Hans-Joachim Drexhage, Heinrich
Konen, Kai Rüffing: Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1.-3. Jahrhundert). Eine
Einführung. Berlin: Akademie Verlag 2002 (Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten
Welt). 400 S. Euro
34,80. ISBN 3-05-003430-0[1]
Die Wirtschaft der römischen
Kaiserzeit steht zunehmend im Mittelpunkt des Interesses der althistorischen Forschung.
Seit beinahe einhundert Jahren ist sie von der Kontroverse der sog.
Primitivisten und Modernisten geprägt. Nicht umsonst wird diese
Forschungskontroverse als Jahrhundert-Debatte bezeichnet (Einführung, S.
19-21 zusammenfassend).[2]
Das in seiner Wirkung nachhaltigste Konzept der (neo-)primitivistischen Schule
legte M.I. Finley vor. Er betonte, dass die antike Wirtschaft vor allem durch soziale und
politische Gegebenheiten bestimmt gewesen sei. So sei den römischen Führungsschichten
der Begriff von wirtschaftlicher Rationalität in Gänze unbekannt gewesen. Ihre
Rechtsstellung und Mentalitätslage(n) ließen sie aus Sicherheitserwägungen vornehmlich
in Grund und Boden investieren. Diese Haltung habe jeden technischen Fortschritt und
Rationalisierungsmaßnahmen in der Produktion verhindert.[3] Von den
Modernisten wurde an dieser Position kritisiert, dass sie gerade aufzeige, was
die (kaizerzeitlich-römische) Wirtschaft nicht gewesen sei. Aus dem Vergleich des
römischen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems mit anderen vorindustriellen
(frühneuzeitlichen) konnte vor allem Pleket verdeutlichen, wie sehr die reichsrömischen
Eliten bei der Ausgestaltung von Handel und Gewerbe mitgewirkt haben. Weiterhin
verdeutlichte er erstens die Existenz interdependenter Märkte, die ihr Entstehen dem
Aufschwung des Städtewesens und der fortschreitenden starken Urbanisierung in den ersten
beiden Jahrhunderten n.Chr. verdankten, zweitens die konsequente fiskalische Durchdringung
des Reiches durch den Staat und drittens seine weitgehende Monetarisierung.[4]
In dem hier vorliegenden Band haben sich Drexhage, Konen und Rüffing (= D., K.
& R.) jedoch dahingehend festgelegt, dass sie keinen neuen theoretischen Entwurf
zum Charakter der kaiserzeitlichen Wirtschaft vorlegen, sondern durch eine
Auseinandersetzung mit den primitivistischen Thesen unter Berücksichtigung
des modernistischen Blickwinkels eine klare Diskussion der grundlegenden
Fragen des Themas führen wollen. Dies solle auf Grundlage aller zur Verfügung stehender Quellengruppen
erfolgen, aus denen die Historiker ihre Forschungserkenntnisse ziehen (S. 20-21). Nach
Einordnung ihres Buches in den Forschungskontext geben D., K. & R. in ihrem ersten
Kap. noch einen kurzen Überblick über die unterschiedlichen geographischen,
demographischen und politischen Voraussetzungen des kaiserzeitlichen Imperium Romanum (S.
21-25). So sei es insbesondere den Folgen der Errichtung des Prinzipats durch Augustus und
seiner Pax Romana zu verdanken, dass für die
Entwicklung der Wirtschaft der Folgezeit konsolierende Rahmenbedingungen geschaffen
wurden: Ausbau der Verkehrswege und der Verkehrsinfrastruktur, Rechtssicherheit für alle
Reichsbewohner und Schaffung einer einheitlichen Währung im Reichsgebiet u.v.m. (S.
24-25).
Nach diesem einleitenden Kap. 1 folgt der Hauptteil in weiteren sieben Kap. mit
umfassender Erörterung der kaiserzeitlichen Wirtschaft, dem ein deutlich vom ersten
separierter Material-Teil, der eine Vielfalt antiker Quellen in deutscher Übersetzung
bietet, folgt.
