Karen Piepenbrink: Konstantin der Große und seine Zeit. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002 (Geschichte kompakt - Antike). IX, 139 S., Euro 14,90. ISBN 3-534-15499-1.

 

Die neue, von Kai Brodersen herausgegebene Reihe „Geschichte kompakt - Antike“ möchte „aktuelle und konzise Einführungen in wichtige Themen der Alten Geschichte für das Selbststudium, als begleitende Lektüre zu einer Lehrveranstaltung oder zur Vertiefung des eigenen Wissens“ zur Verfügung stellen (VII). Der von der Mannheimer Althistorikerin vorgelegte Band über Konstantin beginnt mit einem Überblick über „Diocletian und die Tetrarchie“ (1-27). Schon in diesem einleitenden Abschnitt, der immerhin ein Fünftel der Gesamtdarstellung ausmacht, lassen sich Stärken, aber auch einige Schwächen dieser Darstellung aufzeigen. Wie den meisten Kapiteln geht auch hier eine Zeittafel voraus, die zur raschen Orientierung die folgende Ereignisgeschichte zusammenfaßt. Im Rahmen der eigentlichen Darstellung werden besondere Begriffe wie Usurpation, laeti, Codex Iustinianus hervorgehoben und als eigene Lemmata erklärt. Diese Erklärungen sind für die Zielgruppe „ohne große Vorkenntnisse“ sicher sinnvoll, könnten aber, um weitere Lemmata erweitert, zusammengefaßt in einem Anhang untergebracht werden. Auch Erklärungen zu den Quellentexten und Autoren, die jetzt über die Darstellung verstreut sind, könnten besser in einem Anhang ihren Platz finden. Gelegentlich wären Querverweise hilfreich, wie z.B. bei der Erwähnung des Opferedikts des Kaisers Decius (3), das S. 22 ausführlich besprochen wird. Auch das Register ist eher eklektisch.

            Problematisch ist, wiederum in Hinblick auf die intendierten Benutzer, der Umgang mit den Quellentexten sowie mit lateinischen und griechischen Zitaten. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, die Quellen konsequent in Übersetzung zu bieten. Dieses Verfahren ist inzwischen in Darstellungen der Alten Geschichte üblich geworden.[1]  Um den Wert des Originaltextes gerade auch den Anfängern deutlich zu machen, plädiert der Rezensent aber nachdrücklich dafür, wenigstens die lateinischen Zitate zweisprachig anzuführen. Konsequenterweise sollten dann aber auch alle Werktitel ebenso übersetzt werden, wie im Verlauf der Darstellung einzelne Begriffe übersetzt sind.

            Eine nicht geringe Schwierigkeit besteht wohl darin, den Anfänger in die Forschungssituation einzuführen. Wenige Epochen der Alten Geschichte werden bis heute so kontrovers diskutiert wie die Zeit Konstantins und die ihr vorausgehenden Ereignisse, die das Bild der Spätantike geprägt haben.[2]

Man sieht auf jeder Seite, daß die Verf. mit hoher Kompetenz ihren nicht einfachen Stoff bewältigt. Dazu kommt eine klare Gliederung der Ereignisabläufe und eine unprätentiöse, ganz sachbezogene Sprache (was in den deutschen Geisteswissenschaften leider nicht selbstverständlich ist). Die Verf. hat auf diese Weise für die folgenden Bände Maßstäbe gesetzt. Etwas genauere Informationen wünschte man sich allerdings bei der Erwähnung kontroverser Forschungsstandpunkte. So wird z.B. S. 4 das Problem der Bewertung der Epoche (Kontinuität oder Zäsur) angesprochen (und am Ende im Sinne der Kontinuität beantwortet). Dabei wäre es hilfreich, wenn aus der Auswahlbibliographie jeweils die Vertreter der verschiedenen Richtungen genannt wären. Das gilt auch für die leider namenlose Erwähnung von besonderen Forschungspositionen (z.B. S. 24 „Ein Erklärungsversuch ...“ - offensichtlich ist der S. 124 genannte Beitrag von Schwarte gemeint; die Nennung des Namens könnte dabei rasch Klarheit schaffen). Auch der Erläuterung von Fachtermini wie Ethnien (2) sollte in dem schon angeregten Anhang Raum gegeben werden.

