Alexander Demandt, Andreas Goltz, Heinrich Schlange-Schöningen (Hrsgg.): Diokletian und die Tetrarchie. Aspekte einer Zeitenwende. Berlin/New York: Walter de Gruyter 2004 (Millenium Studien 1). X, 260 S., 1 Karte, 4 Taf. Euro 74.


Der vorliegende Band bietet eine Zusammenstellung von Vorträgen, die im Früjahr 2003 in Split, dem Ort der Altersresidenz des Kaisers Diokletian, auf einem internationalen Symposium gehalten wurden. Warum man ausgerechnet dieses Jahr wählte, erfährt man aus dem Vorwort der Herausgeber, wo es heißt, dass der Kaiser in diesem Jahr mit dem Höchstpreisedikt sowie den Reformen in Verwaltung, Heer, Steuer- und Münzwesen (wozu auch die damals einsetzende Christenverfolgung gerechnet wird !) begonnen habe, das Reich aus der existenzgefährdenden Krise der vorangehenden Zeit der Soldatenkaiser herauszuführen, und damit eine umfassende Erneuerung von Staat und Gesellschaft eingeleitet habe, welche die Grundlage für den Fortbestand des Imperiums bildete. Anliegen des vorliegenden Bandes sei es, die wissenschaftliche Diskussion dieses auch schon unter seinen Zeitgenossen umstrittenenen Herrschers neu zu beleben bzw. weiterzuführen.

Nach einer kurzen Einführung von A. Demandt über „Diokletian als Reformer“, wo die wesentlichen Schwerpunkte der Regierungstätigkeit in recht positiver Manier genannt und die Auswahl der Beiträge begründet wird - Mommsen habe ihn ein staatsmännisches Genie ersten Ranges genannt und schon Goethe habe den Wunsch geäußert, wie dieser als letzter Heide zu leben und zu sterben - geht W. Kuhoff auf aktuelle Perspektiven der Diokletian-Forschung ein. Dieser profunde Kenner der Materie, der bekanntlich vor wenigen Jahren ein opus maximum von stupender Gelehrsamkeit mit 1048 Seiten und einem Verzeichnis von 2300 Titeln (ab 1850) veröffentlicht hat (Diokletian und die Epoche der Tetrarchie, Frankfurt/M 2001), spannt hierbei einen weiten Bogen von allgemein-historischen Aspekten (Feldzüge, Bautätigkeit) über die Entwicklung des Herrschaftssystems (Vorformen, politische Zwänge, Gründe des Scheiterns), Herrscherideologie und kaiserliche Selbstdarstellung (Beinamen, Hofzeremoniell, Bildnisse), Reformen des Staatswesens (Höchstpreis- und Währungsedikt) bis zur Christenverfolgung (wahrscheinlich nur ein Gesetz) und einer allgemeinen Bewertung („kurzfristiges Experiment“ und doch „historische Leistung“). Als großen Vorteil des Buches empfindet man es, das sei hier bereits hervorgehoben, dass jeweils am Ende eines Abschnittes eine reichhaltige Auswahl aus der neuesten Literatur geboten wird.

In den folgenden Ausführungen von F. Kolb „Praesens Deus: Kaiser und Gott unter der Tetrarchie“ wird in wenigen Seiten die These ausgebreitet, dass sich nicht nur Diokletian und Maximian durch die Annahme der Beinamen Iovius bzw. Herculius als Inhaber von deren numina verstanden, sondern noch bei Konstantin und den folgenden Herrschern eine Teilhabe am Göttlichen, „eine besonders große Prise göttlicher Substanz“, erhalten geblieben sei; denn erst unter Theodosius sei mit der Entsakralisierung durch Ambrosius die Rolle des Kaisers als deus praesens zu Ende gegangen. Aber ist die in der Bogeninschrift genannte divinitas wirklich die „Konstantin inhärente göttliche Kraft“ und der instinctus divinitatis mithin „die Eingebung des Konstantin innewohnenden göttlichen numen“ und nicht vielmehr die absichtlich unbestimmt gehaltene Formulierung für eine höchste göttliche Macht, mit der sich Heiden wie Christen in gleicher Weise identifizieren konnten (s. z. B. den gleichen Ausdruck im sog. Mailänder Edikt)?

