Thomas Wiedemann: Kaiser
und Gladiatoren. Die Macht der Spiele im antiken Rom. Aus dem Englischen von Nicole Albrecht. Darmstadt:
Primus Verlag 2001. 220 S., 17 Abb. (englische Originalausgabe: Emperors and Gladiators. London 1992).
Kaiser und Gladiatoren ist die Übersetzung eines
vor zehn Jahren in England erschienenen und schon bald zu einem Standardwerk avancierten
Buches. Der vor kurzem verstorbene Thomas Wiedemann hat für die deutsche Fassung einige
Änderungen und Ergänzungen vorgenommen, die vor allem das letzte Kapitel betreffen.
Insgesamt ist aber die Gelegenheit nur sehr unzureichend wahrgenommen worden, die
zahlreichen neuen Forschungsergebnisse, die nicht zuletzt in Reaktion auf
Wiedemanns Werk im Laufe des letzten Jahrzehnts veröffentlicht worden sind, in das
Buch einzuarbeiten.
Die Themen Gladiatoren und römische
Unterhaltung liegen offensichtlich in der Luft. Zweifellos hat da Ridley Scotts
immens erfolgreicher Monumentalfilm Gladiator (2000) stimulierend gewirkt[1],
doch waren vorher bereits die Vorbereitungen zu einer großen Ausstellung in Gang gekommen
die 20002001 in Hamburg, Speyer und London gezeigt wurde und deren Titel
Gladiatoren und Caesaren. Die Macht der Unterhaltung im antiken Rom fast
wörtlich dem der deutschen Ausgabe von Wiedemanns Buch entspricht.[2]
Ebenso war das Rekonstruktions- und Experimentalprojekt, welches das Rheinische
Landesmuseum Trier zusammen mit dem Rezensenten durchführte, schon seit 1997 im Gange.[3]
Zusätzliche Ausstellungen schlossen sich 2000 in Trier[4] und 2001/2002 im Colosseum zu
Rom[5]
an, eine weitere bereitet das Österreichische Archäologische Institut in Ephesos für
Frühjahr 2002 vor, um die dort gemachten Skelettfunde von Gladiatoren zu dokumentieren.
Man kann das Thema Gladiatur unter verschiedenen
Gesichtspunkten angehen. Die systematische Auswertung des reichen epigraphischen Materials
wurde und wird vornehmlich von Franzosen[6] und Italienern[7]
unternommen. Sie vermittelt vielfältige Informationen zur rechtlichen, organisatorischen
und sozialen Seite, aber auch zur technischen, vor allem wenn mit den Inschriften
bildliche Darstellungen gekoppelt sind. Mit der Architektur und Funktion von Amphitheatern
befaßte man sich in Frankreich,[8] Italien,[9]
Deutschland[10]
und in den angelsächsischen Ländern[11]. Den politischen,
ideologischen und psychologischen Aspekten widmete man vornehmlich in den Vereinigten
Staaten gerade in den letzten Jahren eine Reihe von Untersuchungen.[12]
Stiefmütterlich behandelt wurden die technischen und praktischen Probleme, was jedenfalls
in den angelsächsischen Ländern erstaunt, da dort die Beschäftigung mit den Details der
militärischen Ausrüstung und Taktik einen enormen Aufschwung erlebt hat.[13]
Eine umfassende Synthese des Forschungsstandes unter Einbeziehung von Rekonstruktionen und
Experimenten liegt erst seit kurzem vor.[14]
Wiedemanns Buch gehört zu der Gruppe der im englischen
Sprachraum dominierenden Arbeiten zur politischen und ideologischen Seite der Gladiatur,
es kann sogar als Vorreiter und Bahnbrecher der zahlreichen Nachfolgetitel gelten. Wie er
selbst im Vorwort schreibt, geht es Wiedemann nicht primär um die technischen Aspekte,
die seiner unzutreffenden Ansicht nach schon lange von kompetenter Seite
beschrieben worden seien, sondern um den Versuch, die Bedeutung des
Gladiatorenkampfes im Zusammenhang mit den römischen Vorstellungen von Gesellschaft,
Moral und Sterblichkeit zu erforschen.[15]
Schon im Vorwort wendet sich Wiedemann gegen die seit dem 19.
