Gerald Grabherr: Michlhallberg. Die
Ausgrabungen in der römischen Siedlung 19971999 und die Untersuchungen an der
zugehörigen Straßentrasse mit Beiträgen von Friedrich Bauer/Harald Stadler, Kurt
Nicolussi, Erich Pucher/Manfred Schmitzberger und Carolina Walde. Schriftenreihe des
Kammerhofmuseums Bad Aussee Band 22, 2001. 282 S., 103 Tafeln, 7 Beilagen. Euro 60,-- ISBN
3 901 370 226.
Die Publikation umfaßt mit den Beiträgen (F. Bauer/H.
Stadler, Kachelofenreste des 16./17. Jahrhunderts aus einer Bergbausiedlung am
Michlhallberg, Steiermark, S. 231236; K. Nicolussi, Dendrochronologische
Untersuchungen an Holzresten der römischen Siedlung Michlhallberg, Gemeinde Altaussee, S.
237240; E. Pucher/M. Schmitzberger, Belege zum Fortbestand keltisch-norischer Rinder
während der mittleren bis späten römischen Kaiserzeit vom Michlhallberg im
Salzkammergut, S. 241273; C. Walde, Pollenanalytische Untersuchung des
Lupitsch-Moores bei Bad Aussee, S. 275282) 282 Seiten, 103 Tafeln und sieben
(Plan)Beilagen.
Ausgangspunkt für eine intensive archäologische Untersuchung
war eine neuentdeckte römerzeitliche Wegtrasse in Österreich (Beilage 1) von Bad Aussee
(Steiermark) nach Bad Goisern (Oberösterreich) am Fuß des Sandlings (Seehöhe 1716 m).
Die Entdeckung der Wegtrasse erfolgte 1993 durch einen Sondengeher aus Altaussee. Die
Prospektionen wurden daraufhin in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt in Graz
fortgesetzt. Das auffallend reiche Fundmaterial, Fibeln und vorerst 181 Münzen, der
größte Fundanfall von Hipposandalen der (römerzeitlichen) Welt und Begehungen ließen
erstmals einen Verkehrsweg von mehr als 3 km Länge vom steirischen ins
oberösterreichische Salzkammergut über das Gebirge nachweisen.
Zur gleichen Zeit wurde in diesem Gebiet eine weitere,
allerdings prähistorische Wegtrasse entlang der Traun aus dem Mitterndorfer Becken
(Steiermark) nach Hallstatt (Oberösterreich) über Funde und Begehungen entdeckt (B.
Hebert, Funde entlang der Traun, Fundberichte aus Österreich 39, 2000, 137144).
Zurück zu dem römerzeitlichen Verkehrsweg über den
Michlhallberg. Funde und Wegtrasse erforderten archäologische Grabungen. Eine Sondage des
Bundesdenkmalamtes im Jahr 1994 im Wegbereich stieß auf einen mit Knüppeln armierten Weg
durch sumpfiges Gelände, radiocarbondatiert von (kalibriert) 140 bis 320 AD. (S. 94, die
Angabe S. 12 2. Jahrhundert ist unkorrekt). Systematische Grabungen wurden in
den Jahren 1997 bis 1999, jeweils im Sommer, auf einem Areal von 210 m2 (S. 14)
vom Institut für Klassische Archäologie der Universität Innsbruck unter der Leitung von
G. durchgeführt. Die Grabungsstelle am Michlhallberg (Seehöhe 1000 m) am Südabhang des
Sandlings befindet sich mitten im Wald am Scheitel der Wegtrasse. Die Rez. konnte als
Besucherin selbst die schwierigen Grabungsbedingungen, Überflutungen und Muren nach
schweren Regenfällen, erleben.
Tatsächlich erbrachten die Grabungen eine Fülle
Fundmaterials, insgesamt über 600 Münzen, Glas, Terra Sigillata, zahlreiche hochwertige
Fibeln, Gürtelbestandteile, Werkzeug und Hipposandalen, aber keine deutlichen
römerzeitlichen Siedlungsstrukturen. Allein ein nur einscharig erhaltener
trockengemauerter Grundriß einer in Lehm gesezten postamentartigen Struktur (S. 15) wurde
aufgedeckt. Ihre randlich gesetzten Steine, hinterfüllt mit kleineren Bruchsteinen,
zeigen keinen rechten, sondern einen spitzen Winkel, die Seitenlängen betragen 1,82 und
1,16 m. Gerade an dieser Stelle ist der Verlauf der Wegtrasse verunklärt, also auch das
Lage-Verhältnis der nach Funden römerzeitlichen postamentartigen Struktur zum Weg.
