Werner Heinz: Reisewege der Antike. Unterwegs im Römischen Reich. Stuttgart: Konrad Theiss 2003. 128 S., 125 farbige Abb. Euro 24,90. ISBN 3-8062-1670-3.


Der vorliegende Band zum Thema „Straßen und Verkehr“ sucht „eine Brücke zwischen den weiten Gebieten nördlich der Alpen und südlich davon zu schlagen“ (7) und dabei die unterschiedlichen Verhältnisse in Italien und in den Provinzen aufgrund der schriftlichen und archäologischen Quellen differenziert darzustellen. Zielgruppe ist eine „recht diverse Leserschaft ..., darunter viele die nicht aus dem Gebiet der Altertumswissenschften kommen“ (ibid.). Der Band, der v.a. die Verhältnisse in der Kaiserzeit bis hinab in die Spätantike darstellt, wird also demnach zu beurteilen sein, mit welchen Mitteln der Autor die Erkenntnisse der Fachwissenschaften diesem Leserkreis nahezubringen versteht.

Eine gute Voraussetzung ist zu nächst die opulente Bebilderung, wie man sie von vielen Büchern des Verlags gewohnt ist. Die Bildlegenden geben in aller Regel hinreichende Informationen über Herkunft oder Aufbewahrungsort der Denkmäler.1 Der wissenschaftliche Apparat beschränkt sich auf ein „bewusst kurz gefasstes“ Literaturverzeichnis, das man sich allerdings etwas ausführlicher gewünscht hätte.2

Die Darstellung wird eröffnet mit einer übersichtlichen Karte über das Straßennetz und die Hauptorte des Imperium Romanum zur Zeit seiner größten Ausdehnung unter Hadrian. Das 1. Kapitel „Wohin des Weges“ stimmt den deutschen Leser anhand von römischen Denkmälern in Deutschland, die einen unmittelbaren Bezug zum Straßennetz haben, auf die Thematik ein.3 Die folgenden Abschnitte dieses Kapitels erwecken allerdings den Eindruck einer gewissen Sprunghaftigkeit. Da ist zunächst von der Gesamtausdehnung des römischen Straßennetzes die Rede (schon hier könnte auf die Karte S. 33 verwiesen werden), von den Abmessungen des pes monetalis (aufgegriffen und vertieft S. 18), vom Anfang des Straßenbaus in Italien und gesetzlichen Bestimmungen dazu. Es folgen knappe Hinweise auf das Weiterleben der lateinischen Terminologie in europäischen Sprachen, die Logistik des Straßenwesens im Dienste der Romanisierung, das Limestor von Dalkingen, „Verkehrsknotenpunkt Trier“ (leider ohne Karte) mit Exkurs über die Porta Nigra, über Meilensteine und Reliefs zum Thema Reisen.4

Da es leider nicht mehr selbstverständlich ist, daß Autoren altertumswissen&schaftlicher Themen die Originalsprachen Latein (oder gar Griechisch5) zu Wort kommen lassen, so sei besonders hervorgehoben, daß immer wieder die lateinischen Begriffe oder Ortsnamen neben den neuzeitlichen genannt werden. Die Einfügung dieser Begriffe (z.B. „die lex“) ist stets korrekt. Hilfreich für den Nichtfachmann sind auch die kurzen Bemerkungen zu antiken Autoren wie Plutarch (17), Prokop (18), zu historischen Gestalten wie den Gracchen (17), oder zu Orten wie Caesarea (18).

Im 2. Kapitel wird „die allgemeine Organisation der Straßen“ besprochen, ausgehend von Plutarchs Nachricht über die Straßenbaumaßnahmen des Gaius Gracchus und der Prokops über einen Straßenbau Justinians. Es folgen Informationen über die Breite römischer Straßen, über Straßenverwaltung und den Goldenen Meilenstein auf dem Forum Romanum6

„Typen, Kosten, Erbauer und Namen der Straßen“ ist das folgende Kapitel überschrieben. Nach einem kurzen Hinweis auf den schon in der Bibel erwähnten „Königsweg“ östlich des Jordangrabens und auf die persische Königsstraße wird aufgrund römischer Rechtstexte „die rechtliche Klassifizierung römischer Staßen“ besprochen, die Frage der Baukosten diskutiert und wer als Erbauer v.a. auf Meilensteinen genannt wurde, außerdem die Arbeitskräfte (Sklaven, Militär, Strafgefangene) sowie die Namengebung.

