Pat Southern: The Roman Empire from Severus to Constantine. London, New York: Routledge 2001. XII und 401 S. Paperback 18.99 £ ISBN 0-415-23944-3

 

Pat Southern ist als Autorin mehrerer Biographien hervorgetreten, die den Übergang von der römischen Republik zur Kaiserzeit beleuchten (Julius Caesar; Cleopatra; Mark Antony; Augustus). In die hohe Kaiserzeit führt ein weiteres Lebensbild mit dem populären Titel Domitian Tragic Tyrant. Das eigentliche Spezialgebiet der Verfasserin ist aber die römische Militärgeschichte. Zu diesem Thema hat sie 1989 einen längeren Aufsatz vorgelegt (The Numeri of the Roman Imperial army, Britannia 20, 81-140) und später zusammen mit Karen R. Dixon zwei Bücher herausgebracht (The Roman Cavalry; The Late Roman Army).

In ihrem neuesten Werk hat Frau Southern ihre herschaftsgeschichtlich-biographischen mit ihren militärhistorischen Interessen verknüpft. Das erste Kapitel „The third century: the nature of the problem“ (S. 1-13) enthält neben der im Titel genannten thematischen Einführung noch eine kleine Quellenkunde („Sources of evidence“, S. 7-12), das zweite (S. 14-80) trägt die Überschrift: „Emperors and usurpers: 180-260“. Hier ist besonderes Gewicht auf das Wirken des Septimius Severus gelegt, das in vier Abschnitten („The rise of Severus“, „Severus Imperator“, „Elimination of rivals“, „The Severan dynasty“; S. 23-50) entwickelt wird. Kapitel drei (S. 81-133) ist „Schism and reunification: 260-84“ betitelt. Das vierte Kapitel („A world geared for war: 284-324“) zerfällt in die Abschnitte „Diocletian: the Empire strikes back“ (S. 134-168) und „Constantine: the Empire reshaped“ (S. 169-181). Die beiden folgenden Kapitel haben die bewaffnete römische Aussenpolitik der behandelten Zeit zum Inhalt: „Beyond the northern frontiers“ (S. 182-226) und „Beyond the eastern frontiers“ (S. 227-245). Das siebente und letzte Kapitel „The Empire transformed“ (S. 246-283) enthält einen systematischen Teil, in dem Themen wie „The Senate and senatorial careers“, „The equestrian career“, „The Praetorian Prefects“, „The provinces“, „Cities and towns“, „Economy and finance“ in meist recht kurzen Abschnitten abgehandelt sind. Ausführlicher werden (S. 268-279) noch einmal „The army and the frontiers“ untersucht. Die Anmerkungen (Notes) sind kapitelweise nummeriert, aber gesammelt an den Schluss gesetzt worden (S. 284-371). Eine in „Ancient sources“ und „Modern sources“ unterteilte „Bibliography“ nimmt die S. 372-393 ein, gefolgt vom Index (S. 394-401).

 

Die kurze Quellenübersicht am Anfang mag für Leser nützlich sein, die keinen Zugang zu den betreffenden Editionen und Kommentaren haben. Angenehm berührt auch die kritische Haltung, die die Verfasserin zu den in der Historia Augusta ausgebreiteten Informationen einnimmt. In anderer Hinsicht scheinen ihre Ausführungen weniger gelungen. So liest man S. 10 mit Anm. 15 (S. 286), die Enmannsche Kaisergeschichte werde als gemeinsame Quelle von Historia Augusta, Zosimos und Zonaras postuliert, während von den Breviarien keine Rede ist. Dass es sich hierbei nicht um ein einmaliges Versehen handelt, geht aus Anm. 67 zu Kap. 3 (S. 328) hervor, wo zu Recht eine gemeinsame Quelle von Aurelius Victor und Eutrop angenommen wird – ohne Hinweis darauf, dass dies eben die Enmannsche Kaisergeschichte ist. In Anm. 98 zu Kap. 2 (S. 309) erfährt man, Zonaras 12,23 berichte über Gallienus: Imperator factus est. Da Zonaras nicht Latein geschrieben hat, erhebt sich die Frage, ob die Verfasserin an die CSHB-Ausgabe dieses Autors geraten ist und die lateinische Übersetzung des 19. Jhs. für eine antike lateinische Version gehalten hat.

