Franca De Marini Avonzo, Dall’impero cristiano al medioevo. Studi sul diritto tardoantico (Bibliotheca erudita, hgg. von Domenico Maffei und Horst Fuhrmann, Bd. 24), Goldbach: Keip Verlag 2001. XXIII p., 341  S. Euro 64,-- ISBN 3-8051-0769-2

 

 

Der ansprechend gestaltete Sammelband enthält insgesamt 15 Aufsätze der Verf. aus den Jahren 1955-1997. Die (sachlich geordneten) Artikel teilen sich in zwei große Gruppen: „Le fonti“ (p. I-VIII; S. 3*-134*) sowie „La giustizia“ (p. IX-XV; S. 137*-318*). Zu Beginn des Bandes befinden sich Zusammenfassungen der Beiträge auf Italienisch (p. IX*-XVI*) und - wie in der Reihe üblich - auf Englisch (p. XVII*-XXIII*)[1]. Die Artikel selbst sind photomechanisch reproduziert, aber durchgehend neu paginiert. Den Band beschließt ein Verzeichnis der Erstpublikationen und ein ausführliches Quellenregister. Einschlägige Literatur, die nach der jeweiligen Erstpublikation erschienen ist, wurde nicht nachgetragen.

 

1. Der erste Beitrag (S. 3*-40*: Pagani e cristiani nella cultura giuridica del V secolo; a. 1972) setzt sich mit den Ursachen auseinander, die die Kaiser des fünften Jahrhunderts veranlaßten, für eine verbesserte Kenntnis des geltenden Rechts unter den Rechtsanwendern zu sorgen (s. hierzu auch auch den folgenden Beitrag). Für das bekannte Zitiergesetz des Kaisers Valentinian III. vom 7. November 426 (C.Th. 1, 4, 3) vermutet die Verf., daß die römische Senatsaristokratie, die sich die Pflege der lateinischen Literatur angelegen sein ließ, hinter den Bemühungen um eine Sicherung der Überlieferung steht. Ein Respekt vor den klassischen Texten sei auch später bei der Erstellung des Codex Theodosianus sichtbar.

 

2. Die Unsicherheiten der spätantiken Reskriptspraxis bilden den Gegenstand des zweiten Artikels (S. 41*-51*: I rescritti nel processo del IV e V secolo; a. 1993). Schon Konstantin erklärte Reskripte, die entweder in einem bereits schwebenden Verfahren, nach der Urteilsverkündigung und dem Verstreichen der Appellationsfrist oder nach einer Streitentscheidung durch den Kaiser eingeholt wurden, für unwirksam. Auch alle Reskripte, die contra ius ergingen, sollten ungültig sein. Der Codex Theodosianus (a. 438) verzichtete bewußt auf die Aufnahme von Reskripten. Die Maßnahmen streben freilich nicht danach, die Reskriptenpraxis aufzuheben, sondern wollen lediglich deren Unzuträglichkeiten einzuschränken. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf die Urkunden, die bereits L. Wenger, Die Quellen des römischen Rechts, Wien 1955, S. 427-432 zusammenstellte (dort auch zu den Schwierigkeiten der Rechtsfindung in der Spätantike). So dürfte etwa der stark fragmentierte P. Amh. II 27 (Zeit Diokletians?)[2] die forensische Anwendung der Reskripte illustrieren. Der Reskriptsprozeß ist nunmehr bei M. Kaser-K. Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht (HdA 10.3.4), München 1996, S. 633-636 ausführlich dargestellt[3].

 

3. Im dritten Beitrag (S. 53*-63*: I libri di diritto a Constantinopoli nell’età di Teodosio II.; a. 1991) untersucht die Verf., welche juristischen Werke in Konstantinopel zur Zeit Theodosius’ II. zur Verfügung standen. Sie geht davon aus, daß die Codices Gregorianus und Hermogenianus Neuauflagen erlebten, die in der Anfügung späterer Konstitutionen und in sachlichen Interpolationen bestanden. Zitate aus Werken klassischer Juristen finden sich in Kaiserkonstitutionen wie in literarischen Werken (Ammianus Marcellinus). Die Verf. kommt zu dem Ergebnis daß die juristischen Werke jedenfalls in Konstantinopel in einer der ursprünglichen nahestehenden Form bewahrt wurden[4].   Die Verf. beschränkt sich auf die (bekannten) juristischen und literarischen Quellen. Weitere Aufschlüsse über den Stand der Rechtskultur unter Theodosius II. ließen sich aus der Aufarbeitung der erhaltenen Fragmente juristischer Schriften in östlichen Schriftarten (etwa ältere Halbunziale oder BR-Unziale) gewinnen, wie sie etwa bei E. A. Lowe, Codices latini antiquiores, Supplementum, Oxford, 1971 zu finden sind.