Im zweiten Kap. wird das Verhältnis von Staat und Wirtschaft erörtert - ein
Kap., das aufgrund seiner Wichtigkeit ausführlicher besprochen werden soll (S. 27-57).
Man stoße auf zahlreiche Probleme, da sich die Quellenlage als schwierig erweise und man
beispielsweise aus der Prinzipatszeit über keinerlei ökonomische Schriften, geschweige
denn über Regierungs- und Absichtserklärungen der Kaiser verfüge. Außerdem wisse man
kaum etwas über die Sachkompetenz der Imperatoren und ihrer Berater. Die Autoren geben
vor allem der Forschungsrichtung den Vorzug, die Eingriffe in die Wirtschaftsprozesse von
staatlicher Seite nicht grundsätzlich in Frage stellt. Dies zeige sich z.B. dadurch, dass
auf Geheiß der Kaiser oder mit staatlicher Unterstützung das römische Straßennetz
schließlich 80-100.000 km(!) umfasst habe, Brücken, Häfen und Kanäle gebaut oder
ausgebaut wurden. Es handelt sich also um umfassende staatliche
Infrastrukturfördermaßnahmen (S. 28).[5] Als weitere Beispiele für
staatliche Eingriffe in die Wirtschaftsprozesse werden die Billigung zur Schaffung neuer
ländlicher und städtischer Märkte sowie die Rücknahme steuerlicher Belastungen für
z.B. Städte in Krisensituationen genannt. Von besonderer Bedeutung ist weiterhin der
Umstand, dass ohne erkennbare fiskalische oder politisch-militärische Ambitionen
dennoch zu dem Mittel staatlicher Reglementierung bzw. Intervention gegriffen" wurde,
wie die Vf. interessanterweise feststellen (S. 28). Dass selbst kurzfristig regierende
Kaiser über ein durchdachtes ökonomisches Konzept verfügt haben müssen, lässt sich
anhand der Beseitigung wirtschaftlicher und sozialer Missstände zeigen, so z.B. mithilfe
des Aufkaufs brachliegenden Landes in Italien, der Parzellierung und der Abgabe an arme
Bürger durch Kaiser Nerva (S. 30).[6] D., K. & R. gehen sogar
soweit, dass es in der römischen Kaiserzeit so etwas wie eine wohldurchdachte
Wirtschafts- und Sozialpolitik gegeben haben könne (S. 30).
Des weiteren muss auch die kaiserliche Baupolitik, obwohl sie ursächlich als
Instrument der Propaganda und der Selbstdarstellung gedacht war, als Impulsgeber für die
Bauwirtschaft angeführt werden. Die Vf. korrigieren die an dieser Stelle weitgehend
zurückhaltende Forschung zu Recht, da von diesen durch Kaiser und Staat initiierten
Bauprojekten zahlreiche Großaufträge für das Baugewerbe ausgingen. Die Hintergründe
für solche Maßnahmen waren vielfältiger Natur, so etwa zur Beseitigung von Schulden,
Missständen und der Vergabe von Privilegien (S. 31-34). Wichtige Bereiche kaiserlicher
Wirtschaftspolitik waren dann die Förderung des Handels in den Provinzen durch moderate
Zölle, die Versorgung des Heeres mit (positiven) Auswirkungen für die regionale
Wirtschaft und die dortige gewerbliche Produktion. Deshalb verfügten die
Provinzstatthalter ebenfalls über weitreichende Kontroll- und Aktionsmöglichkeiten: die
Aufsicht über die Finanzen, die Vergabe von Marktrechten etc. (S. 34-37). Bedeutsam für
den Einfluss auf die Wirtschaft war weiterhin die reichsweite Durchdringung und
Etablierung des römischen Währungssystems unter Augustus und die allein kaiserliche
Kontrolle über die Münzprägungen. Für die positive wirtschaftliche Entwicklung des 1.
