Tomas Hägg, Philip Rousseau (Hrsgg.):
Greek Biography and Panegyric in Late Antiquity. Berkeley u.a.: University of California
Press 2000. XII, 288 S. $ 30,00 ISBN
0-520-22388-8
Die in diesem Sammelband vorgelegten Beiträge gehen, mit
einer Ausnahme, auf ein 1996 an der Universität Bergen gehaltenes Symposion zurück.Im
Zentrum steht die Frage, welche Rolle griechische biographische und panegyrische Werke in
der Spätantike beim Übergang zu einer christlichen griechischen Kultur in der Zeit
zwischen 250 und 450 spielten. In der von den beiden Herausgebern verfaßten Einleitung
Biography and Panegyric (128) wird zunächst ein Überblick über die
Entwicklung der beiden Formen gegeben, ausgehend vom Euagoras des Isokrates, in dem sich
Bios und Enkomium verbinden. Der Preis des Gefeierten, der Bios als Exemplum und die
Steigerung der Reputation des Autors sind von Anfang an wesentliche Charakteristika der
Form. Die Anfänge der eigentlichen Biographie werden ebenfalls im 4. Jh. im Kontext der
Sokrates-Literatur gesehen. Die von Xenophon in seinem Agesilaos gewählte Zweiteilung
(Darstellung des Lebenslaufs und Darstellung des Charakters) wird wesentliches Merkmal
auch der christlichen Hagiographie und ist in der von Athanasius verfaßten
Lebensbeschreibung des Antonius deutlich faßbar. Der Preis des Verstorbenen und die
Steigerung der eigenen Reputation sind in der Grabrede, die Gregor von Nazianz auf
Basilius von Caesarea gehalten hat, aufs engste verknüpft. Einen für die weitere
Entwicklung der Form bedeutenden Zug zeigt Xenophons Kyrupädie: Die Darstellung von
Erziehung und Bildung, mit der notwendigen Ergänzung unhistorischer Details, wird zur
Darstellung von Idealen, die der Gefeierte später selbst verwirklichen wird. Während
aber Hinzufügungen oder Weglassungen des Panegyrikers durch die Zuhörerschaft
kontrolliert werden können, fehlt beim Biographen eine derartige Kontrolle durch die
Leser.
An diese allgemeinen Ausführungen schließt sich ein
substanzreicher chronologischer Überblick über die in diesem Band behandelten Texte an,
der zugleich die wichtigsten
Das einzig namhafte Beispiel einer historisch-politischen
Biographie ist die Vita Constantini des Eusebius, die eine Mischung zwischen
historischer Dokumentation und Kaiserpanegyrik darstellt. Wie einige 20 Jahre später
Athanasius in seinem Leben des Antonius, entwickelt Eusebius bestimmte biographische Topoi
(charismatische physische Erscheinung; Beschreibung von Krankheit und Tod). Bemerkenswert
sind in der Vita des Antonius die umfangreichen direkten Reden, die etwa ein Viertel des
ganzen Textes ausmachen. Darin unterschiedet sich diese Biographie deutlich von einem
Panegyrikos. In einer gewissen Konkurrenzsituation zur Antonius-Vita steht die des
Pachomius. Im Vergleich mit ihr wird das
Kunstvolle der Antonius-Vita erst recht deutlich. Demgegenüber zeigen die Biographien des
Gregor von Nyssa je eine individuelle Gestalt. Die Grabrede des Gregor von Nazianz auf
Basilius hat alle formalenEigentümlichkeiten eines Panegyrikos, der sich zu einer typisch
biographischen Haltung öffnet. Als Gregor von Nazianz in Konstantinopel als Bischof
zurücktritt, erscheint dort der Stadtpräfekt Themistios, dessen Meisterschaft in der
Panegyrik ihn mit Gregor verbindet. Am Ende dieses Jahrhunderts findet sich als neue Form
die kollektive Biographie, die anonyme Geschichte der Mönche in Ägypten und die
Lebensbeschreibungen des Eunapius. Sie stehen in einer losenTradition mit den Vitae
Parallelae des Plutarch, mit Diogenes Laertius und den Sophistenviten des Philostrat.