Jahrhundert übliche moralisierende Tendenz der meisten Arbeiten zu diesem Thema, die
beeinträchtigt seien durch ihren Mangel an Sympathie für diesen
bedeutenden Aspekt der römischen Kultur.[16] Einer sachlichen
Auseinandersetzung hinderlich sei auch der Umstand, daß viele Autoren die verschiedenen
Formen römischer Massenveranstaltungen wild durcheinanderwerfen, wie schon der
verbreitete Mißbrauch des Schlagworts Panem et
circenses zeige, das sich auf Wagenrennen und keineswegs auf Gladiatorenkämpfe oder
Tierhetzen bezog.[17]
Circusrennen und Theatervorführungen waren Teil der zum Festkalender gehörenden ludi, während die Auftritte der Gladiatoren im
Rahmen der anfänglich privaten, später dem Kaiserkult zugeordneten munera stattfanden. Leider zieht Wiedemann in
seinem Sprachgebrauch nicht die Konsequenz aus dieser sehr wichtigen Unterscheidung und
spricht fortlaufend von Gladiatorenspielen (gladiatorial games), was dem
Charakter dieser Veranstaltungen wenig angemessen ist.[18]
Die Ursprünge der Gladiatur sind ein seit langem umstrittenes
Thema. Wiedemann schließt sich wie die Mehrzahl der modernen Forscher der
These von Georges Ville an, die Römer hätten die munera
direkt oder indirekt aus Campanien übernommen. Als Beleg führt er vor allem die in
einem (?) Grab in Paestum gefundenen bildlichen Darstellungen aus dem 4. Jahrhundert v.
Chr. an.[19]
Die rasche Ausbreitung der Gladiatur, die die munera
im Rahmen der römischen Expansion unter der späten Republik und unter den ersten
Kaisern in ganz Italien und alsbald auch in den Kolonien außerhalb Italien erlebten,
bringt Wiedemann nicht zuletzt mit ihren nichtrömischen Ursprüngen in Zusammenhang. Er
sieht sie als Teil eines systematischen Romanisierungsprozesses, durch den nach dem
Bundesgenossenkrieg eine umfassende römisch-italische Identität geschaffen werden
sollte. Vergleichbar der Hellenisierung der Kunst seien die nicht spezifisch römischen munera den übrigen Völkern Italiens leichter
akzeptabel zu machen gewesen als genuin hauptstädtische Elemente.[20]
Die massenhafte Errichtung von Amphitheatern in militärischem
Kontext machte aus den Schauplätzen der munera Vorposten
des Römertums. Weit davon entfernt, reine sadistisch-voyeuristische Gemetzel für ein
entartetes Publikum zu sein, wie man sie sich gemeinhin vorstellt, boten die munera dem römischen Staat Gelegenheit zur
Präsentation seiner Leistungen und Tugenden: Beherrschung der wilden Natur (Tierhetzen),
Aufrechterhaltung der Ordnung nach außen und innen (Hinrichtung von Kriegsgefangenen und
Verbrechern), Demonstration und Belohnung von Tapferkeit und kämpferischer Leistung
(Triumph des siegreichen Gladiators, Entlassung des tapfer Unterlegenen), Bestrafung von
Feigheit und mangelnder Fechtkunst (Tötung des schmählich Unterlegenen). Die
Randsituation der militärischen Amphitheater entlang den Grenzen des Reiches ist für
Wiedemann ein höchst charakteristisches Phänomen. Sie trennen Kultur und Ordnung von
Wildnis, Barbarei und Chaos. In vergleichbarer Weise befinden sich die meisten
Amphitheater auch in den Städten in den Außenbezirken, an der Grenze zum freien Land.[21]
Bei der Herausarbeitung dieses zweifellos bemerkenswerten
Gesichtspunktes scheint mir Wiedemann allerdings die praktischen und logistischen
Gesichtspunkte zu unterschätzen, die von Donald G. Kyle so eindrucksvoll analysiert
worden sind.[22]
Die wichtigste, geradezu fundamentale Grenzsituation, die sich
in den munera spiegelt, ist für Wiedemann aber
die zwischen Leben und Tod. Von Anfang an seien die munera
nicht einfach ein Tötungsritual oder gar ein Menschenopfer gewesen, sondern zugleich
und vor allem eine demonstrative Überwindung des Todes. Das Publikum sah, wie
Menschen der Notwendigkeit des Sterbens gegenübertraten[23],
konnte stoische Todesverachtung lernend bewundern und wurde Zeuge, wie Tapferkeit und
Leistung den tüchtigen Gladiator dem Leben zurückgaben. Es konnte die Arena am
Abend verlassen, nachdem es mit den Gladiatorenkämpfen Beispiele des Triumphes der
menschlichen Tapferkeit über den Tod gesehen hatte. Jeder einzelne ist auch an seine
Sterblichkeit erinnert worden. Aber gleich ob ein bestimmter Gladiator gewonnen oder
verloren hatte, ob er tapfer genug gekämpft hatte, um begnadigt zu werden, oder ob er dem
