John Curran: Pagan City and Christian Capital. Rome in the Fourth Century. Oxford: Oxford University Press, 2000 (Oxford Classical Monographs). XX, 389 S. £ 48.00. ISBN 0-19-825278-7.

Der Titel und vor allem der Untertitel von John Currans [1] Buch erinnert an Werke wie Frank Kolbs "Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike" (München 1995), Konrad Krautheimers "Rome. The Profile of a City, 312-1308" (Princeton 1980) [2] oder Ferdinand Gregorovius' "Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter vom V. bis XVI. Jahrhundert". Doch wird die mit dieser Assozation verbundene Erwartung nur teilweise erfüllt, denn Curran befaßt sich nur im ersten Teil mit der topographischen Situation in Rom, der zweite Teil ist vor allem der römischen Gesellschaftsstruktur in der Spätantike gewidmet.


Curran beginnt im ersten Kapitel (3-42) mit der städtebaulichen Entwicklung Roms unter Septimius Severus und seinen Söhnen, den Bauten auf dem Forum Romanum (namentlich dem Triumphbogen für den Parthererfolg) und den Tempeln für Gottheiten, die aus dem Orient nach Rom gebracht worden waren.[3] Es folgen die für das öffentliche Vergnügen bestimmten Bauten, also die Thermen (besonders natürlich die Caracalla-Thermen) und die Baumaßnahmen für den Circus Maximus. Damit ist auch die Richtung der weiteren Betrachtung vorbereitet, denn die kaiserliche Präsenz im Stadtzentrum und im Circus sowie die religiöse Dimension der Herrschaft sind die Aspekte, die Curran besonders interessieren. Das gilt auch für die zwei Aspekte, die über die eigentlich topographischen Fragen hinaus reichen, nämlich die im Lauf des 3. Jahrhunderts zunehmende Stellenwert des Militärs in Rom, insbesondere der Praetorianer, sowie die Entwicklung der stadtrömischen christlichen Gemeinden, die sich - abgesehen von der Verfolgung unter Decius in der Mitte des Jahrhunderts - bis zu Diocletians Regierungszeit relativ unbehelligt wissen konnten. So hatte sich am Ende des 3. Jahrhunderts ein ausgedehntes Netzwerk von Gebäuden für den Gottesdienst und von Friedhöfen etabliert. Damit ist der Grundstein für die drei topographischen Hauptkapitel gelegt, die sich mit Maxentius, Konstantin und der nachkonstantinischen Christianisierung Roms auseinandersetzen.

Nachdem Rom unter dem durch Diokletian initiierten tetrarchischen System an Hauptstadtfunktion und -prestige eingebüßt hatte, stellte Maxentius durch seine Bauaktivitäten wieder die urbs Roma demonstrativ in den Mittelpunkt des Interesses (43-69). Neben der Fortführung älterer Maßnahmen und dem weiteren Ausbau des Palatin zur Residenz waren es vor allem die Bauten im Bereich der Velia, die Neugestaltung des monumentalen Tempels der Venus und Roma und die nicht minder monumentale Basilica, die das Zentrum Roms prägten. Ergänzt wurden diese Maßnahmen durch die suburbane Villa an der Via Appia. Leider faßt sich Curran hier recht kurz. Denn daß Maxentius dabei auch einen Circus baute, der mit seinen gut 10000 Zuschauerplätzen zwar keine echte Konkurrenz zum Circus Maximus darstellte, aber immerhin groß genug war, um mehr als nur eine private Vergnügungsstätte zu sein, war ein Bruch mit einer langewährenden Tradition.

Die Bedeutung der Spiele im römischen Circus Maximus auch in der Spätantike, die Curran im zweiten Teil des Buches erörtert (218-259), sowie die Tatsache, daß Konstantin in der nach ihm benannten Stadt kein Äquivalent zum Colosseum schuf, wohl aber mit dem von ihm ausgebauten Hippodrom ein Gegenstück zum Circus Maximus etablieren ließ, hätten zu genauerer Betrachtung einladen können. Offenbar gehört der Circus zur Inszenierung von Herrschaft, während die dem Colosseum zugeordneten Spiele eher zur Selbstdefinition der Bürgerschaft beitrugen. Dafür spricht etwa, daß für den Circus Maximus nach der Mitte des 4. Jahrhunderts (nach dem Besuch des Constantius in Rom) keine Baumaßnahmen belegt sind, während das Colosseum bis ins 6. Jahrhundert instand gehalten wurde.[4]

