Archäologie in Deutschland. Stuttgart: Theiss. ISSN 0176-8522

Heft 5/2006 (September–Oktober)

Das Schwerpunktthema des Heftes "Frühe Christen am Rhein - Von den Göttern zu Gott" eröffnet verschiedene wichtige Aspekte über die Kontinuität von der Spätantike zum Mittelalter, wobei das Stichwort gleichzeitig auf eine ab Dezember 2006 im Rheinischen Landesmuseum in Bonn veranstaltete Ausstellung hinweist. Unter dem Titel "Kontinuität und Umbruch" gibt Sebastian Ristow einen Überblick über den aktuellen Stand der archäologischen Forschung im Rhein-Mosel-Gebiet von den ersten frühchristlichen Kirchengründungen bis zu den nachweisbaren Bauten des 6. Jh. Eingeleitet wird der Beitrag mit einer Übersicht über die für die spätantiken Fundgegenstände des Gebiets relevanten Museen und über die spätantikem Baureste. Für die Grabfunde ist in diesem Zusammenhang der Hinweis wichtig, daß nicht alle Gegenstände, die vermeintliche oder tatsächliche christliche Verzierungen tragen, unbedingt Aufschluß über die religiöse Haltung ihrer Besitzer geben. Gerade die Verbreitung christlicher neben paganen Symbolen lasse vermuten, daß sie "lediglich zur Zierde benutzt und vielleicht nur oberflächlich verstanden" wurden (23). Bedenkenswert wäre, inwieweit diese Vermutung auch auf literarische Zeugnisse übertragbar ist. Der Rückgang christlicher Symbolik in der Merowingerzeit wäre dann nicht auf eine geringere Verbreitung des christlichen Glaubens, sondern vielmehr auf einen Wandel des dekorativen Zeitgeschmacks zurückzuführen. Schriftquellen und Baurelikte ergeben den eindeutigen Befund, daß das Christentum in der Region bis ins 7. Jh. vorwiegend eine urbane Erscheinung war. Allerdings wird die Entwicklung der Christianisierung außer in Trier in den Orten des Rhein-, Maas- und Moselgebietes offensichtlich im 5. und in der ersten Hälfte des 6. Jh. unterbrochen. Das Kontinuitätsproblem und die Frage der eindeutigen Zuordnung archäologischer Funde in einen christlichen Kontext wird am Beispiel der langjährigen Grabungen in St. Severin in Köln dargelegt. Wiederum mit der Ausnahme von Trier lassen sich derzeit keine Kirchenbauten mit Ausstattung für Liturgie und Gottesdienst vor dem 6. Jh. nachweisen. Das gilt besonders auch für Bauten in Köln, die fruher mit den ersten Bischöfen in Verbindung gebracht wurde (vgl. Plekos 4, 2002, 65). Die Vermutung (leider ohne Quellenangabe), unter St. Pantaleon in Köln sei eine kaiserzeitliche Hauskirche nachweisbar, wird entschieden zurückgewiesen (26). Die frühchristlich angesprochenen Funde in Andernach, Mainz, Frankfurt und Tongeren stehen weiter in der Diskussion, währen die Funde in Boppard offensichtlich eindeutig auf einen Kirchenbau des 6. Jh. hinweisen.

Der gleiche Autor berichtet (Von reichen Gräbern und "Goldenen Heiligen") über die spätantike Situation in Köln, den Befund in den großen Grabanlagen im Süden (St. Severin) und Norden der Stadt (St. Gereon, St. Ursula), v.a. aber über die Ausgrabungen unter dem Dom.

In die Geschichte des frühen Christentums am Niederrhein führt der Beitrag von Thomas Otten über die Märtyrer aus Xanten, in dem die archäologischen Befunde mit den Nachrichten des Gregor von Tours (leider ohne Quellenangabe) zusammengeführt werden.

Christoph Keller bespricht die archäologischen Funde in und um die Bonner Münsterkirche, in der die Gräber der Märtyrer Cassius und Florentius verehrt werden. Aufgrund einer Neubearbeitung des archäologischen Fundmaterials aus der Vorkriegszeit wird der seinerzeit als spätantik interpretierte Raum und seine Anbauten jetzt dem 6. Jh. und dem frühen Mittelalter zugewiesen.

Einen weiteren Beitrag zum römerzeitlichen und spätantiken Bonn bringt Ulrike Müssemeier. Jüngere Untersuchungen haben die Existenz einer Kirche spätestens ab der ersten Hälfte des 6. Jh. im Bereich des Römerlagers im Norden der späteren Stadt nachgewiesen.

An die nachweislich älteste Stelle des Christentums in der Region, nach Trier, führt der Beitrag von Andrea Binsfeld "In Konstantins Namen". Durch die jüngsten Grabungen wurde die Diskussion um die Interpretation und Rekonstruktion der ältesten Bischofskirche in Deutschland neu belebt. Der Artikel gibt eine knappen Überlick über die Befunde. Danach stellt sich die erste Kirchenanlage "als ein größerer Komplex aus vier Basiliken dar" (38), von denen die älteste an Stelle eines Wohnhauses errichtet wurde. Die Rückführung manch anderer Trierer Kirchen auf die Spätantike kann jedoch ins Reich der Legende verwiesen werden.

In den Nachrichten aus der Landesarchäologie wird über neue Befunde vom Münsterberg in Breisach berichtet, wo weitere Reste des spätrömischen Kastells entdeckt wurden, die die bisherige Rekonstruktion bestätigen.

