Daniel Caner: Wandering, Begging Monks. Spiritual
Authority and the Promotion of Monasticism in Late Antiquity. Berkeley/Los Angeles/London:
University of California Press 2002 (Transformation of the Classical Heritage 33). XV,
325 S. ISBN: 0-520-23324-7.
Nicht nur für religions- und
kirchenhistorische Aspekte, sondern auch für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der
Spätantike ist das seit dem 3. Jahrhundert entstehende Mönchtum von hoher Bedeutung.
Dementsprechend war die Herausbildung mönchischer Lebens- bzw. Habitusformen schon des
öfteren Gegenstand ausführlicher Untersuchungen, wobei viele der einschlägigen Arbeiten
freilich einen stark deskriptiven Charakter aufweisen. Daniel Caner hat nunmehr einen
neuen Zugang gewählt. Er steht deutlich in der Tradition der Forschungen Peter Browns zu
den Holy Men, ihren sozialen und spirituellen Funktionen sowie ihren Verflechtungen in
ländlichen und z.T. auch urbanen sozialen Strukturen; aus diesem Grund liegt Caners
Augenmerk weniger auf dem Vorgang der Entstehung des Mönchtums an sich, als vielmehr auf
der Frage danach, warum bestimmte mönchische Lebens- und Repräsentationsformen
allgemeine Akzeptanz gefunden haben, während andere, in der Praxis vielfach identisch
erscheinende Formen als häretisch stigmatisiert werden konnten. Der Verfasser verfolgt
die Herausbildung eines common sense unter den
Zeitgenossen der Phase ca. 360-451 seinem Untersuchungszeitraum in der
Frage, was als good and holy zu akzeptieren sei und was nicht (2). Seine
exzellente Arbeit beschäftigt sich dementsprechend mit der Konkurrenz unterschiedlicher
Asketen und Mönche Caner hält allzu scharfe Differenzierungen zwischen beiden
Gruppen für wenig sinnvoll (12) , ferner asketischer Laien und offizieller Kleriker
um die Deutungshoheit in der Kontroverse um das Heilige und seine
Phänomenologie.
Der Fokus der Untersuchung richtet sich
auf den Osten des Imperium Romanum (wenngleich
wiederholte Blicke in den Westen, v.a. Africa, den Horizont durch instruktive Vergleiche
erweitern), d.h. auf Ägypten, Syrien/Mesopotamien, Kleinasien und schließlich
Konstantinopel.
Das erste Kapitel (Wandering in
the Desert and the Virtues of Manual Labor, 19-49) behandelt die Entstehung des
Mönchtums in Ägypten unter der Fragestellung, welche Konsequenzen sich aus dem Diskurs
über die Bedeutung des Wanderns und der körperlichen Arbeit ergaben. Wandernde Mönche
galten, so Caner, oft als Personen, die sich mutwillig körperlicher Betätigung entzogen.
Da in der ägyptischen Wüste aber der Einsatz jedes Einzelnen zum Überleben notwendig
gewesen sei, habe das mönchische Ideal des unabhängigen Wanderers rasch zu Spannungen
geführt, zumal die Wandermönche von Almosen lebten, durch deren Vergabe sich die
Ressourcen der übrigen Mönche weiter verringert hätten. Da die Zahl der Mönche im
Ägypten des 4. Jahrhunderts sprunghaft angestiegen sei, habe es sich bei den wandernden
Bettelmönchen durchaus um einen ernstzunehmenden wirtschaftlichen Faktor gehandelt. So
sei das Bild des wandernden Parasiten entstanden, freilich in Konkurrenz zum Ideal des in
vollkommener Unabhängigkeit lebenden supermonk (34). Konflikte zwischen
Mönchen, die für ihren Unterhalt arbeiten mußten, und solchen, die es sich leisten
konnten, ausschließlich von Spenden zu leben, seien die Folge gewesen. Sie hätten sich
niedergeschlagen in der Herausbildung von Mönchsgemeinschaften, in denen der Arbeitsethik
eine hohe Bedeutung für das soziale Gefüge zukam. Wenn sich Mönche dennoch auf
Wanderschaft begeben hätten, so hätten sie sich an besonderen Vorbildern orientieren
müssen, deren Lebensweise sich mit dem Ethos der Mönchsgemeinschaften habe vereinbaren
lassen.
