Barbara Pferdehirt: Die Rolle des Militärs für den sozialen Aufstieg in der römischen Kaiserzeit. Bonn: Habelt-Verlag (Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz Bd. 49) 2002. 269 S. Euro 73 ISBN 3-88467-069-7


„Etwas überrascht“ - dies war der Eindruck des Rez. beim ersten Durchblättern des Buches: Titel und Inhalt stimmen leider nicht unbedingt überein. Auf den 269 Seiten geht es nämlich nicht generell um die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten, die die Römische Armee in der Antike bot. Vielmehr beschäftigt sich die Arbeit fast ausschließlich mit einem einzigen Teilaspekt dieses Themas, nämlich mit der Vergabepraxis des römischen Bürgerrechtes an Auxiliarveteranen. Die vorliegende Monographie ist also ein „Militärdiplom-Buch“. Die Beschäftigung mit diesen Urkunden ist – zugegebenermaßen – ein sehr reizvolles und interessantes Forschungsfeld, aber Autorin und Redaktion hätten gewiss gut daran getan, den Titel des Buches besser auf seinen tatsächlichen Inhalt abzustimmen. So sah sich der Rez. (und vielleicht auch mancher Käufer?) überraschend mit einem Thema konfrontiert, das er eigentlich nicht erwartet hatte.

Worum geht es? In den letzten beiden Jahrzehnten ist der Bestand der bekannt gewordenen Militärdiplome bzw. –fragmente stark angestiegen; die Zahl der einschlägigen Nachweise wird derzeit auf etwa 1.000 geschätzt. Das vorhandene Material, das etwa von der Mitte des 1. bis ins ausgehende 3. Jh. reicht, bietet der Militärdiplom-Forschung nun also auch die Möglichkeit statistischer Untersuchungen. Die Autorin zeigt in ihrer Arbeit, dass sich die Bürgerrechtsverleihungen nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, gleichmäßig innerhalb der oben genannten Zeitspanne verteilen, sondern zunächst nur recht spärlich nachgewiesen sind, um dann im frühen 2. Jh. schlagartig stark zuzunehmen. Das zur Verfügung stehende Material wird ausgiebig, nach den einzelnen „Waffengattungen“ (Alen und Kohorten, Flotten, stadtrömische Truppen) geordnet, analysiert. Der Schluss, dass die Vergabe des römischen Bürgerrechtes an entlassene Auxiliarsoldaten während der 2. Hälfte des 1. Jhs. nur in Ausnahmefällen erfolgte und nicht den Regelfall darstellte, ist tatsächlich naheliegend. Eine Änderung dieser Praxis scheint erst unter Trajan eingetreten zu sein, wie das starke Ansteigen von Militärdiplomen ab dem frühen 2. Jh. n. Chr. nahe legt. Dies ist im wesentlichen, von der Diskussion einzelner kleinerer Detailfragen einmal abgesehen, die zentrale Kernthese des vorliegenden Buches.

Man fragt sich jedoch nach der Lektüre, ob man diesen Gedankengang nicht kürzer und prägnanter, etwa in Form eines größeren Artikels, hätte publizieren können. Die Monographie enthält jedenfalls eine Reihe von Unterkapiteln und Erörterungen, die für die „Beweisführung“ der Autorin ohne Belang sind und die zudem auch generell wenig Neues enthalten. Auf Seite 117 etwa beginnt ein längerer 12-seitiger Exkurs über „die Bürgerrechtsprivilegien für Legionsveteranen“, an dessen Ende die Autorin zu dem überraschenden Ergebnis kommt, dass „Legionäre keineswegs rechtlich schlechter gestellt waren als Auxiliar- und Flottensoldaten“ (S.128). Wurde jemals das Gegenteil behauptet?