            Das bereits angesprochene erste Grundlagenkapitel orientiert vorzüglich über die Krisensituation des 3. Jahrhunderts und bespricht klar die problematische Quellensituation, die zwar die äußeren Abläufe rekonstruierbar macht (wie es bereits in großer Detailfreude Otto Seeck getan hat[3]), aber die strukturellen Merkmale der Krise nur schwer erfassen läßt. Die Tatsache, daß es sich bei der Tetrarchie nicht um eine „Reichsteilung“ handelte, ist mit der Verf. (S. 8) nachdrücklich zu betonen. Die theologische Begründung dieses Konstrukts, sicher für den heutigen Leser zunächst nicht leicht nachvollziehbar, wird klar herausgearbeitet, jedoch  die Wahl gerade des Hercules als „Vater“ des Maximian leider nicht begründet.[4] Die Maßnahmen zur Konsolidierung des Reiches sind übersichtlich dargestellt (10-21).

            Die im Zusammenhang mit dem Einleitungskapitel angesprochenen Desiderate gelten mutatis mutandis auch für die folgenden Kapitel. In ihnen werden zunächst (II.) „die politischen Anfänge Konstantins“ bis zum Konflikt mit Maximian, also bis zum Jahre 310, im Überblick dargestellt. Gleich zu Beginn wird die problematische Quellenlage (Eusebs Vita Constantini) deutlich angesprochen (28). Die im Kontext der Herkunft Konstantins hier erstmals erwähnte Helena bleibt aber im weiteren Verlauf der Darstellung in ihrer Bedeutung für die christliche Religion eher unscharf. Das „bildungspolitische“ Anliegen der Reihe sollte jedoch gerade auch auf traditionsstiftenden Aspekte eingehen, so etwa auf die im Mittelalter so wichtige und häufig dargestellte Legende von der Auffindung des Kreuzes durch Helena in Jerusalem, die Aufbewahrung der Reliquie im Sessorianischen Palast bzw. in Sa. Croce in Gerusalemme, und eine Erwähung im Zusammenhang mit den Kirchbauten Konstantins in Rom (43) wäre angezeigt. Ähnliches gilt für die „ausgedehnte Baupolitik“ des Maxentius in Rom, die zwar (30) in dieser allgemeinen Formulierung erwähnt, aber nicht durch Hinweise auf die noch beachtlichen Zeugnisse (Maxentius-Basilika; Zirkus des Maxentius) konkretisiert wird. Gerade diese architektonischen Leistungen der konstantinischen Epoche wären eindringlicher zu würdigen, denn hier bleibt spätantike Geschichte realiter lebendig. In gleicher Weise wird der auch zur Zeit der Tetrachie und dann unter Konstantin blühende Repräsentationsbau (Galerius in Saloniki, Diocletian in Split, Bauten in Trier) vernachlässigt.

            Ein eigenes Kapitel (III) ist dem Toleranzedikt des Galerius gewidmet (33–36). Über die Motivation des Galerius werden (wiederum ohne Namensnennung) verschiedene Theorien referiert, im Literaturverzeichnis dagegen wird, für das vertiefende Selbststudium nicht gerade hilfreich, nur auf eine Arbeit von Bringmann verwiesen.

            Kapitel IV befaßt sich mit dem Sieg Konstantins über Maxentius und mit der sog. Bekehrung Konstantins. Während hierbei die Ereignisgeschichte in groben Zügen dargestellt werden kann, ist die Frage nach der Bedeutung des Sieges und einer möglichen Bekehrung naturgemäß vielfach und kontrovers erörtert worden. Die Diskussion der Forschungssituation (41) ist wie beim Toleranzedikt anhand der Literaturangaben nur schwer nachvollziehbar; neuere Literatur zum Konstantinsbogen fehlt.[5] Die „Mailänder Vereinbarung“ (vulgo „Edikt“; S. 45 begründete Korrektur der traditionellen Benennung) steht im Mittelpunkt des folgenden Kapitels. Eine Bevorzugung des christlichen Religion kann aus ihr nicht erschlossen werden. Die Ereignisgeschichte wird bis zum Tod des Licinius verfolgt; die Entstehung des Labarums ist in diesem Zusammenhang diskutiert (eine Strichzeichnung wäre zur Veranschaulichung hilfreich).

