Alfons  Rösger: Studien zum Herrscherbegriff  der  Historia  Augusta  und  zum  antiken  Erziehungswesen, hrsg. von R.  von Haehling  und  W. Will. Peter Lang: Frankfurt/a. M. 2001 (Prismata. Beiträge  zur Altertumswissenschaft, Bd. XII). 292 S. Euro 45.50. ISBN 3-631-37511-5.

 

Es ist eine schöne Geste, einem gewiß nicht groß in Erscheinung getretenen, aber durch seinen klaren Blick und seine Spezialkenntnisse in Fachkreisen doch weithin bekannt gewordenen Kollegen einen solchen Freundschaftsdienst zu erweisen. Dies ist umso wertvoller, da die Aufsätze des im Alter von 59 Jahren plötzlich verstorbenen Althistorikers bisher an nicht leicht zugänglichen Stellen publiziert sind. Freilich ist das, was nun vorliegt, nur eine (leicht überarbeitete und kritisch überprüfte) Auswahl von Aufsätzen, die sich unter die beiden Stichworte „Historia Augusta und Erziehungswesen“ subsumieren lassen. Bekannt ist sicherlich, daß Rösgers bei Johannes Straub im Jahre 1978 angefertigte Bonner Dissertation nur in einem Teilabdruck unter dem Titel „Herrschererziehung in der Historia Augusta“  erschienen ist (1982). Bei den von seinem verehrten Lehrer Straub inaugurierten jährlichen Treffen, die lange Zeit in Bonn oder Umgebung stattfanden, war R. stets anwesend, zumeist auch mit eigenen Beiträgen, und der Rezensent schätzt sich glücklich, bei mehreren dieser HA-Kolloquien den allenthalben geschätzten Kollegen persönlich kennengelernt zu haben.

 

Der erste Abschnitt über den Herrscherbegriff in der Historia Augusta beginnt mit dem insgesamt längsten Beitrag (aus der Bonner Festgabe für Johannes Straub, Bonn 1977, 359ff.) über „Usurpatorenviten in der Historia Augusta“. Darin beschäftigt sich der Verf. mit dem seit Mommsen erkannten Problem von Haupt- und Nebenviten, die er allerdings im Gegensatz zu diesem und späteren Gelehrten auf das gesamte Werk ausgedehnt wissen möchte. Das erste Ergebnis, das er durch subtile Vergleiche mit Sueton und der sog. Enmannschen Kaisergeschichte herausfindet, einer Quelle, aus der die spätantiken Breviatoren Eutrop, Aurelius Victor und die Epitome de Caesaribus gemeinsam schöpfen, lautet, daß bis dahin nirgendwo Kaiseranwärter, d.h. Caesares, und Usurpatoren eine eigenständige Behandlung neben den legitimen Herrschern gefunden haben, so daß man den Verfasser der HA geradezu als den Schöpfer jenes literarischen Novums in der Kaiserpanegyrik benennen kann (auch wenn er fiktive Vorlagen anführt). Wichtig ist nun, daß R. hierbei nicht stehen bleibt, sondern durch einen erneuten eingehenden Vergleich mit zwei Autoren des 5.Jh., dem Spanier Orosius und Polemius Silvius, dem Autor eines kurzen Herrscherverzeichnisses, herausfindet, daß dort zum einen erstmals Usurpatoren eine klare Charakterisierung erfahren (durch die Bezeichnung als tyranni) und zum andern, daß sich darin auch eigene Listen von rechtmäßigen Herrschern und gleichzeitig von Usurpatoren finden. So liegt in der Tat der Schluß nahe, auch die HA in jene Zeit einzuordnen und eine wenn auch lose Verbindung mit den beiden Autoren herzustellen. Erst in dieser späten Zeit habe man das Problem als politische und historische Größe sui generis in den Blick bekommen und auch literarisch adäquat gewürdigt. Aber stellten wirklich erst damals neben allen äußeren Kriterien angesichts der immer stärker ins Reich eindringenden Barbaren die tyranni eine individuelle Größe für dessen Bestand  dar?

