16 Jahre Ausonius-Forschung 1989–2004 – ein Überblick

Vorbemerkung: Die in diesem Überblick über die Ausonius-Forschung der letzten 16 Jahre besprochenen Arbeiten sind am Ende aufgeführt. In der Regel sind nur Ausgaben, Kommentare und Monographien berücksichtigt. Der Bericht schließt somit zeitlich an den auch deutschsprachig zugänglichen von Antonio Alvar Ezquerra an, ohne daß die Zeitgrenze starr gezogen wäre. Eine gekürzte Fassung dieses Berichts wird in Gymnasium 11, 2006 erscheinen.

1. Teil: Gesamtdarstellungen und Gesamtausgaben

Die Darstellung im Handbuch der Lateinischen Literatur durch Liebermann/ Schmidt faßt das bis 1986 Geleistete in vorbildlicher Weise zusammen. Da sie den Forschungsstand und die mit dem Werk des Ausonius zusammenhängenden Probleme dem Charakter eines Handbuchs entsprechend eher konservierend und referierend darbietet, liefert sie der weiteren Ausonius-Forschung ein solides Fundament. Auf dieser Grundlage wurde in den folgenden Jahren sowohl durch Gesamtdarstellungen wie durch Einzelkommentare das Verständnis dieses Autors außerordentlich gefördert.1 Im folgenden sollen zunächst die wichtigen Gesamtdarstellungen von Green, Sivan und Coşkun gewürdigt werden, daran anschließend die Einzelausgaben und Einzelkommentare.2

1991 erschien die kommentierte Gesamtausgabe von Green; sie wurde zum Ausgangspunkt für alle weiteren Arbeiten und Diskussionen.3 Einleitend charakterisiert Green (xv) kurz die Dichtung des Ausonius als „a kaleidoscopic variety of styles, some of them his own, some based on a wide variety of classical models. He was not only the most brilliant and prolific writer of his age, but one of the most versatile and skilful writers in the history of Latin literature“. Wie schon Liebermann/Schmidt4 (aber ohne Bezug auf sie) teilt Green das Gesamtwerk in drei Gruppen: Persönliches, Historisches und Kunstdichtung („gymnastic verse“, Technopaegnia). Daß aber die Zuordnung einzelner Werke nicht nur zu traditionellen Gattungen (die als Klassifizierungsmerkmale spätantiker Literatur ja nur bedingt tauglich sind), sondern auch zu thematisch bestimmten Gruppen strittig ist, wird besonders am Beispiel der Mosella deutlich.5 Verständlich werden diese „Kunstdichtungen“, zu denen nach Green (xvi) der moderne Leser am schwersten einen Zugang findet, in ihrer Funktion als Dokumente eines gelehrten Freundschaftszirkels, der derartige Kunstfertigkeit zu schätzen wußte. Für Green jedoch stellen sich die persönlichen Opuscula als die attraktivsten Teile des Œuvres dar. Persönliche Züge finden sich aber auch in den sog. „historischen“ Werken. So muß man die Einheit des Gesamtwerks wohl nicht in einer dezidiert vorgetragenen Lebensanschauung sehen, sondern in dem stets präsenten Bezug auf die Person des Autors und seines Milieus, sei es das der Schule, des Hofes oder des Freundeskreises im Rahmen der gebildeten spätantiken Adelsgesellschaft. Das zeigen besonders nicht nur die Widmungsbriefe der einzelnen Werke, sondern der Briefwechsel insgesamt.
Des weiteren werden von Green zunächst allgemein Fragen nach den literarischen Vorbildern sowie Metrik, Satzbau und Wortschatz angesprochen. Das zweite Kapitel seiner Einleitung beschäftigt sich mit dem Leben und der politischen Laufbahn des Ausonius; dieses Thema wird in den Monographien von Sivan und Coşkun aufgegriffen und vertieft. Kein Zweifel besteht für Green am Christentum des Ausonius.\footnote6 Der Überblick über die Ausonius-Rezeption (xxii–xl) führt deutlich über das hinaus, was Liebermann/Schmidt bringen.
Das dritte und letzte Kapitel der Einleitung stellt die Textüberlieferung dar: Das Verhältnis der einzelnen Handschriften zu einander bildet nach einem Wort Jachmanns eines der verwickeltsten Probleme der lateinischen Textüberlieferung. Das hat zu verschiedenen Lösungen geführt, die in den letzten Jahren eindringlich diskutiert wurden.

Keine der mehr oder weniger eng zusammenhängenden Handschriftengruppen enthält alle überlieferten Werke. Je nach Bewertung der Übereinstimmungen und Divergenzen sowie der Überlieferungsgeschichte wird eine zwei-, drei- oder viergeteilte Überlieferung angenommen, die auf eine oder mehrere Ausgaben (des Autors selbst oder postum) zurückgeführt wird. Allgemein anerkannt ist die Tatsache, daß Überschriften und Begleitbriefe zunächst auf Einzelpublikationen durch den Autor schließen lassen. Nach dem Konsulat des Ausonius (379) und vor Gratians Tod (383) erschien eine erste Gesamtausgabe der Opuscula. Diese wurde durch später Entstandenes weiter ergänzt; ein solches ergänztes Exemplar erhielt einige Jahre später Kaiser Theodosius. Soweit ist sich die Forschung weitgehend einig. Strittig ist dagegen, ob Ausonius selbst noch eine Gesamtausgabe veranstaltete, oder ob die handschriftliche Überlieferung auf eine oder mehrere postume Ausgaben zurückzuführen ist und welche Rolle dabei die Theodosius-Ausgabe spielt.
Die verschiedenen mittelalterlichen Stränge der Überlieferung stellen sich als mehr oder weniger umfangreiche Exzerpte aus dem Gesamtwerk dar. Als zweigeteilt beurteilt Mondin 1993, 59f. die Überlieferung mit den Zweigen Y und Z. Y wird einerseits repräsentiert durch die bald nach 800 in westgotischer Minuskel verfaßte Miscellan-Handschrift V (Leidensis Vossianus Latinus 111).7 Sie ist in Südfrankreich (Lyon) geschrieben und enthält eine wohl in Spanien entstandene Sammlung spätantiker Dichter. Sie enthält über die Hälfte der Werke, und in der dort vorliegenden Anordnung sieht Mondin (ibid.) „il piano di un'edizione avviata dello stesso autore negli ultimi anni di attività“, und weiter: „tutto fa credere che questo fosse l'ordinamento concepito da Ausonio“.8 Andererseit ist Y vertreten durch die Bobienses9 und die Excerpta10, die auch für die Mosella-Überlieferung bedeutsam sind (vgl. 2. Teil). Y wird von Mondin auf eine postume Edition zurückgeführt, die mit ziemlicher Sicherheit „l'intervento di un curatore postumo assai vicino ai tempi e all'ambiente del poeta“ bezeuge. Der Zweig Z wird repräsentiert durch mehr als 20 Humanistenhandschriften und bietet eine von Y deutlich verschiedene Sammlung, die auf eine frühere Ausgabe des Ausonius zurückgeführt werden kann. Die Varianten zwischen einzelnen Teilen von Y und Z werden als Autorenvarianten angesehen.11
Liebermann/Schmidt und Green gehen dagegen von einer dreigeteilten Überlieferung aus, die auf eine postume Gesamtausgabe zurückzuführen sei. Dabei vertritt V einen eigenen, mit x bezeichneten Strang.12 Varianten zwischen einzelnen Teilen von Y und Z werden der nachantiken Überlieferung zugerechnet.13
Eine viergeteilte Überlieferung (V, z, Excerpta, b; letztere Familie gebildet aus dem Harleianus 2613 und dem Parisinus lat. MS 8.500) wird heute hauptsächlich nur noch von Sesto Prete vertreten.14

