Pierfrancesco Porena, Le origini della prefettura del pretorio tardoantica. Rom: “L’Erma” di Bretschneider 2003 (Saggi di Storia Antica 20). 636 S. Euro 280. ISBN 88-8265-238-6.

Das vorliegende Werk, das sich mit einem der wichtigsten Ämter der Reichsverwaltung der römischen Kaiserzeit und Spätantike befasst, beruht auf einer von A. Giardina betreuten tesi di laurea und späteren Dissertation an der Universität Florenz. Ziel des Autors ist es, die Entwicklung dieses Amtes in seiner am Ende des 3. Jahrhunderts ausgebildeten Form zu einer regionalen Institution der spätantiken Verwaltung unter Konstantin darzulegen. Die Arbeit ist als prosopographisch-historische Analyse derjenigen Präfekten angelegt, die während der Jahre 282-337 dieses Amt bekleideten, und führt erstmals monographisch Quellen und Forschung zur Präfektur für diesen Zeitraum zusammen.

Die Frage nach der Regionalisierung der Prätorianerpräfektur, d.h. der Einführung begrenzter Amtsbereiche, bildet eine seit langem kontrovers diskutierte und sehr komplexe Problematik, da die Quellenbasis lückenhaft und schwierig ist. Beide Aspekte werden von Porena in seiner Einleitung nur grob angesprochen, weshalb dort eine Darlegung des Forschungsstandes zur Thematik fehlt.1

Indem das Thema aufs engste mit der Entstehung einer Regionalverwaltung im römischen Reich verknüpft ist, thematisiert die vorliegende Arbeit einen der wichtigsten Aspekte in der Genese der römischen Verwaltung, dem Prozess der Intensivierung des Verwaltungshandelns, das durch die endgültige Trennung von Militär- und Zivilgewalt, der Schaffung neuer Kompetenzbereiche und neuer Funktionsträger im Rahmen einer territorialen Neugliederung gekennzeichnet war. Die Ausbildung der Regionalverwaltung markiert damit einen entscheidenden Punkt in der Umgestaltung der Reichsverwaltung, die traditionell mit Diokletian bzw. Diokletian und Konstantin und deren Reformen in Verbindung gebracht wird.

In Bezug auf die Prätorianerpräfektur hat in der Forschung zuletzt Barnes nochmals betont, dass Diokletian das hergebrachte System von zwei gleichzeitig amtierenden Präfekten nicht änderte und dass es auch während der Tetrarchie beibehalten wurde.2 Für die weitere Entwicklung zu den zwischen 328 und 332 bzw. 335 dokumentierten fünf Präfekten resümiert er: „It may well be, therefore, that it was a result of the political and military conflicts which began in 306 that each of the independent and competing emperors decided to have a praetorian prefect of his own.“ Besonders die Zunahme der Präfektenstellen und die Frage der kollegialen Amtsführung hat die Forschung schon seit langem als Beginn der Regionalisierung betrachtet, wobei der Zeitpunkt strittig ist (317/8 nach Seeck, Stein, Enßlin; 324/6 Palanque; 337 Jones) und man seit Chastagnol im Allgemeinen von einer längeren Übergangsphase (318-332) bei der Umwandlung in Regionalämter ausgeht.3 In der jüngsten Monographie zur Thematik sieht J. Migl4 erst seit 325 eine Präfekturen-Vermehrung belegt, die er unabhängig von einem regionalen Prinzip allein mit dem Anwachsen der präfektorialen Kompetenzen erklärt und daher den Beginn der Regionalisierung in dieser Zeit ablehnt. Auch das erste bezeugte Beispiel einer regionalen Präfektur (Africa zu Beginn der 330er Jahre) deklariert Migl als Sonderfall aufgrund des Donatistenstreits. Denn feste Präfekturgrenzen akzeptiert Migl nicht vor Valentinian I., konzediert allerdings die lange Dauer der Entwicklung. Dagegen fordert A. Gutsfeld erneut eine Festlegung von räumlich definierten Verwaltungssprengeln für den Osten bereits im Jahr 325.5 Den Beginn einer grundlegenden Umgestaltung der Prätorianerpräfektur jedoch setzt er kurz nach dem Regierungsantritt Diokletians an, da bereits der 290/291 entstandene Liber singularis de officio praefecti praetorio einen deutlichen Wandel der Präfektur bemerken lasse, indem das Anwachsen ziviler Aufgaben – vermutlich zu Lasten militärischer Kompetenzen – festzustellen sei. Der massgebliche Umbau der Präfektur erfolgte dann durch Konstantin, der den Prätorianerpräfekten in der so genannten Hofreform (Entlassung der Prätorianergarde 312, Verlust der Aufsicht über Hofbüros, Schaffung des magister officiorum vor 320) sowie durch die Einsetzung des magister militum gegen 330 seiner militärischen Befugnisse beraubte und politisch entmachtete, indem er die bisher funktional gestützte Bindung an den Kaiser auflöste. Mit diesen Massnahmen reagierten Diokletian und Konstantin einerseits auf die Überlastung des Prätorianerpräfekten aufgrund der besonders während des 3. Jh. stark angewachsenen Aufgabenfülle (zusätzliche militärische Befehlsgewalten, Rechtsprechung, annona militaris) und sicherten andererseits ihre Stellung, indem eine gefährliche Konkurrenz um die Macht im Staat ausgeschaltet wurde.6