            In Kapitel VI wird die Vita Konstantins bis zur Vorbereitung des Perserfeldzugs 337 besprochen, seine Hinwendung zum Christentum (in Form von Erlassen) dargestellt, außerdem die Anwerbung von foederati sowie die Tricennalienfeier mit der Festrede des Eusebios.

            Der zweite Teil des Buches ist nach Sachgebieten gegliedert: Im VII. Kapitel wird die Innenpolitik dargestellt. Innenpolitische Maßnamen werden in erster Linie als Reaktionen auf die außenpolitischen Herausforderungen gesehen (59). Ausgehend von der Darstellung einer Beschaffenheit des Staates (Kaisertum, Verwaltung, Militär, Steuerwesen) werden die einzelnen Veränderungen und Reformen besprochen. Gerade hier ist wiederum die klare und übersichtlich gegliederte Präsentation hervorzuheben.

            Kapitel VIII bespricht die pagane Religion und die Entwicklung des Christentums. Die Schwierigkeit, auf engem Raum eine adäquate Darstellung zu bieten, war der Autorin bewußt. Gleichwohl hätten die Ausführungen über die vorkaiserzeitliche römische Religion eine Straffung zugunsten der Verhältnisse in der Kaiserzeit verdient. Von den Mysterienreligionen wird lediglich der Mithraskult ausführlicher erwähnt.

            Das IX. Kapitel „Konstantin und die christliche Kirche“ erweitert und vertieft die vorhergehenden Ausführungen über die Entwicklung des Christentums. Die Zuwendungen Konstantins an die christliche Kirche, der Donatistenstreit sowie der Arianismus und das Konzil von Nicaea sind die Schwerpunkte dieses Kapitels, das mit einer abschließenden Beurteilung der Stellung Konstantins gegenüber der Kirche endet und das unstrittig zu den besten Passagen des Buches zu rechnen ist.

            Eine weitere Vertiefung erfährt das Thema im X. Kapitel „Die Gesetzgebung Konstantins und ihr Verhältnis zum Christentum“. Vorsichtig abwägend werden die Gesetze über das Verbot der Gesichtsschändung, zur Abschaffung der Strafe des Gladiatorendienstes, zur Sklaverei (mit einer knappen Darstellung von Bedeutung und Funktion der Sklaverei bei den Christen in konstantinischer Zeit) und zu Ehe und Familie auf ihren christlichen Gehalt hin untersucht. Christlicher Einfluß zeigt sich besonders in einzelnen Bestimmungen über die Freilassung von Sklaven (104), andere Gesetze zur Sklaverei werden dagegen als eher „konservativ“ gewertet.

Bei der Gesetzgebung zu Ehe und Familie sind einzelne Maßnahmen erkennbar, die christlichen Vorstellungen entsprachen, aber nicht ausschließlich christlich zu begründen sind (Gleichstellung von Ledigen und Verheirateten, Verbot des Konkubinats für verheiratete Männer, Verschärfung der Bestimmungen über Ehescheidung). Ausführlich sind das Sonntagsgesetz besprochen (108-110) sowie weitere Gesetze zur Kirche (Benutzung der Staatspost durch Bischöfe bei Synoden,[6] Verknüpfung des Bischofsgerichts mit den Staatsorganen, Abfassen von Testamenten zugunsten der Kirche). Profil gewinnen diese Regelungen im Vergleich mit den Bestimmungen für die paganen Kulte, die ausdrücklich weiter gestattet blieben. Dabei werden Irrtümer der älteren Forschung klar als solche herausgestellt (113 f.).