 

Bereits eng mit dem zweiten Teil verbunden ist der folgende Beitrag über die „Herrscherterminologie der Historia Augusta“ (aus dem Bonner Historia Augusta- Kolloquium 1977/78, Bonn 1980, 179ff.), wo R. aus den wenigen Stellen, wo die Begriffe princeps und purpuratus vorkommen, herausliest, daß in einem weitgefaßten Sinn princeps jeden Herrscher bezeichnen kann, unabhängig davon, ob er legitimiert ist, ein Thronanwärter oder ein Usurpator. Des weiteren wird die Entwicklung des Begriffes purpuratus von Plautus, Cicero, Livius bis hin zu Eutrop, Ausonius und Sidonius Apollinaris im 5. Jh. verfolgt (in der Bedeutung vom hellenistischen Höfling bis zum Kaiser schlechthin). Dabei stellt R. fest, daß die HA mit ihrem metonymischen Gebrauch – der Kaiser ganz allein als Pupurträger – dem späten gallischen Dichter am nächsten steht und somit erneut ein Anhaltspunkt gegeben ist  für eine Datierung der HA im frühen 5. Jh.

 

In der ebenfalls auf eingehender Quellenbetrachtung fußenden Studie über „Princeps mundi und den römischen Weltherrschaftsgedanken in der Historia Augusta“ (BHAC 1997/81, Bonn 1983, 255 ff.) stellt R. zunächst fest, daß mit der Bezeichnung principes mundi (Car. 18,4) und principes totius orbis (Aurelian. 32,4) noch immer an einem Weltherrschaftsanspruch festgehalten wird, von dem trotz aller Erfolge auch bei Aurelian und den Tetrarchen keinesfalls mehr die Rede sein kann, an dem aber seit der Entstehung der orbis Romanus-Begriffs in republikanischer Zeit weiterhin festgehalten wird. Freilich muß R. des weiteren bei der Betrachtung des Senatskaisers Tacitus (15,2) und des in schmählicher Gefangenschaft der Perser schmachtenden Valerian (1,1) und schließlich auch bei Severus Alexander (14,6), wo ähnliche Formulierungen auftauchen, einräumen, daß der Verf. der HA selbst nicht mehr an die Verwirklichung eines derartigen Anspruchs glaubte, da es doch immer mehr  Gebiete außerhalb des Reiches gab.

 

Der kurze Beitrag über „Vopiscus und das Authentizitätsproblem, zu Car. 4,1–5,3“ (aus BHAC 1986/89, Bonn 1991, 179ff.) ist der angeblich so sorgfältigen Quellenanalyse über das Herkunftsland des Kaisers Carus gewidmet, die R. völlig zu Recht als Fiktion und künstliches Szenarium einstuft, wie dies schon E. Hohl getan hat.  Gerade aufgrund der genannten Passage hat dieser bekanntlich den HA-Biographen als einen hemmungslosen Schwindler entlarvt, aber sie andererseits doch auch als Lehrstück der historischen Methode interpretiert, d.h. der Autor habe in der Tat eine erstaunlich differenzierte Vorstellung von den sachlichen Erfordernissen einer historischen Forschung gehabt. Ob ein solcher Satz, dem sich R. anschließt, bei derartig großflächigen Erfindungen nicht doch etwas zu hoch gegriffen ist?