Dem ganzen Problem der Textgeschichte hat Francesco Della Corte eine Monographie gewidmet. Auch er hält an der Einteilung in drei Familien und an der von Liebermann/Schmidt skizzierten Entstehungsgeschichte der Sammlung fest. Im Detail werden die Textgeschichte der drei Handschriftenfamilien und ihre Beziehungen untereinander besprochen. Anschließend werden die frühen Drucke seit 147215 und die Werke mit unsicherer Zuweisung behandelt. Entschieden spricht sich Della Corte gegen eine postume Gesamtausgabe aller Werke des Ausonius aus (43f.). So sucht er den Weg von den einzelnen Handschriftengruppen zurück zu den verschiedenen Werkausgaben der Spätantike, d.h. von den Codices der Familie z zur Ausgabe von 383, von der im Codex Vossianus latinus (V) überlieferten Sammlung der Opuscula zu einer im Umkreis des Ausonius, ohne Kenntnis der Ausgabe von 383, nach dessen Tod veranstalteten Ausgabe, die Della Corte vermutungsweise mit Paulinus von Pella, einem Enkel des Ausonius, in Zusammenhang bringt. Die Excerpta schließlich, die auch die Mosella enthalten, vereinigen gesondert publizierte Werke. Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit den Werken, die sowohl in V wie in der Familie z überliefert sind, d.h. die nach der Ausgabe von 383 nochmals eine Überarbeitung durch den Autor haben erfahren können. Besonders ausführlich ist die oratio der Ephemeris besprochen, ferner die Caesares, Fasti, Technopaegnion und der Ordo urbium nobilium. Dabei kann die These der Autorenvarianten überzeugend bestätigt werden. Eine knappe Zusammenfassung beschließt diesen klar geschriebenen, übersichtlichen und in seiner Beweisführung stringenten und überzeugenden Beitrag zur Textgeschichte.

Eine besondere Crux für jede Beschäftigung mit dem Werk des Ausonius stellt die unterschiedliche Zitierweise der einzelnen Ausgaben dar. Während der Index librorum scriptorum inscriptionum des Thesaurus linguae Latinae weiterhin an der Zählung nach Souchay und der Angabe der Seitenzahlen nach Peiper (Leipzig 1886, Ndr. Darmstadt 1976) festhält, zeigen die gängigen Ausgaben von K. Schenkl (Berlin 1883, Ndr. München 1982), A. Pastorino (Turin 1971), S. Prete (Leipzig 1978) und jetzt von Green jeweils abweichende Anordnungen und Numerierungen, die nur noch durch umfangreiche Konkordanzen (S. 721–727 im Kommentar von Green) vergleichbar bleiben.16 Mit Recht beansprucht der Index des Thesaurus in der Latinistik normative Gültigkeit. Ihr hätte Green Rechnung tragen sollen, indem er in seinem Kommentar wie in der unten zu besprechenden Oxoniensis die Souchay-Zählung ergänzend beibehalten hätte, die man jetzt in der Edition von 1999 mühsam in den beigegebenen Konkordanzen suchen muß; in der Konkordanz der kommentierten Ausgabe fehlen die Souchay-Nummern ganz.17 Auch innerhalb einzelner Gedichtzyklen wie etwa des Ordo urbium nobilium könnte benützerfreundlicher verfahren werden, indem etwa nicht nur die Zeilen des ganzen Zyklus fortlaufend durchnumeriert werden (so verfährt leider auch, wie schon Schenkl, der Kommentar von Di Salvo), sondern jedes Gedicht (das ja auch eine eigene Souchay-Nummer trägt) zusätzlich eine eigene Zeilenzählung erhält (wie bei Peiper). Auf absehbare Zeit wird man demnach Ausonius nur unter Nennung der jeweils benützten Ausgabe zitieren können, auch wenn die Oxoniensis – faute de mieux – allmählich normative Kraft erlangen dürfte. Sinnvoll wäre es auf jeden Fall, über den Usus des Thesaurus hinaus für die einzelnen Werke oder Werkgruppen einheitliche Abkürzungen (mit jeweils großem Anfangsbuchstaben) zu verwenden. Die Liste bei Green, Kommentar S. lii (leider nicht in die Oxoniensis übernommen), könnte dafür normbildend sein; ihr folgt Lolli 42 (statt „Vrb.“ sollte mit Green „Ordo“ beibehalten werden), zahlreiche Abweichungen bei Liebermann/Schmidt und Coşkun 257.

Die Anordnung der Gedichte in Greens Kommentar orientiert sich zum Teil an der Handschrift V und wird in die Ausgabe von 1999 übernommen (s.u.). Ebenso wurde die konsequente Kleinschreibung auch am Satz- und Abschnittsanfang (nicht am Gedichtanfang) in der späteren Ausgabe beibehalten. Das ist wenig leserfreundlich, denn das Verständnis der Textgliederung wird dadurch nicht gerade erleichtert.18
Der kritische Apparat des Kommentars ist selektiv und bleibt damit zwangsläufig hinter dem der Spezialausgaben von Mondin und Di Salvo, aber auch hinter Schenkl, Peiper, Pastorino und Prete19 zurück. Umgekehrt ist er durch die Aufnahme sprachlich oder inhaltlich unsinniger Varianten20 teilweise abundant21 und wurde für die Oxoniensis gestrafft, was aber nicht selten wiederum mit einem Verlust an Information verbunden ist.22
Der Kommentar selbst ist außerordentlich eklektisch, mit dem Hauptgewicht bei den sprachlichen Erscheinungen, aber mit deutlichen Defiziten bei den Realia.23 Dabei werden häufig nur Verweise auf andere Stellen oder auf ältere Handbücher (Roscher, RE) gegeben; der Leser mag dann zusehen, wie er an die erwünschten weiteren Informationen gelangt.24 Eine umfangreiche Bibliographie (S. 729–753) schließt das monumentale Werk ab.25 Auch die Indices sind selektiv; ein Stellenindex, wie er jetzt vorbildlich in den Kommentaren von Lolli und Di Salvo vorliegt, würde das reiche Material noch besser erschließen.
Dennoch muß nachdrücklich betont werden, daß eine Gesamtkommentierung der Werke des Ausonius eine ganz außerordentliche Leistung darstellt. Sie bildet ein solides Fundament der Ausonius-Philologie, auf dem weiter aufgebaut werden kann. Es ist daher kein Zufall, daß nach dem Kommentar von Green eine ganze Reihe von Kommentaren zu einzelnen Schriften erschienen ist, die im 2. und 3. Teil besprochen werden sollen.