            Mit der Gründung Konstantinopels (Kap. XI), des zweiten Rom, hat Konstantin ein Faktum geschaffen, dessen Bedeutung für die weitere Geschichte Europas nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Die Stadtgründung nach paganem Ritus, die Wahl des Ortes, der Plan der Stadt (leider ohne Skizze; S. 118 werden die „immensen Ausmaße“ der Stadt erwähnt, aber ohne Zahlenangaben [Fläche etwa 6 qkm]), die Verwaltungsstruktur, einzelne Bauten als Ausdruck der Baupolitik, insbesondere die Apostelkirche, werden knapp, aber gut informierend besprochen.

Im XII. Kapitel „Taufe und Tod Konstantins“  werden die Positionen der Forschung (wieder ohne Namensnennung) zur Frage nach der Motivation Konstantins erörtert (121-123). Dabei schließt sich die Verf. der Ansicht an, die Hinwendung Konstantins zum Christentum und damit die Herleitung seiner Legitimation vom Christengott sei politisch sinnvoll gewesen. Eine persönliche Affinität Konstantins zum Christentum schließt sie nicht aus (123). Im Zusammenhang mit Berichten über die Taufe Konstantins (der Text des Eusebius wird in der erwünschten Ausführlichkeit geboten) wird kurz die Konstantinische Schenkung erwähnt. Auch hier vermißt man einen kurzen Hinweis auf die außerordentliche Bedeutung dieses gefälschten Dokuments für die mittelalterliche Geschichte.

            Abschließend wird die Frage aufgeworfen, ob es denn eine „Konstantinische Wende“ gegeben habe (Kap. XIII). Die Verf. schreibt die wesentlichen Neuerungen in der Entwicklung der römischen Kasiserzeit hin zur Spätantike bereits den Kaisern der Tetrarchie zu. Die intensiven Forschungen der letzten Jahre begründen diese Position. Daß Konstantin gleichwohl eine der faszinierendsten Gestalten der spätantiken römischen Geschichte ist, bestätigt auch diese neueste Darstellung aufs vorzüglichste.

            Insgesamt stellt das Konstantin-Buch einen gelungenen Auftakt für eine neue historische Reihe dar, die angesichts einer immer größeren Distanz zur älteren Geschichte, gerade auch im allgemeinbildenden Unterricht, gar nicht hoch genug zu bewerten ist. Zu wünschen bleibt, daß die jeweilige Bedeutung einer antiken Epoche oder Persönlichkeit für die weitere Geschichte Europas dabei dezidiert herausgearbeitet wird. Die Beantwortung der Frage Quid ad nos? gibt nicht zuletzt die Legitimation für die Beschäftigung mit diesen Themen und Gegenständen.

 

Joachim Gruber, Erlangen
joachim.gruber@nefkom.net

 



[1] Vgl. z.B. die Besprechung von Frank Kolb: Herrscherideologie in der Spätantike in Plekos 3, 2001.

[2] S. 4 wird das Ende der Spätantike im Westen mit dem Jahr 476 angegeben. Demnach wäre Theoderich dem Mittelalter zuzurechnen, was man jedoch in Hinblick auf die Problematik jeder Epochengrenze und nicht zuletzt auf das politische und geistige Selbstverständnis dieser Zeit (Boethius, Cassiodor!) kaum akzeptieren wird. Auch die Literaturgeschichte, wie sie sich im Konzept des „Handbuchs der Lateinischen Literatur“ darstellt, wird dieser Grenzziehung kaum zustimmen.

[3]  Leider fehlt der wichtige Titel (Geschichte des Untergangs der antiken Welt. 4. Aufl. 1921, Ndr. Darmstadt 1966) im Literaturverzeichnis.

[4]  Herkules gilt in der Spätantike als eine Erlösergestalt von allen irdischen Übeln und Übeltätern. Zusammen mit Jupiter garantiert er ein Goldenes Zeitalter; vgl. Kolb (wie Anm. 1), 35ff.

[5]  Siehe demnächst die Besprechung von durch Ulrich Schmitzer in Plekos.
[6] Vgl. dazu jetzt ausführlich Anne Kolb, Transport und Nachrichtentransfer im römischen Reich, Berlin 2000, 87ff., besprochen in Plekos 4, 2002.