 

4. Im vierten Beitrag (S. 65*-82*: Codice Teodosiano e Concilio di Efeso; a. 1984) will die Verf. das Scheitern eines ersten Versuches zur Kodifizierung von ius und leges (C.Th. 1, 1, 5; a. 429) mit dem Arbeitsanfall, den das Konzil von Ephesos für den kaiserlichen Hof in Konstantinopel mit sich brachte, in Zusammenhang bringen[5]. Ihr Augenmerk gilt dabei auch der Haltung der Mitglieder der Kommission hinsichtlich der Glaubensfragen, mit denen sich das Konzil auseinandersetzte. Vor allem mit Antiochos Chuzon, dem Leiter beider Kommissionen, beschäftigt sich die Verf. genauer[6]. Die Verf. sieht in Antiochus den “Verfasser” des Gesetzes über das Asylrecht vom 23. März 431, das in verkürzter Form in C.Th. 9, 45, 4 sowie vollständig als Anhang zu Aktensammlungen des Konzils von Ephesos überliefert ist (s. den folgenden Beitrag). Nach der Verf. soll weiterhin eine Reihe von Gesetzen, die in das 16. Buch des Codex Theodosianus Aufnahme fanden, nicht in Kraft getreten sein (s. S. 80*-81*). Hier wäre allerdings eine eingehende kritische Auseinandersetzung mit den jeweiligen Quellen zur Nichtanwendung bzw. Außerkraftsetzung wünschenswert gewesen. Die Verf. kommt so zu dem (fragwürdigen) Schluß, daß Gesetze, die überhaupt nicht angewendet werden sollten, nur deshalb in den Codex Theodosianus gelangten, um den Anschein religiöser Toleranz zu wecken.

 

5. Der fünfte Beitrag beschäftigt sich mit der Publikation eines Gesetzes Theodosius’ II. in Alexandria (S. 83*-92*: La pubblicazione in Alessandria di una legge di Teodosio II.; a. 1984). Es handelt sich um das bekannte Asylgesetz Theodosius’ II. aus dem Jahre 431, das bereits in dem vorangehenden Artikel Erörterung fand. Ausschnitte aus dem Gesetz finden sich in C.Th. 9, 45, 1. In der Hs. Vat. reg. lat. 886 (Frankreich, vielleicht Lyon; s. VI)[7] findet sich zudem noch eine griechische Version des Gesetzes (ediert bei Mommsen, Codex Theodosianus II, S. 521-525; das einzige Beispiel für ein zweisprachiges Gesetz im Codex Theodosianus). Die vollständige Fassung des Gesetzes ist in einem Anhang von fünf Dokumenten zu einer Sammlung der Konzilsakten von Chalcedon (Collectio Vaticana[8]) erhalten. Das Gesetz, das am 23. März 431 in Konstantinopel erging, wurde am 7. April 431 in Ägypten publiziert; die Ortsangabe fehlt, jedoch ist von der Verlesung in „der Kirche der Mönche“ die Rede. Aus dem kurzen Zeitraum zwischen Erlaß und Publikation schließt die Verf. auf Alexandria als Publikationsort, da keine andere Stadt in Ägypten der Hauptstadt so nahe liege. Die Verf. untersucht sodann die Zusammensetzung des Anhangs und kommt zum Ergebnis, daß dessen Zusammenstellung von den Interessen des Cyrillus und des alexandrinischen Mönchtums geleitet war. Das Asylgesetz stünde in Zusammenhang mit Ereignissen in Konstantinopel unmittelbar vor Eröffnung des Konzils zu Ephesos (s. den vorangehenden Beitrag). Es bezwecke die Wiederherstellung von Rechtssicherheit; dies erkläre auch die zweisprachige Publikation. Der Anhang diene nicht nur allgemein einer antinestorianischer Zielsetzung, vielmehr solle er auch helfen, die Orthodoxie neu zu definieren. Daß das Asylgesetz in der „Kirche der Mönche“ verlesen wurde, wertet die Verf. als weiteren Beleg dafür, daß es aus einem „mönchischen“ Ambiente stammt. Mit E. Schwartz nimmt sie an, daß die griechische Version des Gesetzes in der Hs. Vat. reg. lat. 886 auf die vollständige Fassung (wie sie der Anhang zu den Konzilsakten überliefert) zurückgeht, das verwendete Manuskript aber sowohl diverse Korruptelen wie auch manche Verbesserungen aufwies. Nach der Verf. war aber die griechische Version nie Teil des Codex Theodosianus, sondern geriet als Arbeit eines Privaten in ein westliches Manuskript des Codex Theodosianus. Das Vorhandensein des griechischen Textes in der Hs. Vat. reg. lat. 886 will die Verf. mit den kirchenrechtlichen Aktivitäten im Skriptorium von Lyon (dort lokalisiert die Verf. im Anschluß an Lowe die Handschrift) verbinden. Unter den Intellektuellen Lyons seien die Personen zu suchen, die gleichzeitig in Besitz eines Codex Theodosianus und der Sammlung des Kyrillos waren. Im Hinblick auf das Asylgesetz ist noch die Arbeit von H. Langenfeld, Christianisierungspolitik und Sklavengesetzgebung der römischen Kaiser von Konstantin bis Theodosius II., Bonn 1977 nachzutragen, der S. 132 ff. das Gesetz ausführlich behandelt; hingewiesen sei auch auf H. Siems, Zur Entwicklung des Kirchenasyls zwischen Spätantike und Mittelalter, in: Libertas, Grundrechtliche und rechtsstaatliche Gewährungen in Antike und Gegenwart, Symposion aus Anlaß des 80. Geburtstages von Franz Wieacker, Ebelsbach 1991, S. 139-186.