Zunächst ist jedoch auf die Textausgabe näher einzugehen, die Green in der Reihe der Oxford Classical Texts vorgelegt hat.26 Bedauerlicherweise ist der Textumfang der Oxoniensis durch den Wegfall einiger Texte aus den Appendices des Kommentars geringer geworden.27 So vermißt man den in fast alle kritischen Ausgaben aufgenommenen, in zwei Haupthandschriften (P, H) überlieferten Brief des Kaisers Theodosius an Ausonius, in dem dieser um Zusendung der Neuausgabe bittet (Appendix B 1.). Die Antwort des Ausonius (I,3 Green = I,IV Peiper) steht in einem engen Textbezug zu dem Schreiben des Theodosius, sodaß auch in der Textausgabe die Aufnahme auf jeden Fall gerechtfertigt wäre. Außerdem fehlen die von Ausonius in seiner Funktion als Quaestor redigierten Gesetze, die im Kommentar als Appendix aufgeführt sind.

Kaum überzeugend sind die schon im Kommentar 1991 vorgenommenen Umstellungen der Präfationen Nr. 4 (An Drepanius), die Peiper und Prete als Einleitung zu den Eclogae angesehen haben,28 und Nr. 5, die offensichtlich an der Spitze einer Epigrammsammlung stand29. Beidemale rechnet Green mit dem Verlust der durch die Praefationes eingeleiteten Werke. Das kann aber weder bewiesen noch widerlegt werden. Entsprechend der Reihenfolge in der Leithandschrift V folgt (wie bei Schenkl, Peiper, Pastorino, Prete) die wohl eher um 379 entstandene Ephemeris.30 Während Green bis hierher V folgt, wählt er mit der anschließenden Plazierung von Ad patrem de suscepto filio die chronologische Einordnung, denn es handelt sich dabei wohl um das früheste überlieferte Gedicht des Ausonius, das in V unter den Briefen eingereiht ist,31 aber auch von Mondin aus dem Briefcorpus ausgeschieden wurde. Wie bei Peiper folgen die Versus paschales, datiert zwischen 371 und 375 (nach Sivan zwischen 368 und 373) und damit später als eine Reihe anderer Gedichte (vgl. die Tabelle bei Sivan 165); Green folgt damit der Abfolge in der Handschrift H.32 Erst an späterer Stelle ordnen V und z sowie die modernen Herausgeber das um 378/79 entstandene Epicedion in patrem ein, das bei Green als Nr. V erscheint, gefolgt von dem ebenfalls um 379 entstandenen Gedicht De herediolo (VI). Die von allen Herausgebern unter die Briefe eingereihten Verse Pater ad filium33 sowie Brief XVIII, XXII Peiper (Protrepticus ad nepotem) und XVIII, XXI Peiper (Genethliacos ad Ausonium nepotem) folgen bei Green, jetzt offenbar entsprechend einem thematischen Prinzip wie in Peipers Gruppe II Domestica.34 An sie schließen sich, wie bei Peiper, die Parentalia, die Commemoratio professorum Burdigalensium und die Epitaphia heroum qui bello Troico interfuerunt an. Offenbar wieder nach dem Vorbild von V folgen die Epigrammata in einer Anordnung, die sich wesentlich an der Überlieferung in z orientiert und auch von Kay übernommen wurde.35 Mit den an die Epigramme angeschlossenen Eklogen wird wiederum die Reihenfolge von V verlassen. In der Anordnung der größeren Stücke Griphus ternarii numeri (XV), Mosella (XVI), Bissula (XVII), Cento nuptialis (XVIII) und Cupido cruciatus (XIX) hat sich Green, aus welchen Gründen auch immer, für eine von den früheren Herausgebern abweichende Reihung entschieden, die sich auch bei den übrigen Werken fortsetzt. Als neue Gruppe werden Precationes variae (XX) gezählt, die sonst unter die Epigramme subsumiert wurden. Inwieweit diese Anordnung Bestand haben wird, muß die weitere Diskussion zeigen.36

Der lateinische Text des Kommentars ist im wesentlichen unverändert in die Oxoniensis übernommen worden.37 Während aber im Kommentar die handschriftliche Bezeugung der Überschriften durch den Apparat dokumentiert ist, fehlt dieser Nachweis in der Oxoniensis weitgehend.38 Die im Apparat genannten Gelehrten und ihre textkritischen Beiträge können nicht immer eindeutig verifiziert werden. Das Problem entfällt allerdings, wenn es sich um Ausgaben (aufgelistet p. xxviif.) oder einen einzigen, im Literaturverzeichnis (p. xxviiiff.) genannten Beitrag handelt.39 Druckfehler sind, wie in einer Oxoniensis nicht anders zu erwarten, äußerst selten.40 Ein Inhaltsverzeichnis, das einen raschen Zugang zu den Werken bieten würde, fehlt.

