Gregor Weber, Martin Zimmermann (Hrsg.): Propaganda – Selbstdarstellung – Repräsentation im römischen Kaiserreich des 1. Jhs. n. Chr., Stuttgart: Steiner 2003 (Historia Einzelschrift 164). 355 S., 69 Abb. Euro 92. ISBN 3-515-08251-4.

Im Dezember 2000 haben die Herausgeber zu einem Kolloquium nach Tübingen eingeladen, mit dem Ziel, die Frage zu klären, ob Begriffe wie Propaganda, Selbstdarstellung oder Repräsentation die spezifischen Kommunikationsstrukturen der antiken römischen Gesellschaft adäquat erfassen können; denn moderne Begriffe – verfolgen kann man eine solche Diskussion auch bei dem Begriff Imperialismus – auf die Antike anzuwenden, muss immer problematisch bleiben – zumindest muss man sich zuvor ausführlich darüber klar werden, was diese Begriffe inhaltlich genau bedeuten.

Der Sammelband, der als Ergebnis dieser Tagung dem Leser vorliegt, umfasst neben einem kurzen Vorwort 13 Aufsätze verschiedener Forscher, wobei vor allem Althistoriker, aber auch ein Mediävist und ein Vertreter der Zeitgeschichtsforschung zu Wort kommen. In diesen beiden Disziplinen spielen die Begriffe Propaganda, Selbstdarstellung und Repräsentation, die nun auch immer wieder auf die Antike übertragen werden, eine große Rolle. Die Aufsätze werden zwei Oberkategorien zugeteilt, die ersten vier Beiträge gehören zu den theoretischen Vorüberlegungen, die anderen acht Aufsätze werden mit der Überschrift „Wege und Medien“ überschrieben. Hier wird die Frage gestellt, wie, d. h. auf welchen Wegen – z. B. auf dem Weg der Verbreitung von Münzen, Inschriften, archäologischen Monumenten oder von Literatur - politische Ideen im römischen Imperium vermittelt wurden.

Gregor Weber und Martin Zimmermann, Propaganda, Selbstdarstellung und Repräsentation. Die Leitbegriffe des Kolloquiums in der Forschung zur frühen Kaiserzeit, widmen sich - mit umfangreichen Verweisen auf weitere Literatur - ausführlich der Definition der in den Mittelpunkt gestellten Begriffe, die ihrer Ansicht nach durchaus synonym verwendet, aber auch unterschiedlich akzentuiert werden können. Die beiden Verfasser machen dem Leser gleich zu Beginn bewusst, dass diese Begriffe sich zwar aus der lateinischen Sprache ableiten lassen und doch als Begriffe und Konzepte ganz und gar der Neuzeit verhaftet sind. Und hieraus resultieren auch die Gefahren, die aus einer unreflektierten Übertragung der modernen Begriffe auf die Welt der Antike herrühren. Mit Schwerpunkt auf Propaganda und Repräsentation erarbeiten die Autoren die Herkunft des einzelnen Begriffes, suchen Bezugs- oder Anknüpfungspunkte zur Antike, sie blicken stets auf die Unterschiede zu Rom, wie die unterschiedlichen Rahmenbedingungen oder die spezifischen Charakteristika römischer Politik, und zeigen die Schwierigkeiten der Quellenlage auf. Sie stellen aber auch die positiven Ergebnisse, wie nützliche Fragenkataloge, in einem chronologischen Überblick über die Forschungssituation vor. Die Autoren suchen den aktuellen Forschungsstand der altertumswissenschaftlichen Diskussion vorzustellen und mit Bespielen zu erläutern. Unterschieden wird in die Gruppe der Forscher, die diese Begriffe mehr oder weniger problematisierend gebrauchen und in die Gruppe der Skeptiker, die entweder eine fundamentale Kritik an dem Gebrauch solcher Begriffe üben oder diejenigen, die zu differenzieren und zu relativieren suchen. Die beiden Autoren entwickeln diesen Ansatz weiter, z. B. werfen sie die Frage nach den Zielgruppen bei dem Begriff der Propaganda auf: „Ingesamt sind aber alle Aussagen über den Versender, seine Aussageabsicht, den angezielten Empfänger, dessen tatsächliche Wahrnehmung und den Grad des Verstehens fast jedem methodischen Zugriff entzogen.“ (S. 27). - So ist ihre Schlussfolgerung bei den Münzen als Mittel der Propaganda. Ebenso sind nach ihren Ausführungen feste Schlussfolgerungen bei Bildwerken oder Literatur schwierig. Schon die historische Situation bei Augustus und seinen Nachfolgern sollte man unterscheiden. Die Kaiser mussten in einem gewaltigen Geflecht von kommunikativen Strukturen auf die Beherrschten reagieren und deren Erwartungen erfüllen. Und so heben die Autoren besonders den von vor allem durch Alföldy eingeführten Begriff der Repräsentation heraus. Diese hat einen dialogischen Charakter, sie drückt die Wechselwirkung zwischen Erwartung und Artikulation von Herrschaftsideologien aus, sie ist fest an eine funktionierende Kommunikation zwischen Kaiser und Beherrschten gebunden. So scheint sie besser geeignet zu sein, das Denken der Antike zu erfassen als der Begriff der Propaganda. Repräsentation setzt voraus, dass die artikulierte Ideologie auf Akzeptanz stoßen muss, denn eine intendierte Aussage ist eingebettet in die Tradition, den Erwartungshorizont der Zeit und in das Selbstverständnis des Herrschers - was der Mentalität und den Wertvorstellungen der Antike nach Meinung der Autoren entspricht. Die Argumentation der Autoren ist hier überzeugend, nur dass auch an dieser Stelle die Schwierigkeit auftaucht, einen anderen Begriffe unreflektiert und unerklärt – nämlich den Begriff der Ideologie – zu benutzen.