Indem Porena die chronologische Entwicklung in 4 Kapiteln nachzeichnet, unterscheidet er folgende Stufen in der Genese der Präfektur: Mit der ersten Phase 282-285 (Kap. I) endete die machtvolle Stellung der Präfekten, welche diese seit der frühen Kaiserzeit besessen hatten. Der politische Einfluss der Präfekten fand nach Porena bis dahin seinen Ausdruck in den familiären Beziehungen zwischen Präfekten und Kaisern sowie der Kaisernachfolge bzw. den Usurpationen der Präfekten. Für die Zeit von 284-305 (Kap. II) konstatiert Porena die traditionelle Amtsausübung von zwei Präfekten, wodurch klar wird, dass Diokletian das hergebrachte System nicht änderte. Die verschiedenen Reformen Diokletians wie insbesondere die Provinzteilung und Vervielfachung sowie die Steuerreform garantierten eine neue Stabilität und führten zu einem Anwachsen der Aufgaben der Präfektur, die laut Porena im einzelnen nicht verfolgt werden können. Das seit 298 bezeugte Agieren von Vizepräfekten, die für die neuen Diözesen verantwortlich waren, brachte laut Porena die Präfektur in den engen Kontakt mit den Provinzialen und festigte sie so auf regionaler Ebene. Die Gliederung des Reiches in Diözesen bildete dann die Grundstruktur für die grossen Regionalpräfekturen.7 In der dritten Phase 306-317 (Kap. III) beobachtet Porena eine Auflösung der bisher bezeugten Kollegialität und Eintracht in der Präfektur, da die beiden Präfekten nicht mehr als Einheit auftraten, sondern jeweils einem Augustus sowie dessen Aktionsbereich und comitatus zugeordnet waren.8 Die Quellen zeigen die Präfekten nun an der Spitze der Zivilverwaltung des Reiches mit Aufgaben in der Rechtsprechung, als Vermittler zwischen Kaiser und Statthalter sowie als Aussteller von Berechtigungen zur Nutzung des cursus publicus. Die Ausübung einer Kontrolle über die Nutzungsberechtigungen des staatlichen Transportwesens bewertet Porena als bedeutendes Vorrecht, das die Präfektur bereits für die Zeitspanne 306-313 mit den Kompetenzen der späteren regionalen Prätorianerpräfekten ausgestattet zeige.9 Für die letzte Phase (317-337) (Kap. IV) konstatiert Porena die entscheidenden drei Reformen bei der Umgestaltung der Präfektur zum regionalen Amt. Indem Porena annimmt, dass Konstantin und Licinius zehn Jahre lang je mit einem Präfekten zusammenarbeiteten, lehnt er eine Vermehrung der Präfektenstellen für diese Periode ab. Danach ernannte Konstantin zwischen 325 und 326 neben einem Prätorianerpräfekten am Hof vier weitere Präfekten, denen er jeweils regionale Mandate über eine oder mehrere Diözesen erteilte, welche den Reichsteilen der Herrscher der Jahre 306-313 entsprachen (1) Gallien, Spanien und Britannien 2) Africa 3) Italien 4) Illyricum). Zwischen 327 und 329 übertrug er dem am Hof verbliebenen Prätorianerpräfekten mit den vier östlichen Diözesen ebenfalls einen regionalen Aufgabenbereich (Orient), welchen dieser seit 330 ausserhalb der kaiserlichen Residenz verwaltete. Begleitet wurde diese Reform mit einer Absage an jegliche militärische Macht der Präfekten durch die Schaffung der neuen Posten eines magister officiorum und eines magister militum. Damit wurde die Entwicklung des Prätorianerpräfekten zu einem regionalen Funktionsträger, der räumlich getrennt vom Herrscher agierte, abgeschlossen und blieb in dieser Form bis ins 6. Jh. stabil.

