Benedikt Knoche (Hrsg.): Wege als Ziel. Kolloquium zur Wegeforschung in Münster, 30. November - 1. Dezember 2000. Veröffentlichungen der Altertumskommission für Westfalen. Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Bd. XIII. Münster: Aschendorffsche Verlagsgruppe 2002. 156 Seiten, 93 z. T. farbige Abb. Euro 49. ISBN 3-402-05038-2.

Der vorliegende Kolloquiumsband „Wege als Ziel“, der sich zugleich als Festschrift für B. Trier versteht, umfasst zehn Beiträge, die das Thema Wegeforschung zeitlich wie räumlich recht breit angelegt behandeln. Provinzialrömische Aspekte, Altstraßenforschung sowie die moderne Historische Geographie stehen im Mittelpunkt dieses Sammelbandes.

Den Anfang macht D. Denecke, ein ausgewiesener Kenner der Historischen Geographie1, mit seinem Beitrag „Altwegerelikte: Methoden und Probleme ihrer Inventarisierung und Interpretation. Ein systematischer Überblick“ (1-16). Dem Titel entsprechend befasst er sich mit grundlegenden Fragen zur „Erfassung und Dokumentation von Relikten alter Wege und Straßen im Gelände“ (S. 1). Unterstützt von zahlreichen Karten wird der Übergang des Wegenetzes vom 18. und 19. Jahrhundert hin zum modernen Straßennetz fundiert und lesenswert behandelt (eine Ausnahme stellt die unübersichtliche Tabelle auf S. 2 dar). Unter dem Titel „Altstraßenforschung in Sachsen – Quellen, Methoden und Ergebnisse“ (17-39) schließt R. Aurig thematisch an Denecke an. Unter dem Gesichtspunkt Altstraßenforschung mutet die Abb. 10 mit einem ausgedienten Trabant am Seitenstreifen eines Hohlweges allerdings etwas seltsam an.

Nach den einleitenden methodischen Überlegungen der ersten beiden Abhandlungen folgen zwei althistorische Beiträge. Diese wirken in der Reihe der eher neuzeitlich ausgerichteten Texte des Sammelbandes fast wie ein Fremdkörper. So präsentiert K. Grewe einige Ergebnisse seiner Forschungen an der Reichsstraße von Köln nach Trier auf dem Territorium des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen: „Römerstraßen im Rheinland – Zum Stand der Forschung“ (41-55). Er zeigt an Fallbeispielen den beachtlichen Erkenntniszugewinn gegenüber dem einschlägigen Standardwerk von J. Hagen von 1931.2 Leider ist die Bibliographie etwas knapp geraten, da nicht einmal alle im Text zitierten Titel erscheinen. Ferner verzichtet Grewe vollständig auf einen Anmerkungsapparat. Hierauf folgt mit H. E. Herzig ein durch zahlreiche Publikationen ausgewiesener Fachmann des römischen Straßenwesens. Sein Fokus lag in den letzten Jahren auf der Erforschung der Römerstraßen in der Westschweiz, nicht zuletzt durch seine Tätigkeit am „Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz (IVS)“ bedingt. Unter der Überschrift „Alle Wege führen nach Rom – Erste Ergebnisse der Römerstraßenforschung in der Schweiz“ (57-65) verdeutlicht er u. a., wie schwierig es ist, unter rein archäologischen Gesichtspunkten im Feld einen Weg als römisch zu interpretieren. Die Problematik der zeitlichen Einordnung von Wegen findet sich jedoch nicht nur in seinem Beitrag. Gerade zum römischen Straßenwesen in der Schweiz sind im BJ 202/203, 2002/2003 weitere einschlägige Abhandlungen vorgelegt worden.3

