Claudio Moreschini (Hrsg.): Boethius, De consolatione philosophiae, Opuscula theologica. München/Leipzig: K. G. Saur (Bibliotheca Teubneriana), 2. Aufl. 2005. xxi, 263 S. Euro 76.-- ISBN 3 598 71278 2.

Schon fünf Jahre nach der ersten Auflage1 konnte Claudio Moreschini eine zweite verbesserte Auflage dieser wichtigen Schriften des Boethius vorlegen. Inzwischen sind auch seine Beiträge zur Überlieferungsgeschichte erschienen.2< Die Neuauflage gab nicht nur Gelegenheit, Errata zu berichtigen, sondern auch den kritischen Apparat zu ergänzen und den Text teilweise zu modifizieren. Die im übrigen unveränderte Praefatio enthält einen Nachtrag, der darüber Auskunft gibt, daß der Herausgeber zwei weitere Handschrifgten des 9. Jh. beigezogen hat; für die Consolatio den Codex Harleianus 2683 mit dem Sigel Ha, für die Opuscula theologica den Codex Cantabrigensis (Corpus Christi Collegium 206) mit dem Sigel Co, die aber beide merkwürdigerweise im unverändert übernommenen Conspectus siglorum fehlen.

Beibehalten wurde der Werktitel De consolatione Philosophiae,3 obwohl die Handschriften4 eher auf Philosphiae consolationis libri hinweisen, was auch von der Sache her gerechtfertigt ist.

An Textänderungen gegenüber der 1. Auflage sind zu registrieren:
1 carm. 3,3 cum praecipiti glomerantur sidera (1. Aufl. nubila) Coro. O’Daly (The Poetry of Boethius, London 1991, 121) hätte genannt werden sollen.
2 carm. 1,8 wurde die alte Korruptel durch Smolaks Vorschlag summis (statt des unsinnigen suis) offensichtlich geheilt. 2,4,6 pudicitia pudore; (pudore) in der 1. Aufl. noch getilgt.
3,10,31: haecine omnia, [bonum,] sufficientia, potentia ceteraque, veluti quaedam beatitudinis membra sunt an ad bonum veluti ad verticem cuncta referuntur. Die Tilgung von bonum folgt der Textgestaltung von Gegenschatz/Gigon. 4 carm. 5,3 cur regat tardus plaustra Bootes (1. Aufl. legat). - Druckfehler im Apparat.

Im kritischen Apparat sind einige Lesarten und Varianten hinzugekommen. Aus dem Emmeranus (BSB Clm 14324) zu 1 m. 1, 15; 1,3,7;
aus dem Tegernseensis (BSB Clm 18765) zu 1,1,4;
HA stützt1,3,5 die schon von Bieler bevorzugte Lesart accideret; 1,5,4 die Variante oriundo.

Beibehalten wurden die Lesarten
1,1,1 signarem gegen den cursus, 1,1,4 in utrasque,
1,4,32 maiestatis crimen in Albinum delatae, jetzt auch gestützt durch Ha,
2 carm. 1, 2 et aestuantis. Der harte Moduswechsel verterit/fertur wird offensichtlich akzeptiert.
2,8,1 stützt jetzt auch Ha die Tilgung von nihil.
3,5,8 sollte man mit Magee, Hermes 125, 1997, 253-257 für situm die Korrektur aus dem Vaticanus 363 situs in den Text aufnehmen oder nach videatur stärker interpungieren.
4,2,30 ut [idem] scelesti viribus omnibus videantur esse deserti.
4,3,16 infra homines merito detrudat improbitas.
4,6,8 multiplicem regendis modum statuit.
5,6,16 itaque si praesentiam pensare velis.

Als Desiderata bleiben sind, wie in der 1. Auflage, zu nennen: Man vermißt eine Zusammenstellung der Sekundärliteratur zur Textkritik der Consolatio. Problematisch bleibt weiterhin der Index fontium, etwa im Vergleich mit der Ausgabe von Bieler.Selbst die Nennung einer „Quelle“ im Text bietet noch keine Gewähr dafür, daß sie wirklich die direkte Vorlage darstellt.5 Die Kriterien für den Index rerum hätten kurz genannt werden sollen.

Moreschinis Ausgabe hat in der zweiten Auflage nicht nur durch die weitere Verbreiterung der handschriftlichen Grundlage eine deutliche Verbesserungen erfahren. Sie bewährt sich als zuverlässiges, aber auch zur Diskussion herausforderndes Instrument für die Arbeit an diesen wichtigen Texten.

Joachim Gruber, Erlangen
joachim.gruber@nefkom.net

1 Siehe Plekos 3, 2001, 61-65.

2 Claudio Moreschini: Sulla tradizione manoscritta della consolatio e degli opuscula theologica di Boezio: proposte per una recensio, in Ders.: Varia Boethiana. Neapel 2003, 77-134, wo er v.a. die Beziehungen der die theologischen Schriften überliefernden Handschriftenfamilien zu einander bespricht, was für die Consolatio deswegen von Bedeutung ist, weil diese häufig zusammen mit den Opuscula überliefert wurde.

3 So hat ihn auch der Rezensent in seinen füheren Arbeiten, dem allgemeinen Usus folgend, gewählt. Vgl. aber jetzt die Überlegungen in der Einleitung zur 2. Auflage des Kommentars zur Philosophiae consolatio, Berlin/New York S. 24 (im Druck).

4 Auch Ha bietet diese Form im Explicit des 1., 2. und 4. Buches.

5 Zum Problem der „Quelle“ vgl. ausführlich den entsprechenden Abschnitt in der Einleitung zu meinem Kommentar.


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