Vorbemerkung: Die in diesem Überblick über die Ausonius-Forschung der letzten 16 Jahre besprochenen Arbeiten sind am Ende aufgeführt. In der Regel sind nur Ausgaben, Kommentare und Monographien berücksichtigt. Der Bericht schließt somit zeitlich an den auch deutschsprachig zugänglichen von Antonio Alvar Ezquerra an, ohne daß die Zeitgrenze starr gezogen wäre. Eine gekürzte Fassung dieses Berichts wird in Gymnasium 11, 2006 erscheinen.
1. Teil: Gesamtdarstellungen und Gesamtausgaben
Die Darstellung im Handbuch der Lateinischen Literatur durch Liebermann/ Schmidt faßt das bis 1986 Geleistete in vorbildlicher Weise zusammen. Da sie den Forschungsstand und die mit dem Werk des Ausonius zusammenhängenden Probleme dem Charakter eines Handbuchs entsprechend eher konservierend und referierend darbietet, liefert sie der weiteren Ausonius-Forschung ein solides Fundament. Auf dieser Grundlage wurde in den folgenden Jahren sowohl durch Gesamtdarstellungen wie durch Einzelkommentare das Verständnis dieses Autors außerordentlich gefördert.1 Im folgenden sollen zunächst die wichtigen Gesamtdarstellungen von Green, Sivan und Coşkun gewürdigt werden, daran anschließend die Einzelausgaben und Einzelkommentare.2
1991
erschien die kommentierte Gesamtausgabe von Green; sie wurde zum
Ausgangspunkt für alle weiteren Arbeiten und Diskussionen.3
Einleitend charakterisiert Green (xv) kurz die Dichtung des Ausonius
als „a kaleidoscopic variety of styles, some of them his own,
some based on a wide variety of classical models. He was not only the
most brilliant and prolific writer of his age, but one of the most
versatile and skilful writers in the history of Latin literature“.
Wie schon Liebermann/Schmidt4
(aber ohne Bezug auf sie) teilt Green das Gesamtwerk in drei Gruppen:
Persönliches, Historisches und Kunstdichtung („gymnastic
verse“, Technopaegnia). Daß aber die Zuordnung
einzelner Werke nicht nur zu traditionellen Gattungen (die als
Klassifizierungsmerkmale spätantiker Literatur ja nur bedingt
tauglich sind), sondern auch zu thematisch bestimmten Gruppen
strittig ist, wird besonders am Beispiel der Mosella
deutlich.5
Verständlich werden diese „Kunstdichtungen“, zu
denen nach Green (xvi) der moderne Leser am schwersten einen Zugang
findet, in ihrer Funktion als Dokumente eines gelehrten
Freundschaftszirkels, der derartige Kunstfertigkeit zu schätzen
wußte. Für Green jedoch stellen sich die persönlichen
Opuscula als die attraktivsten Teile des Œuvres
dar. Persönliche Züge finden sich aber auch in den sog.
„historischen“ Werken. So muß man die Einheit des
Gesamtwerks wohl nicht in einer dezidiert vorgetragenen
Lebensanschauung sehen, sondern in dem stets präsenten Bezug auf
die Person des Autors und seines Milieus, sei es das der Schule, des
Hofes oder des Freundeskreises im Rahmen der gebildeten spätantiken
Adelsgesellschaft. Das zeigen besonders nicht nur die Widmungsbriefe
der einzelnen Werke, sondern der Briefwechsel insgesamt.
Des
weiteren werden von Green zunächst allgemein Fragen nach den
literarischen Vorbildern sowie Metrik, Satzbau und Wortschatz
angesprochen. Das zweite Kapitel seiner Einleitung beschäftigt
sich mit dem Leben und der politischen Laufbahn des Ausonius; dieses
Thema wird in den Monographien von Sivan und Coşkun aufgegriffen
und vertieft. Kein Zweifel besteht für Green am
Christentum des Ausonius.\footnote6
Der Überblick über die Ausonius-Rezeption (xxii–xl)
führt deutlich über das hinaus, was Liebermann/Schmidt
bringen.
Das
dritte und letzte Kapitel der Einleitung stellt die Textüberlieferung
dar: Das Verhältnis der einzelnen Handschriften zu einander
bildet nach einem Wort Jachmanns eines der verwickeltsten Probleme
der lateinischen Textüberlieferung. Das hat zu verschiedenen
Lösungen geführt, die in den letzten Jahren eindringlich
diskutiert wurden.
Keine
der mehr oder weniger eng zusammenhängenden Handschriftengruppen
enthält alle überlieferten Werke. Je nach Bewertung der
Übereinstimmungen und Divergenzen sowie der
Überlieferungsgeschichte wird eine zwei-, drei- oder
viergeteilte Überlieferung angenommen, die auf eine oder mehrere
Ausgaben (des Autors selbst oder postum) zurückgeführt
wird. Allgemein anerkannt ist die Tatsache, daß Überschriften
und Begleitbriefe zunächst auf Einzelpublikationen durch den
Autor schließen lassen. Nach dem Konsulat des Ausonius (379)
und vor Gratians Tod (383) erschien eine erste Gesamtausgabe der
Opuscula. Diese wurde durch später Entstandenes weiter
ergänzt; ein solches ergänztes Exemplar erhielt einige
Jahre später Kaiser Theodosius. Soweit ist sich die Forschung
weitgehend einig. Strittig ist dagegen, ob Ausonius selbst noch eine
Gesamtausgabe veranstaltete, oder ob die handschriftliche
Überlieferung auf eine oder mehrere postume Ausgaben
zurückzuführen ist und welche Rolle dabei die
Theodosius-Ausgabe spielt.
Die
verschiedenen mittelalterlichen Stränge der Überlieferung
stellen sich als mehr oder weniger umfangreiche Exzerpte aus dem
Gesamtwerk dar. Als zweigeteilt beurteilt Mondin 1993, 59f. die
Überlieferung mit den Zweigen Y und Z. Y wird einerseits
repräsentiert durch die bald nach 800 in westgotischer Minuskel
verfaßte Miscellan-Handschrift V (Leidensis Vossianus Latinus
111).7
Sie ist in Südfrankreich (Lyon) geschrieben und enthält
eine wohl in Spanien entstandene Sammlung spätantiker Dichter.
Sie enthält über die Hälfte der Werke, und in der dort
vorliegenden Anordnung sieht Mondin (ibid.) „il piano di
un'edizione avviata dello stesso autore negli ultimi anni di
attività“, und weiter: „tutto fa credere che
questo fosse l'ordinamento concepito da Ausonio“.8
Andererseit ist Y vertreten durch die Bobienses9
und die Excerpta10,
die auch für die Mosella-Überlieferung bedeutsam
sind (vgl. 2. Teil). Y wird von Mondin auf eine postume Edition
zurückgeführt, die mit ziemlicher Sicherheit „l'intervento
di un curatore postumo assai vicino ai tempi e all'ambiente del
poeta“ bezeuge. Der Zweig Z wird repräsentiert durch mehr
als 20 Humanistenhandschriften und bietet eine von Y deutlich
verschiedene Sammlung, die auf eine frühere Ausgabe des Ausonius
zurückgeführt werden kann. Die Varianten zwischen einzelnen
Teilen von Y und Z werden als Autorenvarianten angesehen.11
Liebermann/Schmidt
und Green gehen dagegen von einer dreigeteilten Überlieferung
aus, die auf eine postume Gesamtausgabe zurückzuführen sei.