Im zweiten Kapitel (Apostolic
Wanderers of Third-Century Syria, 50-82) wird der Fokus auf den
syrisch-mesopotamischen Raum gerichtet. Caner zeigt, daß in der Retrospektive zwar auch
das spezifisch syrische, besonders rauhe und urtümliche Asketentum auf das
Vorbild des Antonius zurückgeführt wurde (50ff.), daß die eigentlich prägenden
Traditionen jedoch aus dem syrischen Raum selbst abgeleitet werden müssen: Schon im 3.
Jahrhundert lassen sich dort Asketen nachweisen, denen im Sozialgefüge einzelner
Siedlungsgemeinschaften (diese frühen Asketen hielten sich vor allem in Ortschaften auf
und suchten noch nicht die völlige Einsamkeit) eine besondere Bedeutung zugekommen sei.
Gerade im syrischen Christentum habe zudem Askese im Sinne einer Orientierung an
apostolischen Traditionen stets eine wichtige Rolle gespielt. Als Beispiel für diesen
Sachverhalt führt Caner insbesondere die apokryphen Thomas-Akten
(1. H. 3. Jh.) an, denen seiner Analyse zufolge eine besondere Bedeutung für die
Ausbildung eines spezifischen Askese-Ideals im syrischen Raum zukomme (57-65). Thomas
erscheint in diesem Text als Inbegriff einer strikten imitatio Christi;
Heimatlosigkeit und Armut zeichnen ihn aus (58), und selbst Christus spiegelt hier das
Ideal eines homeless vagrant (59), so daß Caner in den Thomas-Akten ein Christian exemplar
eines wandering, begging ascetic sehen kann (59). Armut, Demut, vollkommene
Unabhängigkeit und Ehelosigkeit formen so das Ideal einer charismatischen christlichen
Vorbildfigur. Freilich habe das Problem der Abgrenzung wahrer Holy Men von
umherziehenden Scharlatanen bestanden (das im übrigen auch schon Lukian für die pagane
Gesellschaft intensiv reflektiert). Vor diesem Hintergrund seien die ps.-clementinischen Epistulae ad virgines (3. Jh.) zu interpretieren,
auf deren Grundlage Caner die Schwierigkeiten, zwischen echten Asketen und
Betrügern zu differenzieren, nachzeichnet (65-77). Wichtig sei vor allem gewesen, daß
die Asketen die von ihnen propagierten Lebensformen auch selbst sichtbar umsetzten. Sowohl
die Thomas-Akten als auch die Epistulae ad virgines reflektierten jedenfalls den
Versuch christlicher Asketen, sich insbesondere durch strenge imitatio Christi von paganen Wanderpredigern
abzusetzen (79f.).
Den Kern des Buches bildet eine
Auseinandersetzung mit den sog. Messalianern bzw. Euchiten. Caner zeigt an ihrem Beispiel
vorbildlich und minutiös auf, wie aus ganz unterschiedlichen Motiven heraus eine
häretische Bewegung durch ihre späteren Gegner konstruiert werden konnte. Der Entstehung
des Konstrukts Messalianer aus polemischen Fremdzuschreibungen und
anschließender eigener Identitätsfindung spezifischer Gruppen auf Basis dieser
Zuschreibungen ist das dritte Kapitel (In Support of People Who Pray:
Apostolic Monasticism and the Messalian Controversy, 83-125) gewidmet. Caner
charakterisiert das Entstehen von Häresien u.a. als gezielte Marginalisierung von
Personen, die sich aufgrund besonderer Praktiken vom mönchischen mainstream
unterschieden, durch kirchliche Autoritäten. Vor diesem Hintergrund stelle die
Kontroverse um den Messalianismus lediglich ein Beispiel dar für einen den gesamten
Mittelmeerraum umspannenden permanenten Konflikt zwischen kirchlichen
Uniformierungstendenzen und außerkirchlichen Askeseformen (84-86). Vor allem Epiphanios
von Salamis habe wesentlich zur Formung eines Bildes der Messalianer beigetragen (86ff.).