Arnim Eich, Die Idealtypen „Propaganda“ und Repräsentation“ als heuristische Mittel bei der Bestimmung gesellschaftlicher Konvergenzen und Divergenzen von Moderne und römischer Kaiserzeit, gehört zu der bei Weber/Zimmermann genannten Gruppe der Skeptiker. Er sucht die Begriffe Propaganda und Repräsentation in dem zeitlichen Kontext der Entstehung der Monarchie nach den Bürgerkriegen zu verankern. Auch für ihn ist der Begriff der Repräsentation bei weitem unproblematischer, und so geht der Autor nur kurz auf ihn ein. Er beruft sich dazu auf J. Habermas und die Mittelalterforschung. Weitaus ausführlicher behandelt er die Untersuchung des Begriffs der Propaganda. Immer wieder zieht der Autor den Vergleich zu modernen Formen der Propaganda und macht die Unterschiede zur römischen Gesellschaft deutlich. Hier liegt das Hauptaugenmerk des Autors: Er zeigt auf, dass sich die römische Gesellschaft mit soziologischen Methoden kaum erforschen lässt (S. 56) und weist immer wieder auf die großen Unterschiede zwischen der modernen und antiken Gesellschaft auf. Er geht so vor, dass er zunächst die Moderne erläutert, um dann aufzuzeigen, wie anders der antike Staat, die antike Gesellschaft funktionierte. Es geht immer wieder um die Frage: Kann man moderne Begriffe auf die Antike übertragen – und sind moderne und antike Gesellschaft überhaupt vergleichbar? Eich lehnt diese Übertragung rundweg ab, er zeigt, dass die Gesellschaften zu unterschiedlich sind, dass Herrscher wie Augustus sich darauf beschränken konnten, „ihre Macht nach ihrem Geschmack zu inszenieren.... Die Monarchie besteht in ihrem öffentlichen Sosein oder gar nicht... Die kaiserzeitliche Regierung ... konnte sich darauf beschränken, zu herrschen und sich zu dem Zweck der Herrschaftsausübung eine bestimmte Form zu geben.“ (S. 84). Der Aufsatz ist sehr ausführlich und in der Sprachführung durchaus anstrengend für den Leser. Der Autor verweist zu Recht und richtig immer wieder auf die Unterschiede und die Besonderheiten der antiken Gesellschaft und legt somit seinen Finger auf die Schwierigkeiten bei der Benutzung vieler Begriffe. Er lehnt die Übertragung der Begriffe zu Recht ab, aber er spricht dem Herrscher und dessen Geschmack bei der Ausgestaltung der Herrschaftsform eine schon zu freie Rolle zu (vgl. S. 71, S. 84). Auch dieser reagiert, wie die beiden Autoren zuvor gezeigt haben, auf sein Umfeld und agiert innerhalb bestimmter erlernter Handlungsmuster.

