Engelbert Winter, Beate Dignas: Rom und das Perserreich. Zwei Weltmächte zwischen Konfrontation und Koexistenz. Berlin: Akademie Verlag 2001 (Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt), 334 S. 34,80 Euro (68,08 DM).

 

 

In den letzten eineinhalb Jahrzehnten sind mehrfach Versuche unternommen worden, die Quellen zur Geschichte des Sasanidenreiches zusammenzustellen. Während der auf mehrere Teile angelegte Quellenkommentar von Wolfgang Felix (Antike literarische Quellen zur Außenpolitik des Sâsânidenstaates) leider schon 1985 mit dem ersten, bis 309 n. Chr. reichenden Band steckenblieb, beschränkte sich das von Michael H. Dodgeon und Samuel N.C. Lieu 1991 edierte Sammelwerk The Roman Eastern Frontier and the Persian Wars von vornherein auf die Zeit bis 363. Im Buch von Winter/Dignas wird die gesamte Epoche von 224 bis 651 behandelt. Es enthält nach Vorworten (S. 5–9) und dem Abkürzungsverzeichnis (S. 15–17) zunächst eine Darstellung der römisch-iranischen Beziehungen, die eine Einführung: Die Auseinandersetzungen zwischen West und Ost als historisches Phänomen (S. 21–23), eine kurze Übersicht der römisch-parthischen Kontakte (S. 25–35) und den in fünf Unterkapitel gegliederten Überblick über die gegenseitigen Beziehungen zwischen Rom und dem Sasanidenreich umfasst (S. 37–71). Der die S. 75–271 ausmachende Materialteil bildet den Kern des Buches. Im Gegensatz zu Felix und Dodgeon/Lieu, die chronologisch vorgegangen waren, teilen Winter/Dignas ihr Material systematisch auf und bilden sieben Sachgruppen, die der Reihe nach abgehandelt werden. Diese sind: Außenpolitische Zielvorstellungen (S. 75–85), Die militärischen Konflikte (S. 87–140), Die diplomatischen Lösungen (S. 141–181), Die Arabienpolitik der Großmächte (S. 183–204), Gemeinsame Interessen — Ursachen anhaltender Konflikte (S. 205–227), Religionspolitik der Großmächte — Christentum und Zoroastrismus (S. 229–250) und Informationsaustausch zwischen West und Ost (S. 251–271). Es folgt der Anhang (S. 275–334) mit der Bibliographie, der (sasanidischen) Königsliste und der Zeittafel, einem Glossar, sowie dem Abbildungsverzeichnis, einem Quellenindex und dem eigentlichen, mehrteiligen Register.

Während Felix auf den Abdruck der Texte überhaupt verzichtet hatte, benötigten Dodgeon/Lieu allein für die englische Übersetzung der Quellen zur früh-sasanidischen Zeit 340 S. Es ist daher einsichtig, dass die Verfasser keine vollständige Dokumentation der römisch-persischen Beziehungen vorlegen konnten. Beabsichtigt war offenbar eine exemplarische Behandlung des Themas, bei der bewusst Schwerpunkte gesetzt wurden (so z. B. die ausführliche Besprechung des Friedensvertrages von 562, S. 164–177). In anderer Hinsicht liefern die Verfasser mehr als die bisherigen Sammlungen: Felix hatte sich auf die antiken literarischen Quellen beschränkt, bei Dodgeon/Lieu waren sämtliche relevanten Texte übersetzt worden. Winter/Dignas beziehen nun auch ausgewähltes archäologisches (kunstgeschichtliches) und numismatisches Material mit ein. Ausserdem sind mehrere, aus anderen Werken (in einem Fall aus einer früheren Arbeit Winters) stammende Karten beigegeben. Weit hinaus über den Rahmen einer Quellensammlung geht, dass die ausgewählten Zeugnisse gleich an Ort und Stelle erschöpfend interpretiert werden.

   Es sei gestattet auf einige Punkte hinzuweisen, in denen die Ausführungen der Verfasser korrigiert werden müssen:

   S. 156, Anm. 516 wird Diod. 31,17a als Zeuge der — umstrittenen — Überlieferung aufgerufen, Artaxias I. von Armenien habe auf den Rat Hannibals hin seine Hauptstadt Artaxata errichten lassen. Der Karthager wird jedoch in der angezogenen Diodor-Stelle gar nicht erwähnt; das früheste Zeugnis für seine Beteiligung am Entstehen der ostarmenischen Metropole ist Strab. 11,14,6.

   Die Information S. 189, dass sich die Beziehungen Roms zum Partherreich „im 2. und 1. Jh. v. Chr.“ intensiviert hätten, ist fragwürdig angesichts der Tatsache, dass erst in den neunziger Jahren des 1. Jhs. v. Chr. — durch Sulla — überhaupt Kontakte aufgenommen wurden (vgl. Vell. 2,24,3).

   Dass die von Caracalla geschändeten Königsgräber (S. 32) diejenigen lokaler Herrscher der Adiabene und sicher nicht solche parthischer Könige gewesen sind, sollte sich herumgesprochen haben (vgl. E. Kettenhofen, EncIr 4, 1990, 790ff.s.v. Caracalla).