Den einzigen zweiten Siedlungsrest stellt das Fundament eines
Kachelofens des eher 16. als 17. Jh. in einem wahrscheinlich - archäologisch nicht weiter
feststellbaren - Knappenhaus des ab 1500 für nur ein halbes Jahrhundert bezeugten
Salzbergwerkes am Michlhallberg dar (S. 231236). Das Fundament lag auf einem
römerzeitlichen (Kultur)Stratum (S. 102). Stollen und Halden des Bergwerkes befinden sich
nur 80 Höhenmeter über der Fundstelle.
Die Funde der Grabungen stammen aus dem Waldhumus und aus
umgelagerten Schichten. Bergstürze sind aus den Jahren 1546 (das Salzbergwerk wurde
hiebei zerstört) und 1920 überliefert (S. 102). Hangrutschungen sind bei Kenntnis des
Geländes zu vermuten. Wenn der Verf. von einer römerzeitlichen Siedlung spricht, kann
ausschließlich die postamentartige Strukur als Teil einer solchen bezeichnet werden. Das
äußerst reichhaltige und qualitätvolle Fundmaterial stammt großteils aus Straten, die
nach Meinung der Rez. aus einem höhergelegenen nicht ergrabenen
Siedlungsgebiet bergabwärts verlagert erscheinen.
Der größte Teil des Fundmateriales von der Wegtrasse aus dem
steirisch-oberösterreichischen Grenzgebiet konnte von G. in die Publikation aufgenommen
werden. Das sind die Detektor-Funde ab dem Jahr 1993, die Funde aus der Sondage 1994 und
die Grabungsfunde von 1997 bis 1999. Der Großteil der im Oberösterreichischen
Landesmuseum aufbewahrten Funde aus dem Bereich der Oberösterreich betreffenden Wegtrasse
blieb unpubliziert.
658 römerzeitliche Münzen (Münzliste S. 105124)
stammen aus dem Grabungsareal der Siedlung, drei Münzen aus dem Bereich der
Wegtrasse (S. 2328). Sie beginnen hadrianzeitlich und enden mit Emissionen
Theodosius I. Auffallend für die Zeit des 2. Jh. bis zum ersten Drittel des 4. Jh. ist
die Überrepräsentanz an Denaren (30 von insgesamt 43 Stück), die G. mit am
Michlhallberg anwesendem Militär und Soldzahlungen in Kontext bringt. Die
Gegenüberstellung der Verlustraten, begründet durch eine allfällige vergleichbare
Interpretation von Michlhallberg und den spätantiken Siedlungen unterschiedlicher
Funktion Ad Pirum/Hruica (Slowenien) und Knallwand/Ramsau (Obersteiermark), möchte
die Rez. doch in Frage stellen.
Große Sorgfalt wendet der Verf. für die respektablen
Fibelfunde auf (S. 2954): farbige Abbildungen, drei Verbreitungskarten mit
Fundlisten und Vergleiche von Fibelspektren mit weiteren fünf norischen Fundstellen. Es
sind 73 Fibeln, die in der ersten Hälfte des 2. Jh. einsetzen (kräftig profilierte
Fibeln A 70/73 d) und mit Zwiebelkoffibeln (Pröttel 3/4 B) abbrechen. Von der Fundstelle
auf dem Michlhallberg stammt die einzige steirische Scharnierfibel des Typus Hruica.
Die Schlußmünze aus derselben Schicht als terminus post quem anzugeben, scheint bei der
ungeklärten Entstehung der Stratigraphie nicht ganz zulässig. 18 Kniefibeln und weitere
Fragmente, eine Svastikafibel wie sechs weitgehend erhaltene Zwiebelknopffibeln und
zahlreiche Fragmente bringen eine militärische Komponente für beinahe drei Jahrhunderte
in das Fundspektrum.