N. Combi zeigt unter dem Stichwort „Tetrarchic Practice in Name Giving“ in sehr detaillierter Form, wie politisch wohlüberlegt das kaiserliche Namenssystem zu verstehen ist, bes. durch die wiederholte Verwendung des Suffixes -anus nicht nur bei Diokletian, während H. Brandt entgegen den Vorstellungen von B. Meissner (Historia 49, 2000, 79 - 1000) mit „Erneuten Überlegungen zum Preisedikt Diokletians“ glaubt, dass man aufgrund der spärlichen Bezeugung sich vor weitgreifenden wirtschafttsheoretischen Überlegungen hüten solle, etwa dem Erhalt der Kaufkraft der Soldaten oder dem Erhalt von deren Loyalität und der Vermeidung von inflationären Sprüngen in den Grenzprovinzen. Wesentliches Ziel sei die Herstellung von gerechten Preisen im gesamten Reich gewesen und nicht die Sorge für eine bestimmte Bevölkerungsschicht.

Obwohl es einleitend hieß, dass sich durch die Interpretation der Gesetzgebung Diokletians (erhalten sind allein ca. 1200 Reskripte) wesentliche Fragen der Reichsverwaltung klären ließen, gibt es hierzu lediglich einen Beitrag von S. Corcoran „The publication of law in the era of the Tetrarchs“ mit dem Untertitel „Diocletian, Galerius, Gregorius, Hermogenian“. Damit wird klar, dass es sich hier ausschließlich um die früheste Kodifizierung von Gesetzen handelt, deren Verfasser wohl hohe Posten in der Reichsverwaltung innehatten (Aurelius Hermogenianus, von dem wir auch eine Iuris Epitome kennen, war wohl magister libellorum 293/4). Sowohl im Codex Gregorianus, der wahrscheinlich 15 oder 16 Bücher umfasste und die meist an Privatpersonen gerichteten Reskripte seit Hadrian auflistete, wie bei dem ausschließlich die Gesteze Diokletians von 292 und 293 umfassenden Codex Hermogenianus geht es dem Verf. um Vorlagen, Aufbau und Spuren in den erhaltenen Sammlungen aus späterer Zeit (Codex Theodosianus, Iustinianus u.a.), wofür sie zahlreiches Material lieferten, aber auch um die Frage, wie weit der von Laktanz völlig verzeichnete Galerius bei diesem Auftrag beteiligt gewesen sei, dem der Verf. das Verdienst für die weite Verbreitung gesetzlicher Maßnahmen, z. B. des Preisedikts oder des edictum de accusationibus gegen die Caesariani, zuschreiben zu können glaubt.

B. Bleckmann erkennt in seinen „Bemerkungen zum Scheitern des Mehrherrschaftssystems“ als Grund hierfür nicht nur das Fehlen einer strikten Hierarchisierung der Herrscherkollegien, wie es noch bei Diokletian gegeben war, sondern auch die wiederholte Aufteilung in drei Großräume, die kein wirkliches Gleichgewicht zugelassen hätten, sowie die aus besonderen Zwängen sich ergebende Asymmetrie der Machtverteilung, die zu fatalen Entsscheidungen geführt und schließlich die Auflösung des Reiches beschleunigt habe. Gerade dieser letzte Punkt werde am Konkurrenzdenken von Gratian und Valens deutlich, was durch die Niederlage des letzteren bei Adrianopel zu katastrophalen Folgen geführt habe.

