Paul Zanker: Die Apotheose der römischen Kaiser. Ritual und städtische Bühne, München 2004 (Veröffentlichungen der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, Reihe „Themen“, Bd. 80, 77 S.

Immer wieder haben Herrscher in der Menschheitsgeschichte ein Höchstmaß an Legitimierung ihrer Herrschaft gegenüber Zeitgenossen und Nachwelt angestrebt. Auch die römischen Kaiser reihten sich nahtlos in eine solche Tradition ein, die im hellenistischen „Herrscherkult“ nach Alexander dem Großen ihre erste wirkliche Ausprägung erfahren hatte. So waren jene unaufhörlich bemüht einen möglichst nachhaltigen Eindruck ihrer selbst in der Öffentlichkeit zu verankern. Zahlreiche materielle Hinterlassenschaften im Imperium Romanum wie in der Hauptstadt Rom selbst legen hiervon bis heute beredtes Zeugnis ab.

In seiner neuen, kleinen Studie möchte Paul Zanker (Z.), mehrfach ausgewiesener Kenner der Bildhaftigkeit römischer Kaisermacht, eine solche Materialisierung am Beispiel der kaiserlichen consecratio (griech. „apotheosis“) im Dienste des Herrschaftssystems vor Augen führen. Diese verstand sich als demonstrativ praktiziertes „Staatsritual“ auf meist städtischer Bühne, welches das dem Menschen eigene „enorme Bedürfnis nach spektakulären Gemeinschaftserlebnissen“ meisterlich bediente und allein durch die Intensität der Inszenierung bewies, dass die Kontinuität kaiserlich-dynastischer Herrschaft im Übergang nie wirklich gefährdet war (7f). Die „Unsterblichkeit der Monarchie“ korrespondierte im Augenblick der Herrschaftsübertragung somit uneingeschränkt mit der „Sterblichkeit des einzelnen Souveräns“ (9). Zu Recht untermauert Z. den fast anthropologischen Charakter seiner Ausführungen gerne mit vergleichbaren Situationen aus späteren Epochen, v.a. aus dem absolutistischen Frankreich (z.B. 8, 17f) oder dem Italien der Aufklärung (30, 47).

Im Mittelpunkt der Studie steht der römische Prinzeps, der seit seiner geistreichen Erfindung durch Augustus als anerkannter erster Beamter der res publica auftrat, jedoch vielerorts schon zu Lebzeiten meist in Form von Statuen panegyrisch verehrt wurde (11f). Eine solche Ambiguität suchte die recht aufwändige Leichenfeier des römischen Kaisers samt anschließender Gottwerdung bewusst zu überwinden, indem sie sich eng am aristokratischen Vorbild der Republik orientierte, das dank des mos maiorum in der Regel positiv konnotiert war. Ablauf und Selbstverständnis dieser öffentlichen Veranstaltung waren dabei streng reglementiert. Mithin war es Aufgabe der Prozession, das Bild des verstorbenen Kaisers (respektive dessen realistisch gestalteten Scheinleibs an Stelle des inzwischen verbrannten Leichnams) auf dem Weg vom Kaiserpalast am Palatin über das Forum Romanum hin zum Marsfeld möglichst theatralisch wirken zu lassen (14).

Im Folgenden zeichnet Z. die einzelnen Stationen der kaiserlichen Konsekration in allgemein verständlicher und inhaltlich präziser Weise nach. Der „erste Akt“ war dabei ein „ausgesprochenes Sterbetheater“ mit buntem Treiben um die Leiche des Kaisers, dessen Sterben ritualisiert nachempfunden wurde (16). Wichtig war dabei, dass der Verstorbene keineswegs als Leidender, Kranker oder gar Dahinsiechender, sondern eher als omnipräsenter, abstrahierter „guter Geist“ im Bewusstsein der Betroffenen erschien. Der pater patriae wurde danach wie der verstorbene pater familias einer großen Gens aufgebahrt und in einem öffentlichen, musikalisch umrahmten, von ritualisierten Emotionen getragenen Marsch seinem Bestimmungsort auf dem Marsfeld zugeführt.