Für den Leser ist nicht ganz deutlich ersichtlich, woher die
einzelnen Stücke tatsächlich stammen. Fundnummern mit Jahresbezeichnung können der
Grabungsstelle der Siedlung zugewiesen werden, Nummern wie beispielsweise
Fi11, Fi18 (S. 127) etc. besitzen im Katalog keine Nennung der Fundstelle und konnten, wie
viele andere Fundstücke auch, den (Plan)Beilagen nicht entnommen werden. Nicht nur
Fibeln, auch Gürtelbestandteile (S. 5559), großteils aus dem 4. Jh., indizieren
nach G. militärische Präsenz am Michlhallberg.
Unter den wenigen Schmuckstücken ragt der in
der Steiermark singuläre Halsreif aus Silber hervor, der im Katalogteil (S. 135)
irrtümlich in das 3. Jh. datiert wird, im Textteil richtigerweise in das 4. und 5. Jh.
gesetzt ist. Die Rez. hält ihn für das einzige Fundstück vom Michlhallberg, das in
mitteldonauländischen Zusammenhang zu setzen ist. Ein Cochlear aus Silber (S. 64) ist
nach Meinung der Rez. sicher in das 4. Jh. zu datieren und ein für steirische
Verhältnisse bemerkenswertes Fundstück. Solche Cochleare sind nicht selten auch in
christlichem Kontext zu sehen.
Die Werkzeuge aus Eisen (S. 6771) sind in ihrer
Zeitstellung naturgemäß nicht durchgehend klärbar. Werkzeuge für Steinbearbeitung, wie
ein Spitzeisen und eine doppelseitige Spitzhacke und 22 Ersatzspitzen für abgenützte
Enden der Spitzhacken lassen nach Salzbergbau in der Region fragen. Für Römerzeit und
Mittelalter ist Salzbergbau nicht und für die frühe Neuzeit nur kurzfristig erwähnt.
Für Spitzeisen und Spitzhacke bleibt eine Datierung offen, zwei Ersatzspitzen stammen
sicher und fünf wahrscheinlich aus römerzeitlichen Kontexten.
145 Hipposandalen (S. 7174) und deren Fragmente aus
Siedlung und Wegtrasse wurden im Katalog aufgenommen. Bei der Identifizierung
einzelner Stücke stößt der Leser auf einige Schwierigkeiten. Doppelnumerierungen von
Hipposandalen, einerseits F40 = HS 19 (S. 186) auf der steirischen Wegtrasse
(Plan)Beilage 2, andererseits eine zweite Hipposandale, ebenfalls HS 19
(Plan)Beilage 7 auf der oberösterreichischen Wegtrasse (diese findet sich nach
längerem Suchen dann doch im Fundstellenverzeichnis S. 214230 unter
"Habersamerin", S. 228, einer lokalen Bezeichnung der Fundstelle) führen
gelegentlich zu Verwirrungen. Welcher Anteil am oberösterreichischen Fundmaterial
tatsächlich berücksichtigt wurde, ist nicht ersichtlich. Die große Anzahl der
gefundenen Hipposandalen ist bemerkenswert. (Ein gut erhaltenes Exemplar dieser
Hipposandalen wurde mit einem über den Huf gelegten Lederlappen und mit Lederriemen von
der Rez. mit mäßigem Erfolg einem Haflinger angelegt.)
Das Keramikmaterial (S. 7888), zu 90 Prozent aus
einheimischer Grobware bestehend (der Rest sind Terra Sigillata, rheinische Glanztonware
und glasierte, auch neuzeitliche Keramik), wird von G. vom 2. Jh. bis in das 4. Jh.
gesetzt. Für manche Stücke der Grobkeramik würde die Rez. eventuell, Beurteilung nur
nach Zeichnung und Beschreibung, schon eine Datierung in das 4. Jh. vorschlagen (C175,
C189, C191, C200, C201, C206, C211, C279, C287, C295). Amphoren und Lampen fehlen im
Siedlungsmaterial.
Der Verf. datiert die Siedlung auf dem Michhallberg, von der im
Wesentlichen nur das (verlagerte) Siedlungsmaterial ergraben werden konnte, nach dem
Fundmaterial vom Ende des 2. Jh. bis in das späte 4. Jh. Die Siedlung, deren
Lage eigentlich unbekannt ist, abgesehen von der postamenartige Struktur, möglicherweise
nahe an der Wegtrasse gelegen (?), ist, wie G. zu Recht interpretiert, kein Rest einer mansio
oder mutatio, da sie an keiner via publica lag. Zudem stellt die Wegtrasse
über den Bergfuß keine Abkürzung für die Straßenverbindung durch das Ennstal von
Stiriate (Liezen) nach Ovilava (Wels) dar, sondern einen Umweg von etwa 30 Meilen (S. 90).