 

Edward Gibbon, der als erster den Niedergang Roms mit der Herrschaft des Commodus verknüpfte, hatte den Status quo des Römischen Reiches zur Zeit der Antonine in drei längeren Kapiteln beschrieben, die eine historische Einleitung seines Werks bilden. Frau Southern verfährt ähnlich, indem sie die eigentliche ereignisgeschichtliche Darstellung mit dem vierten Abschnitt des zweiten Kapitels beginnen lässt: „The reign of Commodus“. Ihm gehen drei Abschnitte mit den Überschriften „Empire without end“, „The development of frontiers“ und „Prelude to the third century“ voraus. Manches in diesen einleitenden Ausführungen erscheint weniger überzeugend: So hat die Verfasserin (S. 15) offenbar keine Kenntnis von den dubiosen Umständen von Hadrians Herrschaftsantritt (Cass. Dio 69,1). Schlicht falsch ist, wenn S. 14f. mit Anm. 1 (S. 287) behauptet wird, Hadrian hätte neben Traians Erwerbungen im Osten auch diejenigen nördlich der Donau (Dakien) aufgegeben.

 

Die Ereignisse in Sommer und Herbst 253, die die Erhebung des Aemilianus gegen Trebonianus Gallus, den Untergang beider und die Machtübernahme Valerians umfassen, sind in manchen Einzelheiten noch immer unklar. Die Darstellunng Southerns (S. 76ff.) trägt wenig zur Erhellung bei. Bedenklich erscheint insbesondere die Annahme, Valerian habe sich bereits zu Lebzeiten des Gallus, der ihn zur Hilfe herbeibefohlen hatte, selbst zum Kaiser ausrufen lassen. Richtig ist dagegen, dass zunächst Gallus, danach Aemilianus von ihren jeweiligen Soldaten ermordet wurden. Bei der in anderem Zusammenhang (S. 236) aufgestellten Behauptung, Gallus sei nach Aemilianus „gestorben“, muss es sich um ein Versehen handeln. Nicht ganz einverstanden sind wir schliesslich mit der S. 79 geäusserten Vermutung, der Tod des Caesars Valerian II. 258 in Illyricum sei vielleicht durch die Usurpation des Ingenuus verursacht worden. Nur die Historia Augusta (trig. tyr. 9,1) datiert die Erhebung in dieses Jahr. Die anderen Quellen lassen die Ingenuus-Usurpation nach der Gefangennahme des älteren Valerian erfolgen, die von der Verfasserin zu Recht 260 n. Chr. angesetzt wird.

 

Die einzelnen Ungenauigkeiten in der Darstellung der Zeit von Valerians und Gallienus´ gemeinsamer Regierung werden mehr als aufgewogen von der umfassenden Schilderung von Gallienus´ Alleinherrschaft, die den ersten Abschnitt („Gallienus sole Emperor“) und den Anfang des zweiten Abschnitts („The battle for the Empire: Gallienus to Aurelian“) des dritten Kapitels ausmacht. Einen Schwerpunkt bilden hierbei wieder militärgeschichtliche Überlegungen, wobei u.a. der Frage nach der Entstehung der mobilen Feldarmee und der Protectores nachgegangen wird. Darüber hinaus beschäftigt sich die Verfasserin mit dem Verhältnis des Kaisers zu Rittern und Senatoren sowie dem gallischen und palmyrenischen Teilreich. Verdienstvoll ist, dass die wohl nur Spezialisten geläufigen Porträtbüsten Valerians und Gallienus´ der Ny Carlsberg Glyptothek durch Photographien (figure 12, 13 und 20) einem weiteren Leserkreis bekannt gemacht werden. Festzuhalten bleibt, dass der in den literarischen Quellen und in der modernen Forschung höchst umstrittene Gallienus im Ganzen positiv beurteilt wird. Das verbreitete Bild von einem Tiefpunkt des Römischen Reiches unter diesem Kaiser – Theodor Mommsen (RG V S. 225) hat Gallienus einmal „fahrig und wüst“ genannt – wird vieler Korrekturen bedürfen.