Ein nächster Schritt war die Aufbahrung des Verstorbenen auf dem Forum Romanum, das seinerseits schon seit Augustus zu „einer einzigartigen Selbstdarstellung des Kaiserstaates“ stilisiert war (20). Am Toten vorbei defilierte zwischen Circus Maximus und Marsfeld ein langer, hierarchisch gegliederter Klagezug, der diesem in Anwesenheit des kaiserlichen Nachfolgers die letzte Ehre erwies. Durch die massive Teilnahme des Militärs, zu Lebzeiten Garant absoluter Loyalität, nahm dieser Akt den Charakter eines letzten Triumphs an, der unter dem Motto „Herrschaft und Reich“ die wichtigsten Insignien eines Siegeszugs (Feldzeichen, besiegte Völker, Beute usw.), aber auch Götterbilder und Porträtstauen kaiserlicher Vorgänger barg (23, 26f). Es folgten diverse Chöre, die in Kollegien geordnete Plebs als Symbol für „die Stabilität und Kontrolle der städtischen Gesellschaften im Kaiserreich“ (28) sowie Porträts personifizierter griechischer Bildung als „wichtige(r) Tugend des vollkommenen Fürsten“ (31). Nicht fehlen durften auch Rennpferde mit Hinweis auf das eine Element der für kaiserliche Herrschaft konstitutiven „Panem et circenses“-Propaganda. Im letzten Teil der Prozession wurden schließlich vielfältige Totenspenden übergeben, die dann wie bei privaten Brandbestattungen dem Scheiterhaufen beigelegt wurden und deren symbolträchtige Abrundung die Präsentation eines wertvollen Altars darstellte (34).

Nach alledem folgte die Laudatio des kaiserlichen Nachfolgers. Auch hier, auf der republikanischen Rednerbühne, dank reichhaltiger kaiserlicher Repräsentationskunst inzwischen erheblich funktionalisiert, war deutlich erkennbar, dass „die Kaiserfamilie ... als domus divina zur Staatsfamilie geworden“ war (35). Nur durch die Konsekration des verstorbenen Vorgängers erlangte der neue Kaiser die volle Legitimation als divi filius. Sah man sich während der Ansprache zudem ein wenig um, so waren auch frühere Kaiser nicht nur in Form von Statuen, sondern auch durch eine Vielzahl monumentaler Bauten allgegenwärtig und bestimmten so die eher monarchische Atmosphäre des eigentlich urrepublikanischen Platzes (37). Diesen verließ der Trauerzug schließlich in Richtung Marsfeld wohl in Richtung der Porta Triumphalis und des Marcellus-Theaters (40f). Nimmt man an, dass der gesamte Trauerakt knapp einen Tag gedauert hat, kann man sich gut vorstellen, dass sich „der letzte Akt ... dann (wie frühere Leichenbegängnisse auch) beim Schein der Fackeln abgespielt“ haben müsste (41).

Auf dem Marsfeld selbst gestaltete sich nun der Höhepunkt der gesamten Zeremonie: der Vollzug des Vergöttlichungsaktes durch die rituelle Verbrennung auf einem tempelartigen Scheiterhaufen, der laut Herodian wie ein Leuchtturm aussah und auf dem sich um die Kline des Verstorbenen herum Gaben aus allen Teilen des Reiches türmten (47, 49). Nach einem symbolischen Abschied des gesamten Staatsapparates vom Toten entwickelte sich unter anderem durch mehrfache Umkreisung des Scheiterhaufens ein beeindruckendes Schauspiel mit überaus komplizierter Choreographie, bevor der Kaiser „im Gewand des Triumphators auf die Reise in den Himmel geschickt“ wurde (54). Mit der abschließenden Entzündung des Scheiterhaufens war die Divinisierung des Verstorbenen endgültig vollzogen und die Basis für künftige kultische Ehren, allen voran die Errichtung spezieller Heiligtümer und Konsekrationsaltäre, in der Öffentlichkeit gelegt. Mithin entstand eine regelrechte „Apotheose-Landschaft“ (56).