„Die historische Entwicklung des römischen Straßennetzes“ behandelt das folgende Kapitel. Zuerst werden einige Beispiel heute noch sichtbarer und beeindruckender Zeugnisse etruskischen Straßenbaus vorgestellt (leider ohne Karte). Im Gegensatz zu den Römern fehlte jedoch bei den Etruskern „ein bewusstes, planendes Vorgehen und eine übergeordnete Organisation“ (30), die die Voraussetzung für die Anlage eines überregionalen Straßennetzes bilden, wie es das römische darstellt. Dessen Ausbau und Erweiterung wird in Verbindung mit einer Karte anschaulich vorgeführt (32ff.). Die Andersartigkeit der römischen Straßenanlagen im Gegensatz zu den etruskischen kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, daß die neu angelegten Römerstraßen in der Regel an den etruskischen Städten vorbeiführten und sie nicht verbanden. Als „Spiegelbild der historischen Entwicklung Roms“ verstanden, läßt sich das Wachstum des Straßennetzes in vier Phasen einteilen:

1. Die Verbindungen bis zum Ende des vierten Jahrhunderts, beginnend mit der Via Appia,7 dazu Via Latina, Via Tiburtina und Via Salaria.

2. Der Ausbau des 3. Jahrhunderts, d.h. der Straßen im Süden bis Benevent (Verlängerungen der Via Appia und der Via Latina) im Zusammenhang mit der Anlage von Kolonien sowie der Via Valeria in Sizilien, besonders aber im Norden mit der Anlage der Via Aurelia, Via Flaminia, Via Cassia und Via Claudia.

3. Im 2. Jh. wird der Ausbau in Italien weitgehend abschlossen. In einer ersten Phase wird die Po-Ebene durch die unter großen Schwierigkeiten angelegte Via Aemilia sowie durch die Via Postumia erschlossen.

4. In der 2. Hälfte des 2. Jh. werden v.a. die Straßen im Süden planmäßig weiter ausgebaut (Verlängerung der Via Appia bis Brindisi, der Via Popilia bis Messina). Die Via Domitia erschließt Südfrankreich von der Rhône bis zu den Pyrenäen und stellt die Verbindung zu den Provinzen Spaniens her. Angebunden ist sie (wohlerst später) über den Mont Genèvre und Turin an die Verlängerung der Via Aurelia, die Via Aemilia Scauri, wobei die eigentliche Küstenstraße, die Via Iulia Augusta, erst in augusteischer Zeit ausgebaut wurde.

Ein größerer Abschnitt dieses Kapitels ist dem Ausbau der Alpenstraßen und der Fernstraßen nördlich der Alpen und der damit verbundenen Verknüpfung des Straßensystems gewidmet (mit Exkurs über das „Heidentor“ in Carnuntum.) An literarischen Zeugnissen zu den genannten Straßen sind solche zur Via Appia ergänzend angeführt.8

Kapitel 5 behandelt „Technische Aspekte des Straßenbaus“, stets mit Berücksichtigung der lateinischen Terminologie. Als ein literarisches Zeugnis wird Stat. silv. 4,3 herangezogen und in Hinblick auf die dort genannten Realia interpretiert; Vitr. 7,1 ergänzt diese Beschreibung. Der technische Befund wird schließlich mit Grundsätzen des modernen Straßenbaus verglichen und zeigt überraschende Gemeinsamkeiten. Ein weiterer Abschnitt dieses Kapitels behandelt „variable technische Lösungen“ wie Kanalisation, Spurbreiten im Gebirge, Geleisebreiten, Bohlenwege, Treppenstraßen.

Das 6. Kapitel ist den Brücken und Tunnel gewidmet. Diskutiert werden Caesars Rheinbrücke und damit verbunden die Konstruktion von Pfahljochbrücken, ferner die von Pfahlrostbrücken (und im Zusammenhang damit die Errichtung eines Spundwandkastens nach Vitr. 5,12,3). Die folgenden Beispiele verschiedener erhaltener Steinbrücken ließen sich leicht vermehren. Der Abschnitt über den Tunnelbau informiert zunächst über die Anlage von Tunnel im Zuge von Wasserleitungen; dieses Verfahren wurden wohl auch auf Straßentunnel wie die bei Cumae oder den von Forlì übertragen.