Tod begegnet war [eine etwas zu wörtliche Übersetzung von ... had met the death, Rez.], dem jeder entgegentreten muß, so hatte die
Ritualisierung der Begegnung mit dem Tod den Tod in seine Schranken gewiesen.[24]
Bei der Lektüre solcher Passagen drängt sich geradezu ein Kommentar auf, wie ihn Augusta
Hönle gegeben hat: Man könnte ... Wiedemanns Buch etwas überspitzt als Metaphysik
der munera bezeichnen.[25]
Das Motiv von Tod und Todesüberwindung läßt Wiedemann die munera auch in den Zyklus der Jahreszeiten
eingliedern, in den Rhythmus von Tod und Wiedergeburt.[26] Er gründet diese Theorie
auf die Tatsache, daß man in der frühen Kaiserzeit erstmals regelmäßige Termine für
hauptstädtische munera festlegte, die im
Dezember und im März abgehalten wurden, also am Ende und am Beginn des Jahres. Wie David
S. Potter mit Recht ausgeführt hat, ist diese Theorie zwar interessant, doch in solcher
Überspitzung nicht zu halten.[27] Vor allem waren die munera außerhalb Roms mit dem Kaiserkult
verbunden, für den sich kein Zusammenhang mit irgendwelchen Jahreszeiten konstruieren
läßt. Nach
Potter ist diese Art der Argumentation symptomatic
of one real flaw in W.[iedemann's] methodology. He tends to start with Rome, and
then use provinicial evidence, where useful, to confirm his impression of the Roman
evidence ... To argue from the extraordinary to the ordinary seems to me to put the
problem the wrong way around.[28]
Für die Kaiser stellten die hauptstädtischen munera ein ambivalentes Mittel der
Selbstinszenierung und Volksbeeinflussung dar. Durch seine Großzügigkeit als
Veranstalter und durch seine persönliche Präsenz wirkte der Herrscher auf die Massen
ein, war aber zugleich auch seinerseits dem Urteil und den Meinungskundgebungen des
Publikums ausgesetzt. Die Einstellung eines Kaisers zu den spectacula und sein Verhalten während dieser
Darbietungen man könnte sagen, seine Medienpolitik bildet in der römischen
Geschichtsschreibung ein wesentliches Kriterium, um ihn als gut oder
böse zu charakterisieren.[29]
Was die Lebensverhältnisse und Karriereaussichten der
Gladiatoren anbetrifft, nimmt Wiedemann, wie die meisten neueren Forscher einen
revisionistischen Standpunkt ein. Er betont ihre überdurchschnittliche
Ernährung und gute medizinische Versorgung[30] und gibt ihnen eine reelle
Chance, den Ruhestand zu erreichen[31] und es zu beachtlichem
Reichtum zu bringen.[32]
Auf die in jüngerer Zeit immer wieder diskutierte Frage weiblicher Gladiatoren kommt
Wiedemann wiederholt zu sprechen.[33] Die bekannte Beschreibung
einer zum Entsetzen ihres Mannes mit schwerem Helm trainierenden Frau der besseren
Gesellschaft durch Iuvenal bezieht er richtig auf eine Hobby-gladiatrix, die den Kampfsport als
Freizeitvergnügen und keinesfalls auf professioneller Ebene betreibt. Wie Wiedemann
allerdings dazu kommt, von einer Anzahl (a number of) bildlicher
Darstellungen weiblicher Gladiatoren zu sprechen, ist mir unverständlich. Das von ihm
beispielsweise angeführte Relief im British Museum, auf dem der
unentschiedene Zweikampf der gladiatrices Achillia
und Amazon zu sehen ist, steht bisher einzig da, und zwar sowohl hinsichtlich des
bildlichen als auch des epigraphischen Zeugnisses.[34] Die von Wiedemann zitierte
fragmentarische Inschrift aus Ostia, dürfte sich schwerlich auf den Einsatz weiblicher
Gladiatoren beziehen, das in der Presse hochgespielte angebliche Grab einer gladiatrix, das in London gefunden wurde, verdankt
seinen Ruhm einzig und allein einer Öllampe mit Gladiatorendarstellung, die man
seriöserweise nicht als ausreichenden Beleg für die Identifizierung der Bestatteten als
Berufsfechterin gelten lassen kann.[35]
Die Stellung und das Bild des Gladiators in der römischen
Gesellschaft waren höchst widersprüchlich. Auf der einen Seite bewundert und verehrt,
galt er andererseits als verachteter Außenseiter, dem jede höhere soziale oder
politische Rolle versagt blieb. Selbst seine ureigenste Tugend, die virtus, die mannhafte Tapferkeit, gestand man ihm
in höchst bezeichnender Weise nur partiell zu. Nach Wiedemann wurde die
Kampffähigkeit des Gladiators vom umfassenderen virtus-Konzept getrennt und in einer Art
Experiment in der Arena isoliert vorgeführt und gewürdigt.[36]
Großen Wert legt Wiedemann auf die immer wieder vorgetragene
Feststellung, Humanität im heutigen Sinne sei den Römern unbekannt gewesen.
