üblichen Quartieren unverzüglich bereitzustellen.“ – Mißverständlich ist im Deutschen die Wendung S. 124 „die Gemeinden jeder Provinz bei den Lasten durch die Bereitstellung von Transportmitteln zu entlasten“ statt „die Gemeinden ... von den Belastungen der Bereitstellung von Transportmitteln zu entlasten“. – In dem S. 221 besprochenen Edikt ist von einer Einschränkung des cursus publicus auf Sardinien die Rede. Die Landbevölkerung (rustica plebs, id est pagi) soll von der Last befreit werden, die sie contra decus publicum ertragen mußte; d.h. die Belastung  ist mit der Würde des Staates nicht vereinbar. Unverständlich ist K.s Wiedergabe „im Gegensatz zur staatlichen Herrlichkeit“.

Zusammenfassung: Frau Kolb hat eine Untersuchung vorgelegt, die umfassend, mit intensiver Detaildiskussion, aber nicht ohne Wiederholungen, eine für das öffentliche Leben in der Spätantike  zentrale Einrichtung bespricht. Rasch informieren die einleitenden Abschnitte eines jeden Kapitels. Zahlreiche mit dem Thema in Verbindung stehende Termini werde erörtert, was die Arbeit gerade auch für den Philologen wertvoll macht.

Joachim Gruber, Erlangen