Die weiteren Kapitel befassen sich mit dem Straßenwesen im allgemeinen. „Längs der Straßen: Meilensteine, Straßenstationen, Rasthäuser“ ist das 7. Kapitel überschrieben. An zwei Beispielen, einem Meilenstein an der Via Traiana bei Cannae und dem Meilenstein von Köngen-Grinario wird der Inschriftentypus und das Formular erläutert. Ausführlich werden in diesem Zusammenhang die römischen Längenmaße (Fuß, Meile, Leuge - wichtig in Hinblick auf die spätantike Architektur der dodrans) besprochen. Weitere Abschnitte sind den beneficiarii und den Rasthäusern (erläutert am Beispiel von Augst) gewidmet.

Das 8. Kapitel, überschrieben „Straßen, Menschen und Geschäfte: Alles ums Reisen“, greift Themen auf, die offensichtlich in den vorherigen Kapiteln nicht unterzubringen waren. Von den Liebesdiensten, die man in Gasthöfen erwarten durfte (belegt durch eine köstliche Grabinschrift aus Isernia (Quelle ?), über den Cursus publicus einschließlich der Agentenfunktion der frumentarii und die Poststationen, Fahrzeuge, Fahrkomfort, Zölle, Treideln, Itinerare bis zu Reisegeschwindigkeiten spannt sich der Bogen der Themen, die zwar nur knapp angesprochen werden, aber jeweils anschaulich illustriert sind.

Den Straßen vor und in der Stadt ist Kap. 9 gewidmet. Mit dem etwas irreführenden Begriff „Gräberstraßen“9 werden die Abschnitte öffentlicher Straßen besprochen, die außerhalb der Stadt von Grabanlagen gesäumt waren. In diesem Zusammenhang werden Les antiques bei Saint-Remy kurz erwähnt, der Ritus der Stadtgründung, Stadtanlage (mit wichtiger Detailkritik zu Vitr. 1,6,6ff., S. 86), Straßenführung (besonders Cardo und Decumanus) und innerstädtischer Verkehr (Fahrverbote) behandelt. Das Kapitel schließt mit einem Abschnitt über „Heilige Straßen“, womit hier allerdings nur die Via sacra in Rom gemeint ist, nicht die ebenso genannte in Paestum.10 Ob man jedoch die Monumental-Tore der Provence (Orange, St-Rémy, Carpentras) im strengen Sinne als „Stadttore“ ansprechen sollte, ist in der Forschung umstritten. Als Beispiele hätten etwa die Tore der Aurelianischen Mauer in Rom dienen können,11 um den eigenen Charakter der Monumentaltore der Provence deutlich zu machen.

Die in den vorhergehenden Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse werden ausgewertet in den beiden Kapiteln „Eine Reise über die Alpen“ und Horazens Iter Brundisinum. Darin wird der Leser mit weiteren Details wie Reisekleidung und Reisegepäck oder Unterkünfte auf einer fiktiven Reise auf der Via Flaminia und weiter (auf der Via Claudia) über die Alpen nach Augsburg bekannt gemacht; die wichtigsten Daten zur Geschichte dieser bedeutenden Verbindung nach Norden werden mitgeteilt, die geänderte, kürzere Trassenführung der Via Flaminia überzeugend als die jüngere angesehen. Bei Horazens Iter Brundisinum hätten die Daten zur Vita zugunsten sachlicher Erläuterungen gekürzt werden können.

In wenigen Strichen werden in dem Kapitel „Zum Nachleben römischer Straßen“ einige wichtige Fakten aus Spätantike (Pons Milvius und der Sieg Konstantins), Mittelalter (Karlmanns Kloster am Monte Soratte; Pilgerreisen nach Rom; Klostergründungen wie Scharnitz und Innichen; Erneuerung der Brennerstraße; Geschichte der Porta Nigra), in islamischer Zeit (Stadtanlage von Anjar im Libanon), Humanismus (Palladios Architekturtraktat) vorgeführt. Der Band schließt mit einem Literaturverzeichnis, einem Glossar und einem Index, beide etwas knapp gehalten.