Auch Nepos und Sueton hätten in diesem Zusammenhang genannt werden können, wie
überhaupt für die Spätantike die lateinische literarische Tradition nicht so ohne
weiteres vernachlässigt werden sollte, auch wenn sich das Werk dezidiert mit der
griechischen Biographie beschäftigt. Mit der ursprünglich griechisch oder syrisch
geschriebenen Vita des Rabbula, Bischofs von Edesse begegnet die Übertrtagung der genuin
griechischen Form als ein Bild in Wörtern (an icon in words), das
der Nachahmung dienen soll. Sie ist zugleich ein Beispiel für die kulturelle Übertragung
in der Spätantike, die traditionelle Formen mit neuem Inhalt erfüllt.
Weitere Themen der Einleitung sind u.a. das Problem des
Realismus, die Beziehung zwischen Zuhörerschaft und Gegenstand sowie zwischen
Zuhörerschaft und Text, das Verhältnis von Darstellung und Leser- bzw. Hörererwartung,
auch unter dem Aspekt traditioneller Werte und der Darstellung eines neuen Menschenbildes.
Als eine mögliche Antwort auf die Frage: "Wie soll ein
Philosoph leben?" sieht Gillian Clark die Pythagoras-Biographien des Iamblich und
Porphyrius und die Plotin-Vita des Porphyrius (2951). Obwohl als Teile eines
größeren Werkes konzipiert, werden diese Viten gemeinhin als selbständige Biographien
interpretiert. Für Clark stehen jedoch die protreptische Funktion und die neuplatonische
Diskussion zwischen Porphyrius und Iamblich über die Beziehung des Menschen zu Gott, wie
sie sich auch im Brief an Anebo einerseits und der Schrift über die ägyptischen
Mysterien andererseits darstellt, im Mittelpunkt der Untersuchung. Die beiden
Pythagoras-Schriften stützen sich offensichtlich auf das gleiche Material, seine
Verwendung bei Iamblich einerseits und Porphyrius andererseits zeigt jedoch bemerkenswerte
Unterschiede, ebenso gegenüber Plotin, wie sich auch diese drei Philosophen in ihrem
Verhältnis zum Christentum und in ihrem sozialen Verhalten eines
philosophisch-asketischen Lebens unterscheiden.
Der Vita Plotini allein ist der Beitrag von M. J.
Edwards Birth, Death, and Divinity in Porphyrys Life of Plotinus
gewidmet. Absicht der Vita sei es, den Leser einzuweihen in ein Geheimnis, das zu
Lebzeiten Plotins seinen Schülern und Gegnern noch verborgen war und das Porphyrius erst
kurz vor der Publizierung der Schriften Plotins erkannt habe (53): Porphyrys
protagonist is intended to be, not merely a pagan saint, but a pagan Christ (54). Ob
allerdings die von Edwards aus der Vita Plotini und anderen Texten beigezogenen
Stellen diesen Schluß zulassen, darf bezweifelt werden.
Unter dem Titel Form and Meaning vergleicht Averil
Cameron die Vita Constantini und die Vita Antonii. Die Vita Constantini
wird verstanden als ein Fürstenspiegel für die Söhne Konstantins, die Vita Antonii zeigt
die Überlegenheit des Heiligen gegenüber dem herrscherlichen Willen und seine
heldenhafte Opposition gegen den Arianismus (73f.). Insofern sind beide Werke
außerordentlich verschieden. Vergleichbar sind sie jedoch hinsichtlich der allmählichen
geoffenbarten Erkenntnis, in der Auseinandersetzung mit dämonischen Mächten, in der
Darstellung von Zeichen und Wundern, in der Funktion der Helden als Lehrende und in ihrer
Haltung den Heiden gegenüber, in ihrem Eintreten für die Orthodoxie und schließlich in
ihrer äußerlichen Erscheinung und in ihrem Sterben. Insofern ist auch die Vita
Constantini nicht so sehr Geschichtswerk als Heiligenvita (82) mit didaktischer und
apologetischer Tendenz. Trotz zahlreicher Beziehungen zu verschiedenen Textsorten sind
beide Werke innovativ in der kreativen Adaption vorgegebener Muster (86).
