Tilmann Bechert: Römische Archäologie in Deutschland. Geschichte, Denkmäler, Museen. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2003. 448 S., 35 Abb., 10 Karten, EUR (D) 17,90, EUR (A) 18,40, SFR 31,70. ISBN 3-15-010516-1


An zusammenfassenden Darstellungen über die „Römer in Deutschland“ fehlt es auf dem deutschen Büchermarkt nicht. Daher ist zu fragen, was Bechert seinem Leser Neues anbieten kann bzw. inwiefern sich dieses Werk von Existierenden unterscheidet. Der Klappentext des Buches macht deutlich, dass sich der Autor auf den 448 Seiten einiges vorgenommen hat: „Im ersten Teil widmet sich der Band der römischen Archäologie in Deutschland als Gegenstand der Wissenschaft und Forschung, der zweite Teil bietet einen historischen Abriss der Römerzeit in Deutschland von den ersten Eroberungen um 50 v. Chr. bis zum Ende des Römisches Reiches im 5. Jahrhundert. Der umfangreiche dritte Teil beschreibt alle Orte in Deutschland von Aachen bis Zwiefalten, in denen römische Denkmäler oder Museen zu besichtigen sind oder römische Spuren nachgewiesen werden können“

Das vorliegende Buch will folglich gleich dreierlei bieten: a) einen wissenschaftsgeschichtlichen Abriss der provinzialrömischen Archäologie in Deutschland, b) eine Geschichte der römischen Epoche an Rhein, Mosel und Donau über fünf Jahrhunderte und c) einen archäologischen Reiseführer. Jeder dieser Abschnitte hätte die 448 Seiten für sich problemlos füllen können – vor allem der dritte! Da aber alles in einem Band erledigt werden soll, ist der zur Verfügung stehende Platz für jeden Part knapp bemessen. Damit bringt sich der Autor selbst in das Dilemma, eine Fülle von Informationen inhaltlich starj komprimierten und zugleich in gut lesbarer Form darstellen zu müssen. Denn Bechert richtet sein Buch vor allem an interessierte Laien, denen er eine Einführung in die Thematik und zugleich einige Tipps für den nächsten Sonntagsausflug geben möchte. Allerdings vermittelt der Autor in einigen Passagen den Eindruck, dass sein Werk mehr sein will als Einsteigerliteratur, so vor allem im ersten Abschnitt (Wissenschaft & Forschung). Hier geht der Text über einführende Informationen hinaus, was sich sogleich auf den Umfang auswirkt und letztlich zu Lasten der anderen beiden Partien geht. Dieses Mehr an Seiten und Informationen ist für den Leser nicht unbedingt ein Zugewinn, da viele Ausführungen begrifflich unscharf und inhaltlich schlecht aufeinander abgestimmt sind.

Betrachten wir nun die einzelnen Abschnitte des Buches. In der Einleitung verblüfft Bechert mit einer eigentümlichen Feststellung, wenn er schreibt, dass „die eigentliche historische Zeit für die westlichen und südlichen Landesteile der Bundesrepublik Deutschland“ (S. 9) erst mit den römischen Eroberungen seit Caesar einsetze. Nicht nur, dass an dieser Stelle wohl alle Vor- und Frühgeschichtler Widerspruch anmelden werden. Hier wird auch deutlich, dass sich der Archäologe Bechert scheinbar ohne schriftliche Quellen keine historisch greifbare Epoche vorstellen kann.

Der folgende Abschnitt „Wissenschaft und Forschung“ setzt mit einigen grundlegenden Überlegungen ein. Jedoch zeigen sich bei der Definition der Quellentypen handwerkliche Fehler. Die von Bechert gebotene Begriffsbestimmung ist schwammig und vermischt verschiedene Definitionsebenen. Nicht korrekt ist ferner die Benennung der bereits von Droysen ausgemachten Quellengruppe zwischen Tradition und Überrest. Sie heißt schlicht Denkmal, nicht - wie Bechert schreibt - Baudenkmal (S. 12).1

Ganz interessant ist der Abschnitt „Zur Arbeitsweise der Archäologie“ (S. 16-19). Doch leider wird der Passus insgesamt der Kapitelüberschrift nicht gerecht. Zwar erfährt man etwas über die Datierung mittels Dendrochronologie2, auch wird die spannende Technik der Bodenuntersuchung mittels Magnetogramm kurz erläutert. Aber die für Einsteiger nicht ganz unwichtige Frage nach Ausgrabungstechniken – man denke bitte an die Kapitelüberschrift – bleibt unbeantwortet.