 

Die Abhandlung über „Severus Alexander und Alexander d. Gr.“ (aus W. Will, J. Heinrichs [Hrsg.]: Zu Alexander d. Gr. Festschrift für G. Wirth, Bd. 2, Amsterdam 1988, 885 ff.) vergleicht zunächst die beiden sich ergänzenden Abschnitte bei Herodian 5,7 und Cass. Dio 79,17–18 (Adoption nach dem Vorbild des Alexander – Verehrers Caracallas, Mitwirkung von Julia Maesa, göttliches Eingreifen, Wunsch nach einem starken Herrscher angesichts der aufkommenden Persergefahr) und setzt damit das vom Verf. der HA entworfene Bild eines Idealkaisers entsprechend der literarischen Tradition über Alexander d. Gr. in Beziehung, das wiederum eine weitgehende Fiktion darstellt. Was dabei herauskommt, ist die Charakteristik dieses schwachen, stets von seiner Mutter abhängigen Jünglings als eines umsichtigen Herrschers und kriegerischen Helden, der Alexander d. Gr. in mancher Hinsicht noch  übertroffen habe.

 

Eng verbunden damit sind die wenigen Seiten über „Die Darstellung des Perserfeldzuges des Severus Alexander in der Historia Augusta“ (BHAC 1975/76, Bonn 1978, 167ff.). Ausgehend von der unterschiedlichen Überlieferung über den Ausgang dieses Feldzugs – erfolgreich bei den spätantiken Breviatoren bzw. verheerender Mißerfolg bei Herdodian – zeigt R., wie der Verf. der HA jene knappen Andeutungen aus der Spätzeit nicht nur erweitert und panegyrisch ausgeschmückt, sondern auch historisch und literarische Reminiszenzen bes. aus der Alexanderüberlieferung herangezogen hat (Sichelwagen, Panzerreiter, Elefanten usw.). Auch hier liege die Absicht auf der Hand: Er habe diesen Idealherrscher auch zu einem äußerst geschickten Heerführer und großen kriegerischen Helden emporstilisieren wollen; denn. Sieghaftigkeit und hohe Feldherrnqualitäten, so der letzte Satz, seien unabdingbare Bestandteile des Herrscherideals der HA.

 

Noch ein letztes Mal geht es in der folgenden Untersuchung über „Das Lebenslaufmotiv in der griechisch – römischen Antike“ (aus R. W. Keck,E. Wiersing [Hrsg.]: Vormoderne Lebensläufe – erzieherisch betrachtet. Köln 1994, 75 ff.) um die Severus Alexander-Vita der HA, und zwar um die ideale Erziehung dieses Kaisers, deren Dreistufigkeit mit genauen Angaben über einzelne Lehrer sich erneut als romanhafte Ausgestaltung erweist. Sie sind herausgesponnen aus den wenigen Andeutungen Herodians mit dem Ziel, durch eine früher als sonst einsetzende Schulbildung zu den idealtypischen Aussagen über den princeps litteratus zu gelangen. Es ist nicht allzu viel Neues, was man im Anschluß daran über die biographische Schriftstellerei bei Griechen und Römern erfährt, über Nepos, Plutarch, Sueton und zurück bis zu den alexandrinischen Versuchen (mit  einem erstmals festen Schema ohne Rücksicht auf die Chronologie) und den Anfängen bei den Sophisten und Euripides, wo es erste allgemeine Aussagen über den Menschen gegeben habe. Der Schritt zur eigentlichen Biographie sei in der peripatetischen Schule des Aristoteles getan worden, speziell bei dessen Schüler Aristoxenos, den man als Begründer der literarischen Biographie ansprechen könne, da von ihm Lebensbeschreibungen über Pythagoras, Sokrates und Platon bekannt sind. Mit dem Hinweis auf  die rege Kombinationsgabe eben der Alexandriner findet der Verf. den Weg zurück zur HA, wo er allerdings auch Angaben über eine Begrenzung des Bildungsinteresses entdeckt, nach dem Vorbild von Cicero, Quinitilian und Tacitus im Sinne eines Kompromisses von bios theoretikos und bios praktikos (was er speziell in einem Vorwurf des Avidius Cassius an den gelehrten Marc Aurel erkennen will: Avid. Cass. 14,5).  

