Richard Klein: Marilena Amerise: Il battesimo di Costantino il Grande

Marilena Amerise: Il battesimo di Costantino il Grande. Storia di una scomoda eredità. Hermes Einzelschriften, Band 95. Stuttgart: Steiner 2005. 177 S. ISBN 3-515-08679-X.

Es ist in der Tat auffällig, dass die Taufe Konstantins, wie sie erstmals in Eusebs Vita Constanini geschildert wird (4, 61–63), seit der bekannten Studie von F. J. Dölger (Die Taufe Konstantins und ihre Probleme, Römische Quartalschrift, Suppl. 19, Freiburg 1913, 377–447) in der Forschung keine eingehendere Würdigung mehr erfahren hat. Daher erscheint es mehr als gerechtfertigt, dass diese Thematik erneut eine gründliche Behandlung erfährt. Dies umso mehr, weil die Taufe des Kaisers in Nikomedien am Ende seines Lebens durch den arianischen Ortsbischof Eusebius (337) später weitgehend in Vergessenheit geriet durch die vorgebliche Silvestertaufe in Rom, die das gesamte Mittelalter hindurch sowohl im Westen wie im Osten als offizielle Version vertreten wurde und erst in der Zeit von Renaissance und Humanismus von den Historikern umfassend als Fälschung entlarvt wurde. Freilich weiß die Verfasserin dieser bei Giorgio Bonamente (Perugia) angefertigten und durch den steten Rat von Hartmut Erbse und Klaus Rosen (Bonn) geförderten Arbeit, dass ein erneutes Aufgreifen des Themas nur durch eine eingehende Analyse der weit verstreuten und über Jahrhunderte sich erstreckenden Quellen möglich ist. So reicht denn auch der Blick von Euseb bis hin zu dem byzantinischen Chronisten Theophanes Confessor (9. Jh.), wofür freilich von Dölger, aber auch von anderen das Material schon weitgehend bereitgestellt wurde.

Im e r s t e n Kapitel werden nach einer kurzen Einführung, in der einiges Bekannte zur Bekehrungsproblematik Konstantins wiederholt und auf die relativ geringe Rezeption von Eusebs Vita Constantini einschließlich möglicher Gründe eingegangen wird (man hat sie gelegentlich sogar für suspekt und unecht erklärt), schwerpunktmäßig die entsprechenden Eusebkapitel in eingehender Weise interpretiert. Zustimmen kann man hierbei, wenn gesagt wird, dass für den Panegyriker die nach damaliger Gewohnheit auf das Lebensende verschobene Taufe als Endpunkt eines langen Bekehrungsprozesses verstanden und daher das Geschehen absichtlich von den Vorbereitungen für den Perserzug gelöst wird, worüber der Autor an anderer Stelle spricht. Besonderen Wert legt Amerise (A.) auf die Tatsache, dass es sich nicht um eine "klinische" Nottaufe gehandelt habe, sondern um einen vollgültigen Akt, der durch den steten Wunsch des Kaisers, eigentlich im Jordan getauft zu werden, seine Bestätigung erhalte. Natürlich ist auch klar, dass dieser "gute Tod" dem üblen Ende von Tyrannen wie Kyros d. Ä und Alexander d. Gr. oder der Christenverfolger entgegengestellt wird, wie von Laktanz in der kleiner Schrift "De mortibus persecutorum" ausgeführt wird. Diskutieren könnte man jedoch über den Grund, warum Euseb die Bezeichnung "Vorstadt" vermeidet - wohl eine villa suburbana bei Nikomedien -, wie auch darüber, warum der Name sowohl des die Taufe spendenden Bischofs Eusebius wie der genaue Ort nicht angegeben ist (Achyrona nach Hieronymus), da damals von einer klaren bekenntnismäßigen Aufspaltung in Nicaener und Arianer durchaus noch nicht gesprochen werden kann. Da die Häretikertaufe ohnehin seit Cyprian als gültig angesehen wurde, wäre eine solche Rücksicht, selbst wenn man den Ortsbischof schon wirklich als Arianer hätte bezeichnen können, ohnehin nicht nötig gewesen. Einleuchtender sind eher eine Rücksicht auf Konstantin II., der den verbannten Athanasius nach dem Tode des Vaters alsbald aus Trier zurückkehren ließ, sowie die Unklarheit, die über das angebliche Testament des Verstorbenen herrschte (Einführung eines arianischen Presbyters, der den Kaiser täuschte, so allerdings erst bei Rufin). Wenn aber Constantius II., der im Osten regierende Herrscher, der wahre Testamentsvollstrecker war, dann hätte Eusebius, der neue Bischof von Konstantinopel, doch wohl genannt werden können. Ferner: Wer sollen die namentlich nicht genannten Bischöfe gewesen sein, die den Taufakt vollzogen? Auch über das auffallende Fehlen der trinitarischen Formel bei der Spende des Sakraments wird weiter nichts gesagt. Also im Ganzen eine doch recht fragwürdige Erklärung für die sicherlich zutreffende These, das einzige Ziel Eusebs sei es gewesen, den ersten christlichen Kaiser in einem idealen Licht darzustellen, wie die Verfasserin in ihrer Conclusio am Ende des ersten Teils noch einmal betont.

