Heike Niquet: Monumenta virtutum
titulique. Senatorische Selbstdarstellung im spätantiken Rom im Spiegel der epigraphischen
Denkmäler. Stuttgart: Steiner 2001 (Heidelberger Althistorische Beiträge und
Epigraphische Studien 34). 351 S. 8 Taf. DM 114. ISBN 3515074430
Die vorliegende, in
Heidelberg bei G. Alföldy angefertigte Dissertation hat den Vorteil, daß hier auf ein
immenses Inschriftenmaterial zurückgegriffen wird, da die Verf. an der Neuedition
spätantiker Senatoreninschriften im Band CIL VI 8,3 selbst beteiligt war und während
mehrerer Studienaufenthalte in Rom in der Inschriftenkartei des dortigen Istituto
Epigrafico Einsicht in sämtliche Druckfahnen dieses Bandes nehmen konnte, welche die Tituli
magistratuum populi Romani ordinum senatorii equestrisque behandelt. So lag es nahe,
die senatorische Selbstdarstellung aufgrund der inschriftlichen Denkmäler zum Gegenstand
einer eigenen Arbeit zu machen, eine Einschränkung, die gewiß nötig war, da genügend
Studien allgemeiner Art zu dieser Thematik existieren (Chastagnol, Eck, Schlinkert, Näf
usw.). Außerdem wird durch die Beschränkung auf die Spätzeit und noch dazu auf Rom eine
Schärfung der Ergebnisse erreicht, auch wenn sich bei der Aufgliederung in zahlreiche
Einzelpunkte Wiederholungen nicht vermeiden lassen. Schließlich gewinnt die Verf. eine
Legitimierung für ihr Bemühen um eine systematische Auswertung der epigraphischen
Zeugnisse zur Erzielung objektiver Kriterien noch dadurch, daß das Negativprofil
Ammians aus seinen beiden Romexkursen (18,628,4) in der Forschung noch immer
vorherrschend ist: Eitle Selbstdarstellung und degenerierter Lebenstil der führenden
Schicht werden dort bekanntlich einer idealisierten Vergangenheit gegenübergestellt.
Im ersten Teil
werden verschiedene Aspekte für die Errichtung senatorischer Ehren- und Grabmonumente von
den Aufstellungsorten bis zum eigentlichen Ablauf der Statuensetzung erörtert. Hierbei
wird bei den Orten eine klare Scheidung getroffen zwischen Plätzen (Forum Romanum,
Kaiserfora bes. Trajansforum), einem halböffentlichen Raum, wozu auch die domus
stadtrömischer Senatsmitglieder gerechnet werden, da dort Privatsphäre und
Öffentlichkeit ineinander übergehen, und Begräbnisstätten. Bei letzteren wird als
auffallender Unterschied herausgehoben, daß weder die heidnischen Grabmonumente noch die
Gräber christlicher Senatoren, die sich gerne in der Nähe von Heiligen (St. Peter, St.
Paul) bestatten ließen, ein größeres Publikum erreichten als die Denkmäler in
öffentlichen Anlagen, so daß wohl eher an eine Selbstbestätigung der Toten zu denken
sei, worauf auch das gelegentliche völlige Fehlen von Rangtiteln schließen lasse. Was
die Größe der Statuen betrifft, so ragen naturgemäß die Monumente für Kaiser, aber
auch für verdiente Heermeister wie Stilicho und Aëtius auf dem Forum Romanum bzw. dem
Trajansforum über alle anderen hinaus (bis zu zweifacher Lebensgröße), die zudem durch
aufwendiges Material (Gold, Silber) herausragten. Ebenso materialreich sind die Angaben
über Mehrfachehrungen (für Stilicho in Rom nicht weniger als drei Ehrungen, für den
älteren Symmachus Statuen in Rom und Konstantinopel), über Ablauf einer statuarischen
Ehrung (Zustimmung von Kaiser und Senat mit entsprechender Begründung, etwa bei der
Rehabilitation des älteren Nicomachus Flavianus) und schließlich über das Phänomen der
Wiederverwendung von Statuen, wofür in der Spätantike eine sprunghafte Zunahme zu
verzeichnen ist, selbst bei Denkmälern für Kaiser und Stadtpräfekten auf dem Forum
Romanum. Eigene Wege schlägt die Verf. bei der Frage nach den Gründen für die erneute
Verwendung ein, da nach ihrer Meinung alle bisherigen Erklärungsmodelle (wirtschaftliche
Krisen, Mangel an Rohmaterial, zeitliche Bedrängnis, ideologischer Anschluß an
Vorgänger und Traditionen) nicht ausreichten und durch Gegenbeispiele widerlegt werden
könnten, z. B. durch das wertvolle Material bei christlichen Sarkophagen. Im Anschluß an
eine Vermutung von F. Kolb (Die Stadt im Altertum, München 1984, 201f.) spricht N(iquet)
aufgrund zunehmender Gleichgültigkeit bei den Inschriftenträgern, etwa in der
nachlässigen Form und Zeilenführung der Buchstaben, von mentalen Veränderungen bzw.