Der Rolle des Ausonius und seiner Familie im literarisch-kulturellen und politischen Leben des spätantiken Gallien sind die beiden Monographien von Sivan und Coşkun gewidmet. Sivan fragt, wie der Untertitel des Buches zeigt, nach der Genesis einer aristokratischen Familie im spätantiken Gallien am Beispiel der Familie und der Person des Ausonius. Beschränkt auf den Raum seines Wirkens in Aquitanien (besonders in Bordeaux) und in Trier, verfolgt Sivan den Aufstieg einer Familie der munizipalen Aristokratie zum Provinzadel. Diese Entwicklung wird in der Kombination historischer, archäologischer, kunstgeschichtlicher, religionswissenschaftlicher und literaturgeschichtlicher Zugänge aufgezeigt. Dabei gilt das Interesse zugleich dem topographischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Umfeld. So ergibt sich eine umfassende Einführung zu Ausonius und seiner Welt.
Am Anfang des Kapitels „The Emergence of a Late Roman Gallic Aristocracy“ stehen Überlegungen zum Wesen der Aristokratie in Gallien, wie sie etwa gleichzeitig durch Sextus Petronius Probus (Konsul 371) verkörpert wird. Amt, Geburt und Besitz sind die wesentlichen Bedingungen für die Zugehörigkeit zur spätantiken Aristokratie, gerade auch in Gallien.41 Die Fragestellung lautet: Liegen dafür die Voraussetzungen im Wiedererstarken Galliens während des gallischen Sonderreichs zwischen 260 und 274 und in der Verlegung des Kaiserhofs nach Trier vom Ende des 3. Jahrhunderts an (so die Auffassung der älteren Forschung) oder ist zwischen dem Ende des Sonderreichs und dem Beginn der Karriere des Ausonius nicht vielmehr ein Lücke anzusetzen, sodaß Ausonius seinen Aufstieg eher seinen beruflichen Fähigkeiten verdankt? Dazu gibt Sivan zunächst einen Überblick über die gallischen Amtsträger von Diokletian bis zur Zeit des Ausonius und gelangt zu dem Schluß, daß die gallische Aristokratie des 4. Jahrhunderts eine neue Klasse mit neuen Gesichtern („a new class with new faces“, 18) darstellt. Das ist zuerst unter Julian der Fall42 und spiegelt sich auch in einem archäologisch faßbaren gewissen Wohlstand in Form von Gutsbesitz wider.
Voraussetzung für den Aufstieg des Ausonius und seiner Familie sind die urbanen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Bordeaux, die im ersten Hauptteil dargestellt werden. Dabei geht Sivan auch kurz auf die Geschichte von Bordeaux vor Ausonius ein (31–33), für die weniger literarische als inschriftliche Quellen herangezogen werden müssen. Eine besondere Rolle in der Entwicklung der Stadt spielte der natürliche Hafen und die Anbindung an das gallische Straßennetz. Diese Situation, aus der eine neue munizipale Aristokratie erwuchs, wird zunächst in den weiteren Kontext der gallischen Stadtentwicklung gestellt (33–37) und dann im Detail besprochen (38–48).
Ein weiteres Kapitel ist der Gens Ausoniana gewidmet, für die das Werk des Dichters die wichtigste Quelle darstellt: das Gedicht auf seinen verstorbenen Vater (Epicedion in patrem) und die Gedichtsammlung über seine Verwandten (Parentalia). Vor allem durch diese ist die Familie des Ausonius so gut dokumentiert wie sonst keine andere gallische der Spätantike (50). Die Mobilität und der soziale Aufstieg, sowohl der mütterlichen Linie der Arborii, die sich bald dem Christentum zuwandte, wie der väterlichen werden von Sivan aufs genaueste untersucht und durch genealogische Tafeln veranschaulicht. Dieser Aufstieg gelang schließlich durch die Berufe des Arztes und des Grammatiklehrers und durch Versippung mit der lokalen Aristokratie. Eine Voraussetzung dafür war die schon erwähnte Prosperität von Bordeaux und seinem Umland. Den Besitztümern der Familie in Aquitanien ist ein eigener Abschnitt gewidmet (66–73).
Die Sammlung der Commemoratio professorum Burdigalensium ist eine einzigartige Quelle für das Erziehungswesen im spätantiken Gallien. Auf sie gestützt stellt Sivan in dem Kapitel „Schools and Scholars“ (74–93) den engen Zusammenhang zwischen Stadt, Schule und Reichsherrschaft dar. Die alte, von den Druiden herrührende Erziehungstradition in Gallien setzt sich fort im Renomee der gallischen Rhetoren im Dialogus des Tacitus wie auch in Martials Epitheton Palladia für Toulouse (Mart. 9,99,3). Diese Tradition wurde durch die politischen Ereignisse des 3. Jh. unterbrochen. Anhand der zahlreichen, mit Erziehungsthemen befaßten Werke des Ausonius gibt Sivan einen Überblick über das „School Curriculum“ der Zeit (76ff.) und insbesondere über die Schulen vom Bordeaux (79ff.), wobei wiederum der Mobilität des Lehrpersonals besondere Aufmerksamkeit gilt.
Der zweite Hauptteil beschäftigt sich mit Trier als der Hauptstadt des Westreiches und mit dem Aufenthalt des Ausonius am Hofe. Die politischen Ereignisse der Jahre um 365 werden ausführlich dargestellt und ein Bild der Residenzstadt entworfen (97ff.). Das Verhältnis des Erziehers Ausonius zu seinem Schüler Gratian sucht Sivan durch das vergleichbare Verhältnis zu Paulinus von Nola zu erhellen (104).43 Die Teilnahme am Feldzug gegen die Alamannen schuf Eindrücke, die sich nicht nur in Epigrammen (28 und 31 Peiper = 3 und 4 Green) niederschlugen, sondern auch in den Gedichten auf die Gefangene Bissula, während der Griphus ternarii numeri Zeugnis ablegt vom Zeitvertreib während des Lagerlebens. Der in diesen Jahren entstandene Cento nuptialis zeugt nicht nur von der Bekanntheit des Klassikers Vergil in der Spätantike, sondern auch vom literarischen Geschick des Autors.
Ebenfalls in diese Zeit ist die Mosella zu datieren, deren Tendenz knapp erörtert wird, wobei Sivan das Gedicht als ein poetisch-propagandistisches Werk ganz eigener Art wertet.44 „The appeal of the Mosella indeed exceeds the temporary application of an ordinary imperial panegyric“ (108). Die Versus Paschales geben Gelegenheit, das Christentum des Ausonius zu erörtern („best understood as a nominal pagan“, 110).45 Ein weiterer Aspekt der Trierer Zeit des Ausonius ist sein Briefwechsel mit Symmachus. Sivan sieht die Beziehung zwischen dem Rhetor und dem Senator wie eine Vater-Sohn-Beziehung und darüber hinaus als typisch für die Beziehung zwischen der römischen Senats-aristokratie und dem Provinz-Adel. Besonders die literarischen Interessen beider waren die Grundlage für diese Verbindung; nicht zuletzt aber dürfte der Einfluß des Ausonius bei Hofe für Symmachus von Bedeutung gewesen sein (112). Vermutlich über Symmachus trat Ausonius in Kontakt mit einem der einflußreichsten Männer der Zeit, Sextus Petronius Probus, Prätorianerpräfekt von Illyricum und Gallien.
Die politische Karriere des Ausonius, die er selbst in der Gratiarum actio in seinem Konsulatsjahr 379 darstellt, begann mit der Quaestur (ausführlich besprochen 115–118 und 123–131) noch unter Valentinian vor 375 und nach dessen Tod im November 375 fortgesetzt unter Gratian. Es folgten die Ämter der Praetorianerpraefektur und des Konsulats (378/379), während gleichzeitig andere Mitglieder der Familie auf einflußreiche Posten gelangten (131–141). Ein Anhang beschäftigt sich mit Datierungsfragen einzelner Werke.
Das anregende Buch von Sivan besticht nicht zuletzt durch seine Zusammenschau von Philologie, Historie und Archäologie unter Berücksichtigung sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Gesichtspunkte. Es ist ein Dokument einer Altertumswissenschaft, die offen ist für die jeweiligen benachbarten Forschungsgebiete und eben gerade dadurch zu überzeugenden Ergebnissen gelangt.