In den norddeutsch-dänischen Raum führt B. Zich mit seinem Beitrag „Ochsenweg/Hærvejen – Nordeuropas kulturhistorische Wirbelsäule“ (67-86). Der Autor bündelt hier erste Untersuchungsergebnisse zu dieser für Schleswig-Holstein und Jütland so bedeutenden neuzeitlichen Verkehrsachse. Es folgt „Santiago-Pilgerstraßen in Europa – Wege der Jacobs-Pilger in Europa“ von R. Plötz (87-107). Nach Ausweis zahlreicher Publikationen zu diesem Themenkomplex erfreut sich dieses Forschungsfeld in jüngster Zeit großer Beliebtheit. Beginnend mit einem Ausblick auf die westeuropäischen Pilgerstraßen nach Santiago de Compostela kommt Plötz abschließend auf entsprechende Routen im Rheinland zu sprechen. Geradezu opulent ist seine zehn Seiten umfassende „Arbeitsbibliographie“, die eng bedruckt – bei einem deutschsprachigen Schwerpunkt – eine beachtliche Fülle einschlägiger Literatur bietet. Leider verzichtet er im Gegenzug auf jegliche Karten oder Abbildungen sowie auf Anmerkungen zum Text.

Sodann führt D. Bérenger den Leser in die lokale Forschung: „Altwege in Ostwestfalen-Lippe – Erforschung und Erfassung“ (109-116). Vergleichbar den beiden Beiträgen von Denecke und Aurig wendet sich Bérenger den Möglichkeiten neuzeitlicher Verkehrswegeerfassung zu. Er liefert auf S. 116 – etwas unvermittelt – eine Kurzzusammenfassung auf deutsch sowie auf französisch und rundet so seinen gelungenen Beitrag ab. Chr. Grünewald präsentiert „Den rechten Weg finden – Zur Wegeforschung im Regierungsbezirk Münster aus archäologischer Sicht“ (117-130) Einzelergebnisse von der Bronzezeit bis in die Moderne. Hierbei unterstützen detailreiche und aussagekräftige Zeichnungen den Text. An drei Beispielen alter Wege aus der frühen Neuzeit wendet sich schließlich Ph. R. Hömberg dem Gebiet zwischen Paderborn und Siegen zu: „Altwege in Südwestfalen aus der Sicht der archäologischen Bodendenkmalpflege im Regierungsbezirk Arnsberg“ (131-144). „Wegeführungen und Landbau im städtischen Umland: Ein Forschungsschwerpunkt im Fachreferat für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie“ (145-156) von C. Kneppe beschließt den Kolloquiumsband. Hier hätte sich der Leser neben den vielen Bildern etwas mehr Text gewünscht.

Insgesamt bietet der vorliegende Kolloquiumsband eine Reihe interessanter, grundsätzlich allerdings inhaltlich wie formal stark differierender Einzelbeiträge, die eher zusammenhanglos nebeneinander stehen. Das fehlende Register verstärkt diesen Eindruck noch. Die thematische Klammer ‚Wegeforschung’ ist letztlich alleine zu schwach, um derartig unterschiedliche Abhandlungen zu einem homogenen Ganzen zusammenzuschnüren. Hier hätte ein längeres thematisch einleitendes Vorwort – z. B. eines Herausgebers – zumindest etwas helfen können. So wirkt der Band wie eine Materialsammlung, durch die jeder seinen eigenen Weg zum Ziel finden muss.


Michael Rathmann, Bonn
michael.rathmann@uni-bonn.de

1 Vgl. jetzt auch D. Denecke, Wege der Historischen Geographie und Kulturlandschaftsforschung. Ausgewählte Beiträge zum 70. Geburtstag, hrsg. von K. Fehn & A. Simms, Stuttgart 2005.

2 J. Hagen, Römerstraßen der Rheinprovinz, Bonn 19312.

3 H. E. Herzig, Untersuchungen zum römischen Straßennetz in der Schweiz. Der Versuch einer Mikrostraßengeschichte, in: BJ 202/203, 2002/2003, 227-236; S. Bollinger, Untersuchungen zum römischen Straßennetz in der Schweiz. Inventar der römischen Siedlungen und Straßen: Ergebnisse, ebd. 237-266; G. Schneider, Untersuchungen zum römischen Straßennetz in der Schweiz. Geleisestraßen, ebd., 267-334.


PDF-Version ¦ ¦ Inhalt Plekos 8,2006 HTML ¦ ¦ Inhalt Plekos 8,2006 PDF ¦ ¦ Startseite Plekos