einem Wandel im ästhetischen Denken, der mit der Verfestigung neuer Denk- und
Handlungsmuster selbst im Sepulkralbereich einhergehe. Hier hätte man sich freilich noch
mehr konkrete Belege gewünscht als nur einige vage Hinweise auf Augustinus und Gregor von
Nyssa. Außerdem sind die bekannten Erklärungen nicht durchweg von der Hand zu weisen, z.
B. beim Konstantinsbogen in Rom, dessen Errichtung unter erheblichem Zeitdruck stand.
In dem nicht minder
umfangreichen zweiten Teil über die Selbstdarstellung in Ehren- und Grabinschriften
beschäftigt sich die Verf. zunächst (bei Nomenklatur und Rangtiteln) mit den seltsamen
Namen aus Ammians zweitem Romexkurs (28,4,7), z.B. Reburri, Flavonii, Pagonii usw., die in
dieser Form sonst nirgendwo belegt sind. Hinter ihnen möchte sie (anstatt bloßer
Verschreibungen) eine ironisierend-satirische Absicht des Autors erkennen, da damit
Assoziationen an berühmte Ahnen verbunden sein könnten (ähnlich wie bei manchen
Andeutungen in der Historia Augusta). Natürlich bleibt dies eine reine
Spekulation. Immerhin läßt sich auch in der Epigraphik kein einheitliches Verfahren bei
Familiennamen ausmachen, zumal sich außer bei bekannten Namen wie z. B. Symmachus,
Flavianus, Orfitus, Petronius eine Tendenz zur Einnamigkeit feststellen läßt. Außerdem
ist bekannt, daß seit etwa 300 n. Chr. man auch offiziell auf den Gebrauch von Praenomina
verzichtete. Der Abschnitt über den cursus honorum behandelt die senatorische
Ämterlaufbahn vom 4. bis zum 6. Jh., wo sich eine nur unvollständige bzw. vage
Aufzählung von Ämtern in den Ehreninschriften feststellen läßt, sowie mit der
Darstellung von Einzelleistungen, wo ein blumiger Wortreichtum in den Widmungsinschriften für manche
Stadtpräfekten einen merkwürdigen Kontrast mit sehr sachlichen und nüchternen Texten
bildet. Das Tugendlob in senatorischen Ehren- und Grabinschriften ist weitgehend
gekennzeichnet von einer Kontinuität altrömischer Wertvorstellungen, von bewußter
Stilisierung und wenig klaren Aussagen über das Individuum, wobei es zumeist dem Leser
überlassen wird, das Standardrepertoir (als Vorbild für künftige Amtsträger) im
einzelnen zu dechiffrieren. Hervorzuheben ist allerdings ein gewisser Unterschied in
Grabinschriften zwischen einem mehr traditionellen, weltlich paganen Standesideal bei
Heiden und einer gewissen Abkehr von der diesseitigen Welt bei Christen, was sich etwa im
Verzicht auf die Wiedergabe des vollständigen cursus honorum manifestiert.
Ahnenstolz und Bewährung im Staatsdienst verloren für den Verstorbenen an der Schwelle
vom Diesseits zum Jenseits ihre Bedeutung, was sehr gut an der Grabinschrift für den
christlichen Stadtpräfekten Iunius Bassus vom Jahr 359 auf dessen prächtigem
Marmorsarkophag abgelesen werden kann. Aufschlußreich sind auch die Ausführungen über
den hohen Stellenwert der Bildung als Standesideal, so besonders bei Gerichtsrednern und
Lehrern der Beredsamkeit, aber auch schon bei Kindern und Jugendlichen. Die besten
Beispiele hierfür sind die Beischriften orator disertissimus für den jüngeren
Symmachus und historicus disertissimus für Nicomachus Flavianus, den Verfasser
eines (verlorenen) Geschichtswerkes namens Annales. Bei der Behandlung des
wichtigen Themas Religion und Selbstdarstellung hebt N. mit Nachdruck hervor, daß
christliche Bau- und Votivinschriften sich in Formular und Aufbau keineswegs von ihren
heidnischen Äquivalenten unterscheiden, woraus klar wird, daß heidnische wie christliche
Senatoren auf denselben heidnischen Wertekanon zurückgriffen. Diese Übertragbarkeit des
Formulars, die auf die Geschlossenheit des ordo senatorius insgesamt schließen
läßt, ist angesichts des ganz anderen Bildes in den literarischen Quellen besonders
wichtig, da dort auch eine beiderseitige scharfe Polemik deutlich wird, z.B. in dem
bekannten Gedicht Ad quendam senatorem oder dem Carmen contra paganos. Auf
diesen Gegensatz hätte noch mehr Wert gelegt werden können. Auch die Frauen erhalten ein
eigenes Kapitel. Dabei ergibt sich, daß in den Inschriften das bereits im ersten
nachchristlichen Jahrhundert standardisierte weibliche Ideal noch immer gepriesen wird.