Dabei vertritt V einen eigenen, mit x bezeichneten Strang.12
Varianten zwischen einzelnen Teilen von Y und Z werden der
nachantiken Überlieferung zugerechnet.13
Eine
viergeteilte Überlieferung (V, z, Excerpta, b; letztere Familie
gebildet aus dem Harleianus 2613 und dem Parisinus lat. MS 8.500)
wird heute hauptsächlich nur noch von Sesto Prete vertreten.14
Dem ganzen Problem der Textgeschichte hat Francesco Della Corte eine Monographie gewidmet. Auch er hält an der Einteilung in drei Familien und an der von Liebermann/Schmidt skizzierten Entstehungsgeschichte der Sammlung fest. Im Detail werden die Textgeschichte der drei Handschriftenfamilien und ihre Beziehungen untereinander besprochen. Anschließend werden die frühen Drucke seit 147215 und die Werke mit unsicherer Zuweisung behandelt. Entschieden spricht sich Della Corte gegen eine postume Gesamtausgabe aller Werke des Ausonius aus (43f.). So sucht er den Weg von den einzelnen Handschriftengruppen zurück zu den verschiedenen Werkausgaben der Spätantike, d.h. von den Codices der Familie z zur Ausgabe von 383, von der im Codex Vossianus latinus (V) überlieferten Sammlung der Opuscula zu einer im Umkreis des Ausonius, ohne Kenntnis der Ausgabe von 383, nach dessen Tod veranstalteten Ausgabe, die Della Corte vermutungsweise mit Paulinus von Pella, einem Enkel des Ausonius, in Zusammenhang bringt. Die Excerpta schließlich, die auch die Mosella enthalten, vereinigen gesondert publizierte Werke. Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit den Werken, die sowohl in V wie in der Familie z überliefert sind, d.h. die nach der Ausgabe von 383 nochmals eine Überarbeitung durch den Autor haben erfahren können. Besonders ausführlich ist die oratio der Ephemeris besprochen, ferner die Caesares, Fasti, Technopaegnion und der Ordo urbium nobilium. Dabei kann die These der Autorenvarianten überzeugend bestätigt werden. Eine knappe Zusammenfassung beschließt diesen klar geschriebenen, übersichtlichen und in seiner Beweisführung stringenten und überzeugenden Beitrag zur Textgeschichte.
Eine besondere Crux für jede Beschäftigung mit dem Werk des Ausonius stellt die unterschiedliche Zitierweise der einzelnen Ausgaben dar. Während der Index librorum scriptorum inscriptionum des Thesaurus linguae Latinae weiterhin an der Zählung nach Souchay und der Angabe der Seitenzahlen nach Peiper (Leipzig 1886, Ndr. Darmstadt 1976) festhält, zeigen die gängigen Ausgaben von K. Schenkl (Berlin 1883, Ndr. München 1982), A. Pastorino (Turin 1971), S. Prete (Leipzig 1978) und jetzt von Green jeweils abweichende Anordnungen und Numerierungen, die nur noch durch umfangreiche Konkordanzen (S. 721–727 im Kommentar von Green) vergleichbar bleiben.16 Mit Recht beansprucht der Index des Thesaurus in der Latinistik normative Gültigkeit. Ihr hätte Green Rechnung tragen sollen, indem er in seinem Kommentar wie in der unten zu besprechenden Oxoniensis die Souchay-Zählung ergänzend beibehalten hätte, die man jetzt in der Edition von 1999 mühsam in den beigegebenen Konkordanzen suchen muß; in der Konkordanz der kommentierten Ausgabe fehlen die Souchay-Nummern ganz.17 Auch innerhalb einzelner Gedichtzyklen wie etwa des Ordo urbium nobilium könnte benützerfreundlicher verfahren werden, indem etwa nicht nur die Zeilen des ganzen Zyklus fortlaufend durchnumeriert werden (so verfährt leider auch, wie schon Schenkl, der Kommentar von Di Salvo), sondern jedes Gedicht (das ja auch eine eigene Souchay-Nummer trägt) zusätzlich eine eigene Zeilenzählung erhält (wie bei Peiper). Auf absehbare Zeit wird man demnach Ausonius nur unter Nennung der jeweils benützten Ausgabe zitieren können, auch wenn die Oxoniensis – faute de mieux – allmählich normative Kraft erlangen dürfte. Sinnvoll wäre es auf jeden Fall, über den Usus des Thesaurus hinaus für die einzelnen Werke oder Werkgruppen einheitliche Abkürzungen (mit jeweils großem Anfangsbuchstaben) zu verwenden. Die Liste bei Green, Kommentar S. lii (leider nicht in die Oxoniensis übernommen), könnte dafür normbildend sein; ihr folgt Lolli 42 (statt „Vrb.“ sollte mit Green „Ordo“ beibehalten werden), zahlreiche Abweichungen bei Liebermann/Schmidt und Coşkun 257.
Die
Anordnung der Gedichte in Greens Kommentar orientiert sich zum Teil
an der Handschrift V und wird in die Ausgabe von 1999 übernommen
(s.u.). Ebenso wurde die konsequente Kleinschreibung auch am Satz-
und Abschnittsanfang (nicht am Gedichtanfang) in der späteren
Ausgabe beibehalten. Das ist wenig leserfreundlich, denn das
Verständnis der Textgliederung wird dadurch nicht gerade
erleichtert.18
Der
kritische Apparat des Kommentars ist selektiv und bleibt damit
zwangsläufig hinter dem der Spezialausgaben von Mondin und Di
Salvo, aber auch hinter Schenkl, Peiper, Pastorino und Prete19
zurück. Umgekehrt ist er durch die Aufnahme sprachlich oder
inhaltlich unsinniger Varianten20
teilweise abundant21
und wurde für die Oxoniensis gestrafft, was aber nicht selten
wiederum mit einem Verlust an Information verbunden ist.22
Der
Kommentar selbst ist außerordentlich eklektisch, mit dem
Hauptgewicht bei den sprachlichen Erscheinungen, aber mit deutlichen
Defiziten bei den Realia.23
Dabei werden häufig nur Verweise auf andere Stellen oder auf
ältere Handbücher (Roscher, RE) gegeben; der Leser mag dann
zusehen, wie er an die erwünschten weiteren Informationen
gelangt.24
Eine umfangreiche Bibliographie (S. 729–753) schließt das
monumentale Werk ab.25
Auch die Indices sind selektiv; ein Stellenindex, wie er jetzt
vorbildlich in den Kommentaren von Lolli und Di Salvo vorliegt, würde
das reiche Material noch besser erschließen.