Coşkuns Monographie46, ursprünglich eine Trierer Dissertation von 1999, versteht sich nicht zuletzt als Fortführung und Korrektiv zur Arbeit Sivans; er konzentriert sich besonders „auf eine kritischen Revision der Rechtstexte und systematische Auswertung des onomastischen Materials“. Fernerhin bemüht er sich um eine Neubewertung der „persönlichen Qualitäten“ des Ausonius (x) und damit seiner Fähigkeiten und Verdienste als Staatsmann (8).
Die „Vorbemerkungen“ (vi–xii) geben einen selektiven Überblick v.a. über die Forschungsgeschichte, wobei die diversen Positionen in der weiteren Darstellung ausführlich berücksichtigt sind. Einleitend bietet eine „biographische Skizze“ die bekannten Daten und Fakten (1–6), die in späteren Kapiteln teilweise erneut diskutiert werden.
In einem ersten großen Kapitel (12–111) werden Lebenslauf und cursus honorum dargestellt. Die Ausführungen sind durch zahlreiche Digressionen, Einschübe u.ä. geprägt (z.B. 13f. zu Augustins Schul- und Unterrichtszeit, 14f. zum Schuleintrittsalter, 17ff. zur sozialen Stellung der Lehrenden, 47f. zum Comitat im 4. Jh., 63f. zur Praetorianerpraefektur im 4. Jh.). Damit erzielt Coşkun eine faktische und chronologische Einbettung seiner einzelnen Ausführungen zu Ausonius selbst.
Von zentraler Bedeutung, nicht nur für die Tätigkeit des Ausonius und seiner Kollegen in Bordeaux, sondern für das spätantike Schulwesen in Gallien überhaupt, ist, wie schon erwähnt, der Gedichtzyklus der Commemoratio professorum Burdigalensium. Die in der Forschung vorgeschlagenen chronologischen Ansätze für die Lebensdaten der oratores und grammatici werden ausführlich diskutiert und in Teilen revidiert.
Für die Berufung an den Hof nach Trier macht Coşkun einen Zeitpunkt im Herbst 368 wahrscheinlich. Intensiv wird die Funktion und Rangstellung des Ausonius als comes diskutiert (46–52), wobei allerdings eine genauere Charakterisierung des Amtes nicht möglich ist. Aufgrund stilkritischer Überlegungen zu den Gesetzesfragmenten der fraglichen Jahre wird die Tätigkeit als quaestor in die Zeit zwischen März/Juni 374 und Oktober/November 377 festgelegt (58). Die in der Forschung teilweise vorhandene negative Bewertung der von Ausonius redigierten Gesetzestexte wird zurückgewiesen. Coşkun versucht zu zeigen, daß sich Ausonius bei seinen Formulierungen durchaus im Rahmen der spätantiken Gesetzgebung und ihrer Normen bewegt und kommt zu dem Schluß (61), daß der Rhetor „die entscheidenden Voraussetzungen für die optimale Entfaltung eines Quaestors“ besaß: „rhetorische Brillanz“, „ein einzigartiges Vertrauensverhältnis zum Kaiser“ und „für einen Laien weit überdurchschnittliche juristische Kenntnisse“. Mit Recht betont Coşkun auch hier wieder die Bedeutung der Sprache und Sprachregelung für die Rolle des Quaestors, die keineswegs der eines modernen Justizministers entsprach; vielmehr war ein „Fachmann für Kommunikation“ gefragt (62).
Der Abschnitt über die Tätigkeit des Ausonius als praefectus praetorio wird eingeleitet durch eine Übersicht über die Praetorianerpraefektur im 4. Jh. und über die Forschungen zur Praefektur des Ausonius, die v.a. aus seinen eigenen Texten greifbar ist. Die Besonderheit des einmaligen praefecturae collegium, das der Dichter zusammen mit seinem Sohn Hesperius innehatte, sei kein Zeichen der Überforderung des Ausonius, sondern ebenso wie die Ehre einer {\it praefectura duplex} (nämlich Galliarum und Italiae) für Vater und Sohn Ausdruck der außerordentlichen Hochschätzung des Valentinian und besonders des Gratian gegenüber der gens Ausoniana, aus der zwischen 376 und 379 drei Generationen die Praefektenwürde innehatten. Der ordentliche Consulat 379 (einen Überblick über die Entwicklung des Amtes gibt Coşkun 77–80) bedeutete dann den Höhepunkt dieser Karriere. Ausonius dankt dafür mit seiner Gratiarum actio, die Coşkun in den Zusammenhang mit dem dies imperii Gratians am 24. August 379 setzt. Der letzte Teil der Vita wird in dem Kapitel „Ausonius im Ruhestand“ behandelt. Darin wird seine letzte Schaffensperiode gewürdigt und v.a. die Bekehrung des Paulinus von Nola und sein Verhältnis zu Ausonius diskutiert. Noch vor Ablauf des Jahres 379 kehrte der Rhetor nach Bordeaux zurück. Eine nochmalige Rückkehr nach Trier und einen Aufenthalt dort nach der Ermordung Gratians durch den Usurpator Magnus Maximus in den Jahren 383 bis 388 schließt Coşkun mit plausiblen Gründen aus.47 Den Tod des Ausonius datiert er (99) noch vor dem Jahresende 394 aus dem Briefwechsel mit Paulinus von Nola; ihm und der Frage der Bekehrung des Nolaners ist ein ausführlicher Exkurs gewidmet (99–111).
Der dritte Teil der Arbeit enthält „Weitere Untersuchungen zur gens Ausoniana“ (112–182). Darin werden die frühere Familiengeschichte, der cursus honorum seines Sohnes Hesperius, die Viten seiner Enkel und Schwiegersöhne sowie weitere onomastische und prosopographische Aspekte der gens besprochen. Die besondere Quellenlage erlaubt es, ihre Geschichte vom 3. bis zum 6. Jahrhundert zu verfolgen (112); Hauptquelle sind die Parentalia des Ausonius selbst.
Eine viel erörterte Frage ist die nach dem Christentum des Ausonius, die Coşkun am Ende dieses Abschnittes erneut aufgreift. Zu der vermittelnden Lösung, die Coşkun anbietet, indem er „Widersprüche ... zwischen einem per-sönlichen Bekenntnis und einer religionspolitischen Konzeption“ konstatiert und Ausonius als „deeply Christian“ allein aufgrund der Ephemeris48 und der Versus paschales bezeichnet (232f.), sind jetzt die Überlegungen von Di Salvo49 und Amherdt (25ff.) heranzuziehen.
Im vierten Abschnitt werden weitere Einzelaspekte der Politik von und um Ausonius diskutiert: Die „Sukzessionskrise“ nach dem Tode Valentinians I., die Gesellschaftspolitik Gratians mit Maßnahmen zugunsten des Senats sowie seine Personalpolitik, insbesondere hinsichtlich des gallischen Dienstadels, aber auch der römischen Aristokratie.
Wenn auch manche der Kombinationen des Autors eingestandenermaßen spekulativ bleiben (wie z.B. S. 35 die Vermutung über die Beteiligung des Ausonius an einer früheren legatio an den Kaiserhof), so sind seine durch souveräne Beherrschung der Quellen und der Sekundärliteratur gewonnenen Schlußfolgerungen in aller Regel plausibel und nachvollziehbar. Leider fehlt ein Stellenindex, der das reiche Primärmaterial bequem erschließen könnte.
Die durchgehend sorgfältig dokumentierte Darstellung von Coşkun stellt nur den ersten Teil einer Trilogie dar, der ein historisch-philologischer Kommentar zur Gratiarum actio sowie eine Abhandlung „Kaiser Gratian und die Verteidigung des Römischen Reiches“ folgen sollen. Man wird nach den vorgelegten Untersuchungen den weiteren Publikationen mit Interesse entgegensehen.