Leider versäumt er es, diesen Begriff näher zu definieren. Offensichtlich läuft er für
ihn auf Sentimentalität, Wehleidigkeit und doktrinäre Menschenrechtlerei hinaus. Daß
solches Denken den Römern fremd war, ist zweifellos richtig, und man wird Wiedemann
zustimmen dürfen, daß die angebliche Kritik römischer Schriftsteller an
Gladiatorenkämpfen auf einem Mißverständnis beruht, ein Gesichtspunkt, den auch andere
Autoren, etwa Wistrand, deutlich herausgearbeitet haben.[37] Wenn der Verfasser aber
wieder und wieder versucht, den Römern jegliche Form von Mitgefühl abzustreiten, dann
grenzt das oft ans Krampfhafte, wie das etwa seine Bemühungen zeigen, die
humanitären Tendenzen des Marcus Aurelius zu relativieren oder das kollektive
Mitleid herunterzuspielen, das das römische Publikum beim Elefantenmassaker des Pompeius
empfand.[38]
Wir müssen uns immer vor Augen halten, daß es den repräsentativen Einheitsrömer nicht
gab und daß selbst die Stimmungen der Masse starken Schwankungen unterworfen waren.
Eng verknüpft mit dem Problem der von Wiedemann sehr
ausführlich behandelten antiken, vornehmlich der christlichen Kritik an den munera ist die Frage, wie es zum Ende dieser
Einrichtung kam. Es ist gewiß richtig, daß auch die christlichen Schriftsteller gegen
die Gladiatorenkämpfe weniger wegen der objektiven Grausamkeit gegenüber den Opfern
polemisierten als wegen der subjektiven moralischen Auswirkungen auf die Zuschauer, ganz
wie das schon bei Seneca der Fall gewesen war, der sich zudem nicht die professionellen
Gladiatorenduelle zur Zielscheibe seiner Kritik gemacht hatte, sondern das kunstlose
Abmetzeln zum Tode Verurteilter in der Mittagspause. Es ist nun auffallend, daß sich die
Attacken von christlicher Seite so gut wie ausschließlich auf die Gladiatorenkämpfe
konzentrierten und im frühen 5. Jahrhundert schließlich auch zum definitiven Ende dieser
Einrichtung führten, während Wagenrennen, Tierhetzen und selbst spektakuläre
Hinrichtungen ungestört weitergingen. Wiedemann führt das unter Wiederaufnahme seines
Todesüberwindungsmotivs darauf zurück, daß das Christentum in den religiösen Elementen
der Gladiatorenkämpfe eine Konkurrenz sah, weil sie durch ihren Anspruch
Erlösung zu gewähren, die Symbolik der religiösen christlichen Sakramente
für sich beanspruchten.[39] Sie waren daher nicht im
Sinne der neuen Religion adaptierbar.
Im folgenden möchte ich der Reihe nach kurz einige kleinere
sachliche Einwände abhaken, die sich mir bei der Lektüre aufgedrängt haben.
Auf S. 24 schreibt Wiedemann, es gebe, verglichen mit
Wagenrennen und Tierhetzen, nur recht wenige Mosaiken und Fresken mit
Gladiatorendarstellungen. Leider bleibt er den Nachweis für diese m.E. unzutreffende
Behauptung schuldig. Sein einziges Fallbeispiel ist auf S. 40 Britannien, wo nur das
Fresko in Colchester existiere, womit er das Mosaik in Bignor übersieht immerhin
50% des, zugegebenermaßen verschwindend geringen, Bestandes -, doch was gibt es in dieser
Provinz an Circus- und venatio-Szenen?
Der auf dem sog. Grabmal des Umbricius Scaurus in Pompeii
vermerkte M. Festus Ampliatus war nicht, wie Wiedemann S. 29 meint, ein lanista, sondern der tatsächliche Grabinhaber und
somit der editor der abgebildeten munera. [40]
Daß der thraex in
besonders hohem Maße nackt gekämpft und daher die stärkste erotische Ausstrahlung
besessen habe (S. 40), entspricht nicht den Tatsachen. Nur der tunica-tragende eques war unter den gängigen
Gladiatorengattungen weniger entkleidet als der thraex,
der zusätzlich zum üblichen Lendenschurz noch eine Art Strumpfhose trug.
Beginnend mit S. 53 bezeichnet Wiedemann immer wieder den lanista als Ausbilder. Tatsächlich war
er aber der Besitzer und Manager einer Gladiatorentruppe, also ein Unternehmer. Die
Trainer wurden doctores oder magistri genannt.