Die Lehrerrolle des Antionius in der Art eines
neupythagoreischen Philosophen stellt Philip Rousseau in den Mittelpunkt seiner
Betrachtung mit dem Titel Antony as Teacher in the Greek Life. Seine
jugendliche Abneigung gegen gemeinsamen Unterricht wird als Vorform asketischen Lebens
verstanden, in dem er die Gemeinde seiner Anhänger durch einen fortwährenden Dialog
verband (93). Gegenseitige mündliche Ermunterung zeigt auch die in die Vita
eingelegteRede an die Mönche. Während an den heidnischen Philosophen ihre Neigung zu
Syllogismen und Sophismen kritisiert wird, verstehen
sich Antonius und seine Anhänger als Lehrer des Glaubens (98). Weitere Überlegungen
gelten den Fragen nach Vorlagen des Athanasius für seine Antonius-Vita und der mit der
Abfassung verbundenen Absicht.
Einer größeren Gruppe von Texten wendet sich Samuel Rubenson
mit seinem Beitrag Philosophy and Simplicity. The Problem of Classical Education in
Early Christian Biography zu. Ebenfalls
ausgehend vom Anfang der Antonius-Vita stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von
antiker Bildung und einfacher christlicher Offenbarung: Vertrauen auf klassische Bildung
war gefährlich für die Reinheit des Evangeliums. Und
weiter: Konnte man mit griechisch-heidnischer Bildung ein Heiliger sein? (113)
Eine Antwort gewinnt Rubenson aus der Untersuchung, wie Erziehung in Biographien des
vierten Jahrhunderts dargestellt wird. So wird Antonius von Anfang an als ein natürlicher
und schlichter Mensch gezeichnet im Gegensatz zu den gebildeten Philosophen seiner Zeit.
Sein Wissen beruht nicht auf menschlichen Quellen, sondern er ist belehrt von Gott (118).
Der Einfluß der Antonius-Vita zeigt sich in den Biographien des Hieronymus, wenn auch
seine Darstellungsabsicht eine andere als die des Athanasius ist: Dieser schreibt zur
Nachahmung, jener erzählt eine Geschichte (120). So hat etwa die Vita des Malchus mehr
gemein mit einem Roman als mit einer traditionellen Heiligenvita. Klassische Bildung
spielt in den Viten des Paulus und Hilarion eine Rolle und ist mit dem Ideal christlicher
Askese vereinbar, ist aber in der Markus-Vita ohne Bedeutung (123). Kein Einfluß der
Antonius-Vita ist dagegen auf die Viten des Gregor von Nyssa festzustellen, aber die Frage
nach der Stellung der weltichen Erziehung ist eine zentrale (125). So erfährt Macrina
eine christliche Erziehung und Moses ist in der ägyptischen und der griechischen Weisheit
erzogen, doch wächst er über diese hinaus und kehrt er zu seinen Ursprüngen zurück
(127). Die Vita des Pachomius wiederum stellt diesen als abgesondert von der Welt der
griechischen Kultur dar (132). Christliche Bildung als die Lösung des Konflikts zwischen
Philosophie und Schlichtheit geht von den Randzonen der klassischen Paideia aus und formt
diese um; die Christen entwickeln kein eigenes Schulsystem (136).
Drei Beiträge sind der Grabrede des Gregor von Nazianz für
Basilius den Großen gewidmet. Frederick W. Norris (Your Honor, My Reputation)
stellt die Frage nach der Rolle von Rhetorik und Geschichte in diesem Text, David Konstan
(How to Praise a Friend) stellt die Rede in den Kontext des antiken und
christlichen Verständnisses von Freundschaft und Jostein Børtnes (Eros
Transformed: Same-Sex Love and Divine Desire) untersucht das erotische Vokabular des
Textes. Norris gibt zunächst einen kurzen Überblick über die Bewertung Gregors durch
die Byzantiner und die moderne Forschung, über sein Verhältnis zur antiken Rhetorik und
Logik (Aristoteles) und sein Verständnis von Theologie (142 a probability
science). Die Rede zeigt Gregors raffinierte Rhetorik und bietet gleichzeitig in dem
Idealbild eines Bischofs eine recht zuverlässige Quelle für dessen Leben (155), will
also sowohl den Freund ehren wie auch (als Subtext) den eigenen Ruhm steigern. Gregors
Leistung wird (nach Kennedy) verstanden als Verbindung von hellenistischer Kultur und
christlichem Glauben (152).
