M.J. Hollerich: Eusebius of Caesarea's Commentary on Isaiah. Christian Exegesis in the Age of Constantine, Oxford: Clarendon 1999, ISBN 0-19-826368-6.

M.J. Hollerich behandelt in seiner Studie den Jesajakommentar des Eusebius von Caesarea. Neben exegetischen Fragestellungen versucht der Verf. zu zeigen, wie Eusebius vor allem des Verhaeltnis von Judentum und Christentum in der Konstantinischen Zeit beschreibt und theologisch durchdringt.

Vorliegende Studie von M.J. Hollerich (H.) zum Jesajakommentar des Eusebius von Caesarea basiert auf dessen Dissertation The Godly Polity in the Light of Prophecy: A Study of Eusebius of Caesarea's Commentary on Isaiah (Diss. Chicago 1986). Der älteste vollständig erhaltene Kommentar zu Jesaja des Eusebius widmet sich vor allem der Frage, wie sich das Christentum im Verhältnis zum Judentum definieren kann, wobei H. in seiner Studie deutlich macht, daß Eusebius gegenüber seinen Vorgängern wie Justin (Dialogus cum Tryphone) oder Origenes (z. B. Homilien zu Jesaja, Contra Celsum, De principiis) durchaus eigene Wege geht. Entsprechend dieser Fragestellung behandelt H. nach der einleitenden Darstellung des Forschungsstandes (1-18) ausführlich die Bereiche Datierung, Inhalt, ‘Vorläufer’ des Eusebius, Jesaja in anderen Werken des Eusebius und die grundlegenden theologischen Ideen im Jesajakommentar des Eusebius (19-66). Vor allem die Überlegungen von H. zur Datierung dieser Schrift sind sehr aufschlußreich: Am besten sei der Jesajakommentar in der Zeit zu situieren, als Kaiser Konstantin Alleinherrscher war (19-26); Eusebius interpretiert dabei Jesaja – neben der historischen Ebene – für die gegenwärtigen Bedürfnisse der Kirche; die historische Gemeinschaft, Zion oder Jerusalem, von der Jesaja spricht, müsse der neuen Situation der Kirche unter Konstantin und dessen Bemühen um die Einheit des Reiches entsprechen (vgl. 201). Detailliert und kenntnisreich widmet sich der Verf. exegetischen Fragestellungen (67-102) sowie den Themen "Göttlicher Staat" (103-130), "Stellung des Judentums" (131-164) und "Kirche als politeuma" (165-203). Anhand eines Beispiels soll gezeigt werden, wie H. in Einzelheiten die Bedeutung der eusebianischen Position herausstreicht: Wie in der vorausgehenden Tradition bezieht Eusebius Jes 7,14 als messianische Weissagung auf Christus (vgl. Ecl. IV 4; Is I 44), aber er liefert darüber hinaus auch eine auf das historische Israel bezogene Deutung mit textkritischen Überlegungen, die Eusebius aus der alexandrinischen Tradition übernimmt (z. B. Origenes). Nach Eusebius sei die Form kalésousi in Mt 1,23 ungenau, vielmehr müsse wie im hebräischen Text zu Jes 7,14 die zweite Person Singular stehen; denn die Prophezeihung beziehe sich auf den König Ahas von Israel; es handle sich um einen Trost an Israel in der geschichtlichen Situation des syrisch-ephraimitischen Krieges (historischer Sinn). Die völlige Erfüllung der Weissagung sei jedoch erst im Kommen des Erretters (Christus) geschehen (vgl. 52f). Bei dieser Interpretation wird deutlich, daß Eusebius bei seinem exegetischen Vorgehen versucht, die hebräische Version der Bibel heranzuziehen, und zwar in der Form der Tetrapla des Origenes; denn nach Hieronymus (Comm. Is. prol.) benutzte Eusebius nie die fünfte und sechste Version, die Origenes in seiner Hexapla anführte. H. macht dabei deutlich, daß Eusebius nur dann auf den Masoretentext in der Umschrift des Origenes zurückgreift, wenn die ihm zur Verfügung stehenden griechischen Versionen (Aquila, Symmachus, Theodotion, Septuaginta) kaum voneinander abweichen; bei Differenzen in der Textgestalt entscheidet sich Eusebius mit Aquila meist gegen die LXX (70-86). Dieses Beispiel zeigt, daß H. gerade auch durch Einzelüberlegungen das umfassendere Ziel nie aus dem Auge verliert, wie nämlich das Verhältnis von Judentum und Christentum in den Augen des Eusebius zu bestimmen ist. Vorliegende Studie stellt somit eine grundlegende Arbeit dar, die den weiteren Dialog zwischen beiden Religionen weiter anregen könnte, und zwar gerade aus einer historischen Perspektive heraus. Zwar scheint Eusebius das Verhältnis von Judentum und Christentum mit einem Substitutionsmodell zu beschreiben: Der einst gottesfürchtige Wandel der Juden sei jetzt in der Kirche der Heiden anzutreffen (vgl. Is II 35 [313,2-4 Ziegler]). Ersetzt damit aber die Kirche faktisch die Synagoge, wie die ältere apologetische Tradition betonte (z. B. Justin)? Eusebius hebt jedoch deutlich hervor, daß die Ämter der Juden wie König, Prophet, Hoherpriester nicht etwa in der Kirche aufgehoben sind, sondern in Christus (vgl. h.e. I 3,8); diese Ämter werden zwar in der Kirche ausgeübt, sie sind jedoch kein Besitztum der Kirche, wie Eusebs Interpretation der diokletianischen Verfolgung zeigt (vgl. h.e. VIII 1,7-9). Somit geht Euseb über das ältere Substitutionsmodell hinaus, insofern Christus zum Korrektiv der Kirche wird; die Universalität umgreift auch die Synagoge. Vorliegende Studie von M.J. Hollerich kann also, wie die obigen weiterführenden Überlegungen zeigen, nicht nur dazu beitragen, Eusebs Theologie weiter zu verdeutlichen, sondern sie kann darüber hinaus auch den interreligiösen Dialog anregen.

Thomas Böhm (München)