S. 57 spricht er den Schuppenpanzer eines Gladiators auf dem
Torlonia-Relief als Kettenpanzer an (keiner der zahlreichen Übersetzungsfehler, im
Original heißt es auch chain-mail).
Diesen Fehler wiederholt er auf S. 104 bei Besprechung des Reliefs in der Münchner
Glyptothek. Wie auch in den meisten anderen Fällen macht hier Wiedemann keine Angaben zur
Datierung bildlicher Darstellungen und scheint sich mitunter ganz unrichtigen
Vorstellungen in dieser Richtung hinzugeben. So kann er die Szene auf dem Torlonia-Relief
im Colosseum lokalisieren (S. 57), obwohl das Kunstwerk ca. 100 Jahre vor dem Bau dieses
Amphitheaters entstanden ist.
Wie der Verfasser auf die Idee kommt (S. 67), die auf dem
Borghesemosaik abgebildeten bestiarii hätten
die Tötung wohl Hunden überlassen, ist mir schleierhaft.
Der Ausdruck Schlachten (slaughter), den Wiedemann,
beginnend mit S. 69, wiederholt für das Töten von wilden Tieren in der Arena gebraucht,
sollte vermieden werden. Schlachten meint einen professionellen Tötungs- und
Zerlegungsvorgang ohne Kampfcharakter, Abschlachten oder
Niedermetzeln wären eher akzeptabel gewesen.
Den Bison auf S. 71 sollte man besser zoologisch
korrekt als Wisent bezeichnen.
Die traditionelle, von Wiedemann geteilte Annahme, die
römische Oberschicht habe den Jagdsport ursprünglich geringgeschätzt (S. 74), ist klar
widerlegbar.[41]
Den etruskischen Todesdämon Charun sollte man nicht als
Charon ansprechen (S. 94 und 157). Der Auftritt als Charun kostümierter
Akteure bei Gladiatorenkämpfen ist höchst zweifelhaft[42], schon gar nicht haben sie
als Schiedsrichter (umpires)
fungiert (S. 157).
Der Möglichkeit, der nach unten gedrehte Daumen (pollex [con]versus) hätte nicht das Todesurteil,
sondern eine Bestätigung des eingetretenen Todes bedeutet (S. 102), stehen die
schriftlichen Formulierungen in den Quellen entgegen.[43]
Mit Recht räumt Wiedemann der Besprechung des Reliefs vom
Stabianer Tor in Pompeii als einem der aufschlußreichsten Bilddokumente zu den munera breiten Raum ein (S. 102105). Leider
wird das Objekt der Beschreibung nur mit etwas unbeholfenen Umzeichnungen illustriert, die
zudem im Gegensatz zur Originalausgabe unvollständig, zerstückelt und in
falscher Reihenfolge gebracht werden. Es würde hier zu weit führen, all die Fehler
aufzuzählen, die Wiedemann bei der Diskussion dieses Reliefs unterlaufen sind. Ich darf
hier auf meine andernorts erschienen ausführlichen Analysen verweisen.[44]
Demgegenüber ist die Interpretation des Reliefs in der
Münchner Glyptothek als im wesentlichen zutreffend zu bezeichnen (104f.). Als erster hat
Wiedemann die dargestellte Waffengattung als equites
richtig identifiziert.
Die Behauptung, die Tötung des besiegten Gladiators (iugulatio) sei der auf den Monumenten am
häufigsten abgebildete Akt (S. 105), ist absolut unzutreffend.
Der siegreiche Gladiator auf dem Relief aus Durres ist kein secutor, sondern ein murmillo (S.107).
Bei der Identifizierung der vier (von fünf) abgebildeten
Paarungen auf dem Augster Gladiatorenmosaik erzielt Wiedemann eine Trefferquote von 50%
(S. 108).[45]
Daß der Verfasser Thraec
zu Thraecorum statt zu Thraecum ergänzt (S. 124), erstaunt.
Der summa rudis war
kein im Ruhestand befindlicher Gladiator (S. 124 und 127), sondern der obere
der beiden Schiedsrichter bei einem Gladiatorenkampf.
Die Behauptung, nicht der editor habe über Leben und Tod entschieden,
sondern das Publikum (S. 165f.) ist sicherlich falsch. Zwar richtete sich der Veranstalter
in der Regel nach der Volksstimmung, die letzte Entscheidung lag aber eindeutig bei ihm
selbst. Das Verhalten des Pontius Pilatus im Jesusprozeß ist als Beleg gänzlich
ungeeignet (S. 167).
Inwiefern ein besiegter und begnadigter Gladiator wieder
als Römer gelten durfte (S. 169), hätte einer näheren Erläuterung bedurft.