Der gallo-römische Tempelbezirk auf dem Martberg bei Pommern an der Mosel wurde zu einem Archäologiepark umgestaltet. "Bauten und Wandmalereien vermitteln den Eindruck vom Aussehen und der Größe des ländlichen Heiligtums im 3. Jh. n. Chr." (52).

Die Villenanlage von Reinheim beim Vicus von Bliesbrück wurde weiter untersucht. In der 2. Hälfte des 3. Jh. wurde das Wohnhaus in eine Metallwerkstatt umfunktioniert und in der Mitte des 4. Jh. durch Feuer vernichtet.

In der Rubrik "Fenster Europa" wird der Blick anch Spanien gerichtet, wo die Madrider Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts seit 50 Jahren neben vielen andere Projekten auch die römische Siedlung Munigua untersucht. Die mit 400 bis maximal 1000 Einwohnern auffallend kleine Siedlung ist verfügte über nicht weniger als sechs Heiligtümer, wobei der Bau des Terassenheiligtums offenbar durch vergleichbare Typen in Latium wie der Fortuna Primigenia in Praeneste angeregt wurde. Da in dieser Zeit hispanische Senatoren Villen in Latium besaßen, dürfte auf diesem Wege die Anregung zum Bau nach Spanien gekommen sein. Auf jeden Fall war der Ort Mittelpunkt einer Bergbauregion in den südlichen Ausläufern der Sierra Morena. Der Bergbau ist bis zum Ende des 2. Jh. nachgewiesen, im 3. Jh. beginnt der nur zeitweilig unterbrochene Niedergang der Kleinstadt, die aber noch Besiedelungsspuren bis ins 8./9. Jh., d. h. aber bis weit in die Zeit der islamischen Eroberung, aufweist.1

Über den bislang noch namenlosen vicus im Wareswald (Saarland) hat AiD schon in Heft 1, 2006 berichtet. Um 30 n. Chr. entstanden, existierte er bis ins 4. Jh. Besonders spektakulär war der Fund von Resten eines Pfeilergrabes, dem Typus der Igeler Säule verwandt.

Heft 6/2006 (November–Dezember)

Den Schwerpunkt des Heftes bilden verschiedene Beiträge zur Geschichte des Glases von seiner Erfindung im 3. Jahrtausend v. Chr. bis in die frühe Neuzeit.

Aus dem Bereich der Landesarchäologie findet sich ein kurzer Bericht über Ausgrabungen im Bonner Vicus, die nicht Reste von privaten und öffentlichen Gebäuden, darunter eine Badeanlage umfassen, sondern auch Spuren eines Monumentalbaus. Die Untersuchung von Abfallhalden des 2. und 3. Jh. soll Aufschluß über über Handel und Gewerbe im Vicus geben.

Das Stadtmuseum Erfurt zeigt noch bis 6. Januar 2007 eine Ausstellung über die Thüringer Prinzessin Radegunde, die ins Frankenrich verschleppt und zur Heirat mit dem Frankenkönig Chlothar gezwungen worden war. Nach der Hinrichtung ihres Bruders verließ sie den Hof und widmete sich der Fürsorge für Arme und Kranke. Später zog sie sie sich in das von Chlothar für sie erbaute Kloster Ste-Croix in Poitiers zurück. Literarische Dokumente über ihr Leben bieten Venantius Fortunatus und Gregor von Tours. so bietet die Ausstellung einen wichtigen Einblick in die Geschichte Thüringens und des Merowingerreiches.

Neue Grabungen im Reiterlager von Welzheim bedürfen erst noch der genaueren Einordnung (42 f.).

Christian Herb berichtet über das neu gesALIGN=JUSTIFY taltete Römische Lapidarium des Landesmuseums Württemberg in Stuttgart mit seinen zahlreiche kaiserzeitlichen Fundstücken.

Michael Müller informiert über die Villa rustica "Haselburg" im Odenwald, die größte römische Villenanlage Hessens, die bis ins 3. Jh. bewohnt war. Teile der Anlage sind rekonstruiert.

Im Schwerpunktthema des Heftes ist die Spätantike nur gelegentlich berührt, so in dem Beitrag von Andrea Rottloff, in dem spätantiker Glasimport nach Rätien erwähnt wird. Daneben ist in dieser Zeit auch einheimische Glasverarbeitung nachweisebar. Denise Beilharz gibt einen Überblick über die Fundes von Glasgefäßen des 5. bis 7. Jh., die eine erstaunliche Kontinuität der Glasherstellung von der Spätantike ins frühe Mittelalter beweisen. Das betrifft sowohl die Technik wie auch die Gefäßformen. Dennoch sind bestimmte Einschränkungen festzustellen: Das Schneiden und Schleifen erkalteten Glases wird nicht mehr praktiziert und die Gefäßtypen beschränken sich auf Schank- und Trinkgefäße, die besonders auch als Grabbeigaben eine Rolle spielten.

Joachim Gruber, Erlangen
joachim.gruber@nefkom.net


1 Die topotgraphische Orientierung ist durch das beigefügte Kärtchen und die Angabe "etwa 50 km nordöstlich von Sevilla" höchst unvollkommen. Der Ort liegt nach Ausweis des Michelin-Atlas de careteras y turístico España & Portugal Blatt 44 etwa 6 km nördlich des Städtchens Villanueva del Rio y Minas (am Gadalquivir) und ist als "Castello de Mulva" bzeichnet.


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