 

6. Im sechsten Beitrag setzt sich die Verfasserin mit zwei Juristen der Severerzeit auseinander (S. 93*-113*: Due giuristi severiani per un imperatore sconosciuto; a. 1974). Die Konstitution C. 9, 8, 6 ist in hochmittelalterlichen Textzeugen ohne Inskription und Subskription[9] überliefert und beschränkt sich auf zwei Zitate aus den libri de iudiciis publicis des Paulus und Marcians. Die Verf. geht im Anschluß an P. Krüger davon aus, daß hier die lateinischen Teile einer griechischen Konstitution erhalten sind. Einen Teil des griechischen Textes überliefern - stark verkürzt - die Basiliken (Bas. 60, 36, 20)[10]. Ein Vergleich mit den sonstigen Zitaten von Juristen in Kaiserkonstitutionen führt die Verf. zu der Annahme, daß es sich um eine Konstitution Justinians handeln muß. Erst die Tätigkeit Tribonians ermöglichte die Zusammenstellung von Zitaten klassischer Juristen, wie sie gerade in C. 9, 8, 6 vorliegt. Jedoch könne Tribonian - hier folgt die Verf. den Thesen von T. Honorè[11] - aus stilistischen Gründen nicht der Verfasser sein. Aus den Ereignissen des Nika-Aufstandes will sie ableiten, daß die Konstitution am 5. März 532 erging und von dem Quästor sacri palatii Basilides herrühre. Sie handle nämlich von Vermögenskonfiskationen, wie sie Justinian im Gefolge des Nika-Aufstandes durchführte.

 

7. Der siebte Beitrag stellt Leben und Werk des Dionysius Exiguus vor (S. 115*-124*: Secular and Clerical Culture in Dionysius Exiguus Rome; 1985). Die Verf. erblickt in den Einleitungen, die Dionysius den Konzilskanones und Dekretalen jeweils voranstellte, einen Einfluß der einleitenden Konstitutionen zum Theodosianus. Kenntnisse der Kodifikationstechnik habe sich Dionysius durch seinen persönlichen Umgang im Kreis der Anicii erwerben können.

 

8. Der achte Beitrag hat zwei Zitate aus dem Codex Iustinianus in der Historia Tripartita Cassiodors[12] zum Gegenstand (S. 125*-134*: Due citazioni del Codex Iustinianus nella Historia Tripartita di Cassiodoro; a. 1969). Nach einer Darstellung der Lebensumstände Cassiodors behandelt die Verf. zwei (kirchenrechtliche) Konstitutionen Theodosius’ I., die in Hist. Trip. 9, 7 (C. 1, 1, 1)[13] und in Hist. Trip. 9, 30 (C. 9.47.13)[14] jeweils in der Fassung des Codex Iustinianus enthalten sind. Die Konstitutionenzitate fehlen in der jeweiligen unmittelbaren Vorlage (Sozomenus bzw. Theodoretus). Die Verf. denkt daran, daß sich Cassiodor möglicherweise in Konstantinopel ein Exemplar des Codex verschafft habe, da dieser erst im Jahre 554 in Italien offiziell eingeführt worden sei. Doch ergibt sich aus Cap. 11 der Novelle vom 1. August 554 („sanctio pragmatica pro petitione Vigilii“), daß die justinianische Kompilation (iura und leges) bereits vor dem Jahre 554 nach Italien gesandt worden war[15]. Auch dürfte die Historia tripartita nicht von Cassiodor, sondern selbständig von Epiphanius verfaßt worden sein[16]. Cassiodor veranlaßte lediglich die Kompilation dieses Werkes und schrieb das Prooemium[17].