David Konstan profiliert seine Fragestellung im Vergleich mit
der Rede des Gregor von Nyssa, des Bruders des Basilius, mit der Gregor von Nazianz in
Konkurrenz tritt, und mit weiteren Eulogien der beiden Autoren. Die von Kennedy und Norris
konstatierte Synthese von klassischer Rhetorik und Christentum in der Rede des Gregor von
Nazianz erkennt auch Konstan in Gregors
klassischem Freundschaftsverständnis: Er übernimmt die heidnische Tradition, um
christliche Werte zu verherrlichen (176).
Jostein Børtnes geht von den bei Gregor erscheinenden
Begriffen für sein Verhältnis zu Basilius aus. Er zeigt dabei, wie Gregor in seiner
epideiktischen Rede (einem Genos, das nach der zitierten Auffassung von Lausberg sich von
der Dichtung nur durch das Fehlen des Metrums unterscheidet) wie ein Dichter seine
Beziehung zu Basilius nach einem platonischem Modell von philia darstellt, das er mit
Hilfe des erotischen Vokabulars seiner Rhetorik in seine Rede einführt (183).
Vier Reden des Themistius (Nr. 20, 34,
30 und 33) bespricht Robert J. Penella (The Rhetoric of Praise in the Private
Orations of Themistius). Als eine der
bedeutendsten politischen Persönlichkeiten Konstantinopels in der 2. Hälfte des 4. Jh.
verstand sich doch Themistius selbst als Philosoph und sah die Rhetorik als Mittel zur
Verbreitung philosophischer Wahrheiten (194). Penella zeigt, daß es Themistius auch in
den eher privaten Enkomien um mehr als nur das Lob des Gefeierten geht. So wird im
Epitaphios auf den Vater Eugenius (or. 20) auch die eigene intellektuelle Kultur des
Themistius sichtbar, seine philosophische Position der Unterordnung Platons unter
Aristoteles im Gegensatz zu neuplatonischen Positionen ebenso wie die Breite seiner
literarischen Bildung (198). Die apologetische Rede Nr. 34 verbindet mit der Panegyrik des
Kaisers die Rolle des Philosophen in einem öffentlichen Amt. Auch der Preis der
Landwirtschaft (or. 30) beschränkt sich nicht auf das reine Enkomium, sondern ist nach
Penella einerseits auch ein Lob des Vaters und seiner Hochschätzung der Landlebens als
Refugium des Philosophen, andererseits eine politische Aufforderung zur Intensivierung der
Landwirtschaft auf dem Balkan (202f.). Für die unvollständig erhaltene Rede Nr. 33 wird
nach dem Beispiel anderer Privat-Reden ein enkomiastischer Teil auf Constantius (II.)
postuliert und damit die Rede auf Anfang 360 datiert.
Den beiden Sammelbiographien, den Vitae philosophorum et
sophistarum des Eunapius und der anonymen Historia monachorum, ist der
umfangreiche Beitrag von Patricia Cox Miller (Strategies of Representation in
Collective Biography. Constructing the Subject als
Holy) gewidmet. Sie werden eingeordnet in
die Textsorte der spätantiken kollektiven Biographie, ausgehend von den Parallel-Viten
Plutarchs. Im Wandel von der Biographie zur Hagiographie verliert sich die parallele
vergleichende Darstellung verschiedener Typen und Charaktere zugunsten eines wiederholt
dargestellten Ideals menschlicher Identität, a series of icons that function as
anthropological images, repeatedly picturing understandings of human identity in such a
way as to bring out the religious vision of the collection as a whole (229).
Mit dem Beitrag von G. W. Bowersock The Syriac Life of
Rabbula and Syrian Hellenism wird der Bereich der griechischen Literatur verlassen.
Die Vita erzählt Leben und Taten des Bischofs Rabbula von Edessa am Anfang des 5. Jh. Es
ist das realistische geschichtliche und topographischeUmfeld, das neben allen
hellenistischen Einflüssen diese Vita als Zeitdokument bedeutungsvoll macht.
Jedes Kapitel schließt mit einem eigenen
Literaturverzeichnis, in dem die englischsprachigen Untersuchungen dominieren. Neuere
deutsch-, französisch- oder italienischsprachige Forschungsliteratur wird nur
ausnahmsweise zur Kenntnis genommen. Durch eine Zusammenfassung am Schluß des Bandes
hätten wiederholte Nennungen vermieden werden können. Ein General Index und ein Index
locorum beschließen den ertragreichen Band.
Joachim Gruber, Erlangen-München