Dennoch
muß nachdrücklich betont werden, daß eine
Gesamtkommentierung der Werke des Ausonius eine ganz außerordentliche
Leistung darstellt. Sie bildet ein solides Fundament der
Ausonius-Philologie, auf dem weiter aufgebaut werden kann. Es ist
daher kein Zufall, daß nach dem Kommentar von Green eine ganze
Reihe von Kommentaren zu einzelnen Schriften erschienen ist, die im
2. und 3. Teil besprochen werden sollen.
Zunächst
ist jedoch auf die Textausgabe näher einzugehen, die Green in
der Reihe der Oxford Classical Texts vorgelegt hat.26
Bedauerlicherweise ist der Textumfang der Oxoniensis durch den
Wegfall einiger Texte aus den Appendices des Kommentars geringer
geworden.27
So vermißt man den in fast alle kritischen Ausgaben
aufgenommenen, in zwei Haupthandschriften (P, H) überlieferten
Brief des Kaisers Theodosius an Ausonius, in dem dieser um Zusendung
der Neuausgabe bittet (Appendix B 1.). Die Antwort des Ausonius (I,3
Green = I,IV Peiper) steht in einem engen Textbezug zu dem Schreiben
des Theodosius, sodaß auch in der Textausgabe die Aufnahme auf
jeden Fall gerechtfertigt wäre. Außerdem fehlen die von
Ausonius in seiner Funktion als Quaestor redigierten Gesetze, die im
Kommentar als Appendix aufgeführt sind.
Kaum
überzeugend sind die schon im Kommentar 1991 vorgenommenen
Umstellungen der Präfationen Nr. 4 (An Drepanius), die Peiper
und Prete als Einleitung zu den Eclogae angesehen haben,28
und Nr. 5, die offensichtlich an der Spitze einer Epigrammsammlung
stand29.
Beidemale rechnet Green mit dem Verlust der durch die Praefationes
eingeleiteten Werke. Das kann aber weder bewiesen noch widerlegt
werden. Entsprechend der Reihenfolge in der Leithandschrift V folgt
(wie bei Schenkl, Peiper, Pastorino, Prete) die wohl eher um 379
entstandene Ephemeris.30
Während Green bis hierher V folgt, wählt er mit der
anschließenden Plazierung von Ad patrem de suscepto filio
die chronologische Einordnung, denn es handelt sich dabei wohl um das
früheste überlieferte Gedicht des Ausonius, das in V unter
den Briefen eingereiht ist,31
aber auch von Mondin aus dem Briefcorpus ausgeschieden wurde. Wie bei
Peiper folgen die Versus paschales, datiert zwischen 371 und
375 (nach Sivan zwischen 368 und 373) und damit später als eine
Reihe anderer Gedichte (vgl. die Tabelle bei Sivan 165); Green folgt
damit der Abfolge in der Handschrift H.32
Erst an späterer Stelle ordnen V und z sowie die modernen
Herausgeber das um 378/79 entstandene Epicedion in patrem ein,
das bei Green als Nr. V erscheint, gefolgt von dem ebenfalls um 379
entstandenen Gedicht De herediolo (VI). Die von allen
Herausgebern unter die Briefe eingereihten Verse Pater ad filium33
sowie Brief XVIII, XXII Peiper (Protrepticus ad nepotem) und
XVIII, XXI Peiper (Genethliacos ad Ausonium nepotem) folgen
bei Green, jetzt offenbar entsprechend einem thematischen Prinzip wie
in Peipers Gruppe II Domestica.34
An sie schließen sich, wie bei Peiper, die Parentalia,
die Commemoratio professorum Burdigalensium und die Epitaphia
heroum qui bello Troico interfuerunt an. Offenbar wieder nach dem
Vorbild von V folgen die Epigrammata in einer Anordnung, die
sich wesentlich an der Überlieferung in z orientiert und auch
von Kay übernommen wurde.35
Mit den an die Epigramme angeschlossenen Eklogen wird wiederum die
Reihenfolge von V verlassen. In der Anordnung der größeren
Stücke Griphus ternarii numeri (XV), Mosella
(XVI), Bissula (XVII), Cento nuptialis (XVIII) und
Cupido cruciatus (XIX) hat sich Green, aus welchen Gründen
auch immer, für eine von den früheren Herausgebern
abweichende Reihung entschieden, die sich auch bei den übrigen
Werken fortsetzt. Als neue Gruppe werden Precationes variae
(XX) gezählt, die sonst unter die Epigramme subsumiert wurden.
Inwieweit diese Anordnung Bestand haben wird, muß die weitere
Diskussion zeigen.36 Der
lateinische Text des Kommentars ist im wesentlichen unverändert
in die Oxoniensis übernommen worden.37
Während aber im Kommentar die handschriftliche Bezeugung der
Überschriften durch den Apparat dokumentiert ist, fehlt dieser
Nachweis in der Oxoniensis weitgehend.38
Die im Apparat genannten Gelehrten und ihre textkritischen Beiträge
können nicht immer eindeutig verifiziert werden. Das Problem
entfällt allerdings, wenn es sich um Ausgaben (aufgelistet p.
xxviif.) oder einen einzigen, im Literaturverzeichnis (p. xxviiiff.)
genannten Beitrag handelt.39
Druckfehler sind, wie in einer Oxoniensis nicht anders zu erwarten,
äußerst selten.40
Ein Inhaltsverzeichnis, das einen raschen Zugang zu den Werken bieten
würde, fehlt. 1
Zeitlich begrenzte Literaturberichte bieten: 2
Der von Manfred Lossau 1991 herausgegebene Sammelband (besprochen von Ornella Fuoco, Bollettino di Studi Latini 23, 1993, 122–124) enthält
außer der Einleitung durch den Herausgeber und Nachdrucken
(mit kleineren Ergänzungen) nur einen einzigen Originalbeitrag
zu Auson. 146 p. 12 Peiper (Severin Koster: Der Stenograph des
Ausonius, 402–420) und kann daher hier unberücksichtigt
bleiben. In dem von Lodewijk J. Engels und Heinz Hofmann
herausgegebenen Handbuch (Neues Handbuch der Literaturwissenschaft
der Spätantike, Wiesbaden 1997) muß man sich, der Anlage
dieses Werkes entsprechend, die Informationen über Ausonius an
verschiedenen Stellen zusammensuchen; vgl. die Rezension von J.
Gruber, Gymnasium 106, 1999, 363–365. Das meiste steht in dem
hervorragenden Beitrag von Jean-Louis Charlet („Die Poesie“,
495–564). 3
Vgl. die Rezensionen von E. J. Kenney: Ausonius Restitutus. Classical Review 42, 1992, 310--314; E. Klingshirn, BMCRev
03.02.10; Ornella Fuoco, Bollettino di Studi Latini 23, 1993, 122–124; Luca Mondin: Storia e critica del testo di
Ausonio. A proposito di una recente edizione. Bollettino di Studi
Latini 23, 1993, 59–96; Mondin 1994 (wie Anm. 1) 199ff.; Luca
Mondin: In margine alla nuova edizione di Ausonio. Prometheus 20,
1994, 150–170. In den Besprechungen von Mondin sind zahlreiche
Stellen mehr oder weniger ausführlich diskutiert. Leider wurden
diese wichtigen Beiträge in der Forschung nicht immer
hinreichend berücksichtigt. Die Erörterung einzelner
Stellen in der Besprechung von Michael Winterbottom (The Journal of
Theological Studies N.S. 43, 1992, 691) beschränkt sich auf die
Gratiarum actio. 4
Deren Einteilung folgen auch Dräger 2002, 254 (= 2004, 88) und
Amherdt 11. 5
Vgl. 2. Teil.