Recht unglücklich ist der Abschnitt „Provinzialrömische Archäologie und Alte Geschichte“ (S. 19-21), in dem Bechert mit Hilfe einer angeblich abfälligen Äußerung Mommsens über Archäologen die Missachtung der eigenen Disziplin in Historikerkreisen konstatiert. Dass er in diesem Zusammenhang gerade Mommsen zitiert, verwundert etwas. Schließlich war dieser, wie Bechert selbst betont, Mitinitiator und ab 1892 Vorsitzender der Reichslimeskommission, des wohl umfangreichsten provinzialrömischen Forschungsvorhabens.3 Es gibt zahlreiche einschlägige Äußerungen Mommsens über Archäologen. Jedoch spiegeln sie nicht, wie Bechert unterstellt, den generellen Geist des 19. Jahrhunderts wider. Welche Grundhaltung in dieser Zeit in Deutschland herrschte, ist unter anderem an den zahlreichen Altertums- und Geschichtsvereinen abzulesen, die seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts gegründet worden waren und die Bechert auf S. 53f. sorgfältig auflistet.

Generell wird in diesem Abschnitt ein Dissens zwischen der provinzialrömischen Archäologie und der Alten Geschichte aufgebaut, der nicht ganz den Gegebenheiten entspricht. Wenn Bechert schließlich zur Zusammenarbeit der Disziplinen aufruft, so übersieht er, dass in der wissenschaftlichen Realität diese Kooperation bereits in vollem Gange ist - falls sie überhaupt jemals nicht bestanden haben sollte. So zeigen z. B. die jüngst vorgelegte Kölner Stadtgeschichte von Werner Eck sowie die umfangreichen Arbeiten von Johannes Heinrichs zur römisch-germanischen Frühzeit und die zahlreichen Abhandlungen von Thomas Fischer den Stand der althistorisch-archäologischen Kooperation unserer Tage an.4 Interessanterweise liefert Bechert auf den S. 27-36 selbst anschauliche Beispiele für eine fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Historikern und Archäologen, so z. B. unter dem Titel „Der Ort der Varusschlacht“ (S. 30-36). Bedauerlich ist nur, dass Bechert in diesem Fallbeispiel einseitig und oberflächlich argumentiert. Für ihn ist die Niederlage des Q. Quinctilius Varus in erster Linie ein „persönliches Desaster“ als Folge einer wenig sensiblen „Befriedungspolitik“.5 Abgesehen von der grundsätzlichen Frage nach der Feinfühligkeit römischer Promagistrate hätte Bechert gerade hier mit Hilfe der Fundergebnisse aus Haltern und Waldgirmes, also den sich dort entwickelnden städtischen Strukturen, und unter Berücksichtung der althistorischen Forschungsergebnisse zur augusteischen Germanienpolitik interdisziplinär argumentieren und das Bild einer im Entstehen begriffenen Provinz Germanien aufzeigen können (vgl. Cass. Dio 56,18,2). Er hätte anschaulich machen können, wie Varus zum Sündenbock einer in Rom verfehlten Politik gemacht wurde, und dass der Verwaltungsfachmann, der in Germanien wie auf dem Forum in Rom Recht (Vell. 2,118,1) sprechen wollte, vordergründig gar nicht so falsch am Platze war.6 In diesem Zusammenhang hätten die Ausgrabungsergebnisse zu Haltern und Waldgirmes in Verbindung mit der Auffindung des wahren Ortes der Varusschlacht in Kalkriese nicht nur ein Musterbeispiel für die Bedeutung der Archäologie abgegeben, sondern zugleich auch gezeigt, wie fruchtbar die von Bechert selber beschworene Zusammenarbeit der betroffenen Disziplinen sein kann.