   Was den Tod Gordians III. betrifft, teilen die Autoren die verbreitete Ansicht, dass sein in den literarischen Quellen dafür verantwortlich gemachter Nachfolger Philippus „Arabs“ einer Verleumdung zum Opfer gefallen sei (S. 96f.). Dem Rezensenten mag gestattet sein, das anders zu sehen (AMI 27, 1994, 232ff.).

   Die politischen Verhältnisse in Armenien im 3. Jh. n. Chr. haben vielleicht nicht die volle Aufmerksamkeit der Verfasser gefunden. So ist schon die Bemerkung S. 185, Ardaschir I. habe „den arsakidischen Widerstand, besonders in Medien und Armenien, nicht völlig brechen können“ ungenau formuliert: Der sasanidische „Reichsgründer“ vermochte Medien vollständig, Armenien dagegen, wohin sich einige Meder geflüchtet hatten, überhaupt nicht zu erobern (Cass. Dio 80,3,3). Die Schilderung der Umstände, unter denen Ardaschirs Nachfolger Schapur I. Armenien schliesslich unterwerfen konnte (S. 41), folgt offensichtlich der strittigen armenischen Überlieferung, die sich auch nicht, wie immer wieder behauptet wird, mit dem lückenhaften klassischen Material kombinieren lässt (vgl. AMI 27, 1994, 225ff.). Ob es sich bei demjenigen Arsakiden, der den armenischen Thron zurückgewann, um Tiridates „III.“ handelt, ob dieses Ereignis ins Jahr 290 fällt, und ob Armenien bald nach 298 christlich wurde (S. 47, 152 mit Anm. 496 u. 290 sub anno 290), ist Gegenstand einer lebhaften wissenschaftlichen Diskussion. Sie hat sich einerseits in mehreren früheren Arbeiten Winters, andererseits in Erich Kettenhofens Habilitationsschrift Tirdâd und die Inschrift von Paikuli (1995) niedergeschlagen. Obwohl Kettenhofens abweichende (und besser begründete) Ansätze den Verfassern bekannt sind, konnten sie sich nicht zu deren Übernahme entschliessen.

 

   Zum Ableben Manis erfährt man, der Religionsstifter sei auf die Initiative Kartêrs hin gefangengenommen und hingerichtet worden (S. 237, 290 sub anno 277 u. 299). Mani starb jedoch eines natürlichen Todes in der Gefangenschaft (vgl. z. B. A. Böhlig, Die Gnosis III: Der Manichäismus, S. 98).

 

   Hinsichtlich des kurzen Krieges, den Yazdgard II. zu Beginn seiner Regierung gegen Ostrom führte, scheinen chronologische Unklarheiten zu bestehen. S. 55, Anm. 147 wird von Auseinandersetzungen in den Jahren 439–442 gesprochen. Dagegen ist S. 162–164 von einem 441 durchgeführten Vorstoss Yazdgards auf byzantinisches Territorium und dem noch im selben Jahr erneuerten Frieden die Rede. Die Zeittafel (S. 291) macht die Verwirrung komplett: Sub annis 439-442 ist kurz ein byzantinisch-sasanidischer Krieg erwähnt. Der folgende Eintrag 441 fasst die ausgebliebenen Geldzahlungen Kaiser Leos I. zur Sicherung der Kaukasuspässe, den Vorstoss Yazdgards und  den erneuten Friedensschluss zusammen. Dabei bleibt die Identität der jeweils berichteten Ereignisse nicht nur undeutlich — sie wird durch die unterschiedliche Chronologie geradezu ausgeschlossen.

 

   Im Rahmen einer knappen Schilderung der Laufbahn Iustinians (S. 123, Anm. 388) wird berichtet, der spätere Herrscher habe „518 zugunsten seines Onkels auf den Kaiserthron verzichtet“. Hiervon ist in den reichhaltigen Quellen zu Iustinian nicht nur niemals die Rede, es widerspricht auch allen beim Tod des Anastasios vorliegenden Voraussetzungen (A. Demandt, HdAW III.6, S. 195).

 

 

   In die Spätphase des Sasanidenreiches fällt die Herrschaft einer Anzahl ephemerer Könige. Welche von ihnen überhaupt zu erwähnen sind, mag im einzelnen Ansichtssache sein, nur sollte stets konsequent vorgegangen werden. So müsste der S. 70 und unter Nr. 36 der Königsliste erwähnte Tarruxzadh-Xusrô, wenn die ihn betreffende Überlieferung glaubwürdig und seine Identität mit einem der beiden etwa gleichzeitigen Thronprätendenten namens Xusrô auszuschliessen ist, als Xusrô V. gezählt werden. Ähnlich liegt der Fall bei Pêrôz: Die Autoren nummerieren den bekanntesten Herrscher dieses Namens nicht, zählen den gleichnamigen Sasaniden der 630er Jahre aber plötzlich als „Pêrôz II.“ (S. 70 u. Königsliste, Nr. 35). Ein weiterer Pêrôz, der als Sohn Yazdgards III. in den 660er Jahren noch einmal eine Art „sasanidischer Renaissance“ versuchte, fehlt ganz.