6
Zu dieser Frage vgl. unten und 3. Teil Anm. 107 im
Zusammenhang mit dem Briefwechsel zwischen Ausonius und Paulinus von
Nola die überzeugende Position von Skeb. 7
Zuletzt beschrieben von Green, Kommentar S. xli, Oxoniensis S.
viif.; Della Corte 5; Mondin 1993, 60 Anm. 5; vgl. auch Bajoni 21;
Di Giovine 32f.; Prete (wir Anm. 14), 136 Nr. 122. 8
In V sind die Werke nach Sachgruppen geordnet, beginnend mit
autobiographischen Gedichten, gefolgt von Werken historischen und
gelehrten Inhalts, beschlossen von einer Auswahl von Briefen und
Epigrammen. 9
Die Forschungsliteratur dazu bei Mondin 1993, 60 Anm. 7. 10
Vgl. Mondin 1993, 61 Anm. 9. 11
Einen Überblick über die Forschungsgeschichte zur Frage
der Autorenvarianten gibt Della Corte 43ff. 12
Generell sollten sich die Siglen für (rekonstruierte) Familien
deutlich von denen für einzelne Handschriften unterscheiden.
Daher seien die Handschriftenfamilien im folgenden nach
Liebermann/Schmidt mit kleinen Buchstaben (x, y, z, dazu b bei
Prete) bezeichnet. Die Konfusion wird jetzt dadurch vergrößert,
daß Cavarzere (18) nach Mondin für die Sammlung, die v.a.
durch die Hs. V vertreten ist, die Sigle Y wählt, die bei Green
den Parisinus latinus 17177 bezeichnet. Mondin schreibt in seiner
Edition der Briefe Y und Z kursiv (Y, Z), was jedoch optisch
zu wenig auffällig ist. Reeve hatte schon 1978 für die
Gruppe z und die Handschrift D ein gemeinsame Quelle mit z
bezeichnet; vgl. Di Giovine 32 und mit Detaildiskussion von D
40ff. 13
Vgl. Green, Kommentar S. xliii; Edition S. xiv. 14
La tradition textuelle et les manuscrits d'Ausone, in: R. Étienne
u.a. (Hrsg.): Ausone, humaniste aquitaine, Bordeaux 1985, 99–157
mit Hinweisen auf seine früheren Arbeiten zur Textüberlieferung
des Ausonius. 15
Eine Liste aller Drucke mit Werken des Ausonius bis 1785 bietet
Louis Desgraves: Répertoire des éditions imprimées
des œuvres
d'Ausone (1472–1785), in: Étienne (wie Anm. 14),
159–251. 16
Die Konfusion zeigt sich besonders deutlich in der
Anordnung der Briefe, bei der jetzt Mondin Klarheit geschaffen hat.
Vgl. auch die Zählungen der Parentalia bei Lolli 42. Für
das Technopaegnion hat Di Giovine (S. 23) eine eigene
Konkordanz vorgelegt.
17
Vgl. Della Corte 7: „Di
fronte a questa anarchia delle edizioni ausoniane, che rende
complicato persino il modo di poter citare componimenti di Ausonio,
sarebbe davvero opportuno ritornare alla numerazione di G. B.
Souchay (Parigi 1730), riprodotta dalla bipontina del 1785, che, pur
non avendo alcuna pretesa di rispecchiare la volontà
dell'autore, ha tutta via il vantaggio di essere in uso da due
secoli.“ In der Reihenfolge der Bipontina erläutert Della
Corte (8–20) den Textbefund der einzelnen Werke. Bei den
größeren Einzelwerken wie Biss., Mos., Ordo oder
Werkgruppen wie Epigr., Epist., Parent., Prof. können dagegen,
wenn der Herausgeber keine Umstellungen vorgenommen hat, die
Souchay-Nummern entfallen. 18
Allerdings verfuhr schon Schenkl (und jetzt wieder Di Giovine) so,
während Peiper nur die Zeilenanfänge groß schreibt,
Prete (und danach Dräger) nur die Abschnittsanfänge,
dagegen Cavarzere und Bajoni (obwohl sie sonst Greens Text folgt)
alle Satzanfänge, was dem Rezensenten allein sinnvoll
erscheint.
19
Von den genannten älteren
Ausgaben kann die von Schenkl weiterhin als maßgebend
angesehen werden; vgl. 2. Teil Anm. 79.
20
Beispielshalber seien
genannt (mit der Numerierung von Green): I,3,9 in ea statt
mea; I,3,13 exitat; die nicht seltene Vertauschung von
numen/nomen (z.B. II,3,20; IV,27). Einiges wurde aus dem
Kommentar in die Ausgabe mit Recht nicht übernommen, so die
Varianten zu I,3,21; die Notierung des Ausfalls einzelner Wörter
wie in I,5,1 und 13; IV,8 russum V;
oder Varianten in der Schreibung griechischer Wörter,
insbesondere von Eigennamen, z.B. XIII,20,6 deipheben oder
deyphoeben für Deiphoben; XIII,65,2 und XIII,69,2
Pasiphae; XIII,111,2 hermaphroditus/hermophroditus. Zu
den zahlreichen eigenen Konjekturen Greens vgl. Mondin (wie Anm. 1),
201ff. – Weitere Beobachtungen zur Textgestaltung: Parent. 6
Tit.: Der von Mertens getilgte Zusatz sollte konsequenterweise nicht
mehr im Text (so auch Lolli), sondern nur im Apparat erscheinen.
Mos. 51: Die Konjektur cara hätte nicht in den Text
aufgenommen werden sollen. 109: Die Periode geht, wie schon Fuchs
erkannt hat, bis 110 color. Mos. 116 kehrt die Oxoniensis
wieder zu der allein überlieferten und nur an dieser Stelle
belegten Form amnigenos zurück, während Green in
seinem Kommentar noch für die Konjektur von Böcking (nach
Vinet) amnigenas eingetreten war, die sich auf Val. Fl. 5,584
stützt und jetzt wieder von Cavarzere aufgegriffen wird. Folgt
man der von Green formulierten Unterscheidung, nach der die
Komposita auf -genus die Art („kind“), die auf
-gena die Herkunft bezeichnen, dann ist in der Tat die Form
amnigenas vorzuziehen. Mos. 146: Die Interpuktion exclusum;
ist unverständlich; vgl. Fuchs (2. Teil Anm. 59), 177. Mos. 468
nomine: Mit Recht zurückgewiesen von Di Salvo 78. Zur
Konjektur tabulam p. 154 l. 1 vgl. 3. Teil Anm. 108.
