Der Titel und vor allem der Untertitel von John Currans [1] Buch erinnert an Werke wie Frank Kolbs "Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike" (München 1995), Konrad Krautheimers "Rome. The Profile of a City, 312-1308" (Princeton 1980) [2] oder Ferdinand Gregorovius' "Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter vom V. bis XVI. Jahrhundert". Doch wird die mit dieser Assozation verbundene Erwartung nur teilweise erfüllt, denn Curran befaßt sich nur im ersten Teil mit der topographischen Situation in Rom, der zweite Teil ist vor allem der römischen Gesellschaftsstruktur in der Spätantike gewidmet.
Curran beginnt im ersten Kapitel (3-42) mit der städtebaulichen Entwicklung Roms unter
Septimius Severus und seinen Söhnen, den Bauten auf dem Forum Romanum (namentlich dem
Triumphbogen für den Parthererfolg) und den Tempeln für Gottheiten, die aus dem Orient
nach Rom gebracht worden waren.[3] Es
folgen die für das öffentliche Vergnügen bestimmten Bauten, also die Thermen (besonders
natürlich die Caracalla-Thermen) und die Baumaßnahmen für den Circus Maximus. Damit ist
auch die Richtung der weiteren Betrachtung vorbereitet, denn die kaiserliche Präsenz im
Stadtzentrum und im Circus sowie die religiöse Dimension der Herrschaft sind die Aspekte,
die Curran besonders interessieren. Das gilt auch für die zwei Aspekte, die über die
eigentlich topographischen Fragen hinaus reichen, nämlich die im Lauf des 3. Jahrhunderts
zunehmende Stellenwert des Militärs in Rom, insbesondere der Praetorianer, sowie die
Entwicklung der stadtrömischen christlichen Gemeinden, die sich - abgesehen von der
Verfolgung unter Decius in der Mitte des Jahrhunderts - bis zu Diocletians Regierungszeit
relativ unbehelligt wissen konnten. So hatte sich am Ende des 3. Jahrhunderts ein
ausgedehntes Netzwerk von Gebäuden für den Gottesdienst und von Friedhöfen etabliert.
Damit ist der Grundstein für die drei topographischen Hauptkapitel gelegt, die sich mit
Maxentius, Konstantin und der nachkonstantinischen Christianisierung Roms
auseinandersetzen.
Nachdem Rom unter dem durch Diokletian initiierten tetrarchischen
System an Hauptstadtfunktion und -prestige eingebüßt hatte, stellte Maxentius durch
seine Bauaktivitäten wieder die urbs Roma demonstrativ in den Mittelpunkt des
Interesses (43-69). Neben der Fortführung älterer Maßnahmen und dem weiteren Ausbau des
Palatin zur Residenz waren es vor allem die Bauten im Bereich der Velia, die Neugestaltung
des monumentalen Tempels der Venus und Roma und die nicht minder monumentale Basilica, die
das Zentrum Roms prägten. Ergänzt wurden diese Maßnahmen durch die suburbane Villa an
der Via Appia. Leider faßt sich Curran hier recht kurz. Denn daß Maxentius dabei auch
einen Circus baute, der mit seinen gut 10000 Zuschauerplätzen zwar keine echte Konkurrenz
zum Circus Maximus darstellte, aber immerhin groß genug war, um mehr als nur eine private
Vergnügungsstätte zu sein, war ein Bruch mit einer langewährenden Tradition.
