Gesellschaft für
Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern (Hrsg.): Von Augustus bis
Attila. Leben am ungarischen Donaulimes, Stuttgart: Theiss 2000 [Schriften des
Limesmuseums Aalen 53], 131 S., zahlr. Abb., DM 29,80, ISBN 3 8062 1541 3
Zur
Sonderausstellung des Ungarischen Nationalmuseums Budapest "Von Augustus bis
Attila", die bis Januar 2002 in Konstanz, Heidelberg und im Limesmuseum Aalen gezeigt
wird, liegt ein sorgfältig ausgestattetes Begleitbuch vor. Der einleitende historische
Überblick skizziert die Geschichte Pannoniens von der Besetzung des Gebietes unter
Tiberius an. Er wird vertieft durch das Kapitel über "Pannonien und die römischen
Kaiser", in dem die Bedeutung der Tätigkeit römischer Kaiser in diesem Gebiet
gezeigt wird. Hervorzuheben ist die Rolle Hadrians, der während seiner Statthalterschaft
in Pannonia inferior den Bau des Palastes des Statthalters in Aquincum begann und während
seiner Regierungszeit das Städtewesen der Provinz weiter förderte (19). Unter Mark Aurel
gewannen im Zusammenhang mit den Markomannenkriegen die pannonischen Einheiten besondere
Bedeutung, so daß unter den Severern Pannonien sich "zur militärisch wichtigsten
Provinz des Imperiums" (20) entwickelte. Nicht wenige Befehlshaber dieser Kontingente
in den Donauprovinzen wurden auf den Kaiserthron gehoben. Ausgewählte Textzeugnisse
(erfreulich: lateinisch und deutsch) dokumentieren das Ansehen dieser Kaiser bei den
Zeitgenossen.
Die seit den
Kämpfen Mark Aurels immer wieder vom Norden und Osten her bedrohten Donauprovinzen
bedurften natürlich eines besonderen Grenzschutzes. Dem Ausbau dieses Grenzschutzes und
den Binnenkastellen sind die beiden folgenden Kapitel gewidmet. Ihre Erforschung ist noch
im Fluß, wie die wiederholt formulierten Forschungsdesiderate zeigen (besonders 23 und
28). An den Bautypen der Verteidigungsanlagen läßt sich deutlich die zunehmende
Gefährdung der Provinzen ablesen: Die Ausdehnung der Lagerfläche und Ummauerung wird
reduziert, verstärkt den Geländeverhältnissen angepaßt, bis schließlich in einer
letzten Phase um die Wende vom 4. zum 5. Jh. turmartige Kleinkastelle errichtet wurden.
Ausdruck der strategischen Reform des Verteidigungswesens mit Aufstellung eines mobilen
Heeres in der 2. Hälfte des 4. Jh. sind die großen Binnenkastelle als Standlager der comitatenses
wie auch als Nachschubbasen für die Grenztruppen (35).
Mit
bemerkenswerten Einzelfunden beschäftigen sich die folgenden Kapitel, zunächst mit
verschiedenen Helmtypen, die Ausdruck sich wandelnder Kampftechniken darstellen.