1 Zeitlich begrenzte Literaturberichte bieten:
Antonio Alvar Ezquerra: Estado actual de los estudios sobre Ausonio. Bibliografía crítica 1960–1987. Estudios clásicos 33, 1991, Nr. 99, 53–96; deutsche Übersetzung bei Lossau 446–462.
Luca Mondin: Dieci anni di critica ausoniana (1984–1993). Bollettino di Studi Latini 24, 1994, 192–255.
Nützlich sind auch die Übersichten zu den einzelnen Kapiteln bei Amherdt.

2 Der von Manfred Lossau 1991 herausgegebene Sammelband (besprochen von Ornella Fuoco, Bollettino di Studi Latini 23, 1993, 122–124) enthält außer der Einleitung durch den Herausgeber und Nachdrucken (mit kleineren Ergänzungen) nur einen einzigen Originalbeitrag zu Auson. 146 p. 12 Peiper (Severin Koster: Der Stenograph des Ausonius, 402–420) und kann daher hier unberücksichtigt bleiben. In dem von Lodewijk J. Engels und Heinz Hofmann herausgegebenen Handbuch (Neues Handbuch der Literaturwissenschaft der Spätantike, Wiesbaden 1997) muß man sich, der Anlage dieses Werkes entsprechend, die Informationen über Ausonius an verschiedenen Stellen zusammensuchen; vgl. die Rezension von J. Gruber, Gymnasium 106, 1999, 363–365. Das meiste steht in dem hervorragenden Beitrag von Jean-Louis Charlet („Die Poesie“, 495–564).

3 Vgl. die Rezensionen von E. J. Kenney: Ausonius Restitutus. Classical Review 42, 1992, 310--314; E. Klingshirn, BMCRev 03.02.10; Ornella Fuoco, Bollettino di Studi Latini 23, 1993, 122–124; Luca Mondin: Storia e critica del testo di Ausonio. A proposito di una recente edizione. Bollettino di Studi Latini 23, 1993, 59–96; Mondin 1994 (wie Anm. 1) 199ff.; Luca Mondin: In margine alla nuova edizione di Ausonio. Prometheus 20, 1994, 150–170. In den Besprechungen von Mondin sind zahlreiche Stellen mehr oder weniger ausführlich diskutiert. Leider wurden diese wichtigen Beiträge in der Forschung nicht immer hinreichend berücksichtigt. Die Erörterung einzelner Stellen in der Besprechung von Michael Winterbottom (The Journal of Theological Studies N.S. 43, 1992, 691) beschränkt sich auf die Gratiarum actio.

4 Deren Einteilung folgen auch Dräger 2002, 254 (= 2004, 88) und Amherdt 11.

5 Vgl. 2. Teil.

6 Zu dieser Frage vgl. unten und 3. Teil Anm. 107 im Zusammenhang mit dem Briefwechsel zwischen Ausonius und Paulinus von Nola die überzeugende Position von Skeb.

7 Zuletzt beschrieben von Green, Kommentar S. xli, Oxoniensis S. viif.; Della Corte 5; Mondin 1993, 60 Anm. 5; vgl. auch Bajoni 21; Di Giovine 32f.; Prete (wir Anm. 14), 136 Nr. 122.

8 In V sind die Werke nach Sachgruppen geordnet, beginnend mit autobiographischen Gedichten, gefolgt von Werken historischen und gelehrten Inhalts, beschlossen von einer Auswahl von Briefen und Epigrammen.

9 Die Forschungsliteratur dazu bei Mondin 1993, 60 Anm. 7.

10 Vgl. Mondin 1993, 61 Anm. 9.

11 Einen Überblick über die Forschungsgeschichte zur Frage der Autorenvarianten gibt Della Corte 43ff.

12 Generell sollten sich die Siglen für (rekonstruierte) Familien deutlich von denen für einzelne Handschriften unterscheiden. Daher seien die Handschriftenfamilien im folgenden nach Liebermann/Schmidt mit kleinen Buchstaben (x, y, z, dazu b bei Prete) bezeichnet. Die Konfusion wird jetzt dadurch vergrößert, daß Cavarzere (18) nach Mondin für die Sammlung, die v.a. durch die Hs. V vertreten ist, die Sigle Y wählt, die bei Green den Parisinus latinus 17177 bezeichnet. Mondin schreibt in seiner Edition der Briefe Y und Z kursiv (Y, Z), was jedoch optisch zu wenig auffällig ist. Reeve hatte schon 1978 für die Gruppe z und die Handschrift D ein gemeinsame Quelle mit z bezeichnet; vgl. Di Giovine 32 und mit Detaildiskussion von D 40ff.

13 Vgl. Green, Kommentar S. xliii; Edition S. xiv.

14 La tradition textuelle et les manuscrits d'Ausone, in: R. Étienne u.a. (Hrsg.): Ausone, humaniste aquitaine, Bordeaux 1985, 99–157 mit Hinweisen auf seine früheren Arbeiten zur Textüberlieferung des Ausonius.

15 Eine Liste aller Drucke mit Werken des Ausonius bis 1785 bietet Louis Desgraves: Répertoire des éditions imprimées des œuvres d'Ausone (1472–1785), in: Étienne (wie Anm. 14), 159–251.

16 Die Konfusion zeigt sich besonders deutlich in der Anordnung der Briefe, bei der jetzt Mondin Klarheit geschaffen hat. Vgl. auch die Zählungen der Parentalia bei Lolli 42. Für das Technopaegnion hat Di Giovine (S. 23) eine eigene Konkordanz vorgelegt.

17 Vgl. Della Corte 7: „Di fronte a questa anarchia delle edizioni ausoniane, che rende complicato persino il modo di poter citare componimenti di Ausonio, sarebbe davvero opportuno ritornare alla numerazione di G. B. Souchay (Parigi 1730), riprodotta dalla bipontina del 1785, che, pur non avendo alcuna pretesa di rispecchiare la volontà dell'autore, ha tutta via il vantaggio di essere in uso da due secoli.“ In der Reihenfolge der Bipontina erläutert Della Corte (8–20) den Textbefund der einzelnen Werke. Bei den größeren Einzelwerken wie Biss., Mos., Ordo oder Werkgruppen wie Epigr., Epist., Parent., Prof. können dagegen, wenn der Herausgeber keine Umstellungen vorgenommen hat, die Souchay-Nummern entfallen.

