Günther Binding, Matthias Untermann: Kleine Kunstgeschichte der mittelalterlichen Ordensbaukunst in Deutschland. 3., ergänzte Auflage, Stuttgart: Theiss 2001. 447 S. 542 Abb.  Euro 24,90. ISBN 3-8062-1563-4.

 

Das 1985 bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt erschienene Werk liegt nun in einer dritten Auflage vor, in der der Text unverändert blieb, aber der Umfang des Literaturverzeichnisses von 22 auf 25 Seiten erweitertet wurde (ergänzte Neuauflagen älterer Titel sollten immer berücksichtigt werden). Für die Spätantike ist die Darstellung insofern von Interesse, als bekanntlich im 4. und 5. Jahrhundert die Grundlagen für die vielfältigen Formen des abendländischen Mönchtums geschaffen wurden. Die Autoren geben zunächst in ihrer Einleitung eine gedrängten Überblick über diese Entwicklung bis ins hohe Mittelalter. Während im Osten eremitische Lebensformen eine besondere Rolle spielten, ist das Bild des abendländischen Mönchtums von Anfang an durch das Kloster bestimmt, wobei das Eremitentum aber insoweit eine Rolle spielte als „zahlreiche Klöster des Abendlandes ... an den Gräbern von heiligmäßig lebenden Eremiten entstanden“ sind (6f.). Eine hervorragende Bedeutung hat dabei Gallien, wie zuletzt Carsten Scherließ am Beispiel von Lérins aufgezeigt hat (vgl. die Rezension in Plekos unter http://www.plekos.uni-muenchen.de/2002/rscherliess.html bzw. ...pdf). Dagegen nimmt sich das gleichzeitige Mönchtum in Noricum (Severin) nicht zuletzt wegen der politischen und ökonomischen Situation eher bescheiden aus. Während man aber auf Lérins urspünglich die Einsamkeit suchte, sehen wir Severin unermüdlich im Dienste der Bevölkerung an der mittleren Donau. Die spannende Frage, wie sich dieser Unterschied auch in den Klosterbauten niederschlug, muß wohl für die Frühzeit aus Mangel an Zeugnissen unbeantwortet bleiben. Für Severin ist die bescheidene Kirche in Boiotro (Passau-Innstadt) außerhalb des Kastells gesichert, für Lérins scheinen archäologische Zeugnisse aus der Anfangszeit des Klosters zu fehlen. Aber auch andere gallische Klöster wie die des Martin in Ligugé und Tours oder des Ursus in Loches fallen im Gegensatz zu den spätantiken Bischofskirchen durch ihre geringe Größe auf (17).

 

Für den deutschen Raum war jedoch das spätantike gallische Mönchtum ebenso wenig von besonderer Bedeutung wie zunächst Benedikts Regeln für das Frankenreich. In merowingischer Zeit übte vielmehr das irische Mönchtum entscheidenden Einfluß aus. Columbans Gründung Luxeuil gab nicht nur den Anstoß für zahlreiche Klostergründungen in Jura und Vogesen (19), auch noch in karolingischer Zeit sind die Auswirkungen der Klosterregel von Luxeuil in den Gründungen am Bodensee (Reichenau) und am Oberrhein spürbar und teilweise archäologisch gut gesichert. Die auch schon für die Frühzeit zahlreich gebotenen Pläne, alle im Maßstab 1:1000, was eine gute Vergleichsmöglichkeit bietet, geben ein anschauliches Bild dieser baulichen Entwicklung von der Spätantike zum frühen Mittelalter.

 

Gerne läßt man sich dann weiter durch das Mittelalter führen, wobei der Blick immer wieder über die eigentlichen Grenzen Deutschlands hinausgeht, da wichtige Impulse und Reformen von außen kamen. Der berühmte St. Galler Klosterplan wird ebenso diskutiert wie die Bedeutung von Cluny und Gorze, oder die Reform von Citeaux, die besonders auch in den ostdeutschen Raum hineinreichte (Altzella bei Nossen, Chorin, Doberan, Eldena bei Greifswald). Weitere Kapitel sind den Augustiner-Chorherren, den Prämonstratensern, den Ritterorden, Bettelorden und Kartäusern gewidmet. Die Baugeschichte findet ihren „Sitz im Leben“ durch Darstellung von Tagesabläufen (180–185 der Zisterzienser, 397 der Kartäuser), Einzelheiten der Liturgie (31) oder Hinweise auf Reformen (40, 75, 119, 133, 137). Somit sieht sich der Leser über die eigentliche Kunstgeschichte und den deutschen Raum hinaus in ein Zentrum mittelalterlichen Lebens geführt, dessen spätantike Wurzeln (wie etwa die Maßzahlen und Proportionen von St. Michael in Hildesheim oder der Gedanke der militia Christi in den Ritterorden) immer wieder zum Vorschein kommen. Die Fülle des Gebotenen machen das Buch zu einem wahren Kompendium mittelalterlicher Ordensbaukunst.

 

Joachim Gruber, Erlangen