21
Wo für die Überlieferung
nur V die Grundlage bildet, ist es überflüssig, bei
Varianten oder Konjekturen die im Text stehende Lesung von V im
Apparat nochmals zu wiederholen. Diese Abundanz wurde in der
Oxoniensis erfreulicherweise konsequent beseitigt.
22
Das soll an einigen Beispielen erläutert werden: I,3 im
Antwortschreiben an Theodosius fehlen in der Oxoniensis p. 4 (im
Gegensatz zum Kommentar) die handschriftlichen Varianten der
Überschrift; worauf die von Green gewählte Form
zurückzuführen ist, die aus H gekürzt (!) übernommen
wurde, bleibt somit unklar. Ähnliches gilt für I,5.
Offenbar als Glossen verstanden (Kommentar S. 246), wurden die in
der Ephemeris handschriftlich überlieferten
Überschriften der einzelnen Abschnitte nicht, wie von Schenkl
und Peiper, in den Text aufgenommen, aber im Kommentar wenigstens im
Apparat genannt. In der Oxoniensis findet sich im Apparat nur die
Überschrift zu II,3 (S. 8).
23
Z.B. (Zählung nach Green)
XIII,53; XIII,56 (Kroisos und Diogenes); XIII,57 (Praxiteles,
Niobe); XIV,17 (Herakles). Nützlich ist auch die von Kenney
(wie Anm. 3) zusammengestellte Liste von „queries and addenda“
sowie die Einzelkritik bei Mondin (wie Anm. 1), 204f. Zu den
Landgütern des Ausonius, auf die Green nur kurz im Zusammenhang
mit De herediolo eingeht, sind jetzt die Ausführungen
von Sivan 66ff. mit den entsprechenden archäologischen und
topographischen Nachweisen heranzuziehen. 24
Das sei an zwei Beispielen näher ausgeführt: XIII (Epigr.)
58,1 (S. 402) „Sipyleia: cf. Stat. S. 5.1.33“ (die für
die internationale Latinistik mit Recht normierende Zitierweise des
Thesaurus wird, wie häufig in der englischsprachigen
Literatur, konsequent nicht beachtet). An der genannten
Silven-Stelle findet sich die Junktur genetrix Sipylea;
offensichtlich wollte Green damit andeuten, daß die von
Ausonius gewählte Adjektiv-Form schon bei Statius vorliegt. Zur
Erklärung des Eigennamens wird man jetzt bei Kay S. 190 z.St.
nachschlagen, wo aber wiederum nichts über die Adjektivbildung
gesagt ist. XIII (Epigr.),69 findet sich nur ein Verweis auf AP
9,730; nichts zu Pasiphae und machina; im Index nominum
s.v. Pasiphae fehlt die Stelle, nur Cupido cruciatus 30 ist genannt,
wo ebenfalls die Geschichte erwähnt wird und dort finden sich
nur Hinweise auf Vergil. Vgl. dagegen die hilfreichen Erläuterungen
von Franzoi 76f.
25
Die Angaben aus der „Selected
Bibliography“ (S. liii–lvi) werden weitgehend
wiederholt. Eine Differenzierungen nach Ausgaben und
Sekundärliteratur wäre wünschenswert. Nachdrucke (am
anderen Ort) und Neuauflagen sind in der Regel nicht vermerkt. 26
Vgl. die Besprechung von Massimo Lolli, Latomus 61, 2002, 733–736
mit Literaturhinweisen und wichtiger Einzeldiskussion. 27
Den Wert dieser Appendices hebt Mondin (wie Anm. 1), 199 besonders
hervor. 28
Die Umstellung wird auch beanstandet von Mondin (wie Anm. 1), 201. 29
Greens Entscheidung wird jetzt von Kay 293 wieder in Zweifel
gezogen. 30
Vgl. Green, Komm. 245; dagegen datiert sie Peiper S. LXXXXV vor 367. 31
Schenkl stellte es an den Anfang des Briefcorpus. 32
Vgl. dazu auch Di Salvo 41. 33
Der in der einzigen Hs. V überlieferte Titulus stammt
offensichtlich nicht von Ausonius selbst, sondern von einem flüchtig
arbeitenden Herausgeber. Dazu jetzt ausführlich Altay Coşkun:
Trennungsschmerz eines anhänglichen Vaters. Zum Hintergrund von
Ausonius, Pater ad filium. Hermes 130, 2002, 209–222. Er hat
auch gezeigt, daß am Anfang des Gedichts keine Lücke
anzusetzen ist. 34
Kritisch zu dieser modernen Einteilung nach Themengruppen Della
Corte 7. 35
Mit den Epigrammen schließt die in V vorliegende Sammlung; sie
stehen daher auch in der Ausgabe von Schenkl am Ende der Edition.
Diese Anordnung entspricht antiker Editionstechnik (Della Corte 6).
Green begründet seine Anordnung der Epigramme, die weitgehend
der bei Schenkl und Pastorino entspricht, im Kommentar S. 375ff. Die
in die Appendix A des Kommentars aufgenommenen Epigrammata varia
fehlen in der Oxoniensis. 36
Green paraphrasiert seine Anordnung im Kommentar S. viiif., vgl.
Edition S. xvii „the enormous diversity of Ausonius' writing
resists attempts to devise a totally satisfactory order“; vgl.
auch Della Corte 7: „L'illusione degli ultimi editori e stata
quella di credere alla possibilità di portare un ordine
logico alla disposizione degli opuscula ausoniani.“ 37
Parent. 8,6 hat Green seine Konjektur aequavis („new
and excellent“ nach dem Urteil von D. R. Shackleton Bailey,
Classical Review 51, 2001, 168, der auch auf andere Änderungen
gegenüber dem Kommentar eingeht) in den Text aufgenommen,
während der Kommentar Peipers Konjektur quamvis bietet.
Das in der einzigen Hs. V überlieferte civis wird von
Pastorino und Sivan (Latomus 48, 1989, 679f.) verteidigt; vgl. Lolli
S. 117f., der vernünftigerweise eine Crux setzt. Nicht wenige
der Entscheidungen Greens sind jetzt durch die unten zu
besprechenden Kommentare erneut zur Diskussion gestellt worden (eine
Einzeldiskussion ist im Rahmen dieses Überblicks nicht
möglich). Es ist zu hoffen, daß diese in einer Neuauflage
der Oxoniensis berücksichtigt werden. 38
Die Ausnahmen finden sich in der Ephemeris II,1 und II,3 (die
verschiedenen Fassungen führt Della Corte 75 auf die Ausgaben
von 383 und die postum entstandene zurück und rechnet mit einer
Autorenvariante); XI,26; XII,5. Besonders vermißt man die
Nachweise in den Parentalia, der Commemoratio professorum,
der Bissula. 39
Nicht dagegen bei mehreren Beiträgen, z.B. p. 33
Mertens. Nur über den Kommentar bzw. das dortige
Literaturverzeichnis verifizierbar sind: p. 14 Schetter, Goetz; p.