18 Allerdings verfuhr schon Schenkl (und jetzt wieder Di Giovine) so, während Peiper nur die Zeilenanfänge groß schreibt, Prete (und danach Dräger) nur die Abschnittsanfänge, dagegen Cavarzere und Bajoni (obwohl sie sonst Greens Text folgt) alle Satzanfänge, was dem Rezensenten allein sinnvoll erscheint.

19 Von den genannten älteren Ausgaben kann die von Schenkl weiterhin als maßgebend angesehen werden; vgl. 2. Teil Anm. 79.

20 Beispielshalber seien genannt (mit der Numerierung von Green): I,3,9 in ea statt mea; I,3,13 exitat; die nicht seltene Vertauschung von numen/nomen (z.B. II,3,20; IV,27). Einiges wurde aus dem Kommentar in die Ausgabe mit Recht nicht übernommen, so die Varianten zu I,3,21; die Notierung des Ausfalls einzelner Wörter wie in I,5,1 und 13; IV,8 russum V; oder Varianten in der Schreibung griechischer Wörter, insbesondere von Eigennamen, z.B. XIII,20,6 deipheben oder deyphoeben für Deiphoben; XIII,65,2 und XIII,69,2 Pasiphae; XIII,111,2 hermaphroditus/hermophroditus. Zu den zahlreichen eigenen Konjekturen Greens vgl. Mondin (wie Anm. 1), 201ff. – Weitere Beobachtungen zur Textgestaltung: Parent. 6 Tit.: Der von Mertens getilgte Zusatz sollte konsequenterweise nicht mehr im Text (so auch Lolli), sondern nur im Apparat erscheinen. Mos. 51: Die Konjektur cara hätte nicht in den Text aufgenommen werden sollen. 109: Die Periode geht, wie schon Fuchs erkannt hat, bis 110 color. Mos. 116 kehrt die Oxoniensis wieder zu der allein überlieferten und nur an dieser Stelle belegten Form amnigenos zurück, während Green in seinem Kommentar noch für die Konjektur von Böcking (nach Vinet) amnigenas eingetreten war, die sich auf Val. Fl. 5,584 stützt und jetzt wieder von Cavarzere aufgegriffen wird. Folgt man der von Green formulierten Unterscheidung, nach der die Komposita auf -genus die Art („kind“), die auf -gena die Herkunft bezeichnen, dann ist in der Tat die Form amnigenas vorzuziehen. Mos. 146: Die Interpuktion exclusum; ist unverständlich; vgl. Fuchs (2. Teil Anm. 59), 177. Mos. 468 nomine: Mit Recht zurückgewiesen von Di Salvo 78. Zur Konjektur tabulam p. 154 l. 1 vgl. 3. Teil Anm. 108.

21 Wo für die Überlieferung nur V die Grundlage bildet, ist es überflüssig, bei Varianten oder Konjekturen die im Text stehende Lesung von V im Apparat nochmals zu wiederholen. Diese Abundanz wurde in der Oxoniensis erfreulicherweise konsequent beseitigt.

22 Das soll an einigen Beispielen erläutert werden: I,3 im Antwortschreiben an Theodosius fehlen in der Oxoniensis p. 4 (im Gegensatz zum Kommentar) die handschriftlichen Varianten der Überschrift; worauf die von Green gewählte Form zurückzuführen ist, die aus H gekürzt (!) übernommen wurde, bleibt somit unklar. Ähnliches gilt für I,5. Offenbar als Glossen verstanden (Kommentar S. 246), wurden die in der Ephemeris handschriftlich überlieferten Überschriften der einzelnen Abschnitte nicht, wie von Schenkl und Peiper, in den Text aufgenommen, aber im Kommentar wenigstens im Apparat genannt. In der Oxoniensis findet sich im Apparat nur die Überschrift zu II,3 (S. 8).

23 Z.B. (Zählung nach Green) XIII,53; XIII,56 (Kroisos und Diogenes); XIII,57 (Praxiteles, Niobe); XIV,17 (Herakles). Nützlich ist auch die von Kenney (wie Anm. 3) zusammengestellte Liste von „queries and addenda“ sowie die Einzelkritik bei Mondin (wie Anm. 1), 204f. Zu den Landgütern des Ausonius, auf die Green nur kurz im Zusammenhang mit De herediolo eingeht, sind jetzt die Ausführungen von Sivan 66ff. mit den entsprechenden archäologischen und topographischen Nachweisen heranzuziehen.

24 Das sei an zwei Beispielen näher ausgeführt: XIII (Epigr.) 58,1 (S. 402) „Sipyleia: cf. Stat. S. 5.1.33“ (die für die internationale Latinistik mit Recht normierende Zitierweise des Thesaurus wird, wie häufig in der englischsprachigen Literatur, konsequent nicht beachtet). An der genannten Silven-Stelle findet sich die Junktur genetrix Sipylea; offensichtlich wollte Green damit andeuten, daß die von Ausonius gewählte Adjektiv-Form schon bei Statius vorliegt. Zur Erklärung des Eigennamens wird man jetzt bei Kay S. 190 z.St. nachschlagen, wo aber wiederum nichts über die Adjektivbildung gesagt ist. XIII (Epigr.),69 findet sich nur ein Verweis auf AP 9,730; nichts zu Pasiphae und machina; im Index nominum s.v. Pasiphae fehlt die Stelle, nur Cupido cruciatus 30 ist genannt, wo ebenfalls die Geschichte erwähnt wird und dort finden sich nur Hinweise auf Vergil. Vgl. dagegen die hilfreichen Erläuterungen von Franzoi 76f.

25 Die Angaben aus der „Selected Bibliography“ (S. liii–lvi) werden weitgehend wiederholt. Eine Differenzierungen nach Ausgaben und Sekundärliteratur wäre wünschenswert. Nachdrucke (am anderen Ort) und Neuauflagen sind in der Regel nicht vermerkt.

26 Vgl. die Besprechung von Massimo Lolli, Latomus 61, 2002, 733–736 mit Literaturhinweisen und wichtiger Einzeldiskussion.

27 Den Wert dieser Appendices hebt Mondin (wie Anm. 1), 199 besonders hervor.

28 Die Umstellung wird auch beanstandet von Mondin (wie Anm. 1), 201.

29 Greens Entscheidung wird jetzt von Kay 293 wieder in Zweifel gezogen.

30 Vgl. Green, Komm. 245; dagegen datiert sie Peiper S. LXXXXV vor 367.

31 Schenkl stellte es an den Anfang des Briefcorpus.

32 Vgl. dazu auch Di Salvo 41.

33 Der in der einzigen Hs. V überlieferte Titulus stammt offensichtlich nicht von Ausonius selbst, sondern von einem flüchtig arbeitenden Herausgeber. Dazu jetzt ausführlich Altay Coşkun: Trennungsschmerz eines anhänglichen Vaters. Zum Hintergrund von Ausonius, Pater ad filium. Hermes 130, 2002, 209–222. Er hat auch gezeigt, daß am Anfang des Gedichts keine Lücke anzusetzen ist.