Im z w e i t e n Kapitel wird die Taufe als Element der konfessionellen Auseinandersetzungen von 337 bis zum Konzil von Chalkedon (451) in mehreren Etappen behandelt, als man zunächst auf jeder Seite, der Nicäner wie der Arianer, versucht habe, den toten Herrscher für sich zu vereinnahmen. Der erste Abschnitt (bis 361) leidet wie so häufig daran, daß Constantius viel zu einseitig und pauschal als Arianer, rücksichtsloser Bedrücker der Glaubensfreiheit und politisch abhängiger Herrscher abgestempelt wird (nach Athanasius, Ossius, Hilarius, Liberius u. a.), wodurch sich natürlich das Bild eines vorbildlichen orthodoxen Imperators bei diesen abzeichnet. Aber widersprechen sich diese Autoren nicht selbst des öfteren bes. über Constantius? Waren außerdem hier nicht vielmehr machtpolitische Interessen als der Streit um Bekenntnisformeln maßgebend, die immer wieder wechselten? Anschließend wird großer Wert gelegt auf eine Passage in der Chronik des Hieronymus (zum Jahr 380), wo die Taufe Konstantins durch Eusebius klar angesprochen wird, allerdings nicht als Voraussetzung für die Hinwendung des Getauften zum Arrianum dogma, desgleichen im Westen auf das Zeugnis des Ambrosius in der berühmten Leichenrede auf Theodosius (395), wo dessen hereditas fidei gerühmt wird (40). Allerdings sind auch hier Abstriche zu machen, da der Prediger mit dieser Formulierung doch wohl mehr die Bewahrung des christlichen Glaubens im Gegensatz zu dem Heidentum der früheren Kaiser im Auge hat. Daher ist an der Interpretation der beiden Zeugnisse als "contrastanti versioni" schlechthin doch wohl ein gewisser Zweifel angebracht, zumal die Verfasserin bei Ambrosius zu Recht auf die Schlacht am Frigidus verweist (das letzte Aufbäumen des Heidentums !). Auffällig könnte freilich erscheinen, warum die westlichen Autoren (nach dem Vorbild Rufins ?) wie etwa Sulpicius Severus, Orosius und Augustin trotz ihres positiven Konstantinbildes die Taufe nicht erwähnen, während die östlichen Kirchenhistoriker Sokrates, Sozomenos und Theodoret (nach der Vorlage der verlorenen Kirchengeschichte des Gelasius von Kyzikos) sie bedenkenlos anführen, allerdings ohne den Namen des Eusebius von Nikomedien. Nach A. müsse man daraus folgern, dass sich der Westen noch stärker von den Arianern distanzierte, obwohl doch offenkundig ist, daß gerade Theodosius in Gesetzen und auf den Kirchenversammlungen in Konstantinopel (381–383), also im Osten, diese Häresie aufs schärfste verurteilte. Könnte der eigentliche Grund nicht eher darin liegen, dass der erste christliche Herrscher im Westen nicht die gleiche zentrale Rolle spielte wie für die östlichen Autoren? Außerdem gibt es im Westen damals keine vergleichbaren Kirchenhistoriker, die sich ausführlicher mit der Zeit Konstantins hätten befassen müssen. Insgesamt erscheint es also nicht recht einsichtig, warum man im Westen den orthodoxen Herrscher auf andere Weise hätte "retten" wollen als im Osten.