 

Den Auftakt des zweiten Abschnitts über das antike Erziehungswesen macht der 1991 in der Schriftenreihe zum Bayerischen Schulmuseum in Ichenhausen (bei Günzburg) „Zur Schülerbeurteilung in der Antike“ enthaltene Aufsatz (Bad Heilbrunn 1991, 49 ff.). Darin behandelt der Verf. nach einer allgemeinen Einleitung über das seit der Zeit des Hellenismus entwickelte, im Grunde bis heute erhaltene dreigliedrige Schulwesen und die schlechte Quellenlage ausführlich die in dem Standardwerk von H. I. Marrou kurz angesprochene Siegerliste von Chios. Bekanntlich sind dort die Namen der Sieger in den musischen und sportlichen Wettbewerben, aufgegliedert nach Einzelfächern und Altersgruppen – Knaben, Epheben, junge Männer – enthalten. Wie auch schon bei M. P. Nilsson (Die hellenistische Schule, München 1955) nachzulesen ist, findet R. im Unterschied zu heute heraus, daß es keine Zensuren, Zeugnisse und Examina gab und außerdem die Leistungen damals in aller Öffentlichkeit festgehalten wurden. Wenn er allerdings meint, sie seien dadurch viel objektiver und transparenter gewesen, so dürfte dies doch auf mangelnder Kenntnis des heutigen Schulwesens und insbesondere der immer kritischer werdenden Eltern beruhen. Auch daß der Schulerfolg für den damaligen Schüler und sein Selbstgefühl wesentlich wichtiger gewesen sei, dürfte auf einen zu geringen Einblick in die heutigen Verhältnisse (mit dem Feilschen um Zehntelnoten) beruhen.

 

„Lehrer und Lehrerbildung im Imperium Romanum“, so heißt die nächste Studie (Bad Heilbrunn 1989, 119 ff.), die vom ersten Auftreten privater Lehrer in Rom (seit Livius Andronicus und Ennius) über den Antagonismus zwischen altrömischer Familienerziehung und Schulerziehung nach griechischem Vorbild, greifbar etwa bei dem älteren Cato und Aemilius Paullus, bis zu dem altrömischen Familienvater in der Schulkonzeption Quintilians reicht. Recht anschaulich wird hierbei die in der römischen Kaiserzeit noch immer konträr geführte Diskussion zwischen Haus- und Schulunterricht mit den Argumenten der jeweiligen Gegenseite vorgeführt. Wenn Quintilian dem Katalog von Gefahren für die Kinder in den öffentlichen Schulen einen ähnlichen Katalog mit den Eigenschaften des publicus praeceptor als Postulat entgegensetzt (die ihn wie einen guten Vater erscheinen lassen), so läßt sich daran ablesen, daß das gesellschaftliche Ansehen dieser Lehrer bes. in der Elementarschule noch immer sehr niedrig war. Wenn der Verf. am Ende feststellt, daß es eine an den pädagogischen Grundsätzen orientierte Lehrerbildung weder in der Republik noch in der Kaiserzeit gegeben hat, so ließe sich hinzufügen, daß  eine solche doch wohl erst seit dem beginnenden 19. Jh. in Ansätzen entwickelt wurde.

 