Erfrischend lesen sich die wenigen Seiten von A. Goltz über „Franken und Alamannen zur Zeit der Tetrarchie“, speziell zu ihrer ersten Erwähnung und Ethnogenese. Auf dem Hintergrund tetrarchischer Herrschaftsaufteilung erfährt der in diese Problematik nicht eingeweihte Leser, dass die Namen Alamanni und Franci in den Panegyrici auf Maximian (289) und Constantius (297) erstmals Erwähnung finden, also zum ersten Mal von den Römern als eigene Kampfgruppen wahrgenommen worden seien. Wenn allerdings wahrscheinlich schon bei Cassius Dio die Alamannen im Jahr 213 erwähnt würden, so deswegen, weil man damals bereits kriegerische Verbände dieses Namens kennengelernt habe, für die sich allerdings erst wesentlich später zusammenfassende Bezeichnungen durchgesetzt hätten. Herrscherpropaganda mit kaiserlichen Siegestiteln und stärkere Regionalisierung der Herrschaft mit einer reell spürbaren Bedrohung an der Rheingrenze hätten wesentlich dazu beigetragen.

Einen breiten Raum in diesem Band nehmen die sehr ins Einzelne gehenden Ausführungen von R. Bratoz über „Die diokletianische Christenverfolgung in den Donau- und Balkanprovinzen“ (von Noricum bis Moesia minor) ein, wo der Verf. wegen des weitgehenden Fehlens zuverlässiger zeitgenössischer Zeugnisse sich zunächst mit dem Charakter späterer teilweise fiktiver Quellen auseinandersetzen muß (Martyrologium Syricaum, Hieronymianum usw.), sowohl was die Struktur der Maßnahmen, die Gesamtzahl der Opfer, die chronologische Einordnung und die Frage nach einer persönlichen Beteiligung der Herrscher betrifft. Immerhin glaubt er feststellen zu können, dass die Zahl der Opfer relativ niedrig gewesen sei, die Maßnahmen recht ungleichmäßig durchgeführt worden seien (nicht mehr als 30 sicher feststellbare Opfer), wenig Angehörige der höheren Stände darunter gewesen seien, aber auch keine Bauern und Sklaven, dass nur die Kirchenstrukturen und vor allem die christlichen Soldaten betroffen gewesen seien, so dass insgesamt der Prozeß der allmählichen Christianisierung der Donauprovinzen keinen ernsthaften Schaden genommen habe. Die Ergebnisse werden am Ende in einem sorgfältig erstellten Anhang noch einmal zusammengefasst.

Einem speziellen Problem des Diokletianspalastes sind die folgenden beiden Untersuchungen gewidmet, von denen die erste aus der Feder von J. Belamaric mit dem Titel „Gynaeceum Iovense Dalmatiae - Aspalatho“ stammt. Dort wird der Nachsweis versucht, dass im nordöstlichen Teil des Palastes eine wirtschaftliche Nutzung zu erkennen sei, d.h. dass dort von Anbeginn eine Textilfaktorei mit einer großen Zahl vor allem weiblicher Arbeiter untergebracht gewesen sei. Der Verf. schließt dies zum einen aus dem riesigen Aquaedukt, der für die im castrum vorhandenen Bäder viel zu groß gewesen sei (auch Schwreelquellen gab es in der Nähe), zum anderen aus der Erwähnung eines procurator gynaecei Iovensis Dalmatiae in der Notitia Dignitatum (occ.11, 48). Auch der Reichtum an Schafherden im Hinterland sei für die Wollverarbeitung in einem solchen gynaeceum bzw. linyphium (Leinenweberei) sehr förderlich gewesen. Zwar sei der gesamte Bau bei Ankunft des Kaisers noch nicht vollendet gewesen (man dachte u. U. an eine spätere Abdankung), aber ein derartiger palace- cum-factory mit zahlreichen ganz unterschiedlichen Arbeitern und Handwerkern entspreche durchaus dem pragmatischen Zweckdenken dieses Kaisers, der den dabei entstehenden üblen Geruch zugunsten der Kleiderherstellung für die von ihm so hochgeschätzte Armee sehr wohl ertragen habe. Einen anschaulichen Eindruck von den detaillierten Bauuntersuchungen an Mausoleum, Jupitertempel und Porta Aurea vermittelt G. Niksic mit „The Restoration of Diocletian's Palace“, geht es dabei doch um fehlerhafte Ausführung etwa beim ursprünglichen Kuppeldach der heutigen Kathedrale u. ä., was auf eine allzu rasch Bauausführung schließen lasse.