Angesichts der unveränderten Rechtstellung der Frauen in der Spätantike ist auch von
dieser Seite her wenig Platz für individuelle Züge. Ihr Tugendlob gilt noch immer der
Familie, die sie repräsentieren, und ihrem ordo, als dessen würdige
Vertreterinnen sie sich zu erweisen haben. Hier reiht sich auch die aktive Rolle ein, die
Fabia Aconia Paulina, die Gattin des Praetextatus, in den orientalischen Kulten spielte,
da diese auch ihr Gatte pflegte. Auf christlicher Seite hätte man freilich noch manche
Beispiele anführen können (Paula, Marcella, Proba usw.), die eben doch individuelle
Züge zeigen (vgl. dazu aus letzter Zeit die beiden Bücher von C. Krumeich: Hieronymus
und die feminae clarissimae, Bonn 1993 und bes. von G. Disselkamp: Christiani
senatus lumina, Bodenheim 1997). Anschließend werden die Errichtung und
Instandhaltung von Großbauten und Platzanlagen in den Inschriften in den Blick genommen.
Hierbei geht es neben Plätzen um Thermen, Nymphäen, Theater (einschließlich des
Kolosseums), Aquädukte, Brücken und am Rande sogar um Kirchen. Dabei ist auffallend, wie
sehr man in der alten Reichshauptstadt am Tiber unter Führung der Stadtpräfekten den
Verlust an politischer Macht durch ein sorgfältiges Konservieren des früheren
Baubestandes wettzumachen suchte, das bekanntlich bis in die Zeit Theoderichs andauerte.
Einen informativen Überblick bietet die Verf. dem Leser über die weniger bekannten
Plätze, etwa über das Forum Sibidii (in der Nähe der heutigen Piazza Navona), mit ihrem
ausgedehnten Statuenprogramm und über ähnliche nur durch Inschriften bekannte kleinere,
auf privatem Grund angelegte Forumsanlagen. Etwas seltsam mutet am Ende der Satz von der
Dämonisierung der heidnischen Götterstatuen durch die Christen und dem Beharren
auf ihrer unbedingten Vernichtung an, da doch im gleichen Atemzug auf
gegenteilige christliche Äußerungen z.B. von Prudentius verwiesen wird. Es gibt im
übrigen genügend weitere Stimmen, die einen solchen apodiktischen Satz in Frage stellen
(vgl. z. B. K. L. Noethlichs, RAC XVI, 1991, 1151 ff. s. v. Heidenverfolgung). Mehrfach
ist auch die Rede von der Entfernung der Victoriastatue aus dem Senatssaal in Rom zur Zeit
des Symmachus. Es war jedoch der Altar, der in diesen Jahren entfernt wurde, nicht die
Statue, die sich dort noch in der Zeit Claudians befand (vgl. S. Döpp: Zeitgeschichte in
Dichtungen Claudians, Wiesbaden 1980, 26 ff.).
Wertvoll sind nach
der Schlußbetrachtung die beiden Anhänge, einmal über die postumen Grab- und
Gedenkmonumente für Praetextatus und Paulina, den auf allen vier Seiten beschrifteten
Grabaltar und das verlorene Ehrenmonument vom Palatin (mit erhaltenem Text), sowie die
Ahnengalerie eines Anicius Acilius Glabrio Faustus auf dem Forum Sibidii.
Das Buch ist ein gutes Beispiel dafür, was die Epigraphik für die weitere Erforschung der Alten Geschichte leisten kann, zumal wenn ein derart reiches Material vorhanden ist. Im vorliegenden Fall besteht ein wichtiges Ergebnis darin, daß eine Relativierung verzerrter literarischer Urteile gelungen ist.
Richard Klein,
Wendelstein