Ludger Körntgen, Repräsentation – Selbstdarstellung – Herrschaftsrepräsentation. Anmerkungen zur Begrifflichkeit der Frühmittelalterforschung, zeigt auf, wie die Begrifflichkeit in der Mittealterforschung genutzt wird. Auch hier ist der Begriff der Propaganda problematisch, die anderen beiden Begriffe Repräsentation und Selbstdarstellung spielen eine zentrale Rolle. Mit deutlichen, klaren Formulierungen legt der Autor die Vorgehensweise in der Mediävistik dar. Auch hier ist die Repräsentation ein kommunikativer Prozess, der Herrschaftsansprüche darstellt, die Grundlage dafür bildet und sichert. Gemeinsame Vorstellungen von der Herrschaftsordnung werden gebildet und gefestigt. Bilder des Herrschers werden auch an ihn herangetragen, sie zeigen ihm Möglichkeiten, aber auch Ansprüche der Beherrschten auf. So ist an der Herrschaftsrepräsentation eine Vielzahl von Menschen beteiligt, die ihre Ansprüche, ihr Denken dem Partner in der Kommunikation aufzeigen. Dieser Aufsatz macht vieles deutlich für die Forschung auf dem Gebiet der Altertumswissenschaft.

Michael Hochgeschwender, „Union und Konstitution“: Die Erfindung der USA im Spiegel moderner Propagandatheorien, stellt den modernen Beitrag dar. Schwieriger für den Leser nachzuvollziehen als der Vorgänger sucht der Autor anhand eines konkreten Beispiels Propagandatechniken im frühen 19. Jahrhundert aufzuzeigen. Er zeigt auf breitem Raum den chronologischen Forschungsverlauf auf, in dem einerseits auf dem Kontinent Europa Propaganda pessimistisch im Prozess der Moderne verortet wird, andererseits im angelsächsischen Bereich Propaganda lediglich als möglicherweise manipulativ gesehen wurde, wobei die theoretisch begründete Nähe von Masse und Propaganda entfällt – Propaganda erscheint als politisch fokussierter Sonderfall von Werbung (S. 109). Ein Beispiel aus der Frühphase des Amerikanischen Bürgerkrieges soll im Anschluss aufzeigen, wie in einer Gesellschaft, die von der Agrarwirtschaft zur Industrialisierung übergeht und nichttotalitär gestaltet ist, der Zusammenhang zwischen der Konstruktion nationaler Identität mit reguliert - spontaner propagandistischer Selbstorganisation ausgesehen haben könnte (S. 114). Der Aufsatz führt den Leser in die moderne Begriffgeschichte ein und macht ihm vor allem deutlich, dass der moderne Begriff der Propaganda sich nicht auf die antike Gesellschaft übertragen lässt.

Der Aufsatz von Anne Kolb, Wege der Übermittlung politischer Inhalte im Alltag Roms, gehört zu dem zweiten großen Bereich des Sammelbandes. Die Autorin will unter der Prämisse res est publica Caesar die Kommunikationsmittel des Kaisers darstellen, d. h. die Wege, auf denen der Kaiser seine Botschaften an die Untertanen verbreitete - durch Bilder, Veranstaltungen, Korrespondenz und durch Publikation. Zu den Bildern gehören als Kommunikationsmedium vor allem Münzen, die Weber und Zimmermann in ihrem Aufsatz noch als Quelle angezweifelt haben – hier wird die Vielfalt der Meinungen der Forscher in dem vorliegenden Sammelband deutlich. Zu den Veranstaltungen zählt die Autorin Feste, Triumphzüge, Spiele, Zeremonien, Staatsakte, die die Leistungen des Herrschers feierten und so sein Selbstverständnis vorstellten, aber auch politische Botschaften vermittelten. Als Exemplum für die Bedeutung der kaiserlichen Korrespondenz steht der Schriftverkehr zwischen Plinius und Trajan. Publikation bedeutet die öffentliche Bekanntmachung und Verbreitung von Verlautbarungen und Informationen. Viele Beispiele solcher Publikationen des Kaisers an den Volk werden vorgestellt – allerdings war Caesar im Jahre 59 v. Chr., als er erstmalig nach Sueton für die Veröffentlichung der acta diurna urbis gesorgt haben soll, nicht Diktator (S. 140). Zu einem großen Teil werden diese vier Bereiche der Kommunikation in ihren technischen Formen bloß vorgestellt, was durch seinen Informationsgehalt interessant ist, ganz zum Schluss folgt eine sehr kurze, eine zu kurze Stellungsnahme der Autorin, in der sie darauf hinweist, dass auch die Untertanen aktiv an der Kommunikation beteiligt waren und dass alle Bereiche zusammen einen nicht unerheblichen Informationsgrad über den Kaiser und seine Politik vermittelt haben dürften.