Die längeren Ausführungen zu dem Thema „Der naturwissenschaftliche Unterricht in der römischen Antike“ (Bad Heilbrunn 1988, 93 ff.) beginnen mit einer Auseinandersetzung mit den bekannten Büchern von Heiberg (1910) und Hoppe (1911) über antike Mathematik, deren Verfasser bekanntlich den Niedergang der antiken Naturwissenschaften der mangelnden Veranlagung der Römer, ja sogar einer gewissen Verachtung zugeschrieben hatten. R. setzt als  Verdienste des Siegervolkes zumindest die Aneignung und Tradierung entgegen, aber auch die Sorge für eine stabile politische Ordnung, welche den Griechen in Alexandria, Pergamon, Rhodos und anderswo zugute gekommen sei. Als einschränkende Merkmale der hellenistischen Naturwissenschaft, der z. B. kein großer Durchbruch etwa zur experimentellen Physik gelungen ist, sieht er die geringe Zahl wissenschaftlicher Zentren, den geringen Zeitraum einer friedlichen Forschungsmöglichkeit (nur wenige Jahrzehnte während der zweiten Hälfte des 3. Jh.) und schließlich die stete Bindung an dogmatische Prämissen der Philosophie. Hier fußt er natürlich vor allem auf dem grundlegenden Werk von C. Schneider (Kulturgeschichte des Hellenismus, 2. Bd., München 1969). Was R. sodann an Merkmalen und Leistungen auflistet, von Theophrast über Aristoteles bis Eratosthenes u.a., ist wiederum  eine geraffte Zusammenfassung aus diesem und ähnlichen Werken, ebenso geht das, was er über den kaum bekannten naturwissenschaftlichen Unterricht in der hellenistischen und römischen Zeit vorträgt, nicht über das hinaus, was bei  Leo, Schanz-Hosius und Marrou nachzulesen ist. Als anschaulichen Abschluß über Roms Vorliebe für verwertbares Wissen , für praktische Politik und ein besseres, glückliches Leben zitiert R. Ciceros sprechende Bemerkungen über die Doppelsonne (rep. 1,32) und die berühmten Worte Vergils Aen. 6,847 ff.: Excudent alii... Der ohne Zweifel durch Rom eingetretene Stillstand in  naturwissenschaftliche Theorie und  praktischer Forschung werde indes wettgemacht, so noch einmal, durch die Bewahrung der Kenntnisse und die Weitergabe an die künftigen Jahrhunderte.

 

Naturgemäß wenig ist es, was der Verf. zu „Fragen des Zeichenunterrichts im alten Rom“ quellenmäßig eruieren kann (Bad Heilbrunn 1987, 64 ff.). Bietet er zunächst nach Friedländers Sittengeschichte Roms einen gedrängten Überblick zur allgemeinen Rolle und Bedeutung der bildenden Künste im Römischen Reich (große Bedeutung von Götterbildern, Wandgemälden im öffentlichen und privaten Bereich, Münz- und Kaiserbildern in fabrikmäßiger Massenherstellung, großes Informationsbedürfnis aller Menschen), so kann er wenigstens für die griechische Schule zwei Stellen aus Aristoteles und Plinius d. Ä. anführen, die einen Zeichenunterricht als eigenes Fach belegen, für Rom muß er sich allerdings mit einem gelegentlichen Privatunterricht begnügen. Sollte der ausschlaggebende Grund wirklich einzig darin gelegen haben, daß die Beschäftigung mit den bildenden Künsten, wie es Seneca u.a. andeuten,  für unvereinbar mit der Würde der vornehmen Römer galt oder war es nicht wiederum das praktische Denken der Römer, das die Aufnahme des Faches Zeichnen in den Kanon der schulischen Disziplinen verhinderte?  

 

Wenn sich R. länger mit dem Thema „Der Umgang mit Behinderten im Römischen Reich“ befassen kann (Bad Heilbrunn 1996, 137 ff.), wofür es freilich keinen adäquaten Ausdruck im Lateinischen gibt, so liegt das daran, daß er hier auf mehrere  Darstellungen aus jüngster Zeit zurückgreifen kann (Esser, Grassl, Kajanto). Bei dem Blick auf die zahlreichen körperlichen Gebrechen, wie sie bereits bei zahlreichen Beinamen zum Ausdruck kommen, ist auffällig, daß damit im Altertum keinerlei Diskriminierung, selbst nicht bei Angehörigen der Nobilität, verbunden war, wie etwa aus Hor. sat. 1,3,39 ff. deutlich wird. Was der Verf. im einzelnen aus den  Quellen herausholt, den Viten von Hadrian, Septimius Severus, Caracalla und Elagabal, aber auch aus Sueton, macht offenkundig, daß neben blutrünstigem Sadismus (bei Caracalla) und Spott etwa über Kleinwüchsige und einen großen Markt für solche bedauernswerte Menschen zur Unterhaltung bei Gastmälern jedoch auch die Anerkennung nicht zu kurz kommt , so z.B. für einen Herrscher wie Septimius Severus, der trotz eines schweren Fußleidens seinen Regentenpflichten bis zuletzt verantwortungsbewußt nachkam.

