Frank M. Ausbüttel: Theoderich der Große. Der Germane auf dem Kaiserthron. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2003. 191 S., 26 Abb. Euro 24.90 ISBN 3-89678-470-6.

Die tatkräftige Gestalt des Ostgoten Theoderich, der wie im gleichen Jahrhundert Justinian aufs beste die janusköpfige Geschichte der letzten Jahrzehnte der Spätantike verkörpert, hat seit der grundlegenden Biographie von Wilhem Enßlin1 gerade in letzter Zeit im Kontext bedeutender Untersuchungen vielfache Beachtung gefunden. Daher ist eine neue Monographie, die nach Ausweis des Literaturverzeichnisses sich gerade auf die neuesten Arbeiten zur Ostgotenherrschaft in Italien stützt, besonders willkommen. Die Darstellung des „Germanen auf dem Kaiserthron“, wie der Untertitel sagt,2 gehört zu der von Manfred Clauss herausgegebenen Reihe „Gestalten der Antike“, die im „Vorwort zur Reihe“ vorgestellt wird. Die Entscheidung, Theoderich in diese Reihe aufzunehmen, wird nicht zuletzt durch die Quellenlage bestimmt, die für den Ostgotenkönig besonders günstig ist.3

Ausgehend von dem Rombesuch Theoderichs, der wegen seines traditionellen Zeremoniells mit Recht als Symbol für das erreichte Verhältnis zwischen Ostgoten und den Bewohnern Italiens verstanden wird (12), werden einleitend die Beziehungen zwischen Römern und Germanen und deren Kriegsdienste unter römischem Oberbefehl seit dem frühen 4. Jh. dargelegt. Von all den Germanen, die selbst nach der Kaiserwürde strebten, war es erst Theoderich, der von den Römern als Herrscher anerkannt wurde.

Im ersten Kapitel werden Herkunft und Jugend geschildert, die insofern von Bedeutung sind, als sie zunächst gerade nicht ohne weiteres die besten Voraussetzungen für den späteren Aufstieg bildeten. Entscheidend war allerdings sein zehjähriger Aufenthalt in Konstantinopel, wo er sicher eine solide Ausbildung erhielt,4 wo er aber auch die Machtkämpfe und Intrigen aus nächster Nähe miterleben konnte. Parallel dazu werden die Unternehmungen des Gotenstammes bis 471 erzählt sowie die Ereignisse der beiden folgenden Jahre nach der Rückkehr Theoderichs.

Bis 488 folgten Feldzüge auf dem Balkan, insbesondere die Auseinandersetzungen mit den thrakischen Goten, die im 2. Kapitel dargestellt und durch eine Karte veranschaulicht werden. In dieser Zeit steigt Theoderich zum alleinigen König der Goten und zum Heermeister auf und wird von Kaiser Zenon adoptiert.

Das 3. Kapitel behandelt die Eroberung Italiens. Einleitend wird die Situation der Apeninenhalbinsel im 5. Jh. dargestellt, die v.a. durch die Einfälle barbarischer Völker, verbunden mit Versorgungsmangel und Rückgang der Bevölkerung, bestimmt war. Dadurch ergab sich auch eine deutliche Veränderung der städtebaulichen Strukturen, der in den letzten Jahren wichtige Arbeiten gewidmet waren. Auch die zunehmende Christianisierung war ein bedeutender Veränderungsfaktor. Dagegen konnten die Senatoren ihre privilegierte Stellung weitgehend behaupten. Es folgt die Ereignisgeschichte von Rikimer bis Odoaker und der Absetzung des Romulus (476). Wichtig ist der Hinweis, daß das Jahr im nachhinein als Ende des weströmischen Reiches bezeichnet wird, aber von Odoaker selbst durchaus nicht das Ende des westlichen Kaisertums beabsichtigt war.5 Der zweite Teil des Kapitels ist dem Feldzug Theoderichs gegen Odoaker gewidmet.