Das auf S. 37 einsetzende Kapitel „Römerforschung in Deutschland“ ist über weite Strecken lesenswert und informativ. Doch auch hier finden sich unnötige Fehler, beispielsweise im Passus über August Friedrich von Pauly auf S. 61: „Grundlegende Beiträge lieferte in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auch August Friedrich von Pauly (1796-1845), der seit 1830 am Stuttgarter Gymnasium lehrte und auf dessen Verfasser- und Herausgebertätigkeit Der Große Pauly (1894ff.) zurückgeht, des weiteren Konrad Miller (1843-1923), der in gleicher Funktion am Stuttgarter Realgymnasium tätig war, seine schwäbische Heimat nach römischen Spuren durchforschte, sieben Limeskastelle fand (Die römischen Kastelle in Württemberg, 1892) und später durch seine Itineraria Romana von 1916 berühmt wurde, schließlich der Freiburger Professor Hans Dragendorff (1870-1941), der bereits in jungen Jahren seinen epochemachenden Aufsatz über Terra sigillata schrieb, wonach heutzutage jede(r) provinzialrömische Studierende – gleich welcher Nationalität und Sprache – lernt, was man sich unter einem ‚Teller Drag. 18’ oder einer ‚Reliefschüssel Drag. 29’ vorzustellen hat (Bonner Jahrb. 98, 1895).“ Hier vermischt Bechert thematisch völlig unterschiedliche und z.T. fehlerhafte Aussagen miteinander. Natürlich ist Pauly der Initiator eines großen althistorischen Nachschlagewerks. Jedoch heißt es nicht Der Große Pauly sondern vielmehr Real-Encyclopädie der classischen Alterthumswissenschaft in alphabetischer Ordnung.7 Darüber hinaus kann der 1845 verstorbene Pauly schlecht die von Bechert vermutlich eigentlich gemeinte RE = Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft herausgegeben haben. Hierfür war vielmehr Georg Wissowa verantwortlich, der ab 1893 (!) eines der bedeutendsten Nachschlagewerke der Wissenschaftsgeschichte auf den Weg brachte. Der Abschnitt über die Landesarchäologie nach 1949 (S. 74-105) ist definitiv zu lang geraten. Hier hätte man sich besser auf die Arbeiten einiger bedeutender Forscher beschränken sollen. Auch die Angaben zu deren Lebensdaten, so interessant sie bisweilen sein mögen, füllen im Ganzen gesehen den Text nur mit unnötigem „Zahlensalat“ auf.

Zur Einleitung von Teil II „Die Römer an Rhein, Mosel und Donau“ (S. 107) wäre eine Karte mit den spezifischen Einträgen zur römischen Epoche wünschenswert gewesen. Zudem finden sich auch hier schwerwiegende Fehler im Umgang mit Begrifflichkeiten (S. 107): „Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland war in römischer Zeit kein zusammenhängendes, einheitliches Staatsgebilde, sondern verteilte sich auf insgesamt fünf Provinzen.“ Was meint Bechert in diesem Zusammenhang mit Staatsgebilde? Warum fallen bei der Aufzählung der betreffenden Provinzen keine einschlägigen Fachbegriffe wie z. B. sog. kaiserliche Provinz (= provinciae Caesaris) oder Statthalter (= legatus Augusti pro praetore)? Jemand, der sich mit der römischen Kultur/Geschichte beschäftigt, darf von Zeit zu Zeit auch einmal mit einem einschlägigen Fachbegriff konfrontiert werden. Bei archäologischen Termini ist Bechert da wesentlich weniger zurückhaltend, was sogleich die Frage nach einem Glossar aufwirft, das jedoch nicht vorhanden ist.