Recht informativ bietet sich auch die Studie „Zur Rezeption Diokletians in der konstantinischen Dynastie“ dem Leser dar, die von einem langsamen Distanzierungsprozeß Konstantins von der tetrarchischen Ordnung und damit verbunden einer zunehmenden Kritik am Christenverfolger über das stereotype Lob, das sich in Julians Panegyrikos auf Constantius II. zeigt und auch bei der begrenzten Abtretung von Herrschaftsrechten etwa an Gallus noch lebendig war, bis zur scharfen Kontrastierung der Grausamkeit Diokletians mit dem milden Regiment des Theodosius bei Libanius reicht. Insgesamt also eine Funktionalisierung für bestimmte Zwecke, aber kein Interesse an der tatsächlichen Leistung der historischen Gestalt. Eine zwar ebenfalls knappe, aber informative

Betrachtung „Zum deutschen Diokletiansbild im 19. Jahrhundert“ von dem Frankfurter Althistoriker H. Leppin beschließt den Band. Der Verf. greift insgesamt fünf Namen heraus, die eine breite Palette von teilweise recht positiven Urteilen zeigen, welche erst nach der Umkehrung des negativen christlichen Geschichtsbildes durch Voltaire und Edward Gibbon möglich wurden. Während J. Burckhardt, ausgehend von heute als Fälschungen erkannten Quellen (Inschrift von Ascoli und angeblicher Brief des alexandrinischen Bischofs Theonas) die Christenverfolgung als verständliche Reaktion auf eine Verschwörung der Anhänger des neuen Glaubens zurückführt und ansonsten die Geschichte der Selbstbehauptung eines fähigen Individuums in unglückseligen Zeiten zeichnet (entgegen des von ihm als kühler Rechner dargestellten Konstantin) und der ebenso dem Christentum fern stehende Theodor Mommsen in seinen Kaiserzeit-Vorlesungen Diokletian rundum als einen genialen Kaiser von einzigartiger Nüchternheit und Klarheit mit einem friderizianischen ökonomischen Sinn vorstellt (dazu tief religiös und tolerant), gibt es christliche Versuche, die eine geradezu umgekehrte Argumentation offenbaren. So etwa bei dem Jenenser Professor Albrecht Vogel und dem Insterburger Gymnasiallehrer Theodor Preuß, die beide das durch den Rücktritt zutage tretende Scheitern als göttliche Strafe für die Verfolgung der Angehörigen des christlichen Glaubens verstehen, da der Kaiser den historisch notwendigen, heilsgeschichtlich geradezu geforderten Sieg des neuen Glaubens nicht verstanden habe. Stand bei Mommsen die antikatholische Stimmung des Kulturkampfes Pate, so ist umgekehrt die hier ins Spiel gebrachte Heilsgeschichte im Schatten der Säkularisierung zu sehen. Schließlich darf O. Seeck in dieser Reihe nicht fehlen, bei dem die Christenfrage weitgehend fehlt, aber Diokletian durch seine Grausamkeit und Unfähigkeit die ganze Erbärmlichkeit der Epoche verkörpert.


Überblickt man den gesamten Band, so fällt auf, dass es recht eindrucksvolle Studien zu archäologischen Problemen und zur Christenverfolgung in einem Teilbereich gibt, darüber hinaus aber doch Themen aufgegriffen werden, die nicht unmittelbar mit dem Kaiser und seiner Politik zu tun haben, während entscheidende Bereiche völlig fehlen (Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Reichsverwaltung u.a.). Angesichts der zahlreichen von W. Kuhoff angeschnittenen Probleme ein etwas merkwürdiges Phänomen.


Richard Klein, Wendelstein
RiKle@gmx.net


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