Die Bedeutung der Spiele im römischen Circus Maximus auch in der
Spätantike, die Curran im zweiten Teil des Buches erörtert (218-259), sowie die
Tatsache, daß Konstantin in der nach ihm benannten Stadt kein Äquivalent zum Colosseum
schuf, wohl aber mit dem von ihm ausgebauten Hippodrom ein Gegenstück zum Circus Maximus
etablieren ließ, hätten zu genauerer Betrachtung einladen können. Offenbar gehört der
Circus zur Inszenierung von Herrschaft, während die dem Colosseum zugeordneten Spiele
eher zur Selbstdefinition der Bürgerschaft beitrugen. Dafür spricht etwa, daß für den
Circus Maximus nach der Mitte des 4. Jahrhunderts (nach dem Besuch des Constantius in Rom)
keine Baumaßnahmen belegt sind, während das Colosseum bis ins 6. Jahrhundert instand
gehalten wurde.[4]
Es schließt sich das nach Meinung des Rezensenten beste Kapitel
an: "Constantine and Rome: the context of innovation" (70-115). Curran zeigt,
wie Konstantin systematisch daran ging, das Andenken an den besiegten Rivalen Maxentius im
Stadtzentrum von Rom auszulöschen. Schon mit dem Einzug nach dem Sieg an der Milvischen
Brücke (einer Mischung aus Siegesparade und kaiserlichem adventus) hatte er diesen
Anspruch angemeldet. Sodann usurpierte er die von Maxentius begonnene Basilica, indem er
dort seine eigene Kolossalstatue aufstellen ließ, auf der er - in paganer Tradition - mit
einer Victoria repräsentiert war. Demonstrativ ließ er auch Baumaßnahmen am Circus
Maximus vornehmen, um dem jüngst errichteten Circus des Maxentius (s.o.) an der
römischen Peripherie die Aufmerksamkeit zu entziehen. Schließlich widmet sich Curran
ausführlich dem Triumphbogen des Konstantin beim Colosseum und der vieldiskutierten
Inschrift, allerdings noch ohne die neuesten archäologischen Diskussionen um die
Baugeschichte zu kennen.[5] Er zeigt, daß die
Verengung des Blickes auf die Inschrift und die Wendung instinctu divinitatis
defizitär ist (90f.): The Arch of Constantine was a particularly complex and balanced
piece of late antique propaganda. The most important message which it conveyed was that it
commemorated Constantine as the conqueror of Maxentius, defined as a tyrant. Constantine
was consequently the liberator of Rome. Only one element in the whole structure was
duplicated exactly: the inscription which announced these facts. Anscheinend in einem Spannungsverhältnis zu diesen
traditionellen Formen herrscherlicher Repräsentation stehen die neu hinzugekommenen
Bauten für christliche Zwecke, vor allem natürlich die Laterans- und Petersbasilica, die
nicht im Zentrum Roms, sondern in den Randbezirken errichtet wurden. Diese Tatsache wurde
bisweilen so gedeutet, daß Konstantin nicht die traditionalistisch-paganen Kreise vor den
Kopf stoßen wollte und deshalb in weniger prominente Bezirke ausgewichen sei. Vielmehr
aber, so Curran, habe Konstantin mit seinen Bauten multiple Ziele verfolgt: Mit der
Lateransbasilica habe er das Quartier von Maxentius' Elitetruppen einer neuen Bestimmung
zugeführt, die Kirchenbauten an der Peripherie hätten durch ihre Monumentalität die
Ebenbürtigkeit seiner Aktivitäten mit denen seiner imperialen Vorgänger beweisen
sollen, zugleich aber auch der Notwendigkeit, hinreichenden Raum für christliche
Begräbnisstätten zu schaffen, Rechnung getragen. Die Peterskirche habe zugleich dem
Repräsentationsbedürfnis des Kaisers gedient, konnte er sich doch in eine Reihe mit
Christus und Petrus stellen und sich als deren aktueller Repräsent stilisieren. Damit ist
eine überzeugende Interpretation von Konstantins Umgang mit der römischen Topographie
vorgelegt. Den Abschluß der Topographie-Sektion bildet der
Überblick über die Christianisierung des römischen Stadtbildes zwischen 337 und 384
(116-157), also zwischen Konstantins Tod und der Zeit des Theodosius bzw. dem Tod des
Damasus. Im wesentlichen konzentrierten sich die Aktivitäten abermals auf die römische
Peripherie, da dort die kaiserlichen Besitzungen lagen, deren man sich leichter bedienen
konnten. Versuche, im Stadtzentrum selbst Fuß zu fassen, blieben mit Sant'Anastasia und
den Basilicen der Bischöfe Marcus und Julius die Ausnahme. Eine besonders wichtige Rolle
spielte dabei Papst Damasus, nicht nur wegen seiner Baumaßnahmen, sondern vor allem wegen
seiner Gedichte, in denen er ein umfassendes Bild der Stadt Rom als eines christlichen
Terrains entwarf und damit den Anspruch auf Inbesitznahme nachdrücklich anmeldete.[6]. Allerdings hätte man sich hier die Einbeziehung