Wenig Glück hatte Wiedemann mit der hier vorliegenden
Übersetzung. Der schiefen, ja unverständlichen und sinnentstellenden Fehler ist Legion.
Ich möchte mich auf einige gravierende Bespiele beschränken.
Wenn Wiedemann von den functional origins der Gladiatur
im Gegensatz zu den geographical
origins spricht, dann darf zweckmäßiger Ursprung kaum als
adäquate Übersetzung gelten (S. 47).
Wiederholt heißt es der munus (z.B. S. 64 und 76) statt das munus, zum Ausgleich wird der maskuline
Prinzipat in ein Neutrum verwandelt (S. 176), ebenso ergeht es ludus (S. 171).
Wenn Wiedemann schildert, wie Titus zwei Parteien in den
Rollen der Athener und der Syrakusaner habe gegeneinander eine Seeschlacht aufführen
lassen, spricht er von both sets (S.
90). In der Übersetzung findet man das mit einem völlig unverständlichen beide
Paare verdeutscht (S. 99).
Wiedemanns knifing
in the back (p. 96) sollen bei Beschreibung des Borghesemosaiks
Messerstiche in den Nacken entsprechen. Ein Blick auf das weidlich bekannte
Bilddokument hätte da leicht Klarheit schaffen können.
Wenn Wiedemann von the
high level of warfare spricht (p.
103), so meint er das in quantitativer und nicht in qualitativer Hinsicht, das hohe
Niveau der Kriegführung verfehlt den Sinn gänzlich (S. 110).
Bei der Schilderung des Gladiatoreneides wird dem Leser
zugemutet, er solle glauben, der Rekrut habe geschworen, besiegt zu werden (S.
114), obwohl nicht nur Wiedemanns Übersetzung to
be beaten (p. 107), sondern auch
der ganz eindeutige lateinische Wortlaut zur Verfügung stand (verberari).
Chariots werden ständig mit
Streitwagen übersetzt, auch wenn ganz eindeutig Rennwagen gemeint sind (z.B.
S. 117).
Wörtlichkeit steigert die Übersetzerin bis zur
Unverständlichkeit, wenn sie etwa formuliert: Für elf Gladiatoren war es
erwähnenswert und folglich ungewöhnlich ihr Leben unter elf Paaren zu
verlieren (S. 126). Im Original heißt es (p. 119): It was worthy of note, and therefore unusual
for eleven gladiators to lose their lives out of eleven pairs. Also:
Es galt als bemerkenswert und somit als ungewöhnlich, wenn beim Einsatz von elf
Gladiatorenpaaren elf Fechter ums Leben kamen.
Wenn sie übersetzt ... konnten Sklaven-Gladiatoren zu
Freien werden, wenn sie sich dazu verpflichteten, für ihren Besitzer in operae zu kämpfen (S. 128), verkehrt sie
Wiedemanns Formulierung ... they also
released slave gladiators who had won their freedom from the obligationship to fight again
as part of any operae that their ex-owners might require them to perform (p. 122) ins glatte Gegenteil. Sinngemäß müßte
es heißen: ... sie entbanden Gladiatoren, die ihre Freiheit gewonnen hatten, auch
von der Verpflichtung, wieder zu kämpfen, selbst dann wenn es Teil irgendwelcher operae [Dienstverpflichtungen] gewesen wäre, die
ihre einstigen Besitzer [sonst] von ihnen verlangen konnten.
Nicht besser steht es mit Wenn etwa Senatoren und Frauen
als Ehrengäste zu den Gladiatorenspielen eingeladen wurden ... (S. 133), das Wiedemanns When persons of honour such as senators or women
were encouraged to take part ... (p.
130f.) wiedergeben soll. Sinngemäß also: Wenn ehrenhafte Personen wie Senatoren
oder Frauen dazu ermutigt wurden, [aktiv bei den Gladiatorenkämpfen] mitzumachen
...
Oder: ... dürfen wir für einen Gladiator ein Minimum
von zwei Wettkämpfen pro Jahr annehmen, hinzu kamen vielleicht Kämpfe in einem munus (S. 127) für: ... we may assume a minimum of two contests a
year, and the same individual may have been required to fight several times in one munus
(p. 120). Sinngemäß: Wir dürfen ein Minimum von zwei Kampfveranstaltungen im Jahr
annehmen, wobei vom einzelnen Gladiator mehrere Einsätze während eines einzigen [von
diesen zwei] munus verlangt worden sein
mögen.
Mit den Würfen des Dreizacks verfehlt die
Übersetzerin gleichfalls das Ziel (S. 155) da casts
(p. 153) hier einfach als Treffer zu verstehen sind (... tridenti/Impacto heißt es im lateinischen
Original). Der Dreizack war eine Stoßwaffe.