Auch fachlich finden sich Fehler. So galt nach Caesars Gallischem Krieg der Rhein nicht „als natürliche Grenze zwischen Kelten und Germanen“ (S. 111). Es war vielmehr eine politisch definierte Grenze. Ferner fehlen in diesem historischen Kurzabriss einige durchaus relevante Ereignisse, wie z.B. die Niederlage des Lollius 16 v. Chr. Ins Bild des schlecht abgestimmten Textes und der mangelnden Kenntnis neuerer althistorischer Forschung passt auch die Invektive gegen Varus auf S. 119: „Mit seiner Arroganz und Instinktlosigkeit zeigte Varus bestürzend deutlich, wie wenig er von den Germanen und ihrer Denkweise wusste und – was zweifellos noch schwerwiegender war – wie sehr er sie unterschätzte.“ Selbst der wahrlich einseitige Velleius Paterculus ist in seiner Varuscharakterisierung etwas differenzierter. Nebenbei fragt man sich zudem, warum hier kein Verweis auf das „Fallbeispiel 3: Der Ort der Varusniederlage“ zu finden ist. Denn vor dem Hintergrund des massiven Platzproblems hätte eine einzige detailliertere Schilderung der Ereignisse durchaus genügt. Der weitere Abriss bietet neben historischen Fakten erfreulicher Weise auch kurze Abhandlungen zu strukturgeschichtlichen Fragen oder Teilaspekten der römischen Epoche.8 Der Abschnitt zur Spätantike ist innerhalb des historischen Abrisses recht ausführlich geraten (S. 170-207). Er setzt trotz der Überschrift „3. – 5. Jahrhundert“ bereits mit den Marcomannenkriegen ein und führt dann weiter über die Bedrohung des Reiches durch die Alamannen und die Reaktion des Commodus (S. 173ff.) bis hin zur Phase der großen Krise im dritten Jahrhundert. Leider kommt die Behandlung des gallischen Sonderreiches etwas zu kurz. Erst mit Diokletian geht es dann bei Bechert wieder „aufwärts“ und im Zusammenhang mit der „Konstantinischen Blütezeit“ ist im Zuge von diversen Reformen sogar von „Sozial- und Wirtschaftspolitik“ (S. 187) die Rede. Dies kann man durchaus als anachronistische Begrifflichkeit bezeichnen.

Damit kommen wir abschließend zum dritten Teil „Römisches Erbe in Deutschland“, dem letztlich praktischen Part des Buches. Es wäre für den Informationsgehalt des Abschnitts grundsätzlich positiv gewesen, wenn hier Querverweise auf entsprechende Passagen im ersten oder zweiten Buchteil gesetzt worden wären, um das Gebotene besser im Zusammenhang sehen zu können. Erneut lässt sich dies am Beispiel Varus zeigen, da man auf S. 233 zu „Bramsche-Kalkriese“ keinen Querverweis auf die S. 30-36 mit dem entsprechenden Fallbeispiel oder auf S. 118f. im Zusammenhang mit dem historischen Abriss erhält.

Die Qualität der einzelnen Beiträge zu den diversen Orten schwankt, ist aber vor dem Hintergrund des zur Verfügung stehenden Platzes überwiegend akzeptabel. Eindeutig zu kurz sind jedoch die Ausführungen zu Köln (S. 296ff.), gleiches gilt für die Behandlung Xantens (S. 406ff.). Bei beiden Orten wäre eine Karte erforderlich gewesen. Zudem hätte Bechert seine Beiträge zu größeren Orten auch mit einer weiterführenden Literaturangabe abschließen können.9 Zum Eintrag „Ausoniusstraße“ zwischen Bingen – Neumagen auf S. 214 wäre noch die zugehörige Textstelle (Auson. Mos. 1-22) nachzutragen. Gleichzeitig fragt man sich, warum gerade nur diese Straße neben der etwas zu oft zitierten Via Claudia Augusta (S. 390) Erwähnung findet. Denn in Deutschland sind noch zahlreiche weitere Römerstraßen mittlerweile recht gut erforscht und dokumentiert.10

Die zum dritten Buchabschnitt gehörigen Karten im Anhang (S. 412-431), auf denen nur die behandelten Orte, einige Flussnamen sowie die Regierungsbezirke (warum eigentlich?) eingetragen sind, bedürfen ebenfalls einer Kommentierung. Leider sind die zehn Karten jeweils nur auf einen bestimmten Teil eines Bundeslandes beschränkt. Hier haben ganz offensichtlich die entsprechenden Karten in den Büchern „Die Römer in … „ als Vorlage gedient. Gegen dieses Plagiat wäre ja grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn Bechert diese Karten überarbeitet und vor allem verbessert hätte. Weitere Fragen schließen sich an: Warum lässt man die modernen Ländergrenzen als feste Größe den Zuschnitt der Karten bestimmen? Was soll beispielsweise Karte 5 „Hessen – Lageplan Nordteil“? Lahnau-Waldgirmes und Gießen hätten doch noch auf Karte 6 gepasst, wenn man dort einen winzigen Abschnitt des südlichen Hessens ausgespart hätte, der ohnehin keine Einträge vorzuweisen hat. Warum sind ferner keine römischen Provinzgrenzen eingetragen, wenn schon moderne Grenzen und der Limes erscheinen? Und schließlich fragt man sich, warum immer nur für das betreffende Bundesland Einträge vorzufinden sind, während das Umland als terra incognita weiß bleibt? Aber auch außerhalb von Deutschland gibt es nur ungekanntes Land – von den modernen Namen der Staaten einmal abgesehen. So fehlen z. B. auf diese Weise in Karte 8 wichtige Orte wie Augst (Colonia Augusta Raurica), Windisch (Vindonissa) oder Straßburg (Argentorate), um nur einige wenige zu nennen. Selbst wenn derartige Orte bei Bechert nicht thematisiert werden, so kann man sie in solchen Karten nicht auslassen. Vor allem dann nicht, wenn diese Karten einen weitergehenden Informationsgehalt für Themeneinsteiger haben sollen. Lediglich auf Karte 10 gibt es ausnahmsweise einen externen Eintrag aus Österreich: Es ist mal wieder die Via Claudia Augusta.