 

Neben den Ausführungen über Gallienus erscheint der Aurelian betreffende Abschnitt (S. 110-126) besonders gelungen. Hier fällt nur die Darstellung der Endphase Palmyras (S. 115-118) etwas ab. Dies liegt aber im wesentlichen daran, dass die Verfasserin die Untersuchung Udo Hartmanns zu diesem Thema (vgl. Plekos 3/2001), die gleichzeitig mit ihrem Buch erschien, nicht mehr verwenden konnte. Gesunden Menschenverstand zeigt die Autorin wieder bei der Frage nach der Todesursache des Carus, der nach einer antiken Darstellung (Aur. Vict. Caes. 38,3) von einem Blitz erschlagen worden sein soll. Interessanterweise bildet diese kaum glaubliche Geschichte die offizielle Lehrmeinung der Handbücher (H. Bengtson, RG, 21970, HdAW III.5.1, S. 381; A. Demandt, Die Spätantike, 1989, HdAW III.6, S. 46). Frau Southern (S. 133) erwägt eine plötzliche, natürliche Todesursache (Schlaganfall, Herzinfarkt), hält dann aber doch einen Mordanschlag für das Wahrscheinlichste.

 

Im Vorwort zu seinem (von der Verfasserin nicht herangezogenen) Handbuch-Beitrag zur Spätantike bemerkt Alexander Demandt kurz, dass er Germanen und Perser nur am Rande einbezogen habe (S. VI). Frau Southern hat sich offenbar verpflichtet gefühlt, diese Themen etwas genauer zu behandeln. Dabei weist ihre Darstellung der Ereignisse an der Ostgrenze alle Schwächen einer derartigen Pflichtübung auf. Hinsichtlich des Partherreiches kann die Autorin kaum Sachkompetenz beanspruchen. Über seine Entstehung wird S. 227 oben bemerkt: „Arsaces ... had won his throne by force, driving out the previous dynasty of the Achaemenids ...“ Eine derartige Behauptung könnte einen zu der Ansicht verleiten, dass der Verfasserin (einer studierten Althistorikerin) das Wirken Alexanders d. Gr. und seiner seleukidischen Nachfolger unbekannt geblieben ist. Nicht auf der Höhe der Forschung befindet sich auch die Schilderung des Endes des Arsakidenreiches (S. 229f.). Richtig ist, dass die Parther durch den Kampf der feindlichen Brüder Vologaises V. und Artabanos IV. (bei Southern „V“) geschwächt waren. Die Vorstellung aber, die Sache der Arsakiden sei nach dem Untergang beider noch einige Zeit von Artabans Sohn Artavasdes verfochten worden, ist längst aufgegeben. Der Name auf einer früher diesem angeblichen Prätendenten zugeschriebenen Tetradrachme von 228 wird heute Vologaises gelesen. Hieraus ergibt sich, dass der seinem Bruder zunächst hoffnungslos unterlegene Vologaises V. dessen Vernichtung überlebte und der sasanidischen Expansion noch vier weitere Jahre Widerstand leistete.

 

Die sog. „Neuperser“ treten bei Frau Southern in der populären, aber nicht ganz richtigen Schreibweise „Sassanids“ auf. Bei der Darstellung der persisch-römischen Konflikte folgt sie im wesentlichen M.H. Dodgeon / S.N.C. Lieu (ed.), The Roman Eastern Frontier and the Persian Wars (AD 226-363). Mit dieser 1991 bei Routledge erschienenen kommentierten Quellensammlung (nur engl. Übers.) im Hintergrund besteht wenig Gefahr, etwas falsch zu machen. Erstaunlich ist immerhin, dass der einschlägige Band der Camdridge History of Iran, Vol. 3 (1-2), The Seleucid, Parthian and Sasanian Periods, ed. Ehsan Yarshater, Cambridge 1983 (reprinted 1993) nicht herangezogen wurde. Dennoch beschränkt sich das, was noch richtigzustellen wäre, auf Einzelheiten: So hätte sich die Autorin S. 229 für eine einheitliche Diktion der sasanidischen Krönungsstätte entscheiden können, anstatt einmal Istakhr und wenige Zeilen später Stakhr zu schreiben. Der armenische König Chosroes, der S. 78 und 235 bemüht wird, ist in dieser Form unhistorisch (Vgl. z. B. AMI 27, 1994, S. 225ff; DNP 2 s.v. Chosroes 2)).