 

9.-10. Der neunte und zehnte Artikel, die den zweiten Teil des Buches, der sich mit dem Justizwesen beschäftigt, eröffnen, untersuchen unter der gemeinsamen Überschrift “La giustizia nelle province agli inizi del basso impero” zwei grundlegende Edikte Konstantins d. Gr. vom 01. 11. 331 bzw. 01. 08. 331 (S. 137*-174*: La giustizia nelle province agli inizi del basso impero. I. I principi generali del processo in un editto di Costantino; a. 1964; S. 175*-235*: La giustizia nelle province agli inizi del basso impero. II. L’organizzazione giudiziaria di Costantino; a. 1968). Ein Edikt Konstantins vom 01. 11. 331, das sich an die gesamte Reichsbevölkerung richtet und von dem der Codex Theodosianus zwei Bruchstücke überliefert (C.Th. 1, 16, 6+7), wendet sich gegen korrupte Provinzstatthalter und deren Verwaltungsapparat. Es betont insbesondere die Öffentlichkeit des Prozesses sowie die durchgängige Anwesenheit des Gerichtsmagistrats und die Protokollierung des Verfahrens. Auch werden Kontrollinstanzen für eventuelle Mißstände im Gerichtswesen festgelegt. Das Edikt ordnet weiterhin an, daß auch die untergeordneten Beamten des Statthalters die Grundsätze der Öffentlichkeit und Unentgeltlichkeit des Gerichtsverfahrens zu beachten haben. Die Ausführungen der Verf. fanden allgemeinen Beifall[18]. Der zweite Aufsatz widmet sich einem Edikt Konstantins vom 1. August 331, das sich sachlich mit dem Edikt 01. 11. 331 berührt. Das Edikt ist in acht Teilstücken überliefert (s. dazu S. 181*-187*). Es regelt die Wirkungen der litis denuntiatio, die erstinstanzlichen Zuständigkeiten, den Appell gegen Entscheidungen höherer Instanzen und das Verhältnis von Appell und supplicatio.

 

11. Der elfte Beitrag befaßt sich mit einer Episode aus dem Leben des Kirchenvaters Gregor von Nazianz (S. 237*-249*: S. Gregorio Nazianzeno e la donazione della lite al fisco; a. 1968). Im Jahre 369 sah sich Gregor als gesetzlicher Erbe seines Bruders (Oberarzt am Hofe Constans II.) Forderungen von (angeblichen) Gläubigern des Verstorbenen ausgesetzt. Gregor bittet zunächst einen Landsmann, der ein kaiserliches Hofamt bekleidete, um Unterstützung. Unter Vermittlung des Bischofs Basilius von Caesarea sucht sich Gregor dann der leidigen Erbschaft dadurch zu entledigen, daß er sie dem Fiskus als Geschenk anbietet. Der comes rerum privatarum könne sie, so meint Gregor, gegen die Ansprüche von dritter Seite besser verteidigen. Die Verf. geht dabei von der (m.E. nicht unzweifelhaften) Prämisse aus, daß bereits Prozesse wegen der Erbschaftsschulden rechtshängig waren. Damit steht nach der Verf. die beabsichtigte Schenkung in Widerspruch mit der römischrechtlichen Regel, die die Schenkung einer streitbefangenen Sache an den Fiskus untersagt. Aus weiteren Selbstzeugnissen Gregors schließt die Verf., daß der Fiskus - in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht - die Übernahme der Erbschaft abgelehnt hat.

 

12. Im zwölften Beitrag analysiert die Verf. sieben Briefe Cassiodors aus den Variae, in denen Rechtsstreitigkeiten von Bischöfen zur Sprache kommen (S. 251*-262*: I vescovi nelle “Variae” di Cassiodoro; a. 1990). Hier steht die Frage nach der Anwendung kaiserlichen Rechts im ostgotischen Italien im Mittelpunkt. Die Verf. geht davon aus, daß sich Cassiodor seine Rechtskenntnisse in der Rechtsschule von Rom aneignen konnte.