und 2. Jh. n.Chr. war die relative Wertstabilität des Geldes verantwortlich. Eine der
wichtigsten staatlichen Aufgaben stellte die Bezahlung und die Versorgung der Soldaten
dar. Davon ging eine immense Kaufkraft aus, die das wirtschaftliche Umfeld der
Militärlager maßgeblich beeinflusste (S. 38-42). Auch der Staatshaushalt erwies sich bis
zum Ende des 2. Jh. n.Chr. als weitgehend ausgeglichen, was ebenfalls im Rahmen der
staatlichen Steuer- und Investitionspolitik positive Rückwirkungen auf die römische
Wirtschaft hatte (S. 42-57). Zur Quellenlage sei noch bemerkt, dass die Staatsausgaben
weitaus besser erfassbar sind als die Einnahmen. Als Beispiel hierfür sei auf die
Soldzuwendungen an die römischen Soldaten verwiesen, wozu in dieser Einführung
übersichtliche sowie verständliche Tabellen geliefert und ausgewertet werden (S. 49-50).
Die Landwirtschaft, die für eine substantielle Beurteilung einer jeden
vorindustriellen Gesellschaft unabdingbar ist, ist das Thema des dritten Kap. (S. 59-100).
Sie war für die römische Bevölkerung und Ökonomie der wichtigste Wirtschaftssektor.
Gerade die riesige Ausbreitung des Imperium Romanum über sehr unterschiedliche Klimazonen
mit verschiedenen Bodenqualitäten erschwert es, ein einheitliches Bild über das
Agrarwesen der frühen und hohen Kaiserzeit zu entwickeln (S. 59). Insgesamt gelingt
es den Vf. unter Heranziehung neuerer Detailstudien entgegen den Pauschalurteilen der
Modernisten und Primitivisten[7] die Heterogenität und die
Komplexität der römischen Landwirtschaft aufzuzeigen. Obwohl die Quellenlage sich als
dürftig erweise, könne dies auf dem Wege interdisziplinärer Zusammenarbeit geschehen
mit z.B. Archäologen, die gerade im regionalen Bereich Einblicke in die Wirtschaftsformen
von Landgütern, kleinen Gehöften und Siedlungen erlaube, oder etwa mit Paläobotanikern
und Anthropologen, die Aussagen über das allgemeine Ernährungsverhalten bzw. die
Grundversorgung der damaligen Menschen lieferten. Zunächst wird in diesem Kap. die
Qualität der Bodenbewirtschaftung untersucht. Hierbei können die Vf. entgegen den Thesen
der primitivistischen Wirtschaftshistoriker herausstellen, dass die Römer
bereits ein höheres Produktionsniveau in der frühen und hohen Kaiserzeit erreichten als
im Mittelalter oder in der frühen Neuzeit. Dazu trugen nicht nur die unter dem wachsenden
Bevölkerungsdruck in Stadt und auf dem Land entwickelte Vielzahl von Getreidesorten,
sondern auch die bereits frühe Einführung neuer Pflugtypen (vgl. auch M 33, S. 239f.).