Indem er bestimmte asketische Praktiken (bes. argía,
d.h. Ablehnung körperlicher Arbeit) punktuell herausgegriffen, willkürlich mit Mani in
Verbindung gebracht und dadurch vollkommen diskreditiert habe, habe er die
Messalianer gleichsam erst konstruiert und somit ein Profil geschaffen, an dem spätere
Autoren weiterarbeiten konnten. Erst sekundär und dies scheint mir von besonderer
Bedeutung zu sein wurden auch spezifische theologische Lehrmeinungen mit den
Messalianern in Verbindung gebracht (Hieronymus, vgl. 92), was schließlich dazu führte,
daß sie zum Gegenstand von Konzilien werden konnten (93f.). Eigentlichen Anstoß hatten
jedoch zunächst ihre asketischen Praktiken erregt: Ablehnung von Arbeit, um permanent
beten zu können, und Abhängigkeit von Almosen. Zu recht betont Caner, daß es sich bei
diesen Eigenschaften nicht um besondere Spezifika einer bestimmten Bewegung gehandelt
haben könne dazu waren sie viel zu allgemein , sondern um Askeseformen, die
nicht nur im Osten verbreitet waren (und insofern beschreibe Augustin, wenn er ähnliche
Praktiken rüge, nicht ebenfalls unbedingt Messalianer, sondern schlichtweg Anhänger
allgemein verbreiteter Praktiken, 117ff.). Epiphanios habe lediglich das Etikett
Messalianer benutzt, um die Praktiken unterschiedlicher asketischer Gruppen
unter einem Stichwort zusammenbringen zu können. Möglicherweise seien dabei sogar
Mißverständnisse ausschlaggebend gewesen, da ein gebildeter, städtisch geprägter
griechischer Autor offenbar Probleme hatte, asketische Praktiken, die im
ländlich-syrischen Raum verwurzelt waren, zu verstehen. Diese Probleme mußten sich
freilich immer dort ergeben, wo Asketen ihre Lebensformen strikt an apostolische
Traditionen anlehnten (103f.). Denn der eigentliche Konflikt ergab sich aus den schwer zu
vereinbarenden Worten Christi und Paulus: Während letzterer gemahnt hatte, für den
eigenen Lebensunterhalt auch zu arbeiten (etwa 2 Thess 3,12, vgl. 1 Thess 4,11-12), hatte
Christus Armut und die völlige Unabhängigkeit und Bedürfnislosigkeit gepredigt (vgl. Mt
6,25). Kirchliche Autoritäten tendierten im Einklang mit den sozialen
Lebensbedingungen im Römischen Reich, die eigene Arbeit zum Überleben erforderten
zu den Worten des Apostels, wohingegen die damit konkurrierenden, wandernden und
bettelnden Asketen im gesamten Imperium
verbreitet waren. Weil sie aufgrund ihrer strikten imitatio
Christi eine besonders hohe Autorität beanspruchen konnten, ergaben sich
zwangsläufig Konflikte zwischen ihnen und der Kirche. Diese wiederum konnten sich in der
Konstruktion von Häresien in der skizzierten Weise niederschlagen.
Wie solche Konflikte konkret aussehen
konnten, beschreibt Caner im vierten Kapitel am Beispiel des Alexandros Akoimetos, der
je nach Perspektive sowohl als Apostel als auch als Häretiker erscheint
(Apostle and Heretic: The Controversial Career of Alexander the Sleepless,
126-157). Alexandros provozierte viele Zeitgenossen u.a. dadurch, daß er in seiner
Christus-Imitatio so weit ging, nicht nur seine eigene Erlösung, sondern sogar die
Erlösung der gesamten Welt erstreben zu können (134). Caner zufolge gaben seine
Aktivitäten sogar den Anlaß für die Kontroversen um den Messalianismus in
Konstantinopel in den 20er Jahren des 5. Jahrhunderts, Alexandros selbst sei als
Messalianer aus Konstantinopel vertrieben worden. The
career of Alexander the Sleepless, so folgert Caner abschließend, illustrates
the troubles that arose when charismatic ascetics continued to pursue and advocate the
apostolic model into the fifth century; solange dies in den einsamen Regionen
Syriens geschehen sei, habe es nur wenig Aufmerksamkeit erregt. In größeren Zentren wie Antiocheia
oder Konstantinopel sei es aber rasch zum Politikum geworden (157).