Abschließend noch einige Anmerkungen zur Bibliographie (S. 433-443). Leider fehlen Hinweise auf schriftliche Quellen völlig, die auch in einem solchen Buch zur römischen Archäologie nicht völlig ungenannt bleiben dürfen. Dies ist umso bedauerlicher, als bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt eine gute und thematisch passende Quellensammlung hrsg. von H.-W. Goetz und K.-W. Welwei erschienen ist.11 Diese Sammlung, die nicht nur über eine fundierte Einführung und eine umfassende Bibliographie verfügt (65 S.), bietet neben den Originaltexten und deren Übersetzung kompetente Kurzkommentare. Vom Zentralinstitut für Alte Geschichte und Archäologie der ehemaligen DDR liegen schließlich in der Reihe „Schriften und Quellen der Alten Welt“ unter dem Titel „Griechische und Lateinische Quellen zur Frühgeschichte Mitteleuropas“ noch vier Bände hrsg. von Joachim Herrmann vor.12 Diese umfangreiche Quellensammlung ist ebenfalls mit einem kurzen und hilfreichen Kommentar versehen. Die Nutzung dieser beiden Materialsammlungen hätte Bechert wohl vor einigen Ungenauigkeiten bewahrt.

Das Siglenverzeichnis (S. 433) ist kurios kurz (warum wird gerade SHA aufgelöst, während man Tac. ann. oder hist. vergeblich sucht?) und in dieser Form unnütz. Die anschließende Bibliographie mit der „zitierten Literatur“ ist mangelhaft, da sie nicht die im Text verarbeiteten und explizit genannten Autoren mit ihren Werken wiedergibt. Dafür findet man hier für dieses Buch unpassende Literaturangaben wie z. B. die von W. Radt über Pergamon (S. 434) oder die von U. Sinn über Olympia (S. 435).13 Auch die Aufteilung in reine Literaturliste und kommentierte Bibliographie ist wenig einsichtig. Zumal dann, wenn Bechert sein eigenes Werk „Die Provinzen des Römischen Reiches“ auf den S. 435 und 438 gleich doppelt anführt, obwohl es an beiden Stellen entbehrlich ist, da es in der Sache keine weiterführenden Informationen bietet. Schließlich ist auch die Gliederung innerhalb dieser kommentierten Literaturliste nicht klar. So ist die Unterteilung in „Römer an Rhein, Mosel und Donau“ (S. 438-442) und „Römische Zeugnisse in Deutschland“ (S. 442f.) nicht nachvollziehbar. Vor allem wenn man bedenkt, dass zahlreiche Titel in beiden Rubriken identisch sind. Hätte man den knappen Raum nicht besser strukturieren und den gewonnen Platz gleichzeitlich mit mehr weiterführender Literatur anreichern können? So vermisst man auf S. 442 z. B. D. Baatz, Der römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau, Berlin 20004; ferner: Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer. Zivilisatorisches Erbe einer europäischen Militärmacht. Katalog-Handbuch zur Landesausstellung des Freistaates Bayern, hrsg. von L. Wamser u. a., Mainz 2000.<