 

13. Der 13. Artikel befaßt sich wieder mit dem Gerichtswesen, diesmal jedoch beschränkt auf den Westen des Reiches (S. 263*-283*: Diritto e giustizia nell’occidente tardoantico; a. 1994). Die spätantiken Kaiser waren um die hinreichende Kenntnis des Rechts durch Richter und Advokaten und die korrekte Rechtsanwendung in den Gerichtshöfen bemüht (vgl. auch den ersten Beitrag). Die Verf. gibt zunächst einen Überblick zur Entwicklung des spätantiken Gerichtsverfahrens. Zu Beginn der Spätantike hatte der Prozeß eindeutig öffentlich-rechtlichen Charakter, indem eine stabile Instanzenhierarchie, Verstärkung der Richter bei der Führung der Prozesse, gesetzliche Beweisregeln und Strafbestimmungen bei Mißbrauch der Justiz vorhanden seien. Sodann erörtert die Verf. einige konkrete Beispiele, die die Verfahrensgrundsätze der Kaiserkonstitutionen illustrieren. Im einzelnen bespricht sie C.Th. 8, 15, 1, verschiedene Reskripte in der Consultatio veteris cuiusdam iurisconsulti (Cap. 9), Symmachus, Relatio 28, sowie Beispiele aus den Papyrusfunden Ägyptens (vgl. Register), insbesondere FIRA III Nr. 101 (a. 340; SB 8246).

 

14. Im vierzehnten Beitrag erörtert die Verf. ausführlich das Problem der hundertjährigen Verjährung, die Justinian in verschiedenen Konstitutionen aus den Jahren 530-535 den Kirchen und den religiösen Einrichtungen gewährte (S. 285*-309*: Giustiniano e le vicende della praescriptio centum annorum; a. 1961). Die Privilegierung erstreckte sich ursprünglich auch auf die Städte (C. 1, 2, 23). Den Anlaß der justinianischen Gesetzgebung sieht die Verf. im Fälscherskandal von Emesa, von dem Prokop berichtet (Anekdota, 28). Von großer wirkungsgeschichtlicher Bedeutung ist die Novelle vom 14. April 535 (Coll. CLXVIII Novv. 9), die das Privileg auf die westlichen Kirchen (repräsentiert durch die Kirche von Rom!) und deren westliche wie östliche Besitzungen ausdehnt. Im Jahre 541 widerruft Justinian jedoch das Verjährungsprivileg der Kirchen (Coll. CLXVIII Novv. 111). Insoweit stellt sich aber die Frage, ob auch die westlichen Kirchen von diesem Widerruf betroffen waren. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten sei auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Thesen der Verfasserin an anderer Stelle verwiesen[19].

 

15. Der fünfzehnte Aufsatz setzt sich mit C. 6, 34, 1 (Alexander Severus; a. 229) auseinander (S. 311*-318*: La repressione penale della violenza testamentaria (CI. 6. 34. 1); a. 1955). Die Konstitution bildet die einzige Quelle zu einer erzwungenen Erbeinsetzung, andernorts ist nur von der Verhinderung der Testamentserrichtung die Rede. Die gewaltsame Einsetzung hat für den Täter sowohl eine zivilrechtliches wie ein strafrechtliches Verfahren zur Folge. Das crimen, das die Konstitution erwähnt, aber nicht näher spezifiziert[20], setzt die Verf. in Anschluß an C. Longo mit dem crimen vis gleich. In der spätklassischer Zeit unterfallen verschiedene Tatbestände gewaltsamer Entwendung dem crimen vis, die in den Leges Iuliae de vi noch nicht vorgesehen waren. Als Beispiele für eine „Fortentwicklung“ nennt die Verf. D. 48, 6, 5 pr. (Marc. 14 inst.; Zwang zur Eingehung einer Verpflichtung), PS 5, 26, 4 (Gläubiger setzt sich in Besitz der Habe des Schuldners, um diesen zur Zahlung zu zwingen), D. 39, 4, 9, 5 (Gewaltsame Eintreibung von Steuern).

           

Wolfgang Kaiser, Tübingen                                                                                                         



[1] Freilich ist angesichts der unbestreitbaren Relevanz des Italienischen als Wissenschaftssprache für das römische Recht unklar, welchen Leserkreis die englischen summarys ansprechen sollen; Fachwissenschaftler gewiß nicht.