34 Kritisch zu dieser modernen Einteilung nach Themengruppen Della Corte 7.

35 Mit den Epigrammen schließt die in V vorliegende Sammlung; sie stehen daher auch in der Ausgabe von Schenkl am Ende der Edition. Diese Anordnung entspricht antiker Editionstechnik (Della Corte 6). Green begründet seine Anordnung der Epigramme, die weitgehend der bei Schenkl und Pastorino entspricht, im Kommentar S. 375ff. Die in die Appendix A des Kommentars aufgenommenen Epigrammata varia fehlen in der Oxoniensis.

36 Green paraphrasiert seine Anordnung im Kommentar S. viiif., vgl. Edition S. xvii „the enormous diversity of Ausonius' writing resists attempts to devise a totally satisfactory order“; vgl. auch Della Corte 7: „L'illusione degli ultimi editori e stata quella di credere alla possibilità di portare un ordine logico alla disposizione degli opuscula ausoniani.“

37 Parent. 8,6 hat Green seine Konjektur aequavis („new and excellent“ nach dem Urteil von D. R. Shackleton Bailey, Classical Review 51, 2001, 168, der auch auf andere Änderungen gegenüber dem Kommentar eingeht) in den Text aufgenommen, während der Kommentar Peipers Konjektur quamvis bietet. Das in der einzigen Hs. V überlieferte civis wird von Pastorino und Sivan (Latomus 48, 1989, 679f.) verteidigt; vgl. Lolli S. 117f., der vernünftigerweise eine Crux setzt. Nicht wenige der Entscheidungen Greens sind jetzt durch die unten zu besprechenden Kommentare erneut zur Diskussion gestellt worden (eine Einzeldiskussion ist im Rahmen dieses Überblicks nicht möglich). Es ist zu hoffen, daß diese in einer Neuauflage der Oxoniensis berücksichtigt werden.

38 Die Ausnahmen finden sich in der Ephemeris II,1 und II,3 (die verschiedenen Fassungen führt Della Corte 75 auf die Ausgaben von 383 und die postum entstandene zurück und rechnet mit einer Autorenvariante); XI,26; XII,5. Besonders vermißt man die Nachweise in den Parentalia, der Commemoratio professorum, der Bissula.

39 Nicht dagegen bei mehreren Beiträgen, z.B. p. 33 Mertens. Nur über den Kommentar bzw. das dortige Literaturverzeichnis verifizierbar sind: p. 14 Schetter, Goetz; p. 45 (X,29,1) Hartel; p. 67 Walther (im Literaturverzeichnis des Kommentars „Walter“). Unklar bleibt, auch bei Beiziehung des Kommentars S. x, ob die Konjekturen von Leofranc Holford-Strevens (p. 54, p. 61, p. 65; Bajoni diskutiert sie nicht) an anderer Stelle publiziert und begründet sind.

40 Bemerkt wurden: p. 29 App. cr. „(A) 3“ statt „(A) 4“. Der Fehler erklärt sich aus der Übernahme aus Komm. p. 25. Der Apparat zu Mos. 268 ist nicht korrekt. Fuchs (wie 2. Teil Anm. 59) S. 179 schlägt vor: alternans redhibet, nicht alternos; p. 248 l. 23 muß korrekt heißen mercatur <in quo>quo foro venalium; vgl. Mondin, Epist. S. 23. Der Fehler findet sich schon im Kommentar.

41 Vgl auch den vorzüglich informierenden Überblick von Richard Klein: Das südliche Gallien in spätantiker Zeit. Gymn. 98, 1991, 352–380.

42 Alan D. Booth in seiner Kritik an Sivan (BMCRev 5, 1994, 249–252) bestreitet nachdrücklich diese Zäsur: „The hypothesis about imperial reluctance to charge Gauls with high office before Julian's time rests on an fragile foundation. ... One simply does not know enough about provenance of fourth-century dignitaries to claim that Gauls were excluded from important office in any systematic way“ und weiter: „There is no reason to suppose that fourth-century Gauls were hindered by imperial distrust from pursuit of an official career.“ Vgl. auch die Besprechung von Dirk Schlinkert, Klio 76, 1994, 537–539.

43 Das Thema ist auch Gegenstand des entsprechenden Abschnitts in der Tusculum-Ausgabe von Dräger und der Monographie von David Amherdt (siehe 2. und 3. Teil).

44 Sivan spricht (107) von „the very absent of a clear-cut political aim“. Zur weiteren Diskussion über Entstehungszeit und Tendenz der Mosella siehe 2. Teil.

45 So auch Klein (wie Anm. 41), 378: „Ausonius, der innerlich kaum von der neuen Lehre angerührt war.“ Das „indifferente Namens-Christentum und den Synkretismus des Ausonius“ konstantiert Dräger 2002 zu Epist. 8,27,113. Vgl. dagegen Green und Coşkun unten S. 115 mit Anm. 48 und 49. Die Frage hat zuletzt im Kontext der jüngsten Forschung David Amherdt diskutiert; siehe unten 3. Teil.

46 Vgl. auch die Besprechungen von Ulrich Lambrecht, Plekos 4, 2002.

47Die communis opinio der Forschung, die von einem Aufenthalt des Ausonius noch unter dem Usurpator Maximus spricht, stützt sich lediglich auf den Titel von Pater ad filium (VII Green = Epist. 20 Mondin, Peiper = 391 Souchay) mit der Formulierung cum temporibus tyrannicis ipse Treveris remansisset. Dazu jetzt ausführlich Altay Coşkun, Trennungsschmerz (wie Anm. 33). Er datiert das Gedicht in die erste Hälfte des Jahres 375. So erhärtet Coşkun auch die Vermutung von Mondin Epist. S. 230 „forse non risalente al poeta“.

48 Das Gebet innerhalb der Ephemeris hat Green in seinem Kommentar 250f. ausführlich als „an emphatic statement of faith“ gewürdigt und erklärt: „The prayer ... gives undeniable evidence of Ausonius' deep and varied religious knowledge“. Die wahrscheinlich schon früher entstandenen Versus paschales bezeichnet Green im Kommentar S. 269 als das Werk „of a devoted and informed Christian who is not afraid to apply his poetic talents to a demanding theme“.

49 20 ff. mit der Feststellung (21) „In realtà, Ausonio è un cristiano piuttosto tiepido e superficiale“. Offensichtlich hat Coşkun diesen Kommentar nicht benutzt. Zum Christentum des Ausonius vgl. auch oben Anm. 45.

Joachim Gruber, Erlangen
joachim.gruber@nefkom.net

2. Teil: Mosella || 3. Teil: Varia

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