Der Autor hat ein Buch vorgelegt, das mit seinen soliden Informationen und seiner anschaulichen Präsentation der behandelten Objekte dem verbreiteten Interesse an archäologischen Gegenständen und Denkmälern vorzüglich entgegenkommt. Daß er dabei auch auf literarische Quellen eingeht und die lateinische Terminologie korrekt berücksichtigt, sei besonder hervorgehoben.

Joachim Gruber, Erlangen
joachim.gruber@nefkom.net


1 Nur gelegentlich wünscht man sich genauere Informationen. So könnte für das Epona-Relief aus Freiberg-Beihingen auf die auch im Literaturverzeichnis genannte Arbeit von Phillip Filtzinger: Hic saxa loquuntur, S. 156, verwiesen werden, für die Jupiter-Giganten-Gruppe aus Weißenhof-Löchgau (S. 16) ebenda S. 181. Die Ortsangabe „in der Schweiz“ für die S. 64 abgebildete „Pierre Pertuis“ ist äußerst vage. Der Tunnel befindet sich bei Tavannes im Kanton Bern (Walter Drack, Rudolf Fellmann: Die Römer in der Schweiz. Stuttgart 1988, 524).

2 So fehlt etwa die wichtigen Monographie von Annette Kolb: Transport und Nachrichten-verkehr im römischen Reich. Berlin 2000 (siehe Plekos 3, 2002, 143-146 [http://www.plekos.uni-muenchen.de/2002/rakolb.html bzw. ...pdf sowie BMCR 2002.03.14]. Hingewiesen sei auf Michael Rathmann: Untersuchungen zu den Reichsstraßen in den westlichen Provinzen des Imperium Romanum. Mainz 2003. Kurze bibliographische Hinweise auf kontroverse Diskussionen wie etwa der Plutarch-Stelle S. 17 wären ebenso hilfreich wie Quellenangaben zu den S. 26f. erwähnten Inschriften und Fakten.

3 Hilfreich wäre sicher eine zusätzliche Karte, auf der die genannten Orte wie Köngen, Rottenburg, Schwarzenacker, Dalkingen, Vöcklamarkt auffindbar wären, sowie die betreffenden provinzialen Straßenverbindungen.

4 Ob jedoch der auf dem Wagen stehende Jupiter der Jupiter-Giganten-Gruppe als ein Beleg für die Aussage „auch die Götter reisen“ herangezogen werden kann, sei dahingestellt. Eher wären dafür literarische Dokumente wie einschlägige Texte aus Ovids Metamorphosen (1, 212 ff.;8, 626 ff.) oder die Meeresfahrten von Göttern in den Panegyriken des Claudian mit den entsprechenden Darstellungen auf Sarkophagen heranzuziehen.

5 Allerdings bleibt dabei, wie so oft, die Akzentuierung problematisch.

6 Kai Brodersen: Terra Cognita. Studien zur römischen Raumerfassung. Hildesheim 1995, 255 hat gezeigt, daß entgegen der verbreiteten Meinung die Angabe von Ortsnamen oder Distanzen auf dem Denkmal nicht belegt ist. Vgl. Ders.: Miliarium aureum und Umbilicus Romae. Zwei Mittelpunkte des Römischen Reiches? Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft NF 21, 1996/97, 273-283. Leider fehlt die wichtige Monographie von Brodersen im Literaturverzeichnis.

7 Vgl. dazu jetzt die Monographie von Ivana della Portella, Giuseppina Pisani Sartorio, Francesca Ventre: Via Appia. Entlang der bedeutendesten Straße der Antike. Stuttgart 2003 und die Besprechung in Plekos 6, 2004,

8 Die Quellenangaben fehlen im Literaturverzeichnis.

9 Er trifft eher für die Straßen in den Totenstädten der Etrusker zu.

10 Die Prozessionsstraßen vorderorientalischer Städte bleiben außerhalb des historischen Rahmens.

11 Als ein markantes Beispiel sei die Porta Appia (Porta S. Sebastiano) genannt.


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