 

   Die persische Niederlage bei al-Qâdisîya wird ohne Hinweis auf die chronologische Problematik ins Jahr 636 gesetzt (S. 70 u. 293 sub anno). Dabei hatte schon Bertold Spuler (Iran in früh-islamischer Zeit, 1952), auf den sich die Verfasser S. 70, Anm. 232 beziehen, darauf hingewiesen, dass zwischen den zur Debatte stehenden Daten 636 und 637 keine Entscheidung getroffen werden kann.

 

   Die Forschungsmeinung, Herakleios sei der Schöpfer der byzantinischen Themenverfassung (S. 67), ist heute aufgegeben. Die Themen entstanden erst als Reaktion auf die arabische Bedrohung (J. Koder, LMA 8, 1997, Sp. 615f. s.v. Thema).

 

 

Bei einer eventuellen Neuauflage könnte auch eine Anzahl von Irrtümern beseitigt werden (in Klammern ist jeweils die Korrektur angegeben): S. 5: Schlagwerk (Schlagwort) — S. 21, Anm. 2: Hexameter (Hexametern) — S. 26: Mithridates (Mithradates) — S. 67-70 (mehrfach): Šahbarz (Šahrbarâz) — S. 70, Anm. 232: frühislamischer (früh-islamischer) — S. 112: Es fehlt ein Trennungsstrich am Ende der letzten Textzeile — S. 114: Pâpâs (Pap) — S. 146: Archivaren (Archivar) — S. 158, letzte Textzeile: Rom (Persien) — S. 158, Anm. 525: Es fehlt in der ersten Zeile ein Ausdruck wie „vgl.“ oder „siehe“ — S. 159, Anm. 535: ZDMG 28, 1974 (ZDMG 28, 1874) — S. 172, Anm. 579: 565 (562) — S. 203, Anm. 711: 1983 (1883) — S. 220, Anm. 770: Braund (1984) (Braund (1994)) — S. 229, Anm. 810: Sassanians (Sasanians) — S. 236, Anm. 835: Priesterschaft Kartêr (Priesterschaft Kartêrs) — S. 246: Konvertierung (Konversion) — S. 257, Anm. 920: EIr (EncIr) — S. 264, letzte Textzeile: ihnen (ihm) — S. 271: (s)pätsâsânidisches Iran ((spät)sâsânidisches Iran) — S. 281: Nöldeke (1987) (Nöldeke (1887)) — S. 287, Nr. 9: Adanarsê (Adarnarsê) — S. 296, Glossar s.v. Christologische Streitigkeiten (mehrfach): Diophysitismus (Dyophysitismus) — S. 299, Glossar s.v. Persis u. S. 324 (Register): Pasagadai (Pasargadai) — S. 319 (Register): Šâhrbarâz 67–70 (Šahrbâraz 67–70, 137).

 

 

Noch einige Bemerkungen zur Quellen- und Literaturverwendung: Die herangezogenen Textausgaben lassen sich dem Index der übersetzten Quellen entnehmen. Die Übersetzungen (selbst zweisprachige Ausgaben) wurden unter dem Namen des Übersetzers/Herausgebers in die Bibliographie eingeordnet. Über den Sinn dieser Vorgehensweise liesse sich streiten. Vor allen Dingen aber hätte dann konsequent verfahren werden müssen, so dass Nöldekes berühmte Tabari-Übertragung nicht unter T, sondern unter N erschienen wäre. Übersehen wurde die von Cyril Mango und Roger Scott 1997 veröffentlichte Übertragung der Chronik des Theophanes Confessor, die erstmals den ganzen Text des Chronisten in einer modernen (englischen) Übersetzung enthält. Auch eine nähere Beschäftigung mit Firdausis „Königsbuch“ sei den Autoren ans Herz gelegt. Die Ausführungen S. 64, Anm. 207 suggerieren nämlich, der Dichter habe nur die sasanidische Zeit behandelt. Welche bedeutende Rolle die sagenhafte iranische Frühzeit gerade bei Firdausi spielt, lässt sich z. B. der einbändigen Auswahl-Übertragung von Reuben Levy entnehmen: Ferdowsi: The Epic of the Kings, Ndr. 1996, S. 1–251.

 

 

Angesichts der Fülle der Sekundärliteratur ist es vermutlich müssig, das Fehlen des einen oder anderen Titels zu monieren. Kein Nachteil wäre immerhin die Benutzung des gediegenen Artikels Sâsânids von M. Morony (Encyclopaedia of Islam 9, 1997, S. 70-83) gewesen. Zu Dvin hätten die Autoren neben den beiden Werken aus den 1960er Jahren, die S. 174, Anm. 585 zitiert werden, noch Kettenhofens entsprechenden Beitrag EncIr 7, 1996, S. 616-619 heranziehen können, der eine ausführliche Bibliography enthält.

 

Martin Schottky, Pretzfeld