Daniel Ogden: Magic, Witchcraft, and Ghosts in the Greek and Roman Worlds. A Sourcebook. Oxford: University Press 2002. X. 353 S. £ 55,-- ISBN: 0-19-515123-2.

 

Die breit angelegte Quellensammlung bietet griechische und lateinische Texte aus dem Bereich der antiken Magie und des antiken Geisterglaubens in englischer Übersetzung. Das Buch richtet sich vornehmlich an Studierende und interessierte Laien und soll den Zugang zum Thema ‚Magie und Geisterglaube im Altertum‘ in der Lehre erleichtern. Ogden (O.) will damit die Konsequenz aus dem gerade in den letzten Jahren permanent wachsenden wissenschaftlichen Interesse an diesem Themenkomplex ziehen und insbesondere auf der Basis neuerer Forschungsliteratur einen aktuellen Einblick in das relevante Quellenmaterial geben (4). Insofern soll sein Buch die ältere, nicht nur vielfach idiosynkratisch angelegte, sondern mittlerweile auch wissenschaftlich z.T. überholte Textsammlung von G. Luck sowie weitere thematisch enger gebundene Werke ersetzen,[1] wobei sowohl O.s Auswahl der Texte als auch seine Kommentare sowie sein abschließender „Guide to further reading“ (305-313) die Fortschritte in der aktuellen Forschung widerspiegeln sollen.

In der Einleitung („Introduction“, 1-8) formuliert Ogden (O.) klar die Ziele seiner Quellensammlung: Eine möglichst reichhaltige Erfassung der antiken Texte zu Zauberern und Hexen sowie eine repräsentative Auswahl an Geistergeschichten; die Vermittlung eines Einblicks in Fluchtafeln, Amulett-Inschriften und Zauber-Papyri; die (implizite) Einführung in neuere Forschungsergebnisse (3). Was O. hingegen ausdrücklich nicht anstrebt, ist eine vollständige Präsentation des relevanten Materials. Die Einschränkungen betreffen vor allem den christlichen Bereich, den O. bis auf wenige Ausnahmen ausklammert. Zudem liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf dem archaischen und klassischen Griechenland (4). Die vielfältigen Assoziationen, die sich mit den Schlagwörtern ‚Magic‘, ‚Witchcraft‘ und ‚Ghosts‘ aus dem Titel verbinden lassen, versucht der Verfasser vor allem auf den Bereich der Magie zu konzentrieren, dem wesentliche Teile des Buches gewidmet sind (vgl. 5), wohingegen die antiken Geistergeschichten eher unsystematisch und unter verschiedenen Rubriken aufgenommen worden sind (so erscheint z.B. die Geschichte vom Geist der Melissa [Hdt. 5,92] unter dem Kapitel „Necromancy“, die Erzählung vom Geist der Philinnion [Phleg. mir. 1] unter „Ghosts“, die damit eng verwandte Erzählung von der Vertreibung eines ähnlichen Gespenstes durch Apollonios von Tyana [Philostr. Apoll. 4,25] jedoch unter „The Rivals of Jesus“) – dies eine Konsequenz der schwer nachvollziehbaren These O.s, daß antike Geister (und damit auch Geistergeschichten) letztlich dem umfassenden Bereich der Magie zuzuordnen seien.[2] Im Hinblick auf die Geistergeschichten empfiehlt es sich daher, ergänzend weiterhin auch die älteren Textsammlungen heranzuziehen.[3]

O. präsentiert sein Material in 13 vorwiegend thematisch eingegrenzten Kapiteln: „Greek Sorcerers“ (9-32), „Alien Sorcerers“ (33-60), „The Rivals of Jesus“ (61-77) – hier geht es vor allem um die Personen des Apollonios von Tyana, Alexander von Abonuteichos und Simon Magus –, „Medea and Circe“ (78-101), „Witches in Greek Literature“ (102-114), „Witches in Latin Literature“ (115-146), „Ghosts“ (146-178), „Necromancy“ (179-209), „Curses“ (210-226), „Erotic Magic“ (227-244), „Voodoo Dolls and Magical Images“ (245-260), „Amulets“ (261-274), „Magic and the Law“ (275-299).

Über diese Gliederung läßt sich diskutieren, zumal die ihr zugrunde liegenden Kriterien trotz einer kurzen Erläuterung in der Einleitung, die vor allem auf didaktische Belange abhebt (5-7), letztlich unklar bleiben: Unterschieden wird einerseits zwischen griechischen und nichtgriechischen Zauberern, d.h. nach dem Kriterium ‚Griechentum‘. Die „Rivals of Jesus“ erhalten ein eigenes Kapitel, während Jesus selbst lediglich als Dämonenaustreiber im Kapitel „Ghosts“ (168) erwähnt wird.  Unter den Hexen wird zwischen denen in der griechischen und denen in der lateinischen Literatur differenziert, wobei Medeia und Kirke sogar ein eigenes Kapitel und damit offenbar eine Sonderstellung erhalten, die aber nicht aus ihrer mythischen Qualität resultieren kann, denn die ebenfalls mythische Deianeira, die Frau des Herakles, erscheint erst im folgenden Kapitel. Fraglich ist auch, ob die Trennung zwischen „Curses“ und „Erotic Magic“ wirklich in der vorgetragenen Stringenz sinnvoll ist. Andererseits ist aber angesichts der Vielfalt der behandelten Inhalte und der Schwierigkeiten, innerhalb des Komplexes ‚Magie und Geisterglaube‘ klare Trennlinien zu ziehen, sicherlich auch zu berücksichtigen, daß jede Art der Gliederung des entsprechenden Materials Probleme mit sich bringt; allerdings hätten sich die Schwierigkeiten durch eine stärker sachbezogene Einteilung der Kapitel reduzieren lassen. Eine Unterscheidung von Hexen in der griechischen und in der lateinischen Literatur will mir als Gliederungskriterium jedenfalls nicht einleuchten. O. selbst fängt jedoch einen großen Teil dieser vielfach selbst geschaffenen Probleme durch ein ausgefeiltes System von Querverweisen auf, die den eigentlichen Wert seines Buches ausmachen; denn sie vernetzen nicht nur ohnehin Zusammengehöriges miteinander, sondern weisen auch auf Verbindungen, die auf den ersten Blick nicht kenntlich sind.