Im 4., dem umfangreichsten Kapitel, wird die Innenpolitik Theoderichs, d.h. die Herrschaft über Italien, dargestellt. Ein erster Abschnitt beschäftigt sich mit der Ansiedlung der Goten. Offensichtlich ging diese ohne Enteignungen vonstatten, wenngleich den Goten etwa ein Drittel des italischen Landes in Besitz hatten. Wie diese Übertragungen vollzogen wurden und welche steuerlichen Masßnahmen sie begleiteten, wird in der Forschung kontroversi diskutiert S. 171). Der in der Forschung ebenfalls kontrovers diskutierten Frage der Anerkennung und Stellung Theoderichs gegenüber dem Kaiser in Byzanz wird im folgenden Abschnitt besprochen. Eine wichtige Quelle ist das Schreiben Cassiod. var. 1,1, das teilweise im Wortlaut zitiert wird. Die Verwaltung Italiens unter den Goten läßt sich aus den Quellen ziemlich sicher rekonstruieren. So kann der Autor das Gerichs- und Finanzwesen, aber auch die Bautätigkeit umfassend darstellen. In drei weiteren Abschnitten werden ds Verhältnis zwischen Goten und Römern, das zur katholischen Kirchen sowie das zu den Juden besprochen. Bei allen Spannungen, die naturgemäß zwischen den gotischen Eroberern und Ansiedlern und den Einheimischen auftreten mußten, war Theoderich doch bemührt, durch geeignete Maßnahnen unter der Idee der civilitas ein geordnetes Zusammenleben herbeizuführen. Obwohl die Goten Arianer waren, ergaben sich auch im Zusammenleben mit den katholischen Einheimischen keine größeren Probleme. Theoderich selbst, „ein religiöser Mensch“ (93), versuchte sich aus den innerkirchlichen Streitigkeiten der Zeit (Akakianisches und Laurentiasnisches Schisma) herauszuhalten. Dennoch wurde er in die Auseinandersetzung zwschen den Päpsten Symmachus und Laurentius hineingezogen; die Details werden ausführlich dargestellt. Theoderichs Verhältnis gegenüber den Juden ist in den Quellen durch Äußerungen seiner katholischen Gegner polemisch gefärbt. Tatsächlich war Theoderich wohl bemüht, auch in seinem Verhältnis zu den Juden die Tradition der römischen Kaiser fortzusetzen.

Im 5. Kapitel wird die Außenpolitik Theoderichs besprochen. Zunächst wird die Heirats- und Bündnispolitik mit den germanischen Königen der Westgoten, Burgunder, Salfranken und Vandalen dargestellt. Ausbüttel unterstreicht das Faktum, daß Theoderich erstmalig in der europäischen Geschichte eine „Familie der Könige“ geschaffen habe, ein Beweis dafür, daß er in der Außenpolitik nicht in völkerrechtlichen, sondern in persönlichen und familiären Kategorien dachte (113). Bald jedoch waren diese Bündnisse durch partikulare Interessen gefährdet, ebenso wie das Verhältnis zu Ostrom durch Kriegshandlungen auf dem Balkan. Gerade das Bündnis mit den Franken erwies sich angesichts der fränkischen Expansion nach Südfrankreich in das Gebiet der Westgoten als brüchig. Auch für Theoderich war die Niederlage der Westgoten ein herber Schlag. Allerdings konnte er im Zusammenhang mit dem Feldzug von 508 gegen die Franken weite Gebieten Südfrankreichs gewinnen und in ihnen die alten römisc<hen Verwaltungsstrukturen wiederbeleben (123). Danach gelingt es ihm, bis zu seinem Tode die Herrschaft über das Westgotenreich auszuüben. Auch Bündnisse mit anderen germanischen Stämmen konnten erneuert werden, sodaß man wohl mit Recht die Krise der Jahre 507/8 als Wende in Theoderichs Außenpolitik von einer Sicherheits- zu einer Machtpolitik beschreiben kann (128). Auch der Feldzug gegen die Burgunder 522 konnte als außenpolitischer Erfolg verbucht werden.