S. 174 findet man popular
assemblies, die hier im Sinne von
Volksversammlungen gemeint sind, wiedergegeben mit beliebten
Versammlungen.
Wenn Martial den Tierkämpfer Carcophorus mit Hercules
vergleicht und meint, der Held der Arena hätte den Heros des Mythos arbeitslos gemacht,
wäre er zu dessen Lebzeiten geboren worden, dann ist es gänzlich sinnentstellend,
Carcophorus zu einem Synonym für Hercules zu erklären und den Halbgott mit sich selbst
konkurrieren zu lassen (S. 182).
Etwas mehr Sorgfalt hätte die Übertragung von Wiedemanns
bedeutendem Werk wahrlich verdient!
Marcus Junkelmann, Schloß Ratzenhofen
[1] Siehe Marcus Junkelmann: Ein Traum von Rom.:
Wie Hollywood unser Bild von den alten Römern formt. Mainz, im Druck.
[2] Eckart Köhne und Cornelia Ewigleben
(Hrsg.): Gladiatoren und Caesaren. Die Macht der Unterhaltung im antiken Rom. Mainz 2000
(Englische Ausgabe: Gladiators and Caesars. The
Power of Entertainment in Ancient Rome. London 2000).
[3] Marcus Junkelmann:Das Spiel mit dem Tod. So
kämpften Roms Gladiatoren. Mainz² 2001 (2000).
[4] Hans-Peter Kuhnen (Hrsg.): Morituri.
Menschenopfer, Totgeweihte, Strafgerichte. Trier 2000.
[5] Adriano La Regina
(Hrsg.): Sangue e arena. Rom 2001.
[6] Louis Robert: Les
gladiateurs dans l'orient grec. Paris 1940, sowie mehrere ergänzende
Aufsätze dieses Autors.
[7] Patrizia
Sabbatini-Tumolesi: Gladiatorum paria. Annunci di
spettacoli gladiatorii a Pompei. Rom 1980, sowie die von ders. ins Leben
gerufene, mittlerweile 4 Bde. umfassende Epigrafia
anfiteatrale dell'occidente romano, Rom
19881996. Zusammenfassend Maurizio
Fora: I munera gladiatoria in Italia.
Considerazioni sulla loro documentazione epigrafica. Neapel 1996.
[8] Jean-Claude
Golvin : L'amphithéâtre romain. Essai sur
la théorisation de sa forme et de ses fonctions. 2 Bde., Paris 1988.
[9]
Anfiteatro Flavio. Immagine. Testimonianze.
Spettacoli. Rom 1984, sowie der in Anm. 5 genannte
Katalog.
[10] Verschiedene Aufsätze von Heinz-Jürgen
Beste, u.a. in dem Katalog (Anm. 5).
[11] Katherine Welch: The Roman arena in late Republican Italy: a new
interpretation. Journal of Roman
Archaeology 7, 1994, 5980; David
L.Bomgardner: The Story of the Roman
Amphitheatre. London und New York 2000.
[12] Die Arbeiten von Carlin A. Barton (1996), E.
Gunderson (1996), Donald G. Kyle (1998), Paul Plass (1995) führt Wiedemann selbst an,
ohne freilich näher auf sie einzugehen, sieht man von der sehr pauschalen Bemerkung ab,
einige von ihnen wendeten mit unterschiedlichem Erfolg postmoderne
Ansätze an (S. 10). Zu ergänzen wären hier vor allem Richard C. Beacham: Spectacle Entertainments of Early Imperial Rome. Yale 1997; Alison Futrell: Blood in the Arena. The
Spectacle of Roman Power. Austin
1997; David S. Potter und David J. Mattingly (Hrsg.): Life, Death and Entertainment in the Roman Empire. Ann Arbor 1999; Magnus Wistrand: Entertainment and Violence in Ancient Rome. The
Attitudes of Roman Writers of the First Century A.D. Göteborg 1992.
[13] Von dem Franzosen Georges Ville wäre eine
bahnbrechende Untersuchung zu erwarten gewesen, doch wurden aus seinem Nachlaß nur die
der Entwicklungsgeschichte und Organisation der Gladiatur geltenden Teile von Paul Veyne
veröffentlicht (La gladiature en occident des
origines à la mort de Domitien. Rom 1981).
[14] Siehe Anm. 3. Ergänzend hierzu ist vom Rez.
ein Artikel in Antike Welt in Vorbereitung (Gladiatores et gladiatrices.
Neues aus der Welt des Amphitheaters).
