Ivana Della Portella, Giuseppina Pisani Sartorio, Francesca Ventre: Via Appia. Entlang der bedeutendsten Straße der Antike. Stuttgart: Theiss 2003. 204 S., zahlr. Abb. Euro 34,90. ISBN 3-8062-1820-X.


Als der hohe römische Staatsbeamte Rutilius Claudius Namatianus wohl im Herbst des Jahres 417 Rom verläßt, um seine Güter im südlichen Gallien zu inspizieren, wählt er trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit den Seeweg, weil der Landweg wegen der katastrophalen Straßenverhältnisse nicht mehr möglich war.1 Diese vereinzelte Nachricht wirft ein bezeichnendes Licht auf die Zustände in der Spätantike, und das nicht etwa am Rande des Imperiums, sondern im Herzen Italiens. Demnach waren die Wege nach Norden, in diesem Fall die Via Aurelia, nicht zuletzt wegen der Verwüstungen durch die Westgoten, nicht mehr sicher zu befahren. Die Via Appia dagegen, zwar in der Spätantike ebenfalls von mangelhafter Instandsetzung betroffen, erfüllte nach dem Zeugnis des Prokop als Heerstraße in den Gotenkriegen immer noch ihre bedeutende Funktion; ihr ist der hier anzuzeigende Band gewidmet. Er ist ohne Zweifel für eine breitere Leserschaft bestimmt und kann, wie das im gleichen Verlag erschienene Buch von Werner Heinz,2 dem kulturell interessierten Reisenden unserer Tage den Blick öffnen für die Tradition des Reisens und für die Denkmäler, die sich aus der Antike bis heute als Zeugen eines hoch organisierten Straßenwesens erhalten haben. Der Band besticht schon äußerlich durch sein vorzügliches Bildmaterial und die ansprechende typographische Gestaltung.3 Nach dem Geleitwort von Walter Vetroni, Bürgermeister von Rom, stimmt Vittorio Emiliani mit dem Essai „Die Via Appia als literarische Reise“ in die Thematik der Regina viarum ein.

Der systematische Teil der Darstellung beginnt mit einem Überblick über Ursprung und Geschichte der Straße bis zur Gründung des Parco Regionale dell'Appia Antica 1988. Es folgen reich illustrierte Kapitel über einzelne Abschnitte der Via Appia, zunächst über den städtische Abschnitt von der Porta Capena bis Casal Rotondo. Die Unterabschnitte gliedern sich jeweils in eine kurze Charakteristik des Straßenabschnitts mit Beschreibung der wichtigsten Denkmäler, und in ein Itinerarium, das den Verlauf der Straße und die Lage der Monumente bezeichnet. Gut dokumentiert durch weiterführende, in aller Regel italienische Literaturangaben kann die Darstellung unschwer vertieft werden.4 Zahlreiche Monumente, allen voran der Komplex um Zirkus und Mausoleum des Maxentius, sodann die Katakomben der Memoria apostolorum, sind aufs engste mit der Geschichte der Spätantike verbunden.

Die folgenden Kapitel führen von den Albaner Bergen bis Cisterna Latina und von der Pontinischen Ebene nach Benevent. Dabei kommen neben den unmittelbar von der Straße durchzogenen Städten wie Terracina oder Minturno auch die alten Orte Cori, Ninfa, Norma und Sermonetum in den Blick, die in der Spätantike teilweise schon aufgegeben waren oder aber erst im Mittelalter wieder an Bedeutung gewannen.

Die Strecke von Benevent nach Brindisi stellt den letzten Abschnitt der Straße dar. Die erste wichtige Station, Asculum/Aeclanum, das schon früh Bischofssitz wurde und auch in der Spätantike noch eine gewisse Bedeutung hatte, harrt noch weitgehend der Ausgrabung (S. 184 Anm. 17). Immerhin geben die Fotos einen gewissen Eindruck von dieser bedeutenden Ansiedlung. Anläßlich der Erwähnung von Melfi wird der Sarkophag von Rapolla ausführlicher beschrieben.5 Eine weitere herausragende Etappe ist das nicht nur als Geburtsort des Horaz bekannte Venusia. Zwischen dem 4. und 5. Jh. erlebte es nach Ausweis der erhaltenen Denkmäler seine größte Blüte (S. 164 ff.).6

Das letzte beschreibende Kapitel ist der Via Appia Traiana gewidmet. Dabei bedienen sich die Autoren an Stelle eigener Darstellung mehr und mehr längerer Zitate Ausführlich wird das Bildprogramm des Trajansbogens von Benevent vorgestellt. Im übrigen fungiert gerade dieser Abschnitt der Via Appia in der Spätantike weiterhin als Heerstraße, im Mittelalter als Pilgerstraße, gesäumt von hervorragenden Beispielen der apulischen Romanik.

Der Wert des Buches liegt in seinem hervorragenden Bildmaterial. Der deutsche Text sollte für eine Neuauflage sorgfältig überarbeitet werden.7

Joachim Gruber, Erlangen
joachim.gruber@nefkom.net




1 Rutil. Nam. 1, 37-42: Electum pelagus, quoniam terrena viarum / plana madent fluviis, cautibus alta rigent; / postquam Tuscus ager postquamque Aurelius agger / perpessus Geticas ense vel igne manus / non silvas domibus, non flumina ponte cohercet, / incerto satius credere vela mari.

2 Reisewege der Antike. Unterwegs im Römischen Reich. Stuttgart 2003; vgl. Plekos 6, 2004, 75-79 [pdf bzw. html]

3 Offensichtlich hatte aber der Übersetzer Probleme mit der korrekten Wiedergabe italienischer bzw. lateinischer Ausdrücke, was immer wieder zu Zwitterformen führt. Einige Beipiele: C. Attilius Euhodus ist zwar italienisch margaritario, lateinisch aber margaritarius, (S. 37 Anm. 4); S. 20 via Domitiana (nicht: Domiziana); S. 152 Paolo Diacono (statt Paulus Diaconus); S. 216 Toulouse (nicht Tolosa!); S. 224 Tolomeus (it. Tolomeo, lat. Ptolemaeus). Eine ausführliche Liste hat der Rezensent der Verlagsredaktion übermittelt.

4 Eine knappe Auswahlbibliographie bietet Werner Heinz (wie Anm. 2), 122-125. Leider sind die folgenden Kapitel des Buches nicht mehr so ausführlich durch Literaturangaben dokumentiert.

5 Schon deswegen hätte er eine größere Abbildung als die auf S. 161 verdient.

6 Leider fehlen hier spezifische Literaturhinweise.

7 Ein Index fehlt, ein Glossar könnte für Nichtfachleute nützlich sein (z. B. S. 74 sistrum, patera, dextrarum-Gestus [wohl besser: dextrarum iunctio-Gestus]). Die Bildlegenden könnten genauer sein.


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