Die bereits vorhandene Dreifelderwirtschaft und Fruchtwechselsysteme neben den
ausgeklügelten Bewässerungssystemen im Garten- und Feldbau trugen ebenfalls zu einer
erfolgreichen Landwirtschaft bei (S. 68-72). Was die im folgenden besprochene Ertragslage
anbelangt, so müsse laut D., K.& R. davon ausgegangen werden, dass die
Agrarproduktivität Italiens ... mit 4- bis 15fachen Erträgen wohl wesentlich
höher als als noch im Spätmittelalter gewesen sei (S. 67).[8]
Fernerhin diskutieren die Autoren im Rahmen des Unterkap.: Reichsweiter
Landesausbau (S. 72-84) die schrittweisen Wandlungen der Agrarverhältnisse im Laufe
der Kaiserzeit. Besonders deutlich sei dies für Italien, wo sich im 2. und zu Beginn des
3. Jh. n.Chr. ein begrenztes Villensterben und eine partielle Neustrukturierung der
Produktion feststellen lasse. So wurden die landwirtschaftlichen Ressourcen des Imperium
Romanum während der Kaiserzeit umfassend erweitert. Bis zur Regierung Marc Aurels ließe
sich deshalb ein beträchtliches Bevölkerungswachstum in Kleinasien und Afrika
nachweisen. Was den von vielen Forschern postulierten Niedergang des
Agrarsektors in Italien anbelangt, so kann von jenen die Forschung dahingehend korrigiert
werden, dass trotz Stagnation der Produktion von dort eine Schwerpunktverlagerung
derselben in andere Regionen des Reiches erfolgt sei. Trotz alledem sei die
landwirtschaftliche Produktion in vielen Gegenden Italiens nach wie vor auf hohem Niveau
gewesen (S. 84). Daran anschließend wird die Organisation der Bodenbewirtschaft erörtert
(S. 84-93) und, inwieweit die Wirtschaftsform des Kleinbauerntums eine
Subsistenzwirtschaft gewesen sei oder einer Marktorientierung unterlegen habe (S. 93-96).
Und obwohl die Landwirtschaft sich als produktiv und fortschrittlich zeigte, war sie
dennoch sehr störanfällig bei ausbleibenden Regen, unvorhergesehenen Kälteeinbrüchen,
Hagelschlägen und Schädlingsplagen. Die Folgen waren Missernten mit gravierenden Folgen
trotz des hervorragend ausgebauten Verkehrssystems: Nahrungsmittelengpässe,
Preiswuchereien bei Getreide etc. Von staatlicher Seite wurden hierbei geschickt
Gegenmaßnahmen zur Beseitigung oder Abmilderung der Krisen unternommen. So griffen die
Kaiser regulierend in die landwirtschaftliche Produktion ein, so z.B. durch Pacht- und
Steuernachlässe, Verbesserung der Infrastruktur etc. (S. 97-100).
Im vierten Kap. betrachten die Vf. das kaiserzeitliche Handwerk (S. 100-117). Mit der Begründung des augusteischen Prinzipats nahmen der Handel und die gewerbliche Produktion einen starken Aufschwung. Die Gründe dafür seien ihrer Ansicht nach mannigfaltig wegen u.a. einer konsumkräftigen Oberschicht in den Städten, der Stationierung von Militär in den Grenzprovinzen mit entsprechender Kaufkraft (S. 101). Zunächst werden daraufhin die verschiedenen Produktionsformen vorgestellt. Die Palette reiche vom saisonal im dörflichen Kontext arbeitenden Handwerker bis zur Massenproduktion in Manufakturen in den Händen von Unternehmern. Gleiches gelte für den sozialen Status des gewerbetreibenden Handwerkers, der sowohl einfacher Sklave als auch freier römischer Bürger sein könne. Insbesondere in den Städten sei es die (wohlhabende) Oberschicht gewesen, die dem Handel Impulse gegeben habe. Während im dörflichen und kleinstädtischen Rahmen eher für den Grundbedarf produziert worden sei, gab es indes in den Städten Handwerksunternehmen mit Exportorientierung (S. 101-105). Zu Ende dieses Kap. werden die verschiedenen Rechtsbereiche, der hauswirtschaftliche und verkehrsrechtlich-staatliche, in denen sich das Handwerk vollzog, thematisiert (S. 105-108), danach die Organisation der gewerblichen Produktion (S. 108-112). Sodann werden die starke Spezialisierung in Handwerk und Gewerbe veranschaulicht. So seien in Inschriften aus Rom allein zweihundert verschiedene Gewerbe überliefert (S. 113-114). Auch bei den Ausbildungsberufen seien große Differenzierungen feststellbar (S. 114-117).