Den Band beschliessen die Zusammenfassung, eine Graphik, die einen Überblick über die Präfekten zwischen 282 und 337 mit den Amtszeiten vermitteln soll, aber wenig aufschlussreich und unübersichtlich ist,10 und drei Register (für Quellen, geographische Namen und Sachen).

Mit den genannten Ergebnissen leistet die umfangreiche und detailreiche Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Erforschungen der spätantiken Prätorianerpräfektur in ihrer frühen Phase und damit auch zum Wandel der römischen Reichsverwaltung unter Diokletian und Konstantin.

Anne Kolb, Zürich
Anne.Kolb@access.unizh.ch


1 Über die Quellensituation informiert Porena in der Einleitung ebenfalls lediglich partiell in erzählender Weise. Auch in der Untersuchung ist durch die prosopographisch orientierte Darstellung der Blick auf übergreifende Probleme und den Forschungsstand nicht immer einfach; die vorhandene wissenschaftliche Literatur wurde offenbar lediglich bis zum Jahr 1999 erfasst. Einen ausgezeichneten Überblick über die bisherigen Forschungen bietet dagegen J. Migl: Die Ordnung der Ämter. Prätorianerpräfektur und Vikariat in der Regionalverwaltung des Römischen Reiches von Konstantin bis zur Valentinianischen Dynastie. Frankfurt am Main 1994, 9-23.

2 T. Barnes, JRA 9, 1996, 546-548.

3 O. Seeck, RhMus 69, 1914, 1-39; ders.: Regesten der Kaiser und Päpste für die Jahre 311 bis 476 n.Chr. Stuttgart 1919, 141-149; E. Stein: Untersuchungen über das Officium der Prätorianerpräfektur seit Diokletian. Wien 1922; J.-R. Palanque: Essay sur la préfecture du pretoire du Bas-Empire. Paris 1933; W. Enßlin: Praefectus praetorio. RE 22, 1954, 2391-2502; A.H.M. Jones: The Later Roman Empire 284-602. Oxford 1964, 101f.; ders.: Collegiate prefectures, JRS 54, 1964, 78-89; A. Chastagnol, REA 70, 1968, 321-352.

4 J. Migl (siehe Anm. 1).

5 A. Gutsfeld: Der Prätorianerpräfekt und der kaiserliche Hof im 4. Jahrhundert n.Chr., in: A. Winterling (Hrsg.): Comitatus. Beiträge zur Erforschung des spätantiken Kaiserhofes. Berlin 1998, 75-102.

6 Die Auswirkungen der Reformen und die neue Position der Präfekten als dem Kaiser nachgeordneter Verwaltungsspitze einer Region (in den Bereichen Zivilgerichtsbarkeit, annona, öffentliche Ordnung) werden erst unter Konstantins Nachfolgern wirklich transparent.

7 Im Gegensatz dazu lehnt Migl (siehe Anm. 1) eine Verbindung zwischen der Entstehung der Regionalpräfekturen und dem Ursprung der Diözesen ab.

8 Dies äusserte sich in Ehrungen für die Herrscher durch einzelne Präfekten im Gegensatz zu älteren Ehrenmonumenten von Präfekten, die von den Präfekten kollegial errichtet waren.

9 Porena sieht dies durch Opt. App. 8 (CSEL 26, 212) bezeugt. Er berücksichtigt jedoch nicht, dass man mit diesem Zeugnis nicht von einer allgemeinen Kompetenz des Präfekten schon seit 315 ausgehen kann, sondern die Ausstellung speziell auf Anweisung des Kaisers erfolgte; dazu A. Kolb: Transport und Nachrichtentransfer im Römischen Reich. Berlin 2000, 89 und 101f.

10 Der Leser hätte von einer klaren, chronologischen Liste mit den wichtigsten Daten als Überblick stark profitiert, da die personengeschichtlichen Ausführungen auch in der Untersuchung selbst manchmal schwer zu verfolgen sind.


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