 

Der Überblick über   „Nationale und internationale Aspekte der römischen Schulerziehung“ (Bad Heilbrunn 1993, 62 ff.) setzt ein mit einer kurzen Interpretation des häufig zitierten horazischen Diktums Graecia capta ferum ... (epist. 2,1,156ff.), das ganz konkret verstanden wird (Sieg der Römer bei Pydna 168 oder über den Achäiaschen Bund 146). Weiterhin behandelt der Verf., im wesentlichen Schanz Hosius referierend, die spärlichen geschichtlichen Notizen zur römischen Frühzeit (erste Spuren über Elementarschulen vom 6. bis zum 4. Jh.) und anschließend die Auskünfte in Suetons Schrift  De grammaticis et rhetoribus über eine erste und zweite Stufe der Einführung von Grammatikerschulen (Livius Andronicus, Ennius usw. – Krates von Mallos seit 168) und schließlich werden von ihm, entsprechend den Ausführungen in E. Nordens Römischer Kunstprosa, die wachsende Akzeptanz seit der Mitte des 2. Jh. (mit der professionellen Texterklärung etwa durch Aelius Stilo) und die persönlichen Kontakte dieser Lehrer mit Politikern, Historikern und Dichtern als Voraussetzung für den Höhepunkt der lateinischen Literatur in der augusteischen Zeit erklärt. Ein Ausblick auf die Warnungen vor Überfremdung, wie z.B. durch Cato oder das Edikt gegen die Rhetoriklehrer (92 v. Chr.), und der Hinweis auf die weite Verbreitung der lateinischen Sprache in der Kaiserzeit durch „ein ziemlich dichtes Netz von Schulanstalten“ beschließt diese informativen Ausführungen. Gerne hätte man am Ende noch gewußt, wie hoch der Verf. den Alphabetisierungsgrad im Römischen Reich veranschlagt. Waren es wirklich nur 20 bis 30% der erwachsenen Männer und 10% der Frauen aus der Gesamtbevölkerung, die damals lesen und schreiben konnten, wie unlängst wieder J. Christes meinte (NP 4, 1998, 111)?

 

Den Abschluß des Bändchens bildet die kurze Studie, die überschrieben ist „Der Gebildete Kaiser. Zum Problem der Herrschererziehung in Rom“ (Bad Heilbrunn 1986, 65 ff.). Dort nimmt R. nach Sueton und Tacitus den hohen Bildungsgrad der Kaiser von Augustus bis Domitian in den Blick  sowie deren eigene (allerdings recht mäßige) literarische Versuche, ihre durchwegs anerkannte Redegabe und ihre solide Kenntnis des Griechischen, aber auch die Ressentiments, die man gegen Literaten, Philosophen und Gelehrte auf dem Kaiserthron von senatorischer Seite hegte (faßbar etwa im Agricola des Tacitus).

 

Wollte man am Ende ein Fazit ziehen, so ließe sich sagen: In der ersten Hälfte, wo es um die Historia Augusta geht, liegen durchaus eigenständige Arbeiten vor, die im Rahmen der HA- Forschung und darüber hinaus ihren Wert behalten werden. Dort, wo R. sich dem antiken Erziehungswesen (mit fast jährlichen Vorträgen in Ichenhausen) zuwendet, bleibt es im Wesentlichen bei zusammenfassenden Übernahmen zumeist aus älteren Werken, die aber wegen ihrer präzisen Kürze, ihrer anschaulichen Darstellung und ihrer kompakten Übersichtlichkeit durchaus eine Zusammenstellung in der vorliegenden Form verdient haben.

 

Richard Klein, Wendelstein

 

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