Die Quellensammlung – die bisher umfangreichste zu Magie und Geisterglauben in der Antike – besticht vor allem durch ihre Materialfülle. O. hat nicht nur die bekannten literarischen Texte sowie prominente Papyri herangezogen, sondern – nach dem wiederum nicht vollständig überzeugenden Kriterium ihrer Relevanz in der Forschungsliteratur (5) – auch unbekannteres und schwerer zugängliches Material aus der antiken Dichtung, ferner Scholien, spätantike und mittelalterliche Lexika, Inschriften u.a. Jedem Text – sämtliche Übersetzungen stammen vom Verfasser – ist ein kurzer Kommentar beigefügt, in dem die wichtigsten Informationen zum Verständnis der Quellen gegeben werden. Auf diese Weise ist ein instruktiver und detaillierter Überblick über das Thema entstanden, der auch der Forschung sicherlich weitere Impulse verleihen wird. Dazu trägt nicht zuletzt das sehr ausführliche Literaturverzeichnis bei (313-337), dem ein Index der zitierten Quellen (339-344) sowie ein (leider unvollständiges) Register (345-353) beigefügt ist.

Bedauerlich ist, daß O. den gesamten christlichen Bereich ausgespart hat; denn trotz der grundsätzlichen Unterschiede zwischen paganem und christlichem Magie- und Geisterglauben, der letztlich schon in den Berichten über Jesu Auferstehung zumindest implizit thematisiert wird,[4] setzt sich die christliche Literatur nicht nur mit heidnischen Vorstellungen auseinander, sondern schöpft aus ihnen auch Anregungen und spinnt verschiedene Motive fort – freilich unter ganz anderen Vorzeichen.[5] Insofern bleibt zu hoffen, daß O.s gewinnbringende Arbeit für den paganen Bereich bald auch ihr Gegenstück für den christlichen Bereich erhalten wird.

 

Mischa Meier, Bielefeld
mmeier8@Geschichte.uni-bielefeld.de



[1]  Vgl. G. Luck: Arcana Mundi. Magic and the Occult in the Greek and Roman Worlds, Baltimore/London 1985; J. G. Gager: Curse Tablets and Binding Spells from the Ancient World, Oxford 1992; H. D. Betz: The Greek Magical Papyri in Translation, Including the Demotic Spells, Chicago 2. Aufl. 1992; R. Kotansky: Greek Magical Amulets. The Inscribed Gold, Silver, Copper, and Bronze Lamellae, Bd. 1: Published Texts of Known Provenance, Opladen 1994.

[2] Vgl. dazu O.s Ausführungen: „If there is one overriding argument implicit in the book, it is, as the title itself indicates, the contention of the centrality of ghosts to ancient magic: they were not its only motor, but it is fair to say that they were its chief one. The importance of the role of ghosts in ancient magic has particularly come to the fore in recent work on curse tablets. The chapterization of the book has been developed to take this importance into account“ (5). Während die Betonung der bedeutenden Rolle des Geisterglaubens in magischen Kontexten für die Antike grundsätzlich sicherlich zutrifft, erscheint die von O. daraus zumindest implizit gezogene und in seinem Buchaufbau sich spiegelnde Konsequenz, wonach sämtliche antike Geistergeschichten sich in magische Zusammenhänge einbinden lassen, übertrieben; vgl. M. Meier: Funktionen und Bedeutung antiker Gruselgeschichten – Zur Erschließung einer bisher vernachlässigten Quellengruppe, Gymnasium 110 (2003), 237-258.

[3] Vgl. P. Wendland: Antike Geister- und Gespenstergeschichten, in: Th. Siebs (Hg.), Festschrift zur Jahrhundertfeier der Universität Breslau, Breslau 1911, 33-55; L. Collison-Morley: Greek and Roman Ghost Stories, Chicago 1912, ND 1968; B. Kytzler: Geister, Gräber und Gespenster. Antike Spukgeschichten, Leipzig 1989; A. Stramaglia: Res inauditae, incredulae. Storie di fantasmi nel mondo greco-latino, Bari 1999.

[4] Vgl. M. Ebner: Neutestamentliche Wunder- und Erscheinungsgeschichten auf dem Prüfstand skeptischer Kritik, in: Lukian. Die Lügenfreunde oder: Der Ungläubige. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von M. Ebner/H. Gzella/H.-G. Nesselrath/E. Ribbat, Darmstadt 2001, 167-182.

[5] Vgl. z.B. die Variante der bekannten Spukhaus-Geschichte, die O. in der Version Lukians zitiert (Philops. 27 u. 31), bei Greg. Dial. 2,4.