Das folgende Kap. 5 (S. 119-147) beschäftigt sich mit der quantitativen und qualitativen Einordnung des Handels in das kaiserzeitliche Wirtschaftsgefüge. Es werden einerseits die regionalen (S. 120-126), andererseits die überregionalen Rahmenbedingungen des Handels untersucht (S. 126-134). Eines der wichtigsten Erkenntnisse dieses Kap. bei der Diskussion des Außen- und Fernhandels ist, dass trotz des hohen Kostenaufwandes des Überlandtransports mit Gespann oder Lasttieren er dem auf dem Seewege vorgezogen worden sei (S. 134-145). Die Vf. konstatieren dann entgegen der Mehrheitsmeinung der Forschung, dass der Seetransport zwar effizienter als der Landtransport gewesen sei, aber nicht in dem von der Wissenschaft angenommenen Maße (S. 144-145). Dieses Kap. wird mit einer Diskussion über die Arten der Zölle und deren Funktion beschlossen.
In Kap. 6 (S. 149-160) beschäftigen sich die Autoren mit dem Thema Banken
und sonstige Dienstleistungen, also jenen Tätigkeiten im Erwerbsleben, die sich
nicht auf den Primär- und Sekundärsektor der römischen Wirtschaft beziehen. Dieser
tertiäre Sektor sei in dieser vorindustriellen römischen Gesellschaft in nur geringem
Maße ausgebildet gewesen. Zunächst wird ein Überblick über das römische Bankenwesen
gegeben (S. 149-156). Dem an schließen sich überblicksartige Darstellungen folgender
Bereiche: Unterhaltungsgewerbe, Prostitution, das Bildungswesen, Medizin und Jurisprudenz
(S. 156-160).
In Kap. 7 versucht das Autorengespann, den Lebensstandard der
reichsrömischen Bevölkerung zu skizzieren (S. 161-191). Angesichts der Quellensituation
sei es allerdings nur möglich, die Rahmendaten zu erfassen, in denen sich das Leben der
Römer der Kaiserzeit abgespielt habe. Die Verbindung und Verteilung von Reichtum/Armut,
Lebenserwartung und Ernährung waren entscheidend für die Wohlfahrt und die
Lebensstandards der im Kaiserreich Lebenden. In diesem Zusammenhang fassen die Vf. gerade
die neueste und neuere Forschung zusammen. Anhand von Skelettfunden zeigen sie z.B. auf,
was als Ernährungsgrundlage der meisten Menschen gedient hat. Weitgehende Einigkeit
herrsche in der Forschung darüber, dass die meisten damaligen Menschen unter
bedrückenden Verhältnissen gelebt haben müssten. Reichsweit habe es keine systematische
(Sozial-)Sicherung gegeben, obwohl der Kaiser Maßnahmen mit sozialpolitischer Zielsetzung
unternahm: die staatliche Getreideversorgung in Rom, Alimentarstiftungen etc. Dennoch sei
der römische Staat kein alle Bewohner gleich vereinnahmender Wohlfahrtsstaat
gewesen (S. 172-176). Ergänzend dazu versuchen die Autoren die kaiserzeitlichen Preis-
und Lohndaten in ihre Untersuchung einzubeziehen, da sie sich für die Rekonstruktion des
damaligen Sozialgefüges als unerlässlich erweisen (S. 177-183). Abschließend werden in
diesem Kap. die Lebenserwartung und die Familienstrukturen veranschaulicht (S. 183-186).