Es schließt sich das nach Meinung des Rezensenten beste Kapitel an: "Constantine and Rome: the context of innovation" (70-115). Curran zeigt, wie Konstantin systematisch daran ging, das Andenken an den besiegten Rivalen Maxentius im Stadtzentrum von Rom auszulöschen. Schon mit dem Einzug nach dem Sieg an der Milvischen Brücke (einer Mischung aus Siegesparade und kaiserlichem adventus) hatte er diesen Anspruch angemeldet. Sodann usurpierte er die von Maxentius begonnene Basilica, indem er dort seine eigene Kolossalstatue aufstellen ließ, auf der er - in paganer Tradition - mit einer Victoria repräsentiert war. Demonstrativ ließ er auch Baumaßnahmen am Circus Maximus vornehmen, um dem jüngst errichteten Circus des Maxentius (s.o.) an der römischen Peripherie die Aufmerksamkeit zu entziehen. Schließlich widmet sich Curran ausführlich dem Triumphbogen des Konstantin beim Colosseum und der vieldiskutierten Inschrift, allerdings noch ohne die neuesten archäologischen Diskussionen um die Baugeschichte zu kennen.[5] Er zeigt, daß die Verengung des Blickes auf die Inschrift und die Wendung instinctu divinitatis defizitär ist (90f.):

    The Arch of Constantine was a particularly complex and balanced piece of late antique propaganda. The most important message which it conveyed was that it commemorated Constantine as the conqueror of Maxentius, defined as a tyrant. Constantine was consequently the liberator of Rome. Only one element in the whole structure was duplicated exactly: the inscription which announced these facts.

Anscheinend in einem Spannungsverhältnis zu diesen traditionellen Formen herrscherlicher Repräsentation stehen die neu hinzugekommenen Bauten für christliche Zwecke, vor allem natürlich die Laterans- und Petersbasilica, die nicht im Zentrum Roms, sondern in den Randbezirken errichtet wurden. Diese Tatsache wurde bisweilen so gedeutet, daß Konstantin nicht die traditionalistisch-paganen Kreise vor den Kopf stoßen wollte und deshalb in weniger prominente Bezirke ausgewichen sei. Vielmehr aber, so Curran, habe Konstantin mit seinen Bauten multiple Ziele verfolgt: Mit der Lateransbasilica habe er das Quartier von Maxentius' Elitetruppen einer neuen Bestimmung zugeführt, die Kirchenbauten an der Peripherie hätten durch ihre Monumentalität die Ebenbürtigkeit seiner Aktivitäten mit denen seiner imperialen Vorgänger beweisen sollen, zugleich aber auch der Notwendigkeit, hinreichenden Raum für christliche Begräbnisstätten zu schaffen, Rechnung getragen. Die Peterskirche habe zugleich dem Repräsentationsbedürfnis des Kaisers gedient, konnte er sich doch in eine Reihe mit Christus und Petrus stellen und sich als deren aktueller Repräsent stilisieren. Damit ist eine überzeugende Interpretation von Konstantins Umgang mit der römischen Topographie vorgelegt.

Den Abschluß der Topographie-Sektion bildet der Überblick über die Christianisierung des römischen Stadtbildes zwischen 337 und 384 (116-157), also zwischen Konstantins Tod und der Zeit des Theodosius bzw. dem Tod des Damasus. Im wesentlichen konzentrierten sich die Aktivitäten abermals auf die römische Peripherie, da dort die kaiserlichen Besitzungen lagen, deren man sich leichter bedienen konnten. Versuche, im Stadtzentrum selbst Fuß zu fassen, blieben mit Sant'Anastasia und den Basilicen der Bischöfe Marcus und Julius die Ausnahme. Eine besonders wichtige Rolle spielte dabei Papst Damasus, nicht nur wegen seiner Baumaßnahmen, sondern vor allem wegen seiner Gedichte, in denen er ein umfassendes Bild der Stadt Rom als eines christlichen Terrains entwarf und damit den Anspruch auf Inbesitznahme nachdrücklich anmeldete.[6]. Allerdings hätte man sich hier die Einbeziehung weiterer literarischer Quellen, etwa der Gedichte des Prudentius, gewünscht, die solcher poetischen Usurpation den Eindruck der Singularität genommen hätten.
 