[15] Vorwort zur deutschen Ausgabe,
S. 10. Da er sich unter Ignorierung der neuesten Veröffentlichungen damit begnügt, den
älteren Forschungsstand zu referieren, sind seine Angaben auf technischem Gebiet mit
äußerster Vorsicht zu benutzen. Das gilt auch für das mit zahlreichen Fehlern
durchsetzte Glossar auf S. 205207. Die unter den Stichworten essedarius, hoplomachus, murmillo, samnis, secutor,
summa rudis und Thraex gebotenen
Informationen sind weitgehend verfehlt, manche Gattungsbezeichnungen wie provocator, andabata oder dimachaerus fehlen ganz.
[16] S. 9. In ihrer Rezension der
englischen Ausgabe stellt Augusta Hönle erfreut fest: ... der in der älteren
Gladiatorenliteratur so widerwärtige moralische Zeigefinger taucht nirgends auf.
(in: Nikephoros 11, 1998, 271274, hier: 271).
[17] S. 21. Wagenrennen fanden viel häufiger
statt und waren einem ungleich größeren Publikum zugänglich als die blutigen
Darbietungen im Amphitheater (ebda.).
[18] Das hat schon Augusta Hönle in ihrer
Besprechung der englischen Ausgabe beanstandet (siehe Anm. 16).
[19] S. 45. Warum Wiedemann nur von einer
Darstellung spricht, ist mir unklar, denn tatsächlich haben sich zahlreiche Wandgemälde
in Campanien und Lucanien erhalten, die bewaffnete Zweikämpfe in funeralem Zusammenhang
zeigen.
[20] S. 55ff.
[21] S. 60ff.
[22] Spectacles of Death in Ancient Rome. London und New York 1998. Kyle beschäftigt sich ausführlich mit
chronisch vernachlässigten Problemen wie der Haltung von Massen wilder Tiere in
Großstädten oder der Beseitigung der bei den munera
anfallenden Leichen von Menschen und Tieren. Ein interessanter Beitrag Wiedemanns zu
diesem Themenkreis betrifft die Monopolisierung der Todesstrafe durch den Staat während
der Kaiserzeit. Er führt diese wesentlich auf den Bedarf an Kanonenfutter
für die Arenen der zahlreich errichteten neuen Amphitheater zurück (S. 86f.).
[23] S. 91.
[24] S. 107.
[25] S. 271 (siehe Anm. 16).
[26] S. 62f.
[27] Rezension von Wiedemanns Buch im Journal of Roman Studies 84, 1994, 229231.
[28] Ebda.
S. 230.
[29] S. 172182.
[30] S. 123f.
[31] S. 126ff. mit vielen Angaben zum Lebensalter
von Gladiatoren und zur Zahl der absolvierten Kämpfe.
[32] S. 128f.
[33] S. 20, 40f., 119, 157 (Anm. 65). Zu diesem
Problem siehe den in Vorbereitung befindlichen Artikel des Rez. Gladiatores et
gladiatrices. Neues aus der
Welt des Amphitheaters in Antike Welt.
[34] S. 119 hält Wiedemann es auch für denkbar,
daß ein Relief in Maastricht (S. 54, Abb. 9) gladiatrices
zeige. Rez. kann an den beiden mit nacktem Oberkörper dargestellte essedarii nichts Weibliches entdecken.
[35] Ein Grabungsbericht
fehlt keineswegs: Anthony Mackinder: A
Romano-British Cemetery on Watling Street (=
Museum of London, Archaeology Studies Series 4, 2000).
[36] S. 51f. In seinem Aufsatz Single
Combat and Being Roman (Ancient Society 27, 1996, 91103) hat Wiedemann diesen
Aspekt noch breiter ausgeführt und in Bezug gesetzt zum militärischen Zweikampfethos.
[37] Siehe Anm. 12.
[38] Marcus Aurelius: S. 141f. Elefanten:
70 und 142.
[39] S. 158.
[40]
Valentin Kockel: Die Grabbauten vor dem Herculaner Tor in Pompeji. Mainz
1983, 75.
[41] Siehe C. M. C.
Green: Did the Romans Hunt? Classical
Antiquity 15/2, 1996, 222260.
[42] Tertullian (Apologeticum 15, 4) nennt tatsächlich Dis Pater
und nicht Charun. Da er aber auch einen Hammer erwähnt, pflegt man die Gestalt mit Charun
gleichzusetzen. Die Szene gehört aber gewiß in den Zusammenhang von Hinrichtungen. Siehe
Junkelmann Das Spiel mit dem Tod (siehe Anm. 3), 140f.
[43] S. 104 erwägt Wiedemann sogar die
schwerlich in Frage kommende Möglichkeit der nach oben gerichtete Daumen sei das
Todessignal gewesen. Siehe hierzu Junkelmann, Das Spiel mit dem Tod (siehe
Anm. 3), 138f.
[44] Ebda. 114f., 124, 130f., 135, 138f., mit
zahlreichen Abbildungen.
[45] Ebda. 96f.