Heike Niquett, Inschriften als Medium von „Propaganda“ und Selbstdarstellung im 1. Jh. n. Chr. , widmet sich einem bestimmten Medium der Kommunikation. Sie zeigt auf, dass zur Zeit des Augustus die Anzahl der Inschriften sprunghaft gestiegen ist, dass die Inschriften die Botschaften konkretisieren und den Betrachter in eine bestimmte Richtung lenken. Sie stellt die Bautätigkeit der Herrscher dar und fragt nach den Möglichkeiten der Selbstdarstellung der Untertanen.

Reinhard Wolters, Die Geschwindigkeit der Zeit und die Gefahr der Bilder: Münzbilder und Münzpropaganda in der römischen Kaiserzeit, ist bereits durch zahlreiche Arbeiten zur Numismatik hervorgetreten. Er gibt dem Leser einen tiefen Einblick in das Münzwesen der römischen Kaiserzeit. Er stimmt der These zu, dass Motivreichtum und Aussagen der kaiserzeitlichen Münzen sie zu einem zeitgenössischen Kommunikationsmittel und Nachrichtenträger machen (S. 176), zeigt aber auch Forschungskontroversen wie z. B. über die Frage, ob die Münzen in der Antike überhaupt wahrgenommen worden sind, auf. Zunächst widmet er sich der Entwicklung des Münzbildes in der Republik hin zu Augustus, wobei deutlich wird, dass immer differenziertere Münzbilder durch die konkurrierende Selbstdarstellung einzelner Nobiles entstanden sind. Diese setzten die Münze als Medium ein und suchten ihr Publikum zu gewinnen. In der Kaiserzeit, so macht der Autor deutlich, entwarfen Beamte der Münzstätte Münzbild und Münzlegende, die Entwürfe wurden dem Kaiser vorgelegt, dieser konnte korrigierend eingreifen. Wolters zeigt aber auch auf, dass wirtschaftliche Gründe die Emission von Münzen bestimmten, nicht Bildprogramme, die verbreitet werden sollten. Weit entfernte Bewohner konnten kaum erreicht werden, das verbreitete Bildprogramm wurde in seiner Kraft sehr durch die Vermischung mit alten Münzen geschwächt. Doch wurden die Münzmotive in der Literatur dargestellt, Münzen wurden bereits in der Antike gesammelt, auf Münzen wurde selbst eine damnatio memoriae unter hohem Aufwand durchgeführt. Insgesamt überforderten die Münzmotive den Betrachter nicht, sie entsprechen den Erwartungen, wiederholten allgemein gültige Werte und festigten diese (S. 198). Natürlich gaben sie auch positive Eigenschaften des Herrschers wieder. Doch die Münzbilder stärkten vor allem bereits vorhandene Vorstellungen des Betrachters. Wolters macht deutlich, dass bei dem Medium nur jemand von Propaganda sprechen kann, der fremde Erwartungen an die Münze heranträgt. Er sieht gute Gründe für die Argumentation, dass der dialogische Charakter zwischen Kaiser und Rezipienten der Münzen für den deutenden Zugang von Münzbildern besonders geeignet sei. Der Herrscher stellt sich vor und wirbt für seine Herrschaft, doch die Münzbilder drücken nur das aus, was die Untertanen von ihm erwarten. Der Aufsatz ist sehr informativ, einleuchtend und führt den Leser gut in die Problematik ein.