Nach diesem ersten Teil "Topography" unternimmt es Curran in der zweiten Hälfte des Buches, in drei systematischen, in sich chronologisch angeordneten Kapiteln der gesellschaftlichen Struktur näherzukommen. Da er aber weder den Anspruch erhebt noch den Versuch unternimmt, ein vollständiges Bild der Gesellschaft des 4. Jahrhunderts zu vermitteln, wirken die drei Kapitel ein wenig beliebig. Es beginnt mit der rechtlichen Stellung der paganen Kulte ("The Legal Standing of the Ancients Cults of Rome", 161-217). Es zeigt sich, daß nicht der Kampf gegen das Heidentum die Hauptstoßrichtung der christlichen Herrscher war, sondern (wie schon in den Jahrhunderten zuvor) das Vorgehen gegen magische Praktiken, Schadenszauber und Wahrsagerei. Dagegen läßt sich kein geradliniges Vorgehen gegen die Anhänger der alten Religion feststellen. Erst Theodosius schuf die Instrumentarien, mit denen dann ab dem 6. Jahrhundert auch personale Verfolgungen möglich wurden. Zuvor hatten sich die Edikte, die oftmals nicht konsequent durchzuhalten waren, nicht so sehr gegen die private Religiosität gerichtet, sondern frühere Privilegien der Kulte generell beseitigt.

Im Kapitel "Paganism, Christianity and the Imperial Celebrations in the Circus Maximus During the Fourth Century" (218-259) greift Curran nochmals Gedanken zusammenfassend auf, die schon im Topographie-Teil eine Rolle gespielt hatten. Es zeigt sich auch hier, daß die schematische Scheidung "christlich - pagan" nicht durchzuhalten ist. Vielmehr machten auch dem Christentum zuzurechnende Kaiser von traditionellen Formen monarchischer Repräsentation, namentlich den Zirkusspielen, Gebrauch, um ihre Herrschaft publikumswirksam darzustellen und auf diese Weise zu legitimieren. Daß der Circus eigentlich eng mit der traditionellen heidnischen Vorstellungswelt verbunden war, blieb dabei unbeachtet, da es in Anbetracht des erzielten öffentlichen Effekts vernachlässigbar erschien.

Das letzte Kapitel führt dann weg von der Dichotomie "Heidentum - Christentum" und hin zu innerchristlichen Konflikten: "Jerome, Ascetism, and the Roman Aristocracy, AD 340-410" (260-320). Unter dem Einfluß des Hieronymus kam es auch in der christlichen stadtrömischen Nobilität zu asketischen Bestrebungen, die zwar einen zahlenmäßig nur kleinen Kreis erfaßten (namentlich belegt sind zehn Fälle), aber zu heftigen Abwehrreaktionen führten. Denn die Ablehnung des ererbten Reichtums und die Aufkündigung der Familienbande ließen die moderateren Christen in Rom erschrecken. Die Krise der römischen Aristokratie, die zunächst durch solche Konversionen, sodann durch die Verwüstung Rom durch Alarich im Jahre 410 bewirkt wurde, wurde im 5. Jahrhundert durch die gemeinsamen Bemühungen zur Wiederherstellung der Stadt überwunden.

Curran schließt mit einer kurzen Betrachtung "Towards an understanding of 'Christianization' in Rome" (321-323), einer Art von Zusammenfassung. Der Anhang umfaßt 32 Abbildungen (die man lieber im fortlaufenden Text zur Hand hätte), eine ausführliche Bibliographie (erfreulicherweise sind auch nicht-englische Titel recht zahlreich vertreten) sowie ein Namens- und Sachregister.

Zusammenfassung: Alles in allem ist hier eine instruktive Darstellung der wichtigen Epoche des Übergangs von einem selbstverständlich paganen zu einem selbstverständlich christlichen Rom vorgelegt. Manchmal verstrickt sie sich zwar ein wenig zu sehr in die Diskussion außerrömischer Vorgänge (und verläßt damit ihr eigentliches Thema), aber letztlich entsteht ein plastisches Bild, das zu weiterem Nachdenken anregt und dazu einlädt, künftig auch die pagane und christliche Literatur in Rom in die Betrachtung einzubeziehen.  
 


Anmerkungen


[1] http://www.qub.ac.uk/cah/jrcurran.htm
[2] dt. unter dem Titel: "Rom. Schicksal einer Stadt 312-1308" (München 1987).
[3] Siehe den Überblick bei A. Scheithauer: Kaiserliche Bautätigkeit in Rom. Das Echo in der antiken Literatur. Stuttgart 2000. 183-203.
[4] Siehe R. Rea, LTUR I (1993) 30-45, s.v. Amphitheatrum; P.C. Rossetto, ibd., 272-277, s.v. Circus Maximus.
[5] P. Pensabene; C. Panella: Arco di Costantino tra archeologia e archeometria. Roma 1999.
[6] Siehe jetzt auch U. Reutter: Damasus, Bischof von Rom (366-384). Leben und Werk. Diss. Jena 1999.