Besprochen wird ein Typus, der im 3./4. Jh. in Pannonien in Gebrauch war. Der Tuba aus
Zsámbék, einem der wenigen im Original erhaltenen römischen Blasinstrumente, gilt ein
weiterer Beitrag [Das Enniuszitat (140 Vahlen) lautet korrekt at tuba terribli
(nicht horribili) sonitu taratantara dixit]. Eine Zusammenstellung der
Ziegelstempel gibt Auskunft über die Truppenstandorte im ungarischen Teil Pannoniens; die
Dokumente reichen bis in die Regierungszeit Valentinians I. Römische Militärbauten
finden sich aber nicht nur in der Provinz, sondern auch im Barbaricum, entweder als
provisorische Marschlager seit der Zeit des Tiberius. Von besonderem Interesse sind dabei
die seit Ende des 3. Jh. entstandenen Festungen am linken Donauufer wie Contra Aquincum
und die Anlagen zur Abgrenzung sarmatischen Siedlungsgebietes (51). Besonders die
Errichtung von Militäranlagen unter Valentinian ist vergleichbar den Maßnahmen, die
unter diesem Kaiser an der Rheingrenze getroffen wurden und die durch Ausonius und
Symmachus bezeugt sind. Daß die sog. burgi auch als Getreidespeicher benutzt
wurden (52), bezeugt ebenfalls Ausonius (Mosella 457 non castra, sed horrea). Die
Abschnitte über Römische Straßen in Ungarn und einen Meilenstein aus Savaria leiten
über zu den Kapiteln über Handel (durch gute Abbildungen spätantiker Gefäße
dokumentiert), Römische Gutshöfe (informativ: die Grundrisse der verschiedenen
Villentypen), Tierhaltung, Nichtstädtische Siedlungen und Stadtentwicklung in Pannonien.
Trotz verschiedener Untersuchungen sind zum Städtewesen in Pannonien noch zahrleiche
Fragen offen: Rechtsstellung v.a. kleinerer Städte, Zuordnung literarisch bezeugter civitates.
Handwerk, Kunst, Religion, Bestattungswesen und Tracht (mit Rekonstruktion) sind weitere
Themen, die durch ansprechende Abbildungen illustriert werden. Das Silber- und
Goldschmiedehandwerk konnte sich auf bedeutende Edelmetallvorkommen im Grenzgebiet
zwischen Pannonien und Dalmatien stützen (84). Die dokumentierten Gegenstände sind
besonders der Spätantike zu zurechnen. Dabei hätte man gerne noch mehr über die
charakteristischen spätantiken Stilformen erfahren: Das Perlreihenmotiv wird als typisch
spätkaiserzeitlich erwähnt (88), auf die figural verzierten Kästchen und ihre auch
christliche Thematik wird näher eingegangen (85). Auch die Münzstätten in Siscia und
Sirmium werden in diesem Zusammenhang gewürdigt. Bei der spätrömischen Keramik wird
besonders auf anthropomorphe Gefäße verwiesen (89); dazu vermißt man eine Abbildung.
Besonderes Interesse verdient das Deckengemälde aus Brigetio, das mit seiner Darstellung
der kosmischen Weltordnung eine eindrucksvolle Ergänzung und Illustration entsprechender
literarischer Texte bedeutet. Die als "pythagorisch" (sic!) bezeichnete
Auffassung vom pyr technikón (94) ist jedoch stoisch (Zenon SVF I, Nr. 120); das Feuer
wird dabei als künstlerisch-schöpferische Substanz verstanden. Unter den Dokumenten für
die verschiedenen Kulte sind die rätselhaften Votivtafeln der sog. Donauer Pferdegötter
mit einer Mischung aus Motiven verschiedener Kulte hervorzuheben. Ihre endgültige Deutung
steht noch aus. Bei den Bestattungsriten sind die Wagenbestattungen und die
Mumifizierungen als Besonderheiten zu notieren (110ff.), die Verbreitung der Hügelgräber
ist übersichtlich dokumentiert. Ein Literatur- und Autorenverzeichnis beschließt den
Band, der eine anschauliche Einführung in die römerzeitliche Vergangenheit des heutigen
Ungarn bietet.
Zusammenfassung:
Der Band lädt dazu ein, einen Blick in die antike Provinz Pannonien zu tun, in der gerade
nach der Provinzteilung in Pannonia Prima, Savia, Valeria und Pannonia Secunda auch in der
Spätantike noch eine bedeutende römische Präsenz zu verzeichnen ist. Gleichzeitig
dokumentiert er die über hundert Jahre alte archäologische Erforschung des sog.
Donaulimes.
Joachim Gruber,
Erlangen-München