Ulrich Schmitzer, Dichtung und Propaganda im 1. Jh. n. Chr., widmet sich zunächst Ovid und seinen Fasti und zwar besonders der Darstellung des Gottes Mars in diesem Werk. Der Autor sieht in den „zweischneidigen“ Fasti die Antwort des Dichters auf den Umgang des Augustus mit der kalendarischen und der kosmischen Zeit, und so beschäftigt er sich im folgenden kurz mit Manilius und Germanicus, die Tiberius ihre astronomischen Lehrdichtungen widmeten, um sich dann kosmologischen Vorstellungen – vor allem bei Calpurnius Siculus - bei der Selbstdarstellung des Tiberius zuzuwenden – bis hin zu Martial unter den Flaviern. Gerade für Martial hebt er heraus, dass es trotz des dynastischen Wechsels keinen Bruch in der Selbstdarstellung der Kaiser oder in dem Verlangen des Volkes nach panem et circenses gab, im Gegenteil, der Autor betont, dass Martial für seine Epigramme die zeitgenössische Propaganda und Selbstdarstellung nutzte. Und auch Statius lässt der Autor zu Wort kommen, der traditionell als loyaler Dichter gilt. Hier nimmt der Verfasser nun Stellung und weist daraufhin, dass jedes Gedicht eine Pluralität von Deutungen zulässt - von ablehnend-subversiv bis hin zu bedingungslos bejahend. Schmitzer fordert, diese Zweideutigkeit, auf die das römische Publikum vorbereitet gewesen ist, zuzulassen: „Man kann sich ihrer (der Dichter) nicht sicher sein, nicht einmal in ihrer Aufrichtigkeit.“ (S. 226). In diesem Aufsatz wird erneut die Forschungskontroverse deutlich, ob man einen Dichter wörtlich nehmen soll oder ob man auch eine zweite kritische, zwischen den Versen zu erschließende Stimme hören sollte. Dieser Aufsatz zeigt gut die Problematik, kann aber auch keine Lösung dieses Problems bieten. Kann man sich der Dichter nie sicher sein, kann man sich der eigenen Deutung ebenso wenig sicher sein.

Jürgen Malitz, Autobiographie und Biographie römischer Kaiser im 1. Jh. n. Chr., beschäftigt sich mit der heute verlorenen Autobiographie des Augustus, die dieser in einem Alter von Mitte Dreißig bald nach seiner Rückkehr aus Spanien veröffentlichte. Er sucht aufzuzeigen, wem die Autobiographie als Quellengrundlage - wahrscheinlich Livius – gedient haben könnte. Von dort zählt er zahlreiche weitere autobiographische Schriften auf, so die Memoiren der jüngeren Agrippina, um dann zu Sueton und dessen heute kaum vollkommen zu erschließender Bedeutung zu gelangen. Auf dieser Stufe der interessanten Aufzählung bleibt der Autor stehen, wieweit die Biographien als Formen der „Propaganda“ oder „Selbstdarstellung“ zu sehen sind, bleibt offen.

Thomas Schäfer, Die Rezeption römischer Herrschaftsinsignien in Italien und im Imperium Romanum im 1. und 2. Jh. n. Chr., widmet sich anhand von konkreten Beispielen dem Weg, auf sepulkralen Denkmälern Formen der Repräsentation nachzuforschen. Die sella curulis und Fasces wurden fur curulische Beamte und munizipale Amtsinhaber in Italien seit der späten Republik zu einem gerade typischen Sepulkralschmuck (S. 249). Wo, wann und wie sich diese Form der Dekoration verbreitete, dieser Frage geht der Autor insbesondere nach. Er trennt die Gräber nach den Funktionen ihrer Amtsinhaber und legt dar, dass man bei senatorischen Reichsbeamten von einer aktiven Rezeption eines solchen Grabschmucks nur sprechen könne, wenn Beamte, die aus Provinzen herstammten, dorthin zurückgingen und diese fremdartig anmutenden Denkmäler in ihrer Heimat errichteten. In den Landstädten Roms ist eine solche Form der Ausstattung aber sehr häufig. Der Verfasser vermutet, dass durch diese Art der Repräsentation, die aus den nach Rom orientierten Gebieten Mittelitaliens bis hin in die Städte der angrenzenden Provinzen in das weitere Italien ausstrahlte, der Stolz auf ein selbstverwaltetes Gemeinwesen zum Ausdruck gebracht wurde. So zeigt der Sepulkralschmuck der Beamten, wie Repräsentationsformen sich verbreiteten.

