Wilhelm Geerlings (Hrsg.): Theologen
der christlichen Antike. Eine Einführung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
2002. Euro 29.90. ISBN 3-534-14736-7.
Ein sympathisches Bändchen ist
hier anzuzeigen: Zwölf Theologen der christlichen Antike werden von zwölf Fachleuten in
Porträts vorgestellt, zwölf Darstellungen auf hohem Niveau in gut lesbarer und allgemein
verständlicher Form. Man kann sich das Buch gut in der Hand von Studierenden vorstellen,
auch in der Hand von Kollegen benachbarter Disziplinen oder einfach in der Hand des
gebildeten Publikums (wenn es sich denn noch für solche Themen interessiert). Damit
stellt sich das Werk in eine Reihe mit Klassikern wie Hans von Campenhausens
Griechischen und Lateinischen Kirchenvätern (zuerst Stuttgart
1955 und 1960, zahlreiche Neuauflagen) oder auch mit knappen Überblicken wie dem
jüngsten von Hartmut Leppin (Die Kirchenväter und ihre Zeit, München 2000). Im
Unterschied zu diesen Vorgängern allerdings steht hier schon im Titel und auch
ausweislich der Einleitung des Herausgebers der theologische Aspekt ganz im Vordergrund;
der ebenso problematische wie gut bewährte Begriff des Kirchenvaters fällt nicht.
Kritik an der Auswahl der
behandelten Personen ist natürlich leicht, aber wenigstens eine Beobachtung sei
gestattet: Das Fehlen Gregors des Großen mag sich durch den gewählten Zeitrahmen
erklären, das Fehlen des Johannes Chrysostomus wird man bedauern, aber verstehen, da er
als Prediger und Bischof hervorragte, weniger als Theologe im engen Sinne. Schwer
entschuldbar ist hingegen die Auslassung des Athanasius. Zwischen Origenes und den
Kappadoziern fehlt somit eine ganze Theologengeneration und damit die gesamte
Frühphase der arianischen Streitigkeiten, die doch ohne Zweifel ein wichtiger Mosaikstein
im Bild der christlichen Theologie der Antike ist.
Es ist bei allen Beiträgen
gelungen, hervorragend ausgewiesene Fachleute zur Abfassung zu gewinnen. Fast alle haben
in jüngerer Zeit bedeutende Beiträge zur Forschung über ihren jeweiligen Protagonisten
geleistet; so kann der Leser sicher sein, jeweils Informationen auf dem neuesten Stand
zu erhalten auch wenn sich dies erfreulicherweise nicht in einem schweren und
schwer lesbaren Anmerkungsapparat niederschlägt. Knappe, aber sehr hilfreiche
Literaturhinweise finden sich am Schluß eines jeden Beitrags. Daß Spezialistentum und
flüssiger Stil sich ausschließen, wird oft behauptet, aber von diesem Band nicht
bestätigt. Manche Porträts sind sogar außergewöhnlich lebendig und lucide geschrieben
(etwa Cyprian von A. Hoffmann). In anderen wird der Leser eingeladen, einen
Blick in die Werkstatt der Forschung zu tun, so bei Ps.-Dionysius Areopagita (B. R.
Suchla). Neben dem Areopagiten ist der christliche Orient vor allem der
nicht-griechische Sprachbereich im wesentlichen durch Ephräm den Syrer vertreten.
Die gut verständliche und auf solider Kenntnis aufruhende Einführung (von P. Bruns)
sucht ihresgleichen. (Nur am Rande sei der bemerkenswerte Satz mitgeteilt: Ephräm
verfaßte seine echten Werke sämtlich in syrischer Sprache. S. 186 f.)
Die einzelnen Porträts sind nach
Inhalt und Duktus natürlich höchst unterschiedlich; das erhöht durchaus den Reiz der
Lektüre. Während etwa bei Hieronymus (A. Fürst) Lebenswelt und Theologie auf packende
Weise miteinander ins Verhältnis gesetzt werden, ist das Porträt des Tertullian (E.
Schulz-Flügel) etwas kurzatmig geraten. Bei Ambrosius (Ch. Markschies) kommt der Aspekt
Ambrosius als Theologe auf ca. drei Seiten zu kurz vor allem gegenüber
Ambrosius, de[m] (Kirchen-)Politiker mit dem dreifachen Umfang, zumal der Vf.
selbst (und zu Recht) beklagt, daß die kirchenpolitischen Aktionen des Mailänder
Bischofs in der Vergangenheit zu oft einseitig im Vordergrund des Interesses standen
(S. 141). Man wird diesen Mangel auch deshalb bedauern, weil ein kompetenterer Vf.
für dieses Thema schwerlich gefunden werden könnte (vgl. auch Ch. Markschies, Ambrosius
von Mailand und die Trinitätstheologie, Tübingen 1995, das im Literaturverzeichnis
merkwürdigerweise fehlt).
Einige mehr beiläufig gemachte
Bemerkungen in der Einleitung (von W. Geerlings) könnten oder sollten diskutiert und
überdacht werden so etwa, wenn im Blick auf die lateinische Kirche von einem
stark alttestamentlich und moralisch geprägten Grundzug die Rede ist (S. 11).
Hier liegt eine klischeehafte Vorstellung vom Alten Testament zugrunde, die so
sollte man hoffen eigentlich überwunden ist. Ebenso besteht Diskussionsbedarf,
wenn es etwas pauschal heißt: Die These von der Hellenisierung des Christentums hat
sich als Irrweg erwiesen (S. 9). Daß die Suche nach einem reinen, im
Sinne von: noch nicht hellenisierten Christentum vergeblich bleiben muß und im Grunde
sich auf etwas richtet, was sich bei näherem Hinsehen als Fiktion herausstellt, wird man
gerne zugestehen. Dennoch kann die Geschichte der christlichen Theologie in der Antike
sehr wohl als ein Prozeß des Hineinwachsens in die hellenische Geisteswelt beschrieben
werden und im Grunde sagt auch Geerlings in den vorangehenden Zeilen nichts
anderes.
Unbeschadet dieser und anderer
Kleinigkeiten, die man vielleicht verbessern könnte, ist das Buch jedenfalls dazu
geeignet, seinen Zweck zu erfüllen, nämlich auf leicht verständliche und gut lesbare
Weise einzuführen in die Welt der Theologen der christlichen Antike und dies auf
der Höhe der jüngsten Spezialforschung.
Martin Wallraff, München
wallraff@genion.de