Wie ist also eine abgelegene Siedlung auf 1000 m Höhe mit Reichtum bezeugendem
Fundmaterial (die zahlreichen Münzen und qualitätvollen Fibeln), zu der ein wohl stark
befahrener, streckenweise unwegsamer Weg durch sumpfiges und steiles Gelände
(beides belegt die hohe Verlustrate an Hipposandalen) führt, zu interpretieren? Zudem
bezeugen (römerzeitliche) Werkzeuge nicht nur Landwirtschaft, Handwerk und
Metallverarbeitung, sondern auch Steinbearbeitung, also Bergbau. Der Michlhallberg
befindet sich in einem Gebiet des Salzbergbaues (hall), das sich von Bad Aussee über
Oberösterreich (Hallstatt wahrscheinlich römerzeitlicher Bergau) nach Salzburg
(Hallein wahrscheinlich römerzeitlicher Bergbau, Bad Reichenhall) erstreckt. Und
so vermutet G. in der Siedlung eine römerzeitliche Bergwerkssiedlung, die
staatlich verwaltet an private Betreiber verpachtet und hier läßt G. einiges
offen nach den Militaria aus dem 3. Jh., hauptsächlich aber aus dem 4. Jh.
entweder die Anwesenheit von Miltär und/oder von staatlichen Beamten (besonders für das
4. Jh.) vermuten läßt. Der silberne Halsreif und zwei Angones weisen nach G. auf
germanischen militärischen Aspekt.
Die Deutung des Verf. auf eine Siedlung in Zusammenhang mit
römerzeitlichem Salzbergbau ist sehr schlüssig. In welcher Form und Zusammensetzung man
sich die Anwesenheit von Militär (und/oder Beamten) im Detail vorzustellen hat, erscheint
nur angedacht. Die antike schriftliche Quellenlage dürfte wohl recht dürr sein.
Dendrochronlogische Analysen von Hölzern aus der Grabungsstelle stützen die
Datierungsansätze für die Siedlung (S. 239).
Archäozoologische Untersuchungen der aus dem
Siedlungsmaterial stammenden Tierknochen (Rind, Schwein, Schaf/Ziege) schließen eine
Tierhaltung vor Ort, also eine bäuerliche Ansiedlung aus. Das (beinahe) Fehlen iuveniler
Tiere läßt auf erhandelte schlachtreife, ältere, daher weniger teure Tiere mit
geringerer Fleischqualität schließen. Auch diese Ergebnisse stützen die Theorie, daß
Bergleute ernährt, aber nicht kulinarisch verwöhnt wurden. Ein weiteres Ergebnis der
Analysen ist, daß zwei Rinderrassen, autochthone alpine Rassen und römische Importrinder
nebeneinander bestanden, wobei es nicht zu Kreuzungen kam. Im Gegenteil wurden die
Rassenspezifika erhalten: große römische Ochsen zogen die Karren, die kleinen
einheimischen Kühe gaben Milch. Am Michlhallberg waren es vorwiegend alte, ausgediente
römische Ochsen, die als Fleischlieferanten dienten (S. 263, 268). Die pollenanalytischen
Untersuchungen zeitigen nur Ergebnisse ab dem Mittelalter (S. 281).
Auf jeden Fall ist die Publikation von enormer Wichtigkeit
für die innere Struktur von Provinzen in der späteren Kaiserzeit. Der Verf. widmet sich
mit großer Aufmerksamkeit den Funden, die er in ästhetischen Zeichnungen (Zeichnungen
der Hipposandalen St. Karl, Bundesdenkmalamt Graz) vorstellt. Erstmals liegt für den
Ostalpenraum eine durchgehende topographische Aufnahme einer römerzeitlichen Wegtrasse
auf eine Länge von über 3 km vor (Aufnahme Bundesdenkmalamt Graz). Das besprochene Werk
ist unumgänglich für jeden provinzialrömischen Forscher.
Ulla Steinklauber, Graz