Der Aufsatz von Jürgen Ganzert, Zum Verhältnis von „Erscheinung und Wirklichkeit“: Annäherung an entsprechende Befundhinweise aus der augusteischen Architektur, ist nicht nur in der Sprache schwierig für den Leser. Um dem interdisziplinären Ansatz des Kolloquiums Genüge zu tun, stellt er Architekturbefunde des 20. Jh. der Antike gegenüber. Wie wird in der Architektur die Beschaffenheit von Schein und Sein, bzw. Erscheinung und Wirklichkeit umgesetzt? Dieser Frage geht er zunächst anhand der modernen Architektur nach, in einem zweiten Schritt anhand der augusteischen Architektur, um dann eine Synthese zu versuchen. Der alte Orient, der Tempel des Mars Ultor auf dem Forum Romanum, Mies van der Rohe bis hin zu der Architektur Albert Speers werden quasi in einem Atemzug genannt. Zu Recht bemerkt der Autor, dass vor allem auch die Architektur den Rahmen für Selbstdarstellung, Repräsentation und Propaganda bietet, dass anhand der Veränderung von Architektur neue Repräsentationsformen erkennbar werden (S. 295), doch auf dem Wege der Argumentation kann der Leser ihm nicht immer folgen – zu weitschweifig, zu wenig getrennt und zu wenig nachvollziehbar in den zentralen Aussagen erscheinen die Ausführungen.

In der Suetonbiographie des Augustus ist des öfteren von den Träumen des Princeps die Rede, der als jemand beschrieben wird, der der Bedeutung von Träumen eine große Bedeutung zugemessen habe. Gregor Weber, Augustus und die Träume, wirft die Frage auf, was Träume mit kaiserlichen Botschaften und der kaiserlichen Selbstdarstellung zu tun haben. Als exemplum stellt er Augustus heraus, der das Vorbild für seine Nachfolger war. Nach allgemeinen Bemerkungen zu den Träumen in der Kaiserzeit interpretiert der Autor einige ausgewählte Träume des Augustus, die dieser entweder selbst träumte oder in denen Augustus den Inhalt des Traumes darstellt. Die „Traumbiographie“ umfasst bei Augustus vor allem Geburt und Kindheit, Verheißung der Herrschaft, göttlichen Beistands und Herrschaft. Viele Träume sind spätere Konstrukte, der Autor macht einen Kristallisationspunkt in den Jahren 30-27 v. Chr. fest. Ob Augustus selber diese Träume propagierte, kann er aufgrund der Überlieferungslage nicht sagen – doch die Träume stellen eine Art der Selbstdarstellung dar – als kleiner Baustein der Gesamtselbstdarstellung. Ein Ausblick auf die Nachfolger des Augustus zeigt, dass auch diese träumten. Der Kaiser konnte mithilfe der Träume sein Verhalten plausibel machen, er konnte durch die Träume auf Akzeptanz seiner Herrschaft hoffen – indem er z.B. auf die geträumte Zustimmung der Götter verwies. Sicher jedenfalls ist, dass in der Antike über Träume eine rege Kommunikation herrschte. Ein Anhang mit den auf Octavian/Augustus bezogenen Träumen ergänzt den Aufsatz.