Im Bereich der Ernährung kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass zwar für die
Allgemeinheit Fleischprodukte unerschwinglich gewesen seien, jedoch insgesamt die
Ernährung vielfach reichhaltiger, abwechslungsreicher ... gewesen sei als im
Mittelalter (S. 191). Insgesamt müsse nach Prell, so das Ergebnis der Autoren, von einem
relativ gut versorgten Kernland des Imperium Romanum ausgegangen werden.[9]
Im achten und letzten Kap. dieser Einführung werden die
Reichskrise des 3.Jh. n.Chr. und ihre Rückwirkungen auf die römische
Wirtschaft untersucht (S. 193-201). So mussten von den Severern beispielsweise nicht nur
Umsummen für das Militär aufgebracht werden, sondern auch die Finanzverwaltung umfassend
umgebaut werden. Dies bedeutete eine weitere Belastung für den ohnehin unter Druck
stehenden Staatshaushalt. Vor allem die Oberschichten wurden folglich in beiden
Reichsteilen stärker für das Steueraufkommen herangezogen. Auf dem Hintergrund einer
Organisation des Handels in überschaubaren regionalen Räumen kommen die Autoren
angesichts der vorherrschenden wirtschaftlichen Kontinuitäten zu dem Ergebnis, dass
von einer allgemeinen Wirtschaftskrise des Reiches bis zur Mitte dieses Jahrhunderts
[i.e.: des
3.Jh. n.Chr., d.Vf.] nicht geredet werden könne. (S. 200).
Im zweiten Abschnitt dieses Studienbuches geben die Autoren einen Materialteil bei,
der sich an der Gliederung des Darstellungsteiles orientiert (S. 205-310). Dieser
Quellenteil bietet hauptsächlich Texte, die der antiken Literatur entnommen sind,
Inschriften, urkundliche Papyri neben Gesetzesstexten (auch Verfassungstexte!) in
deutscher Übersetzung. Diese Texte werden ausführlich kommentiert und in Bezug zum
ersten Teil gesetzt. Daneben wird in ähnlicher Weise auch umfassend archäologisches
Material herangezogen und ausgewertet, so z.B. Amphoren, Keramikprodukte, in denen man
Agrarprodukte wie Wein und Oliven aufbewahrte, um Handelsverbindungen und wirtschaftliche
Verflechtungen aufzuzeigen. Dieser sehr materialreiche und anregende Teil berücksichtigt
hierbei die wichtigste Literatur zu jedem Einzelaspekt.
Der dritte Buchteil enthält einen Glossar, um gerade Studenten oder Interessierten
anhand von Kurzdefinitionen wichtige Begriffe, die im Zusammenhang mit der
kaiserzeitlichen Wirtschaft stehen, zu erläutern (S. 313-324). Es folgen ein Verzeichnis
der abgekürzt zitierten Zeitschriften und Reihen (S. 325-326) sowie ein sehr
umfangreiches, gerade die neuere und neueste Literatur bis 1999 erfassendes
Literaturverzeichnis (S. 327-374).[10] Abgerundet wird diese
Einführung durch ein Abbildungsverzeichnis (S. 375)[11], ein Stellenregister (S.
377-389), ein Personenregister (S. 390-396) sowie ein Ortsregister (S. 397-400).
Diese Einführung in die kaiserzeitliche Wirtschaft ist in mehrfacher Hinsicht
gehaltvoll. Erstens liefert das Autorenteam[12] nicht nur eine umfassende
Studie aller erdenklicher Bereiche, die mit der römischen Wirtschaft (und
Gesellschaft) des 1.-3. Jh. n.Chr. zu tun haben, sondern es gelingt ihnen diese ausgewogen
miteinander in Beziehung zu setzen, obwohl dies Vor- und Rückgriffe im Verfassertext
nicht immer vermeidbar macht. Zweitens werden in dieser vergleichenden Studie die Thesen
der primitivistischen und modernistischen Schule umfassend
geprüft und gerade Finleys Ansätze korrigiert. Hierzu werden im darstellenden Teil und
Materialteil neben den literarischen Quellen auch - so weit möglich - epigraphisches und
archäologisches Material ausgewertet. Dies gilt drittens insbesondere für die
Präsentation und Schlussfolgerungen aus statistischen Analysen, so z.B. zur Zirkulation
von Münzen, von Preisen und Löhnen. Besonders hilfreich erweisen sich in diesem
Zusammenhang die eigenen Arbeiten der Vf., von denen umfassender Gebrauch gemacht wird.