 

Einen erheblich positiveren Eindruck hinterlässt das Kapitel, in dem die Kämpfe der Römer gegen die Germanen an der Rhein- und Donaugrenze geschildert werden. Nach einer kurzen „Introduction: the image of the `barbarians´“ wird im Abschnitt „Romans and natives“ hauptsächlich auf die Formen der römischen Kontakte mit den Stämmen eingegangen. Der folgende Abschnitt „The third century and after“ hat die Entstehung der grossen germanischen Stammesföderationen zum Inhalt, wobei im einzelnen Alamannen, Franken und Goten behandelt werden. Die Ausführungen der Verfasserin beruhen in diesen Teilen ihres Buches auf rezenten Ergebnissen der internationalen (dabei nicht zuletzt der deutschsprachigen) Forschung. Archäologische Phänomene wie „Ringknaufschwerter“ (S. 198) und „Fürstengräber“ (S. 206 oben mit Anm. 42, S. 350) werden mit ihren deutschen Namen benannt und der englischen Leserschaft übersetzt. Wertvoll sind die 208f. niedergelegten Überlegungen zur Frage, wann der Ausdruck „Alamanni“ erstmals verwendet wurde. Man erfährt, dass der früheste unangreifbare Beleg für den Stammesnamen erst aus dem ausgehenden 3. Jh. stammt. Die Behauptung in Anm. 60 zu Kap. 5 (S. 353), der Ortsname „Alamannia“ erscheine auf Münzen vom frühen dritten Jh. an, ist ein Versehen.

 

Bei der Lektüre des Werkes treten gewisse Zweifel auf, ob Korrektur gelesen wurde, und wenn ja, ob diese Arbeit von der Verfasserin selbst besorgt wurde. Die Schreibweise deutschsprachiger Namen und Werktitel in den Abbreviations (S. XIf.) und in der Bibliography ist reine Glückssache. Wenn jemand wie Gustav Kossinna überhaupt zitiert wird, dann schon richtig, und nicht „Kossina“ (so S. 219f. mit Anm. 73, S. 355). Der mit Arbeiten über die Franken hervorgetretene und von der Verfasserin relativ häufig erwähnte Erich Zöllner erscheint leider ausschliesslich als „Zollner“. Mancher Leser mag vielleicht in Anm. 23 zu Kap. 3, S. 317, Z. 2 über das Wort „ymustroops“ stolpern und diese zunächst für eine bislang unbekannte Art von auxilia halten. Dann fällt der Blick auf den in der Zeile davor erwähnten „Hieronymus“, und man erkennt, dass das Phänomen der Dittographie nicht auf die griechisch-römische Literatur beschränkt ist.

 

In den letzten Jahren hat die deutschsprachige Forschung eine Fülle von einzelnen Untersuchungen zu Problemen des 3. Jhs. hervorgebracht. Eine lesbare Gesamtdarstellung auf wissenschaftlicher Grundlage, wie sie z.B. Franz Altheim zuletzt 1952 mit seinem (nicht unumstrittenen) zweibändigen Werk „Niedergang der Alten Welt“ vorgelegt hatte, ist heute schon fast wieder ein Desiderat. Insofern mag es als nicht ganz abwegig erscheinen, das neueste Buch von Pat Southern, das nach dem Willen seiner Autorin (S. X) als „interim assemblage“ betrachtet werden sollte, auch auf deutsch herauszubringen. Bei dieser Gelegenheit könnten gleich einige der erwähnten Irrtümer beseitigt werden.

 

Dr. Martin Schottky

Angerweg 3

91362 Pretzfeld

 

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