In zwei kurzen Kapiteln skizziert Z. abschließend die Bedeutung der (monumentalen) Kunst für die langfristige Wirkung der divi auf die öffentliche Wahrnehmung. Betrachtet man hierbei Staatsreliefs, Gemmen und Münzen, so fällt in deren Konzentration auf Verbrennung und Himmelfahrt eine gewisse spröde Kargheit unter Verzicht auf erzählende Ausschmückung auf - entscheidend war in der Tat eher, dass die Ehrung selbst deutlich dokumentiert war (58, 60). Herausragendes Beispiel hierfür ist natürlich die bekannte Gemma Augustea, auf der in verschiedenen Ebenen menschliche und göttliche (bzw. vergöttlichte) Welt zu einer perfekten Handlungseinheit für die Verwirklichung globaler römischer Herrschaft verschmelzen; gerade durch die sehr konkrete Körperlichkeit wird die Anwesenheit des neuen Gottes hier wieder sehr reell (64). Noch viel eindrücklicher verhießen in diesem Zusammenhang diverse Monumente des nördlichen Teils des Marsfeldes (vor allem das riesige Areal des Augustus mit Mausoleum und Sonnenuhr oder aber das unter Augustus errichtete Pantheon) die Allgegenwart konsekrierter Kaiser: Tempel, Heiligtümer, Altäre, Ehrensäulen, weitere Mausoleen (insbesondere des Hadrian) und vieles mehr. Dass in den Grabstätten des Augustus und Hadrians auch andere Kaiser ihre letzte Ruhe fanden, weist darauf hin, „dass auch in der Apotheose-Landschaft der alte Gegensatz zwischen dem sterblichen und dem vergöttlichten Kaiser im Nebeneinander der Tempel und Altäre nicht aufgehoben, sondern eher betont wurde“ (68).

Mit alledem wird klar, dass der Akt der Konsekration nicht nur für den verstorbenen Kaiser als Individuum, sondern auch und gerade für die langfristige, religiös begründete Legitimation des gesamten Prinzipats als Herrschaftssystems ein herausragende Rolle spielte. Auf dem Marsfeld als neuem religiösen Zentrum neben dem Kapitol war seit Augustus ein unverbrüchlicher Bund „zwischen irdischem Weltreich und ewiger Weltordnung“, von den Göttern gelenkt, mithin die Symbiose von aufgeklärtem Denken und religiöser Erlebnisfähigkeit, entstanden (70).

Abschließend ist zu bemerken, dass die Studie trotz ihrer Kürze einen sehr schönen Einblick in Procedere und Selbstverständnis der Mechanismen kaiserlicher Herrschaft und monarchischer Propaganda - selbst und gerade über den Tod Einzelner hinaus - in Rom gestattet. Auch in der Apotheose des Herrschers wird die bald subtile, bald ostentative Verquickung alter republikanischer mit immer wirkungskräftigeren monarchischen Elementen offensichtlich. In der Tat eiferten nahezu alle römischen Kaiser dem Vorbild des ersten Prinzeps nach und sorgten sich um die Bedeutung der „Macht der Bilder“ auf der öffentlichen Bühne. Keiner hätte dies prägnanter, einfühlsamer und kurzweiliger beschrieben können als der Autor selbst, faszinierend ist auch in dieser Studie somit immer wieder seine Fähigkeit Monumente zum Sprechen zu bringen und deren politischen Gehalt jenseits rein künstlerischer Ästhetik herauszuarbeiten. Kurzum: ein echter Zanker.

Bert Freyberger, Augsburg
Bert.Freyberger@phil.uni-augsburg.de


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