weiterer literarischer Quellen, etwa der Gedichte des Prudentius, gewünscht, die solcher
poetischen Usurpation den Eindruck der Singularität genommen hätten. Im Kapitel "Paganism, Christianity and the
Imperial Celebrations in the Circus Maximus During the Fourth Century" (218-259)
greift Curran nochmals Gedanken zusammenfassend auf, die schon im Topographie-Teil eine
Rolle gespielt hatten. Es zeigt sich auch hier, daß die schematische Scheidung
"christlich - pagan" nicht durchzuhalten ist. Vielmehr machten auch dem
Christentum zuzurechnende Kaiser von traditionellen Formen monarchischer Repräsentation,
namentlich den Zirkusspielen, Gebrauch, um ihre Herrschaft publikumswirksam darzustellen
und auf diese Weise zu legitimieren. Daß der Circus eigentlich eng mit der traditionellen
heidnischen Vorstellungswelt verbunden war, blieb dabei unbeachtet, da es in Anbetracht
des erzielten öffentlichen Effekts vernachlässigbar erschien. Das letzte Kapitel führt dann weg von der Dichotomie
"Heidentum - Christentum" und hin zu innerchristlichen Konflikten: "Jerome,
Ascetism, and the Roman Aristocracy, AD 340-410" (260-320). Unter dem Einfluß des
Hieronymus kam es auch in der christlichen stadtrömischen Nobilität zu asketischen
Bestrebungen, die zwar einen zahlenmäßig nur kleinen Kreis erfaßten (namentlich belegt
sind zehn Fälle), aber zu heftigen Abwehrreaktionen führten. Denn die Ablehnung des
ererbten Reichtums und die Aufkündigung der Familienbande ließen die moderateren
Christen in Rom erschrecken. Die Krise der römischen Aristokratie, die zunächst durch
solche Konversionen, sodann durch die Verwüstung Rom durch Alarich im Jahre 410 bewirkt
wurde, wurde im 5. Jahrhundert durch die gemeinsamen Bemühungen zur Wiederherstellung der
Stadt überwunden. Curran schließt mit einer kurzen Betrachtung
"Towards an understanding of 'Christianization' in Rome" (321-323), einer Art
von Zusammenfassung. Der Anhang umfaßt 32 Abbildungen (die man lieber im fortlaufenden
Text zur Hand hätte), eine ausführliche Bibliographie (erfreulicherweise sind auch
nicht-englische Titel recht zahlreich vertreten) sowie ein Namens- und Sachregister. Zusammenfassung: Alles in allem ist hier eine
instruktive Darstellung der wichtigen Epoche des Übergangs von einem selbstverständlich
paganen zu einem selbstverständlich christlichen Rom vorgelegt. Manchmal verstrickt sie
sich zwar ein wenig zu sehr in die Diskussion außerrömischer Vorgänge (und verläßt
damit ihr eigentliches Thema), aber letztlich entsteht ein plastisches Bild, das zu
weiterem Nachdenken anregt und dazu einlädt, künftig auch die pagane und christliche
Literatur in Rom in die Betrachtung einzubeziehen. Anmerkungen [1] http://www.qub.ac.uk/cah/jrcurran.htm
Nach diesem ersten Teil "Topography" unternimmt es Curran in der zweiten Hälfte
des Buches, in drei systematischen, in sich chronologisch angeordneten Kapiteln der
gesellschaftlichen Struktur näherzukommen. Da er aber weder den Anspruch erhebt noch den
Versuch unternimmt, ein vollständiges Bild der Gesellschaft des 4. Jahrhunderts zu
vermitteln, wirken die drei Kapitel ein wenig beliebig. Es beginnt mit der rechtlichen
Stellung der paganen Kulte ("The Legal Standing of the Ancients Cults of Rome",
161-217). Es zeigt sich, daß nicht der Kampf gegen das Heidentum die Hauptstoßrichtung
der christlichen Herrscher war, sondern (wie schon in den Jahrhunderten zuvor) das
Vorgehen gegen magische Praktiken, Schadenszauber und Wahrsagerei. Dagegen läßt sich
kein geradliniges Vorgehen gegen die Anhänger der alten Religion feststellen. Erst
Theodosius schuf die Instrumentarien, mit denen dann ab dem 6. Jahrhundert auch personale
Verfolgungen möglich wurden. Zuvor hatten sich die Edikte, die oftmals nicht konsequent
durchzuhalten waren, nicht so sehr gegen die private Religiosität gerichtet, sondern
frühere Privilegien der Kulte generell beseitigt.
Ulrich Schmitzer
uhschmit@phil.uni-erlangen
Universität Erlangen-Nürnberg
http://www.phil.uni-erlangen.de/~p2latein/personal/ushome.html
[2] dt. unter dem Titel: "Rom.
Schicksal einer Stadt 312-1308" (München 1987).
[3] Siehe den Überblick bei A.
Scheithauer: Kaiserliche Bautätigkeit in Rom. Das Echo in der antiken Literatur.
Stuttgart 2000. 183-203.
[4] Siehe R. Rea, LTUR I (1993) 30-45, s.v.
Amphitheatrum; P.C. Rossetto, ibd., 272-277, s.v. Circus Maximus.
[5] P. Pensabene; C. Panella: Arco di Costantino tra
archeologia e archeometria. Roma 1999.
[6] Siehe jetzt auch U. Reutter: Damasus, Bischof
von Rom (366-384). Leben und Werk. Diss. Jena 1999.