Dies betrifft fernerhin die vortreffliche Heranziehung von papyrologischem Material,
welches heute von der Forschung als wichtige wirtschaftsgeschichtliche Quelle angesehen
wird - und das nicht nur für Ägypten.
Summa summarum: Die Autoren werden ihrer schwierigen Aufgabe mehr als gerecht. Sie
legen eine beachtenswerte Einführung in die Wirtschaft des Römischen Reiches der ersten
drei Jahrhunderte n.Chr. vor, welche sowohl das weit verstreute Quellenmaterial als auch
die teilweise sehr kontroverse Forschungsliteratur in ausgeglichener Weise darbietet.
Gerne wird auf dieses Studienbuch nicht nur der (interessierte) Student, sondern auch der
Fachmann oder Lehrer, der sich fortbilden möchte, zurückgreifen.[13]
Holger Koch, Mannheim
holgerkoch@web.de
[1] Vgl. bereits D.S. Kehoe: Rez. in: Sehepunkte 2 (2002), Nr. 10 [15.10.02], URL: http://www.sehepunkte.historicum.net/2002/10/3050034300.html.
[2] Vgl. z.B. M. Tschirner: Moses, I. Finley: Studien zu Leben, Werk und Rezeption. Diss. Marburg 1994; H.W. Pleket: Wirschaft, in: W. Fischer u.a. (Hg.): Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit. Stuttgart 1990, S. 26-160, hier S. 32ff.
[3] Vgl. M. I. Finley: The Ancient Economy, Berkeley/Los Angeles 2. Aufl. 1985. Die Erstauflage erschien New York/London 1973, eine deutsche Übersetzung: M.I. Finley: Die antike Wirtschaft. München 1977.
[4] Vgl. Pleket (wie Anm. 2) S. 32ff., 55ff.
[5] So bezeugt z.B. die Inschrift CIL IX 6075 (= ILS 5875) das hohe finanzielle Engagement im Straßenbau von kaiserlicher Seite aus.
[6]
Plin. epist. 7,31,4; Cass. Dio. 68,2,1.
[7] Die einen qualifizieren die Landwirtschaft der Kaiserzeit pauschal als marktorientiert und fortschrittlich, die anderen als rückständig und wenig diversifiziert.
[8] Die Vf. zitieren F. Kolb: Die Stadt im Altertum. München 1984, S. 244.
[9] M. Prell: Sozialökonomische Untersuchungen zur Armut im antiken Rom. Von den Gracchen bis Kaiser Diokletian. Stuttgart 1997, hier S. 100f.
[10] Vgl. dazu im Vorwort zu diesem Buch, S. 12: Die Einvernahme von Forschungsliteratur reicht nur in wenigen Fällen in das Jahr 2000. Dennoch werden einige Arbeiten aus dem Jahr 2000 aufgeführt (in alphabetischer Reihenfolge): C. Beyer-Fusco: Ein Lebensmitteltransport aus der Kyrenaika zwischen Schmuggel und Erschleichung von Subventionen. MBAH XIX 1, 2000, S. 34-47; H. Konen: Classis Germanica. Die römische Rheinflotte im 1.-3. Jh. n.Chr. St. Katharinen 2000; N. Kruit/K.A. Worp: Geographical jar names: towards a multi-disciplinary approach. APF 46, 2000, S. 65-146; F. Kudlien: Antike Bezeichnungen für Schmuggel. MBAH XIX 2, 2000, S. 100-108; K. Ruffing: Die Geschäfte des Aurelios Nebuchelos. Laverna 11, 2000, S. 71-105.
[11] Leider fehlen bei Abb. 5 und 6 die Klammern am Ende der bibliographischen Angaben.
[12] Leider gibt das Autorenteam nicht an, wer für welchen Teil dieser Einführung verantwortlich zeichnet.
[13] Vgl. dazu das Vorwort der Herausgeber der Reihe Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt (S. 5-7).