Martin Zimmermann, Der Kaiser als Nil. Zur Kontinuität und Diskontinuität von Repräsentation im frühen Prinzipat, fragt nach Kontinuitäten der kaiserlichen Repräsentation bei Dynastiewechseln, bei denen besonders stark ein Neubeginn verkündetet wurde. Er will noch einmal deutlich machen, dass Repräsentationskunst in einem Wechselspiel zwischen Kaiser und Adressatenkreis entstanden ist, aber vor allem will der Autor ein neues Bild aus dieser Kunst vor Augen führen. Dazu begibt er sich in die Zeit, als die flavische Dynastie sich konstituierte, und nach Ägypten, wo der neue Kaiser sich auch mit der ägyptischen Tradition – nämlich der kultischen Nachfolge der pharaonischen und ptolemäischen Herrscher - auseinanderzusetzen hatte. Um dieses alles zu erläutern, stellt Zimmermann eine Anfang des 20. Jahrhunderts veröffentlichte Inschrift einer Stele in den Mittelpunkt der Untersuchung. Die Inschrift handelt von der Ausbaggerung eines Flusses unter Vespasian, der Autor nimmt an, dass ein antiker, für Alexandria lebensnotwendiger Kanal gemeint sei, der wieder schiffbar gemacht wurde. Auffällig ist aber, dass mindestens vierzehn Stelen am Lauf dieses Kanals aufgestellt worden sind, und dieser also wahrscheinlich umbenannt worden ist – was sehr selten geschah. Der Kanal wurde nach dem Agthos Daimon neu benannt, eine im griechischen Osten verehrte Gottheit mit speziellen Zügen in Ägypten. Die Flavier hatten aufgrund der Umstände ihrer Erhebung eine besondere Affinität zu Ägypten. Schon der Sieg des Augustus wurde mit der für Ägypten lebensnotwendigen Nilflut verglichen. Und so ließen sich die Kaiser im folgenden auch als Personifikation des Nils verehren, was sich in den Münzen widerspiegelt, doch die Verbindung blieb eher lose. Gerade Augustus stellt sich als Sieger über den Nil dar, so führte er den gefesselten Nil in seinem Triumphzug nach Actium mit. Nero knüpft dann als erster an ägyptische Traditionen an. Zimmermann legt dar, dass Münzen mit dem Agathos Daimon auf dem Revers, der die Uräusschlange trägt, dafür sprechen, dass Nero die in Ägypten traditionelle Verschmelzung des Herrschers mit der Gottheit der Nilflut nun auch für sich beanspruchte. Die Flavier betonten eines besonders enge Verbindung zu Ägypten und knüpften an die durch Nero eingeführte Form der Repräsentation an – bestritten aber wahrscheinlich vehement jegliche Anlehnung an Nero. Sie adaptierten bewusst ägyptische Vorstellungen, die auch das römische Repräsentationsbild des guten Kaisers ergänzten. Und so wird der Kaiser von nun an häufig als Segen spendender Nil dargestellt. Doch die Bevölkerung Roms konnte die im Templum Pacis aufgestellte Statue des Nils aber auch in augusteischer Tradition interpretieren: als Symbol für Aegypto capta. Durch diese zweifache Interpretationsmöglichkeit konnte das Repräsentationsbild leichter in Rom angenommen werden.

Den Nil als Bild kaiserlicher Repräsentation haben also die Erwartungen der Untertanen geschaffen, der Provinzialen, deren Traditionen aufgenommen worden und der Römer, die von der augusteischen Interpretation ausgehend auch die neue Symbolik annahmen.

Zimmermann stützt seine überaus interessanten Ausführungen zu einer weiteren Bildsymbolik in der Repräsentation des Kaisers auf verschiedene Münztypen, Plastiken und Inschriften. Im 3. Jh. werden auch einfache Amtsträger als Euergeten und Nil angerufen – ein Beleg für die schwindende Macht der rasch wechselnden Kaiser, deren Repräsentationsformen von den Untertanen nun auf einfache Amtsträger übertragen werden.

Mit diesem Sammelband liegt dem Leser eine breite Auswahl von Aufsätzen vor Augen, die ihn in viele Bereiche der historischen Wissenschaft einführen. Das sehr wichtige Hauptziel – aufzuzeigen, dass Begriffe nicht unreflektiert auf unterschiedliche Gesellschaften übertragen werden können und zunächst einmal hinterfragt werden müssen – wird ganz und gar erreicht. Die Autoren selber nutzen auf verschiedene Weise die zentralen Begriffe, z. B. Malitz verwendet den Begriff Propagandist oder propagandistisch in seinem Aufsatz, ohne ihn besonders zu reflektieren, andere Aufsätze rücken die Auseinandersetzung mit dem Begriff Propaganda selbst in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung. Allein von dort aus betrachtet werden die unterschiedlichen Ansätze der Gelehrten deutlich. Der Leser aber wird von dem Sammelband insgesamt einen Gewinn erzielen, er wird nicht jedem Aufsatz zustimmen, doch fast immer zu weiteren Überlegungen und Diskussionen angeregt werden.


Iris Mäckel, Berlin
IrisMaeckel@gmx.de


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