[2] Vgl. hierzu auch die Edition und die Bemerkungen bei L. Mitteis, Grundzüge und Chrestomathie der Papyruskunde, 2, 2, Leipzig 1912 (Nachdruck 1963), S. 427 Nr. 380 sowie bei R. Seider, Paläographie der lateinischen Papyri 2, 2, Stuttgart 1981, S.63 Nr. 15.

[3] S. die Literaturhinweise dort S. 633 Fn. 1.

[4] Vgl. auch S. 55* zu dem Gesetz des Kaisers Valens (a. 372; C.Th. 14, 9, 2) über die Pflege der juristischen Literatur durch Einstellung von vier griechischen und drei lateinischen Kalligraphen; zu der abwegigen Interpretation dieses Gesetzes bei F. Betancourt, El libro anónimo „de interdictis“, Sevilla 1997, S. 450-452 s. die Rezension von W. Kaiser, in: ZRG RA 116 (1999), S. 352-363, 358-359.

[5] Ein solcher Zusammenhang wurde, wie die Verf. S. 68* ausführt, erstmalig von A. Peyron hergestellt (Codicis Theodosiani fragmenta inedita ex codice palimpsesto bibliothecae R. Taurinensis Athenei, in: Memorie della R. Accademia delle Scienze di Torino, 28, 1824, S. 157-174).

[6] Die Verf. folgt der Meinung, wonach im Jahre 429 zwei Personen mit Namen Antiochos an der Kompilation beteiligt waren.

[7] So E. A. Lowe, Codices Latini antiquiores, Bd. 1, Oxford 1934, Nr. 110; zu den Randglossen s.  zuletzt A. J. B. Sirks, Summaria antiqua Codicis Theodosiani, Amsterdam 1996.

[8] Ed. E. Schwartz, Acta conciliorum oecumenicorum 1, 1, 4, Berlin-Leipzig, 1927-1930.

[9] Vgl. die Angaben bei P. Krüger, Codex Iustinianus, Berlin 1877, S. 821 zu Z. 8 und 24.

[10] S. auch die Bemerkung von H. J. Scheltema, Basilicorum textus VIII, Groningen 1988, S. 2970, 3.

[11] T. Honore, Tribonian, London 1978.

[12] Kritisch ediert durch: W. Jacob-R. Hanslik, Cassiodori-Epiphanii Historia ecclesiastica tripartita, CSEL 71, Wien 1952. Die Verf. benutzt die (überholte) Ausgabe in Migne, PL 69, die aber gegenüber der kritischen Edition in den hier interessierenden Passagen nicht abweicht. Zur Überlieferung der Historia tripartita s. W. Jacob, Die handschriftliche Überlieferung der sogenannten Historia tripartita des Epiphanius-Cassiodor (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 59), Berlin 1954.

[13] Ed. Jacob-Hanslik, CSEL 71 (o. Anm. 12), S. 503, 8 (Herkunftsangabe aus dem Codex Theodosianus unrichtig); Migne, PL 69, Sp. 1126.

[14] Ed. Jacob-Hanslik, CSEL 71 (o. Anm. 12), S. 545, 1 (Herkunftsangabe aus dem Codex Theodosianus unrichtig); Migne, PL 69, Sp. 1146.

[15] Ed. R. Schöll-W. Kroll, Corpus iuris civilis III, Novellae, 4. Aufl., Berlin 1912, S. 800, 38: Iura insuper vel leges codicibus nostris insertas, quas sub edictali programmate in Italiam dudum misimus ...

[16] S. Hanslik, CSEL 71 (o. Anm. 12), p. XIV-XV; zu Epiphanius scholasticus als Übersetzer s. F. Weissengruber, Epiphanius scholasticus als Übersetzer. Zu Cassiodorus-Epiphanius Historia ecclesiastica tripartita, Wien 1972.

[17] S. Hanslik, CSEL 71 (o. Anm. 12), p. XIII-XV.

[18] Vgl. nur Kaser-Hackl, Das römische Zivilprozeßrecht, S. 521 Fn. 17.

[19] S. W. Kaiser, Die hundertjährige Verjährung zugunsten der römischen Kirche, in: ZRG KA 85 (1999), S. 60-103.

[20] Eindrucksvoll ist die Schilderung der verschiedenen Interpretationen der Stelle seit den Glossatoren auf S. 312*-314*.