Warum in den Textkapiteln die zitierten Militärdiplome oft in vollem Wortlaut wiedergegeben werden, obwohl für die Argumentation nur einzelne Formulierungen in den Konstitutionen von Belang sind, weiß Rez. nicht. Mancher Leser wird sich ferner wundern, warum die lateinischen Texte nicht nach den gängigen epigraphischen Richtlinien (Stichwort: Leidener Klammersystem) transkribiert wurden.

Der Lesbarkeit des Buches ganz gewiss nicht zuträglich sind die redaktionellen Nachlässigkeiten, die dem Leser leider in einiger Anzahl und auf fast jeder Seite entgegen treten: ärgerlich ist etwa, dass die allgemeine Verleihung des römischen Bürgerrechtes durch Cararalla, die sog. constitutio Antoniniana, offenbar dem Computer bzw. einem Rechtschreibprogramm zum Opfer gefallen ist und meist als constitutio Antoniana (sic!) durch das Buch geistert (so z.B. auf S. 229, 230 und 231, richtig geschrieben dann einmal auf S. 232). Aber auch andere lateinische termini technici finden sich nicht selten in unkorrekter Wiedergabe - das dreistufige ritterliche Beförderungssystem wurde nicht als tres militia (S. 56), sondern richtig als tres militiae bezeichnet, um hier stellvertretend nur ein Beispiel zu nennen.

Hinzu treten leider auch zahllose Inkonsequenzen, von denen an dieser Stelle nur einige wenige genannt seien: Auf Seite 73 findet sich z.B. je einmal die „britannische Flotte“ und die „Britannische Flotte“, Autoren werden mal ohne Vornamen (S. 49 „Nesselhauf“) mal mit Vornamen (S. 52 „H. Nesselhauf“) geschrieben, die Kursivschrift wird bei lateinischen Begriffen mal verwendet (S. 65 „Cohors III Ituraeorum“), mal nicht (S. 58 „Classis Flavia Moesica“).

Auch das Zitiersystem, mit dem auf einen bereits zitierten Titel in einer vorangegangenen Fußnote verwiesen wird („a.a.O.“), hätte dringend eines wachen redaktionellen Auges bedurft. So wird beispielsweise in Anmerkung 49 der wichtige Kolloquiumsband von W. Eck u. H. Wolff (Hrsg.), Heer und Integrationspolitik. Die römischen Militärdiplome als historische Quelle. Passauer Historische Forschungen Bd. 2 (Köln/Wien 1986) zitiert, um so bei einer späteren Nennung der Arbeit lediglich den kurzen Verweis „Eck/Wolff a.a.O. (Anm. 49)“ anführen zu können. Obwohl dies die Autorin dann auch mehrfach tut, scheint der Inhalt der Anmerkung 49 irgendwann vergessen worden zu sein und wird daher erneut in vollem Wortlaut zitiert. Der vollständige Titel von W. Eck und H. Wolff findet sich z.B. in den Anmerkungen 184, 209, 212, 308, 390, 407, 422, 423, 472, 526 oder 557, zwischendurch wird mit derselbe mit „ Eck/Wolff a.a.O.“ zitiert. Die auffallend häufigen Wiederholungen, auch anderer Titel, erwecken manchmal den Eindruck, als seien hier verschiedene kleinere Arbeiten rasch zu einem Buch zusammengefügt worden. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden - wenn denn die Einzelteile sorgfältig zu einem stimmigen Ganzen verarbeitet werden!

Mit etwas gemischten Gefühlen legt man das Buch schließlich wieder aus der Hand. Zusammenfassend möchte Rez. festhalten: Die Kernthese der Autorin, dass Militärdiplome (und damit das römische Bürgerrecht) bis in die Regierungszeit Traians nur in Ausnahmefällen an entlassene Auxilarveteranen verliehen wurden, darf gewiss einige Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen. Dieser interessante Gedankengang wäre aber vermutlich in einem etwas besser strukturierten - und vor allem auch in einem redaktionell besser betreuten - Artikel aufgehoben gewesen als in einer Monographie.


Marcus Reuter, Konstanz
marcusreuter@yahoo.de


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