45 (X,29,1) Hartel; p. 67 Walther (im Literaturverzeichnis des
Kommentars „Walter“). Unklar bleibt, auch bei Beiziehung
des Kommentars S. x, ob die Konjekturen von Leofranc
Holford-Strevens (p. 54, p. 61, p. 65; Bajoni diskutiert sie nicht)
an anderer Stelle publiziert und begründet sind. 40
Bemerkt wurden: p. 29 App. cr. „(A) 3“
statt „(A) 4“. Der Fehler erklärt sich aus der
Übernahme aus Komm. p. 25. Der Apparat zu Mos. 268 ist nicht
korrekt. Fuchs (wie 2. Teil Anm. 59) S. 179 schlägt vor:
alternans redhibet, nicht alternos; p. 248 l. 23 muß
korrekt heißen mercatur <in
quo>quo foro venalium;
vgl. Mondin, Epist. S. 23. Der Fehler findet sich schon im
Kommentar. 41
Vgl auch den vorzüglich informierenden Überblick von
Richard Klein: Das südliche Gallien in spätantiker Zeit. Gymn. 98, 1991, 352–380. 42
Alan D. Booth in seiner Kritik an Sivan
(BMCRev
5, 1994, 249–252) bestreitet nachdrücklich diese Zäsur:
„The hypothesis about imperial reluctance to charge Gauls with
high office before Julian's time rests on an fragile foundation. ...
One simply does not know enough about provenance of fourth-century
dignitaries to claim that Gauls were excluded from important office
in any systematic way“ und weiter: „There is no reason
to suppose that fourth-century Gauls were hindered by imperial
distrust from pursuit of an official career.“ Vgl. auch die Besprechung von Dirk Schlinkert, Klio 76, 1994, 537–539. 43
Das Thema ist auch Gegenstand des entsprechenden Abschnitts in der
Tusculum-Ausgabe von Dräger und der Monographie von David
Amherdt (siehe 2. und 3. Teil).
44
Sivan spricht (107) von
„the very absent of a clear-cut political aim“. Zur
weiteren Diskussion über Entstehungszeit und Tendenz der
Mosella siehe 2. Teil.
45
So auch Klein (wie Anm.
41), 378: „Ausonius, der innerlich kaum von der neuen Lehre
angerührt war.“ Das „indifferente
Namens-Christentum und den Synkretismus des Ausonius“
konstantiert Dräger 2002 zu Epist. 8,27,113. Vgl. dagegen Green
und Coşkun unten S. 115 mit Anm. 48 und 49. Die Frage hat
zuletzt im Kontext der jüngsten Forschung David Amherdt
diskutiert; siehe unten 3. Teil. 46 Vgl.
auch die Besprechungen von Ulrich Lambrecht,
Plekos
4, 2002. 47Die
communis opinio der Forschung, die von einem Aufenthalt des Ausonius
noch unter dem Usurpator Maximus spricht, stützt sich lediglich
auf den Titel von Pater ad filium (VII Green = Epist. 20
Mondin, Peiper = 391 Souchay) mit der Formulierung cum temporibus
tyrannicis ipse Treveris remansisset. Dazu jetzt ausführlich
Altay Coşkun, Trennungsschmerz (wie Anm. 33). Er datiert das
Gedicht in die erste Hälfte des Jahres 375. So erhärtet
Coşkun auch die Vermutung von Mondin Epist. S. 230 „forse
non risalente al poeta“. 48
Das Gebet innerhalb der Ephemeris hat Green in seinem
Kommentar 250f. ausführlich als „an emphatic statement of
faith“ gewürdigt und erklärt: „The prayer
... gives undeniable evidence of Ausonius' deep and varied
religious knowledge“. Die wahrscheinlich schon früher
entstandenen Versus paschales bezeichnet Green im Kommentar
S. 269 als das Werk „of a devoted and informed Christian who
is not afraid to apply his poetic talents to a demanding theme“. 49
20 ff. mit der Feststellung (21) „In realtà, Ausonio è
un cristiano piuttosto tiepido e superficiale“. Offensichtlich
hat Coşkun diesen Kommentar nicht benutzt. Zum Christentum des
Ausonius vgl. auch oben Anm. 45.
Der Rolle des Ausonius und seiner Familie im literarisch-kulturellen und
politischen Leben des spätantiken Gallien sind die beiden
Monographien von Sivan und Coşkun gewidmet. Sivan fragt, wie der
Untertitel des Buches zeigt, nach der Genesis einer
aristokratischen Familie im spätantiken Gallien am Beispiel der
Familie und der Person des Ausonius. Beschränkt auf den Raum
seines Wirkens in Aquitanien (besonders in Bordeaux) und in Trier,
verfolgt Sivan den Aufstieg einer Familie der munizipalen
Aristokratie zum Provinzadel. Diese Entwicklung wird in der
Kombination historischer, archäologischer, kunstgeschichtlicher,
religionswissenschaftlicher und literaturgeschichtlicher Zugänge
aufgezeigt. Dabei gilt das Interesse zugleich dem topographischen,
ökonomischen, sozialen und kulturellen Umfeld. So ergibt sich
eine umfassende Einführung zu Ausonius und seiner Welt.
Am
Anfang des Kapitels „The Emergence of a Late Roman Gallic
Aristocracy“ stehen Überlegungen zum Wesen der
Aristokratie in Gallien, wie sie etwa gleichzeitig durch Sextus
Petronius Probus (Konsul 371) verkörpert wird. Amt, Geburt und
Besitz sind die wesentlichen Bedingungen für die Zugehörigkeit
zur spätantiken Aristokratie, gerade auch in Gallien.41 Die Fragestellung lautet: Liegen dafür die Voraussetzungen im
Wiedererstarken Galliens während des gallischen Sonderreichs
zwischen 260 und 274 und in der Verlegung des Kaiserhofs nach Trier
vom Ende des 3. Jahrhunderts an (so die Auffassung der älteren
Forschung) oder ist zwischen dem Ende des Sonderreichs und dem Beginn
der Karriere des Ausonius nicht vielmehr ein Lücke anzusetzen,
sodaß Ausonius seinen Aufstieg eher seinen beruflichen
Fähigkeiten verdankt? Dazu gibt Sivan zunächst einen
Überblick über die gallischen Amtsträger von
Diokletian bis zur Zeit des Ausonius und gelangt zu dem Schluß,
daß die gallische Aristokratie des 4. Jahrhunderts eine neue
Klasse mit neuen Gesichtern („a new class with new faces“,
18) darstellt. Das ist zuerst unter Julian der Fall42
und spiegelt sich auch in einem archäologisch faßbaren
gewissen Wohlstand in Form von Gutsbesitz wider.
Voraussetzung
für den Aufstieg des Ausonius und seiner Familie sind die
urbanen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Bordeaux, die im
ersten Hauptteil dargestellt werden. Dabei geht Sivan auch kurz auf
die Geschichte von Bordeaux vor Ausonius ein (31–33), für
die weniger literarische als inschriftliche Quellen herangezogen
werden müssen. Eine besondere Rolle in der Entwicklung der Stadt
spielte der natürliche Hafen und die Anbindung an das gallische
Straßennetz. Diese Situation, aus der eine neue munizipale
Aristokratie erwuchs, wird zunächst in den weiteren Kontext der
gallischen Stadtentwicklung gestellt (33–37) und dann im Detail
besprochen (38–48).