Im 6. Kapitel werden die letzten Jahre der Herrschaft geschildert. Sie sind zunächst überschattet von der ungelösten Nachfolgefrage, die nach dem Todes Eutharichs 523 wieder völlig offen war. Auch der Tod des Vandalenkönigs Thrasamund und des Papstes Hormisdas verstärkten die innen- und außenpolitischen Unsicherheiten, v.a. ab er die Prozesse gegen Boethius und Symmachus, die zu einem vernichtenden Urteil über Theoderich führten, wenngleich die neuere Forschung nicht mehr der Bewertung des Verurteilung der beiden Senatoren als Justizmord folgt, wie sie besonders Prokop äußerte. Auch Ausbüttel stellt fest, daß Theoderich sich korrekt verhalten habe (137). Trotz der vielleicht als abschreckend beabsichtigten Prozesse scheint auf katholischer Seite die Opposition gegen Theoderich in dessen letzten Lebensjahren zugenommen haben. Die Umstände der Reise des Papstes Johannes I. nach Konstantinopel und sein Tod in Ravenna nach seiner Rückkehr gaben weiteren Anlaß zu ungerechtfertigten Verleumdungen. Ausbüttel zeigt klar, daß Theoderich auch in all diesen Situationen sinen früheren Regierungsgrundsätzen treu geblieben ist (142). Der letzte Abschnitt des Kapitels befaßt sich mit Theoderichs Ende. Besonders aufschlußreich sind die Beobachtungen zu Theoderichs Grabbau und zur Bewältigung der damit verbundenen bautechnischen Probleme (nach M. Korres).

Abschließend wird im 7. Kapitel das „politische Erbe“ des großen Germanenkönigs diskutiert, das sowohl das Westgotenreich betrifft, von dem die gallischen Gebiete rasch an die Franken fielen, als auch das von Amalasuintha für Athalarich regierte Italien. Die Ereignisse werden bis zur Eroberung der von Goten beherrschten Gebiete durch Belisar bis zum Jahre 540, dem Ende der Amnalerdynastie, erzählt. Die letzten Kämpfe der Oströmer gegen Totila und Teja werden noch kurz erwähnt. Mit dem Auftreten der Langobarden 568 beginnt eine neue Phase in der Geschichte der Apeninenhalbinsel. Im Abschnitt „Nachleben und historische Bedeutung“ wird fallen einige Blicke auf das Theoderichbild des Mittelalters, insbesondere auch auf das Verhältnis Karls des Großen zum Gotenkönig und die sagenhafte Ausgestaltung der Taten des „Dietrich von Bern“, beginnend mit der Fredegar-Chronik. Anregend sind die Überlegungen Ausbüttels, wie es zur Umgestaltung der historischen Fakten in den sagenhaften Darstellungen gekommen sein könnte.(159). Ein Überblick über die historisch-biographischen Arbeiten zu Theoderich, die im Humanismus mit einer Biographie des Johannes Cochlaeus beginnen, und eine wohlausgewogene Würdigung der Leistungen Theoderichs, die ihm von der Nachwelt den Beinamen „der Große“ einbrachten, beschließt diese solide Darstellung.6

Joachim Gruber, Erlangen
joachim.gruber@nefkom.net


1 Die S. 12 und im Literaturverzeichnis gewählte Namensform „Ensslin“ ist offensichtlich der neuen deutschen „Schlechtschreibung“ geschuldet

2 Er steht nur auf dem schutzumschlag , nicht in der Titelei.

3 Der wichtige „Anonymus Valesianus“ wurde durch Ingemar König ebenfalls in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft 1997 mit ausführlichem Kommentar vorgelegt. Vgl. die Rezension in Gymnasium 107, 2000, 87f.

4 Das ominöse inlitteratus (Anon. Vales. 12, 62) wird als „politische Propaganda“ bewertet; differenzierter König (wien Anm. 1) 149 f.

5 Die unterschiedliche Bewertung zeigt exemplarisch ein Vergleich mit der Darstellung Bellens (S. 251): „Das Kaisertum im Westen war für Odovacar mit der Absetzung des Romulus nicht nur de facto beseitigt, es hatte sich für ihn auch der Idee nach überlebt.“ Dagegen hat nach Demandt (182) auch Odoaker „noch in imperialen Kategorien gedacht, als er seinen Sohn Thela zum Caesar erhob.“; ähnlich Ausbüttel 58.

6 Primär- und Sekundärliteratur werden regelmäßig genannt. Dennoch wünschte man sich für manche Aussagen einen Hinweis auf die Quellen, so etwa S. 20 zu den Bauten in Konstantinopel. Nicht zu entschlüsseln ist S. 167 Anm. 7 „Neri 313-315“. Unbefriedigend ist die Wiedergabe der Mosaiken Abb. 11 und 12 in blassen Grautönen. Abb. 10 ist seitenverkehrt;, wie nicht nur dien Inschrift, sondern auch. die Beschreibung S. 77 zeigt. Druchfehler sind selten; bemerkt wurden s. 148 1. Zeile „dass“ stat „das“, S. 152 „Bolsinasee“ statt „Bolsenasee“


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