Positiv von der Idee und zudem zeitgemäß, aber leider viel zu kurz ist die Liste mit einigen Internetadressen auf S. 209. Derartige Angaben hätte man im dritten Teil gewinnbringend bei den jeweiligen Museen usw. vermerken können. Schließlich fragt man sich, warum in der kommentierten Bibliographie der Theiss-Verlag nicht nur als einziger Verlag genannt wird, sondern gleich über ein halbes Duzend mal und zudem durchweg positiv. Äußerst dürftig ist das abschließende Register, das auf drei Seiten lediglich einige antike Personen nennt. Diesen Raum hätte man an anderer Stelle gewinnbringender einsetzen können. Gleiches gilt auch für die Kurzvita des Autors (eher etwas für den Klappentext), was in der Summe vier gewonnene Seiten für den dritten Buchteil bedeutet hätte, die der Beitrag über Köln beispielsweise gut hätte zusätzlich vertragen können.

Für den Einsteiger ist dieses Buch mit sehr starken Einschränkungen gerade noch zu empfehlen. Vor allem der dritte Teil „Römisches Erbe in Deutschland“ mag beim nächsten Sonntagsausflug ein hilfreicher Kurzführer sein. Für die heimische Lektüre bieten die ersten beiden Abschnitte lesenswerte Passagen. Die begriffliche Ungenauigkeit und die mangelnde Textabstimmung minimieren den Informationsgehalt für diese Leserschaft jedoch nachhaltig. Der Fortgeschrittene hingegen wird sich über weite Strecken nur ärgern. Denn dieser, ob interessierter Laie oder Student, kennt die Bände „Die Römer in NRW“ usw., die auch bei Bechert im Hintergrund Pate gestanden haben. Und in diesen fünf Bänden, die zugegebenermaßen zum Teil schon etwas veraltert sind, wird man in der Substanz letztlich deutlich besser informiert. Hierbei stört es auch nicht sonderlich, dass man nur auf ein einziges Bundesland festgelegt ist. Denn wie oft macht man am Wochenende schon derartig ausgefallene Ausflüge, bei denen man römische Altertümer gleich in zwei Bundesländern besucht?

Das vorliegende Buch hat im Hause Reclam offensichtlich keinen Lektor gesehen, der sich mit etwas Muße diesem Projekt zugewandt hat.14 Manche Ungereimtheit oder Ungenauigkeit hätte sich ausräumen lassen – dem Produkt hätte es gut getan. Denn die Idee des vorliegenden Werkes ist im Grunde gut. Nur hätte der Text auf solidere Füße gestellt und inhaltlich besser aufeinander abgestimmt werden müssen.

Michael Rathmann, Bonn
michael.rathmann@uni-bonn.de


1 Auch bei der näheren Beschreibung dieser „Denkmäler“ ist Bechert begrifflich nicht korrekt; S. 13: „Daneben existiert aber auch der Begriff des Baudenkmals, der in der täglichen Praxis vor allem zur Charakterisierung mittelalterlicher und neuzeitlicher Architektur dient, sinngemäß aber auch für römische Bauwerke und Monumente angewendet werden kann, wie z.B. für die heute noch aufrecht stehenden Teile der römischen Stadtbefestigungen in Bitburg, Boppard oder Köln …“ Natürlich gab es in der Antike Denkmäler im Sinne von Droysen - jedes römische Forum war voll davon! Allerdings sind archäologische Überreste wie Stadtmauern kein Denkmal im Sinne Droysens.

2 Nur am Rande sei angemerkt, dass die Dendrodaten, die Bechert auf S. 17 für die häufig zitierte Via Claudia Augusta als Beispiel gewählt hat, nicht aus Deutschland, sondern m. W. aus Lermoos (Nordtirol) stammen. Vgl. hierzu E. Walde (Hrsg.), Via Augusta. Neue Forschungen, Innsbruck 1998. Wenn Bechert schon ein frühes Dendrodatum in Verbindung mit dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur haben möchte, so hätte er auf die Römerbrücke aus dem Jahr 18/17 v. Chr. in Trier verweisen können, was man zudem noch gut mit Strab. 4,6,11 p. 208 hätte kombinieren können. Vgl. hierzu H. Cüppers, Die Trierer Römerbrücken, Mainz 1969 oder Trier - Augustusstadt der Treverer. Stadt und Land in vor- und frührömischer Zeit, hrsg. v. Rheinisches Landesmuseum Trier, Mainz 19842, S. 180f. Im Übrigen sucht man das zweite Buch in Becherts Bibliographie vergebens.