Das fünfte Kapitel (Hypocrites
and Pseudomonks: Beggars, Bishops, and Ascetic Teachers in Cities of the Early Fifth
Century, 158-205) ist der Frage gewidmet, wie man in den großen Städten mit dem
Problem der wandernden Bettelmönche umging. Caner geht freilich recht
pauschalisierend von einer massiven Verschlechterung der Lebensbedingungen im
späten 4. Jahrhundert aus, verursacht durch Naturkatastrophen und Barbareneinfälle. Dies
habe eine verstärkte Landflucht zur Folge gehabt. Die Städte seien seitdem voller
untätiger Bettler gewesen. Zum traditionellen Mißtrauen gegenüber umherziehenden
Bettlern in der Antike sei jetzt auch noch ein zusätzlicher Argwohn gegenüber
heimatlosen, vereinzelten, nicht arbeitenden Männern getreten (168), die Trennung
zwischen almosensuchenden Asketen und normalen Bettlern sei zunehmend schwieriger
geworden. Caner beschreibt, wie Johannes Chrysostomos als Bischof von Konstantinopel
vorsichtig gegen vagabundierende Bettelmönche vorging, wobei der Bischof sich offenbar
bewußt war, daß bei jeder einzelnen asketischen Ausdrucksform die Frage zu stellen war,
ob, inwieweit und warum sie eigentlich verwerflich sei. Johannes sah den Konflikt zwischen
den Cristus- und den Paulusworten, tendierte jedoch ebenfalls zu letzteren und
argumentierte, daß die spiritual labors der Mönche nicht als Erfüllung der
paulinischen Aufforderung, für seinen Lebensunterhalt selbst zu arbeiten, verstanden
werden könnten (172). Im übrigen gäben die herumlungernden Asketen ein schlechtes
Beispiel für alle Christen.
Noch weiter ging, wie Caner zeigt,
Neilos von Ankyra, der in den Asketen failed monks sah, Opportunisten, die
sich wie ordinäre Bettler verhielten (181). Caner ist sich bewußt, daß in solchen
Beschreibungen ein hohes Maß an Stilisierung und Verzerrung zu berücksichtigen ist, und
er nennt auch ältere Vorbilder für entsprechende Verzeichnungen eines
Patron-Klienten-Verhältnisses (Martial, Juvenal, Lukian). Dennoch stellt er zu recht
fest, daß Neilos auf einen Sachverhalt anspielt, der sich nicht so einfach abtun läßt:
Viele Mönche bauten in den größeren Städten Patronage-Verhältnisse auf: Für
materielle Unterstützung boten sie sich wohlhabenden Aristokraten als spirituelle Lehrer
und Führer an, ähnlich wie es schon Lukian am Beispiel der selbsternannten Philosophen
beschrieben hatte. Hier lebte offensichtlich eine ältere Tradition wieder auf. Caner
kommt aus diesem Grund zu dem Schluß, daß die mönchischen Lebensweisen in den Städten
seit dem frühen 5. Jahrhundert offenbar in hohem Maße von Patronage-Strukturen bestimmt
waren auch dies bot wiederum erhebliches Konfliktpotential mit den kirchlichen
Autoritäten.
Dieses Konfliktpotential entlud sich in
Konstantinopel vor allem im Zuge der christologischen Kontroversen der 1. Hälfte des 5.
Jahrhunderts. Caner beschreibt im sechsten Kapitel (Monastic Patronage and the Two
Churches of Constantinople, 206-241) anschaulich, wie auf der Basis patronaler
Strukturen jetzt Mönchsgruppen mobilisiert werden konnten, um die einzelnen
Konfliktparteien nachhaltig zu unterstützen. Erst im 4. Kanon des Konzils von Chalkedon
wurde diesem Trend entgegengewirkt, indem die Mönche jetzt generell dem jeweils lokalen
Bischof unterstellt wurden. Als besonders würdevoll galten jetzt Mönche, die ruhig in
ihren Klöstern saßen und die Anerkennung des Ortsbischofs genossen. Damit wurden nun die
Bischöfe zu offiziellen Patronen der Mönche was ihnen wiederum neue politische
Aktionsmöglichkeiten eröffnete.
Caners Buch schließt mit einem kurzen,
ausblickartigen Epilog (243-247). In einem Anhang bietet der Verfasser eine englische
kommentierte Übersetzung der Vita des
Alexandros Akoimetos (249-280). Bibliographie (281-309) und Register (311-325) schließen
die minutös gearbeitete, lesenswerte, mitunter jedoch ein wenig zu dicht geschriebene
Arbeit ab.
Das besondere Verdienst Caners liegt
darin, die Herausbildung später allgemein akzeptierter mönchischer Askese- und
Lebensformen aus innerchristlichen, konkurrierenden Modellen zu erklären. Dabei ist
besonders der gelungene Versuch hervorzuheben, Mönche und Asketen stets in übergeordnete
soziale Beziehungsgeflechte einzuordnen. Damit hat der Autor einmal mehr gezeigt, daß
auch christliche Asketen nicht nur als unabhängige geistliche Autoritäten erklärt
werden können, die losgelöst von jeglicher sozialer Einbindung gleichsam funktionslos im
freien Raum schweben. Caners Buch stellt einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der
sozialen Strukturen in der christlichen Spätantike dar.
Mischa Meier, Bielefeld
mmeier8@Geschichte.uni-bielefeld.de