Mit Spannung erwartet der Leser das d r i t t e Kapitel über die Silvestertaufe, das den programmatischen Zusatztitel "Zurückweisung der Nikomedientaufe" trägt. Daß hierbei aus den drei getrennten Kernen der Actus Sylvestri, nämlich der Liturgiereform des römischen Bischofs, der Conversio Constantini und dem Streitgespräch Silvesters mit den jüdischen Rabbinern, von B. nur der mittlere Teil ausgewählt wird, liegt auf der Hand. Was sie hierzu zunächst zusammenträgt an frühen Belegen über das Nebeneinander beider Versionen (in direkter oder indirekter Bezeugung), im Westen etwa bei Prosper Tiro oder in den Chronica Gallica, in den Gesta Liberii oder bei Cassiodor, zeigt zwar eine gewisse Verlegenheit gegenüber dem Ereignis in Nikomedien, aber von einer bewussten Gegenposition der Silvestertaufe ist wenig zu spüren, zumal auf die einzige existierende Nachricht, die hierfür eine Stütze wäre, nämlich Hieronymus, nirgends eingegangen wird. Weit überzeugender klingt schon die übrigens schon seit langem vertretene Ansicht, dass die von Silvester vollzogene conversio eine Antwort auf die heidnische Polemik, so etwa bei Julian, Eunapius und ihm folgend Zosimus, gegen den frevelhaften Herrscher gewesen sei, der für den Mord an Gattin und Sohn allein bei den Christen eine Erlösung durch die Taufe gefunden habe. Dabei ist es zweitrangig, ob Zosimus bereits die heidnische Entgegnung darstellt oder umgekehrt die Actus Silvestri als Replik der Christen anzusehen sind. Während die im Folgenden besprochenen verstreuten Quellen des Ostens, die Visio Constantini bei Malalas (Kreuzesvision vor der Taufe), Zacharias von Mytilene und Jakob von Sarug (hier ist die Rede vom Aussatz des Kaisers, von dem dieser von Silvester angeblich geheilt wurde) wegen ihrer diffusen Auskünfte zur Aufhellung der beiden Taufversionen wenig beitragen, bewegt sich der Abschnitt über "die zentrale Bedeutung Roms und die Actus Silvestri" auf festerem Boden. B. kann dort nämlich zeigen (was allerdings nicht neu ist), welch ständig steigende Rolle diese "Erfindungen" im Bestreben der Päpste spielen, einen Vorrang vor den östlichen Metropolen zu erringen bzw. zu behaupten (28. Kanon von Chalkedon usw.). Die Verfasserin beendet ihre Ausführungen mit einem Blick auf das 2. Konzil von Nicaea (781) über den Bilderstreit, wo im Brief des Papstes Hadrians an die byzantinischen Herrscher Konstantin VI. und seine Mutter Irene erneut der Ausbau des römischen Primats das vorherrschende Thema ist. Sie verweist in jenem Schreiben besonders auf die Stelle, wo Konstantin den Papst Silvester bittet, ihm die Bilder zu zeigen, welche ihm im Traum erschienen seien. Der Bischof stellt ihm daraufhin eine Ikone von Petrus und Paulus vor Augen, die der Kaiser sogleich anbetet, nachdem er erkannt hat, dass es die gleichen Apostel waren, welche er kurz zuvor gesehen habe. Daraus wird ohne Zweifel klar, dass diese Passage der Conversio Constantini als gewichtige Belegstelle für die Legitimität der Bilderverehrung herangezogen wurde, aber es geht eben allein darum und nicht um den Taufakt, der ohnehin selbst im Osten zur communis opinio geworden war, wie das Rekurrieren von Theophanes darauf beweist. Jedoch auch wenn sich dieser von der Nikomedien - Taufe distanziert, so verfolgt doch auch er ein ganz anderes Ziel. Nicht weil die Taufe des ersten christlichen Kaisers zu Beginn des 9. Jahrhunderts noch immer "ein fundamentales Problem" war, entscheidet er sich für die Silvesterversion, sondern weil er auf die wesentlich spätere Ergänzung Wert legt, wonach damals der Kaiser bei seinem Weggang nach Konstantinopel dem Papst als weltlichem Regenten die westliche Reichshälfte überlassen habe. Damit verschieben sich die Gewichte doch ganz entscheidend.

Zwei A p p e n d i c e s verlängern die relativ kurze Arbeit um einige Seiten. Zunächst wird die persische Expedtion noch einmal aufgegriffen, welche bekanntlich Euseb von den letzten Tagen Konstantins getrennt hatte, um das Bild des in der Taufgnade (in albis) sterbenden Kaisers nicht mit irdischen Sorgen zu belasten. Die Verfasserin rekapituliert, dass der Lobredner 4, 56 und in seinem Gefolge noch weitere Kirchenhistoriker glaubhaft machen wollen, wie vermittels zweier Gesandtschaften ein Friede erreicht wurde, und zwar allein durch die Vorbereitungen zu einem Krieg, so dass tatsächlich keine Kampfhandlungen stattgefunden hätten (was zu dem ruhigen Ende des Verscheidenden passt). Libanius hingegen erkennt (or. 59, 67–72) - gewissermaßen als Antwort darauf - die langwierigen Kämpfe des Nachfolgers Constantius II. als Folge des damals beginnenden Konflikts. Es ist jedoch äußerst fraglich, ob der Redner aus Antiochien in seiner autobiographischen Rede unmittelbar auf Euseb eingeht. Wenig Neues bringen die kurzen Betrachtungen über die Taufe der Kaiser des vierten Jahrhunderts, wo geschildert wird, dass man bis zum Jahrhundertende auch kaiserlicherseits den Empfang der Taufe zur Erlangung der ewigen Gnade bis ans Lebensende oder eine besonders gefahrvolle Schlacht hinauszuschieben pflegte, während Theodosius der erste Herrscher war, der sich den bischöflichen Mahnungen beugte und zu Beginn seiner Herrschaft das Sakrament empfing, wodurch sich auch in der kirchlichen Hierarchie das Bild eines christlichen Imperators zu formen begann.

Insgesamt eine fleißige und sorgfältige Arbeit, die umfassendes Material bietet. Fragwürdig ist indes, wie stark und auch wie einseitig die Hauptthese, Ablösung der Arianertaufe in Nikomedien durch die "rechtgläubige" Aufnahme in die Kirche in Rom von der Hand Silvesters, in den Vordergrund gestellt wird.

Richard Klein, Wendelstein
RiKle@gmx.net


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