3 Mommsens Verhältnis zur Archäologie wird nochmals auf S. 31 betont – auch hier gibt es keinen Dissens zwischen der Archäologie und dem Althistoriker.

4 Auch der von Bechert in der Bibliographie (S. 434) zitierte Tagungsband von Th. Grünewald /H. J. Schalles (Hrsg.), Germania inferior. Besiedlung, Gesellschaft und Wirtschaft an der Grenze der römisch-germanischen Welt, Berlin / New York 2001 hätte ihn eines Besseren lehren müssen. Leider wird der zweite hierzu gehörenden Kolloquiumsband, an dem Bechert ebenfalls mitgewirkt hat, nicht erwähnt: Th. Grünewald / S. Seibel (Hrsg.), Kontinuität und Diskontinuität. Germania inferior am Beginn und am Ende der römischen Herrschaft, Berlin / New York 2003.

5 Vgl. ebenfalls S. 119.

6 Sehr anschaulich verdeutlicht der Vergleich der beiden Artikel zu Varus im Kleinen Pauly (Bd. 4, Sp. 1298, R. Hanslik) von 1975 und im Neuen Pauly (Bd. 10, Sp. 702ff., W. Eck) von 2001, wie sehr sich die Bewertung seiner Person in der althistorischen Forschung gewandelt hat. Hierfür dürften nicht zuletzt die archäologischen Ergebnisse in der Zwischenzeit verantwortlich sein.

7 Die sechs Bände erschienen 1837-52 in sieben Teilbänden. Da Pauly die Arbeiten selber nicht mehr abschließen konnte, übernahmen Chr. Waltz und W. S. Teuffel diese Aufgabe.

8 Nicht auf dem Stand der Dinge ist Bechert auf S. 127f., da er die Meilensteine nach wie vor nach CIL XIII zitiert, obwohl seit 1986 die Neuedition CIL XVII.2 hrsg. von G. Walser vorliegt. Auf S. 162ff. wären zum Abschnitt „Straßen, Brücken und Häfen“ als Quellen noch die Tabula Peutingeriana und das Itinerarium Antonini nachzutragen. Positiv hervorzuheben ist innerhalb dieses Buchteiles der Abschnitt „Romanisierung und Integration“ (S. 140ff).

9 Zu Köln (S. 296f.) hätte Bechert beispielsweise auf den bewährten und kompakten Führer von G. Wolff, Das römisch-germanische Köln. Führer zu Museum und Stadt, Köln 20005 (bzw. nun 20056) verweisen können.

10 Immerhin findet sich auf Karte 4 im Planquadrat F 4 südlich von Rheinzabern noch ein Stück römische Straße. Im Beitrag zu Rheinzabern (S. 358f) findet sich aber keine Kommentierung und in den Zeilen zum nahe gelegenen Hagenbach (S. 267) erfährt man lediglich etwas über die dort gefundenen Leugensteine, jedoch nichts über die zugehörigen Straße.

11 Altes Germanien. Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen und ihre Beziehungen zum römischen Reich: Quellen der alten Geschichte bis zum Jahre 238 n. Chr., 2 Bde., Darmstadt 1995.

12 Band 1 beinhaltet die Quellen bis zur Mitte des 1. Jahrhunderts u. Z. (Berlin 1988), Band. 2 die Germania des Tacitus (Berlin 1990), schließlich aus dem Jahr 1991 Band 3 mit den Texten von Tacitus bis Ausonius und der abschließende Band diejenigen von Ammianus Marcellinus bis Zosimos (Berlin 1992).

13 Diese Angaben beziehen sich zwar konkret auf die S. 25, sind aber an beiden Orten entbehrlich.

14 Greift man exemplarisch zum Band „Reclams Kunstführer“ Rheinland-Pfalz / Saarland, hrsg. u. bearb. von Herbert Brunner u. a., Stuttgart 19908 und vergleicht dort auf S. 159f. den Beitrag zur Igeler Säule mit den Zeilen bei Bechert auf S. 282f., so wird deutlich, dass man im allgemein kunsthistorisch orientierten Reclamführer besser informiert wird.


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