Ein
weiteres Kapitel ist der Gens Ausoniana gewidmet, für die
das Werk des Dichters die wichtigste Quelle darstellt: das Gedicht
auf seinen verstorbenen Vater (Epicedion in patrem) und die
Gedichtsammlung über seine Verwandten (Parentalia). Vor allem
durch diese ist die Familie des Ausonius so gut dokumentiert wie
sonst keine andere gallische der Spätantike (50). Die Mobilität
und der soziale Aufstieg, sowohl der mütterlichen Linie der
Arborii, die sich bald dem Christentum zuwandte, wie der väterlichen
werden von Sivan aufs genaueste untersucht und durch genealogische
Tafeln veranschaulicht. Dieser Aufstieg gelang schließlich
durch die Berufe des Arztes und des Grammatiklehrers und durch
Versippung mit der lokalen Aristokratie. Eine Voraussetzung dafür
war die schon erwähnte Prosperität von Bordeaux und seinem
Umland. Den Besitztümern der Familie in Aquitanien ist ein
eigener Abschnitt gewidmet (66–73).
Die
Sammlung der Commemoratio professorum Burdigalensium ist eine
einzigartige Quelle für das Erziehungswesen im spätantiken
Gallien. Auf sie gestützt stellt Sivan in dem Kapitel „Schools
and Scholars“ (74–93) den engen Zusammenhang zwischen
Stadt, Schule und Reichsherrschaft dar. Die alte, von den Druiden
herrührende Erziehungstradition in Gallien setzt sich fort im
Renomee der gallischen Rhetoren im Dialogus des Tacitus wie
auch in Martials Epitheton Palladia für Toulouse (Mart.
9,99,3). Diese Tradition wurde durch die politischen Ereignisse des
3. Jh. unterbrochen. Anhand der zahlreichen, mit Erziehungsthemen
befaßten Werke des Ausonius gibt Sivan einen Überblick
über das „School Curriculum“ der Zeit (76ff.) und
insbesondere über die Schulen vom Bordeaux (79ff.), wobei
wiederum der Mobilität des Lehrpersonals besondere
Aufmerksamkeit gilt.
Der
zweite Hauptteil beschäftigt sich mit Trier als der Hauptstadt
des Westreiches und mit dem Aufenthalt des Ausonius am Hofe. Die
politischen Ereignisse der Jahre um 365 werden ausführlich
dargestellt und ein Bild der Residenzstadt entworfen (97ff.). Das
Verhältnis des Erziehers Ausonius zu seinem Schüler Gratian
sucht Sivan durch das vergleichbare Verhältnis zu Paulinus von
Nola zu erhellen (104).43
Die Teilnahme am Feldzug gegen die Alamannen schuf Eindrücke,
die sich nicht nur in Epigrammen (28 und 31 Peiper = 3 und 4 Green)
niederschlugen, sondern auch in den Gedichten auf die Gefangene
Bissula, während der Griphus ternarii numeri Zeugnis
ablegt vom Zeitvertreib während des Lagerlebens. Der in diesen
Jahren entstandene Cento nuptialis zeugt nicht nur von der
Bekanntheit des Klassikers Vergil in der Spätantike, sondern
auch vom literarischen Geschick des Autors.
Ebenfalls
in diese Zeit ist die Mosella zu datieren, deren Tendenz knapp
erörtert wird, wobei Sivan das Gedicht als ein
poetisch-propagandistisches Werk ganz eigener Art wertet.44
„The appeal of the Mosella indeed exceeds the temporary
application of an ordinary imperial panegyric“ (108). Die
Versus Paschales geben Gelegenheit, das Christentum des
Ausonius zu erörtern („best understood as a nominal
pagan“, 110).45
Ein weiterer Aspekt der Trierer Zeit des Ausonius ist sein
Briefwechsel mit Symmachus. Sivan sieht die Beziehung zwischen dem
Rhetor und dem Senator wie eine Vater-Sohn-Beziehung und darüber
hinaus als typisch für die Beziehung zwischen der römischen
Senats-aristokratie und dem Provinz-Adel. Besonders die literarischen
Interessen beider waren die Grundlage für diese Verbindung;
nicht zuletzt aber dürfte der Einfluß des Ausonius bei
Hofe für Symmachus von Bedeutung gewesen sein (112). Vermutlich
über Symmachus trat Ausonius in Kontakt mit einem der
einflußreichsten Männer der Zeit, Sextus Petronius Probus,
Prätorianerpräfekt von Illyricum und Gallien.
Die
politische Karriere des Ausonius, die er selbst in der Gratiarum
actio in seinem Konsulatsjahr 379 darstellt, begann mit der
Quaestur (ausführlich besprochen 115–118 und 123–131)
noch unter Valentinian vor 375 und nach dessen Tod im November 375
fortgesetzt unter Gratian. Es folgten die Ämter der
Praetorianerpraefektur und des Konsulats (378/379), während
gleichzeitig andere Mitglieder der Familie auf einflußreiche
Posten gelangten (131–141). Ein Anhang beschäftigt sich
mit Datierungsfragen einzelner Werke.
Das
anregende Buch von Sivan besticht nicht zuletzt durch seine
Zusammenschau von Philologie, Historie und Archäologie unter
Berücksichtigung sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher
Gesichtspunkte. Es ist ein Dokument einer Altertumswissenschaft, die
offen ist für die jeweiligen benachbarten Forschungsgebiete und
eben gerade dadurch zu überzeugenden Ergebnissen gelangt.
Coşkuns
Monographie46,
ursprünglich eine Trierer Dissertation von 1999, versteht sich
nicht zuletzt als Fortführung und Korrektiv zur Arbeit Sivans;
er konzentriert sich besonders „auf eine kritischen Revision
der Rechtstexte und systematische Auswertung des onomastischen
Materials“. Fernerhin bemüht er sich um eine Neubewertung
der „persönlichen Qualitäten“ des Ausonius (x)
und damit seiner Fähigkeiten und Verdienste als Staatsmann (8).
Die
„Vorbemerkungen“ (vi–xii) geben einen selektiven
Überblick v.a. über die Forschungsgeschichte, wobei die
diversen Positionen in der weiteren Darstellung ausführlich
berücksichtigt sind. Einleitend bietet eine „biographische
Skizze“ die bekannten Daten und Fakten (1–6), die in
späteren Kapiteln teilweise erneut diskutiert werden.
In
einem ersten großen Kapitel (12–111) werden Lebenslauf
und cursus honorum dargestellt. Die Ausführungen sind
durch zahlreiche Digressionen, Einschübe u.ä. geprägt
(z.B. 13f. zu Augustins Schul- und Unterrichtszeit, 14f. zum
Schuleintrittsalter, 17ff. zur sozialen Stellung der Lehrenden, 47f.
zum Comitat im 4. Jh., 63f. zur Praetorianerpraefektur im 4. Jh.).
Damit erzielt Coşkun eine faktische und chronologische
Einbettung seiner einzelnen Ausführungen zu Ausonius selbst.
Von
zentraler Bedeutung, nicht nur für die Tätigkeit des
Ausonius und seiner Kollegen in Bordeaux, sondern für das
spätantike Schulwesen in Gallien überhaupt, ist, wie schon
erwähnt, der Gedichtzyklus der Commemoratio professorum
Burdigalensium. Die in der Forschung vorgeschlagenen
chronologischen Ansätze für die Lebensdaten der oratores
und grammatici werden ausführlich diskutiert und in
Teilen revidiert.
Für
die Berufung an den Hof nach Trier macht Coşkun einen Zeitpunkt
im Herbst 368 wahrscheinlich. Intensiv wird die Funktion und
Rangstellung des Ausonius als comes diskutiert (46–52),
wobei allerdings eine genauere Charakterisierung des Amtes nicht
möglich ist. Aufgrund stilkritischer Überlegungen zu den
Gesetzesfragmenten der fraglichen Jahre wird die Tätigkeit als
quaestor in die Zeit zwischen März/Juni 374 und
Oktober/November 377 festgelegt (58). Die in der Forschung teilweise
vorhandene negative Bewertung der von Ausonius redigierten
Gesetzestexte wird zurückgewiesen. Coşkun versucht zu
zeigen, daß sich Ausonius bei seinen Formulierungen durchaus im
Rahmen der spätantiken Gesetzgebung und ihrer Normen bewegt und
kommt zu dem Schluß (61), daß der Rhetor „die
entscheidenden Voraussetzungen für die optimale Entfaltung eines
Quaestors“ besaß: „rhetorische Brillanz“,
„ein einzigartiges Vertrauensverhältnis zum Kaiser“
und „für einen Laien weit überdurchschnittliche
juristische Kenntnisse“. Mit Recht betont Coşkun auch hier
wieder die Bedeutung der Sprache und Sprachregelung für die
Rolle des Quaestors, die keineswegs der eines modernen
Justizministers entsprach; vielmehr war ein „Fachmann für
Kommunikation“ gefragt (62).
Der
Abschnitt über die Tätigkeit des Ausonius als praefectus
praetorio wird eingeleitet durch eine Übersicht über
die Praetorianerpraefektur im 4. Jh. und über die Forschungen
zur Praefektur des Ausonius, die v.a. aus seinen eigenen Texten
greifbar ist. Die Besonderheit des einmaligen praefecturae
collegium, das der Dichter zusammen mit seinem Sohn Hesperius
innehatte, sei kein Zeichen der Überforderung des Ausonius,
sondern ebenso wie die Ehre einer {\it praefectura duplex} (nämlich
Galliarum und Italiae) für Vater und Sohn Ausdruck
der außerordentlichen Hochschätzung des Valentinian und
besonders des Gratian gegenüber der gens Ausoniana, aus
der zwischen 376 und 379 drei Generationen die Praefektenwürde
innehatten. Der ordentliche Consulat 379 (einen Überblick über
die Entwicklung des Amtes gibt Coşkun 77–80) bedeutete
dann den Höhepunkt dieser Karriere. Ausonius dankt dafür
mit seiner Gratiarum actio, die Coşkun in den
Zusammenhang mit dem dies imperii Gratians am 24. August 379
setzt. Der letzte Teil der Vita wird in dem Kapitel „Ausonius
im Ruhestand“ behandelt. Darin wird seine letzte
Schaffensperiode gewürdigt und v.a. die Bekehrung des Paulinus
von Nola und sein Verhältnis zu Ausonius diskutiert. Noch vor
Ablauf des Jahres 379 kehrte der Rhetor nach Bordeaux zurück.
Eine nochmalige Rückkehr nach Trier und einen Aufenthalt dort
nach der Ermordung Gratians durch den Usurpator Magnus Maximus in den
Jahren 383 bis 388 schließt Coşkun mit plausiblen Gründen
aus.47
Den Tod des Ausonius datiert er (99) noch vor dem Jahresende 394 aus
dem Briefwechsel mit Paulinus von Nola; ihm und der Frage der
Bekehrung des Nolaners ist ein ausführlicher Exkurs gewidmet
(99–111).
Der
dritte Teil der Arbeit enthält „Weitere Untersuchungen zur
gens Ausoniana“ (112–182). Darin werden die
frühere Familiengeschichte, der cursus honorum seines
Sohnes Hesperius, die Viten seiner Enkel und Schwiegersöhne
sowie weitere onomastische und prosopographische Aspekte der gens
besprochen. Die besondere Quellenlage erlaubt es, ihre Geschichte vom
3. bis zum 6. Jahrhundert zu verfolgen (112); Hauptquelle sind die
Parentalia des Ausonius selbst.
Eine
viel erörterte Frage ist die nach dem Christentum des Ausonius,
die Coşkun am Ende dieses Abschnittes erneut aufgreift. Zu der
vermittelnden Lösung, die Coşkun anbietet, indem er
„Widersprüche ... zwischen einem per-sönlichen
Bekenntnis und einer religionspolitischen Konzeption“
konstatiert und Ausonius als „deeply Christian“ allein
aufgrund der Ephemeris48
und der Versus paschales bezeichnet (232f.), sind jetzt die
Überlegungen von Di Salvo49
und Amherdt (25ff.) heranzuziehen.
Im
vierten Abschnitt werden weitere Einzelaspekte der Politik von und um
Ausonius diskutiert: Die „Sukzessionskrise“ nach dem Tode
Valentinians I., die Gesellschaftspolitik Gratians mit Maßnahmen
zugunsten des Senats sowie seine Personalpolitik, insbesondere
hinsichtlich des gallischen Dienstadels, aber auch der römischen
Aristokratie.
Wenn
auch manche der Kombinationen des Autors eingestandenermaßen
spekulativ bleiben (wie z.B. S. 35 die Vermutung über die
Beteiligung des Ausonius an einer früheren legatio an den
Kaiserhof), so sind seine durch souveräne Beherrschung der
Quellen und der Sekundärliteratur gewonnenen Schlußfolgerungen
in aller Regel plausibel und nachvollziehbar. Leider fehlt ein
Stellenindex, der das reiche Primärmaterial bequem erschließen
könnte.
Die
durchgehend sorgfältig dokumentierte Darstellung von Coşkun
stellt nur den ersten Teil einer Trilogie dar, der ein
historisch-philologischer Kommentar zur Gratiarum actio sowie
eine Abhandlung „Kaiser Gratian und die Verteidigung des
Römischen Reiches“ folgen sollen. Man wird nach den
vorgelegten Untersuchungen den weiteren Publikationen mit Interesse
entgegensehen.
Antonio
Alvar Ezquerra: Estado actual de los estudios sobre Ausonio.
Bibliografía crítica 1960–1987. Estudios
clásicos 33, 1991, Nr. 99, 53–96; deutsche Übersetzung
bei Lossau 446–462.
Luca
Mondin: Dieci anni di critica ausoniana (1984–1993).
Bollettino di Studi Latini 24, 1994, 192–255.
Nützlich
sind auch die Übersichten zu den einzelnen Kapiteln bei
Amherdt.
joachim.gruber@nefkom.net